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Der Kommandant des Tower 4

Der-Kommandant-des-TowerDer Kommandant des Towers
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Erstes Buch
Das Testament Heinrichs VIII.
Viertes Kapitel

Wie die Absichten Wriothesleys und Gardiners durch der Königin Schlauheit vereitelt wurden

Gleich darauf wurde eine Flügeltür, die mit der Galerie in Verbindung stand, durch zwei Lakaien weit aufgerissen, und ein Herold mit einem Stab in der Hand und in goldglitzerndem Gewand trat ein, um das Herannahen des Königs zu melden. Einen Augenblick später erschien Heinrich langsam und mit großer Mühe sich fortbewegend, auf die Schultern des Sir Thomas Seymour und eines anderen, kräftig gebauten Mannes gestützt, der augenscheinlich so stark war, dass er den schwerfällig unbehilflichen Monarchen wohl allein hätte emporheben können, wenn derselbe gefallen wäre.

Sir John Gage – denn er war die robuste Gestalt zur Rechten des Königs – hatte ein militärisches Aussehen und die straffe soldatische Haltung. Dass er gedient hatte, sah man außerdem an den Säbelnarben auf seiner Wange und Stirn. Seine Züge waren schön, aber von starrem, seltsam finsterem Ausdruck. Sein Bart war kohlschwarz und nach unten etwas zugespitzt. Er trug ein Wams von rotbrauner Seide, einen pelzverbrämten Mantel von derselben Farbe und ein gelbbraunes Beinkleid. Er war mit Stoßdegen und Dolch bewehrt, und unter dem linken Knie trug er den Hosenbandorden. Im Jahre 1540, bald nach Cromwells Sturz, zum Oberbefehlshaber der Besatzung und zum Kommandanten des Towers ernannt, wurde er später auch der Haushofmeister des Königs, zu dessen voller Zufriedenheit er diese wichtigen Ämter verwaltete. Sein raues, derb offenes Benehmen und die Furchtlosigkeit seiner Rede, welche in so ausfallendem Kontrast zu der servilen Unterwürfigkeit der übrigen Höflinge standen, gefielen Heinrich, der wohl eine von der seinen abweichende Meinung ertragen konnte, wenn er nur, wie im vorliegenden Fall, von der Ehrlichkeit dessen, welcher sie aussprach, fest überzeugt war.

Der König blieb einen Augenblick an der Türschwelle stehen, um seine Kraft etwas zu sammeln, und während dieser Pause suchte Lady Herbert angstvoll in seinen Zügen zu lesen. Aber nichts Günstiges stand auf diesem aufgedunsenen, leichenhaften Antlitz geschrieben. Er war in ein faltiges Gewand von hochrotem Samt gehüllt, das mit Gold gestickt, mit Grauwerk verbrämt und so lang und weit war, dass es seine feiste Person völlig verbarg. Wenn aber Lady Herbert in Heinrichs unerforschlichen Zügen nichts Beruhigendes zu entdecken vermochte, so schöpfte sie doch Hoffnung aus einem bedeutungsvollen Blick ihres Bruders und flüsterte der Königin zu, indem sie sich anscheinend bemühte, dieselbe aufzurichten: »Fasst Mut, hohe Frau! Alles geht gut.«

Mithilfe der ihn unterstützenden Männer setzte sich Heinrich noch einmal in Bewegung und näherte sich langsam dem Ruhebett, auf welchem Katharina, von ihren Frauen umringt, allem Anschein nach in bewusstlosem Zustand lag. Hinter ihm kam Doktor Butts. Der König war nicht weit gegangen, als er schon vor Mattigkeit und Atemlosigkeit stehen blieb. Sobald er sich etwas erholte, befahl er Butts, nach der Königin zu sehen und ihre geräuschvoll klagenden Frauen fortzuschicken.

Als er sich Katharina näherte, begriff der Arzt sofort die List, welche dem König gegenüber angewandt worden war. Aber weit entfernt, dieselbe zu verraten, unterstützte er im Gegenteil nach besten Kräften die Täuschung. Indem er die Königin an eine Phiole riechen ließ, heftete er seine Augen verständnisvoll auf sie, als sie aus ihrer Betäubung erwachte, gleich als wollte er sie befragen, wie er handeln sollte.

»Es geht Eurer Majestät etwas besser«, sagte er.

»Ihr verschwendet Eure Kunst an mir, guter Doktor«, antwortete Katharina mit schwacher Stimme. »Mein Ende ist nahe. Nichts als die Verzeihung meines Königs vermag mich wieder zu beleben, und die werde ich nimmer erhalten. Ein freundliches Wort von ihm würde meinen Todeskampf lindern und mich mit meinem Geschick versöhnen. Da ich ihn aber nicht sehen darf, so sagt ihm, lieber Herr, dass ich ihn segnend gestorben bin, dass ich ihm wissentlich niemals ungehorsam war, und dass das Bewusstsein, ihn, wenn auch unabsichtlich, verletzt zu haben, mir das Herz gebrochen hat.«

»Madame, Eure Worte haben schon das Ohr des Königs erreicht«, erwiderte Butts, »und sind ohne Zweifel günstig aufgenommen worden.«

»Ja, Käthen«, sprach Heinrich, »ich komme her, um dich leben zu heißen.^

»Eure Majestät hier!«, rief die Königin aus und erhob ein wenig das Haupt. »Dann werde ich in der Tat beruhigt sterben.«

»Sprich nicht vom Sterben«, entgegnete er. »Unser Arzt wird dir wieder aufhelfen.«

»Ein paar Worte von Euren Lippen, mein gnädigster Herr, werden mehr bewirken, als all meine Kunst vermag«, sagte Butts.

»Richtet mich auf, ich bitte Euch«, wandte sich Katharina an den Arzt und Lady Herbert, »dass ich mich dem König zu Füßen werfe und ihn um seine Verzeihung anstehe.«

»Nein, bei unserer himmlischen Dame, das ist nicht Not, Käthen«, rief der König mit einiger Freundlichkeit. »Setzt mir einen Stuhl neben die Königin«, fügte er hinzu, »und geleitet mich dahin. Nun, Käthe«, fuhr er fort, als sein Geheiß erfüllt worden war. »Du siehst also deinen Irrtum ein und bereust ihn, – he?«

»Von ganzer Seele, mein gnädigster Herr und Gemahl«, gab sie zur Antwort. »Aber während ich meinen Fehler bekenne und demütig Eure Vergebung erstehe, muss ich notwendig sagen, dass ich aus Ungeschick, nicht mit Absicht geirrt habe. Nur zum Schein wagte ich Eurer Majestät zu widersprechen. Ich disputierte nur, um Euch zum Gespräch zu verlocken, sowohl um selbst aus Euren lichtvollen und überzeugenden Belehrungen Nutzen zu ziehen, als auch um Euch für eine Weile den Schmerz Eurer Krankheit vergessen zu machen. Ich tat das auf Antrieb des Doktors Butts, der meine Angaben bestätigen wird.«

»Gewiss«, versetzte der Arzt. »Ich riet Ihrer Hoheit, mit Eurer Majestät zu disputieren, – ja, Euch zu widersprechen – in der Hoffnung, Eure Gedanken dadurch von Euch selbst abzulenken und Euch eine kurze Erholung zu gewähren.«

»Dann bist du der wahre Schuldige, Butts«, schrie der König. »Bei dem Kreuz des Erlösers! Wenn ich nicht deiner bedürfte, solltest du mir für deine Torheit büßen. In dieser Sache sei dir aufrichtig verziehen, Käthe, aber es sind noch andere Punkte da, welche der Aufklärung bedürfen. Bist du eine Sektiererin oder Sakramentiererin? Hast du Briefe und verbotene Bücher von Anna Askew empfangen?«

»Woher kommt diese Anklage, Sire?«, erwiderte Katharina.

»Von meinen Todfeinden, dem Lordkanzler und dem Bischof von Winchester. Lasst sie die Anschuldigung wider mich beweisen, und ich will mich ohne Murren jeder Strafe unterwerfen, die Eure Majestät über mich verhängen mag. Aber ich trotze ihrer Bosheit.«

»Genug!«, rief Heinrich aus. »Du hast all meine Zweifel entfernt, und wir sind wieder die besten Freunde. Gib dich zufrieden, Käthe, gib dich zufrieden! Du sollst an deinen Feinden zur Genüge gerächt werden. Ich schwöre es Dir – bei meinem Haupt!«

»Nein, ich bitte Eure Majestät, ihnen nicht zu zürnen«, sagte die Königin. »Ich bin so glücklich, mich wieder von Euch geliebt zu sehen, dass ich keinen Rachegedanken zu hegen vermag. Verzeiht ihnen, ich bitte Euch.«

»Sie verdienen nicht deinen Edelmut, Käthe«, versetzte Heinrich. »Dir aber ist dein Anteil an dieser Sache nicht verziehen, Butts«, fuhr er fort. »Sieh zu, dass du die Königin rasch wieder herstellst. Sieh zu, dass sie nicht durch diesen unglücklichen Vorfall leidet. Sieh wohl zu, sage ich!«

»Jetzt befürchte ich nichts mehr, mein gnädigster Fürst«, erwiderte Butts. »Eure Majestät hat sich als der beste Arzt von uns beiden bewiesen. Bei der Behandlung, welche Ihr eingeschlagen habt, stehe ich für die baldige Genesung der Königin ein.«

»Das ist gut«, sagte Heinrich. »Ha! Was für ein Geräusch ist das in der Galerie? Wer wagt, hierher zu kommen?«

»Eure Majestät vergisst …«, bemerkte Sir John Gage.

»Richtig, richtig, ich hatte vergessen … Es sind Wriothesley und Gardiner. Sie sollen sehen, wie ich sie bewillkommnen werde. Lasst den Lordkanzler und den Bischof von Winchester nebst ihren Begleitern eintreten«, rief er.

Als dieser Befehl gegeben war, wurden die Flügeltüren wieder geöffnet, und die beiden vom König namhaft gemachten Personen traten, von einer Hellebardierwache gefolgt, ins Gemach. Wriothesley hielt den Haftbefehl in der Hand. Als sie den König erblickten, stutzten beide in großer Verwirrung und bemerkten sogleich, dass sich das Blatt gewendet hatte.

»Was nun?«, fragte spöttisch der König. »Weshalb zögert Ihr? Schnell erfüllt unseren Auftrag!«

»Wir möchten zuvor Euren Wunsch erfahren, ehe wir weiter handeln«, sagte Wriothesley.

»Meinen Wunsch!«, schrie Heinrich. »Falsche Verräter und schlechte Ratgeber, die Ihr seid, mein Wunsch wäre, Euch beide in den Tower zu sperren, und ohne die Fürsprache Ihrer Majestät hätte ich Euch unter Eskorte derselben Wächter, die Ihr mitgebracht habt, dorthin gesandt. Eure Ränke sind aufgedeckt und vereitelt.«

»Will Eure Majestät uns ein gnädiges Gehör bewilligen?«, fragte Gardiner.

»Nein, ich will Euch nicht anhören«, erwiderte heftig der König. »Her mit dem Haftbefehl, der durch Eure falschen Vorstellungen erschlichen wurde!«

»Ich leugne, dass er durch irgendein solches Mittel erlangt ward, mein gnädigster Herr«, versetzte Wriothesley. »Nichtsdestoweniger gehorche ich, wie es meine Pflicht ist, Euren Befehlen.«

Und er überreichte den Haftbefehl an Sir John Gage, der ihn in Fetzen zerriss.

»Fort mit Euch!«, schrie Heinrich, »oder ich stehe nicht dafür, wie weit mein Zorn mich treiben mag. Fort mit Euch! Und nehmt die Überzeugung mit, dass Eure Tücke vereitelt ist – und dass all solche Ränke dasselbe Geschick haben werden.«

Und da sie sahen, dass es nutzlos sei, ein Wort zu ihrer Verteidigung vorzubringen, zogen sich die aus dem Feld geschlagenen Feinde der Königin zurück.

»Bist du zufriedengestellt, Käthe?«, fragte Heinrich, sobald sie fort waren. Und als er eine dankende Antwort empfing, fügte er hinzu: »Scheu dich künftig nicht, über Glaubenslehren mit uns zu disputieren. Wir werden immer zu solchen Unterhaltungen bereit sein, und du hast das Wort unseres Arztes, wie dir bewusst ist, dass sie uns nützlich sind.«

»Gebe der Himmel, dass Eure Hoheit nicht durch die Anstrengung leide, welche Ihr gemacht habt, um zu mir zu kommen!«, sprach Katharina.

»Nein, bei meinem Leben, ich fühle mich dadurch umso wohler«, erwiderte Heinrich. »Aber ich muss dich jetzt verlassen, lieb Herz. Ich habe noch eine andere Sache anzuordnen – nichts Geringeres als die Einsperrung Seiner Durchlaucht des Herzogs von Norfolk und seines Sohnes, des Earls von Surrey, in den Tower.«

»Wieder Arbeit für mich auf Geheiß Eurer Majestät«, bemerkte Sir John Gage mürrisch. »Und doch wollte ich, mir bliebe dies erspart.«

»Wieso, Sir John?«, rief der König. »Was für ein Interesse nehmt Ihr an diesen Verrätern?«

»Ich habe erst zu erfahren, dass sie Verräter sind, mein königlicher Herr«, gab Gage kühn zur Antwort. »Wie der Herzog von Norfolk der Erste unter Euren Pairs ist, so hat er sich auch Eurer Majestät stets als der Erste an Eifer und Ergebenheit gezeigt. Mich dünkt, seine langen Dienste sollten bei Euch etwas ins Gewicht fallen.«

»Die Dienste Seiner Durchlaucht sind angemessen belohnt worden, Sir John«, unterbrach ihn Seymour. »Kennt Ihr nicht die schweren Anschuldigungen wider ihn?«

»Ich weiß wohl, dass Ihr und Euer Bruder, der Earl von Hertford, seine Feinde seid und Euch über seinen Sturz freuen würdet«, antwortete der Tower-Kommandant.

»Schweigt, alle beide!«, rief der König. »Die Anklage gegen den Herzog von Norfolk, welche zu unsrer Genüge bewiesen worden ist, lautet, dass er, im Widerspruch mit seinem Eid und seiner Lehnspflicht gegen uns, zu wiederholten Malen – merkt auf, Sir John! – zu wiederholten Malen die Geheimnisse unseres Staatsrats – des Staatsrats, Sir John! – zu unserer großen Gefahr und zu unsäglichem Nachteil unseres Reichs verraten hat.«

»Seine Durchlaucht mag unvorsichtig gesprochen haben, wie es jedem von uns passieren könnte …«

»Ihr nicht, Sir John«, unterbrach ihn trocken der König. »Ihr sprecht niemals unvorsichtig, dafür will ich einstehen.«

»Ich spreche niemals unwahr, mein königlicher Herr«, antwortete John Gage. »Und ich wage zu versichern, dass der Herzog von Norfolk, wenn er auch von Dingen geplaudert haben mag, über die er besser den Mund gehalten hätte, es doch nimmer an Treue und Loyalität gegen Eure Hoheit fehlen ließ.«

»Ihr kennt nur einen Teil von den fluchwürdigen Verbrechen des Herzogs von Norfolk, sonst würdet Ihr nicht so viel zu seiner Verteidigung reden, Sir John«, sagte Seymour. »Erfahrt also, dass zur Gefahr, zum Gerede und wider die Erbschaftsinteressen Seiner Majestät und seines edlen Sohnes, des Prinzen Edward, des offenkundigen Thronerben, ehrgeizige Durchlaucht von Norfolk unrechtmäßigerweise und ohne irgendeine Befugnis in dem obersten Feld seines Wappenschildes das Wappen von England getragen hat, welches von Rechtswegen das Wappen des Prinzen Edward ist.«

»Ist das eine neue Entdeckung, die Ihr gemacht habt?«, fragte Gage. »Mich dünkt, Ihr müsst das Wappenschild des Herzogs immer gesehen haben, solange Ihr selbst ein Wappen führt.«

»Die Sache selbst ist nicht neu«, gab der König finster zur Antwort. »Aber sie erscheint uns jetzt in einem anderen Licht. Wir erblicken Gefahr in dieser frechen Anmaßung. Wir sehen darin vermeintliche Ansprüche, die später geltend gemacht werden sollen – Störung des Reichsfriedens – Bestreitung des Erbfolgerechts unseres Sohnes. Wir erkennen dies deutlich und wollen es vereiteln.«

»In aller Unterwürfigkeit kann ich mir nicht denken, dass der Herzog irgend solch einen frevelhaften Gedanken hegt«, bemerkte der Tower-Kommandant. »Aber was ist es denn mit dem Earl von Surrey? Worin hat dieser unvergleichliche Edelmann gefehlt?«

»Unvergleichlich mögt Ihr ihn wohl nennen«, rief Heinrich aus. »Denn nach seiner eigenen Meinung hat er nie seines Gleichen gehabt. Weshalb konnte sich sein Ehrgeiz nicht damit begnügen, an Phöbus Hof zu glänzen? Weshalb wollte er auch an dem unseren eine so hohe Staffel erklimmen? Sein Verrat ist derselbe wie der seines Vaters. Er führt in seinem Schild das Wappen Edwards und drückt dadurch Ansprüche auf die Krone aus.«

»Was weiter?«, fragte der Kommandant des Towers.

»Was weiter!«, wiederholte Heinrich. »Ist das nicht genug? Aber da Ihr nach Weiterem fragt, soll Sir Thomas Seymour Euch antworten. Sag ihm, was du weißt, Sir Thomas.«

»Es würde zu langwierig sein, alles aufzuzählen, mein gnädigster Herr. Was sein Wappen betrifft, so führt Surrey, anstatt einer Herzogskrone eine purpurne Mütze, mit Hermelin getüpfelt, und einen geschlossenen Kronenreif, und unter dem Wappen den Namenszug des Königs.«

»Hörst du?«, rief Heinrich finster aus.

»Lasst mich Sir Jahn Gage einige Fragen vorlegen«, fuhr Seymour fort. »Wenn ein Mann auf jegliche Art danach trachtet, das Reich und den König zu lenken, wie nennt Ihr das? Wenn ferner derselbe Mann erklärt, dass, wenn der König sterbe, niemand der Leiter des Prinzen sein soll, als sein Vaterland und er selbst – wie nennt Ihr das? Und ferner, wenn jener Mann sagt: ›Wenn der König tot wäre, so würde ich mit dem Prinzen bald fertig werden!‹ – Wie nennt Ihr das?

»Verrat – Hochverrat«, antwortete Gage.

»Nun, all diese und noch mehr derartige hochverräterische Äußerungen hat Surrey getan«, versetzte Seymour. »Er hat versucht, eine Verbindung zwischen mir und seiner Schwester, der Herzogin von Richmond, zustande zu bringen, um größeren Einfluss auf Seine Königliche Hoheit zu gewinnen.«

»Ist das in der Tat wahr, Sir Thomas?«, fragte hastig Katharina.

»Gewiss, Madame«, erwiderte er. »Da er jedoch seinen Plan vereitelt sah, wurde der Earl fortan mein Todfeind, schmähte mich und meinen Bruder Hertford, und gelobte, dass, wenn der Himmel den König abriefe, er sich an uns und all dem Emporkömmlingsadel, wie er uns frech benennt, rächen würde. Er hasst uns – hasst uns bitterlich wegen unserer Liebe zum König und wegen der Gunst, die Seine Hoheit uns erweist. Er sagt, Seine Majestät habe schlechte Ratgeber gehabt.«

»Was sagt Ihr nun, Sir John?«, schrie Heinrich. »Seht Ihr nun ein, dass der Herzog von Norfolk und sein Sohn ein paar Verräter sind?«

»Hm, – nicht ganz«, antwortete der Kommandant.

»Ihr seid schwer zu überzeugen, Sir John«, bemerkte Seymour. »Denkt jedoch nicht, weil ich von mir und meinem Bruder Hertford gesprochen habe, dass ich irgendeinen persönlichen Groll wider Surrey hege oder ihn gar fürchte. Allein er ist ein Verräter und Heuchler. Einer seiner Diener war mit Kardinal Pole in Italien, und er hat ihn bei seiner Rückkehr wieder angenommen. Ja, noch mehr, er hat italienische Spione in seinem Sold und steht in geheimer Korrespondenz mit Rom.«

»Seid Ihr noch ungläubig?«, fragte Heinrich.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, antwortete der Kommandant verlegenen Tones. »Aber es erregt mir ein Gefühl der Angst, beide verurteilt zu sehen.«

»Begleitet uns in den Staatsrat und Ihr sollt noch mehr hören«, sagte der König. »Ihr scheint an unserer Gerechtigkeit zu zweifeln, aber Ihr sollt Euch überzeugen, dass wir niemals ohne guten Grund strafen, noch je die hohe Stellung des Frevlers ihn vor gerechter Strafe beschirmen lassen. Lebe wohl, mein liebes Herz, auf ein Weilchen. Und mach, dass du schnell wieder wohl wirst, so du uns liebst! Leiht mir Euren Arm, Butts, und den Euren, lieber John.«

Darauf wurde er mit einiger Mühe von seinem Sitz emporgehoben, und schwankte, gestützt auf die beiden, langsam aus dem Zimmer hinaus. Als er der Tür zuschritt, näherte sich Seymour ein wenig der Königin.

»Ihr habt mir das Leben gerettet, Sir Thomas«, flüsterte Katharina mit einem Blick inniger Dankbarkeit. »Wie kann ich die Schuld gegen Euch abtragen?«

»Mein Verdienst dabei ist ein geringes, Madame«, antwortete er mit leisem, aber leidenschaftlichem Ton. »Ich habe Euch gerettet, weil Euer Leben mir teurer als das eigene ist. Ich mag eine Belohnung verlangen – aber nicht jetzt!«

Und mit einer tiefen Verbeugung entfernte er sich, der Königin einen verstohlenen Abschiedsgruß zublinkend, als er durch die Tür schritt.