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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst Kapitel 4

Raubgraf-Bruno-von-RabenhorstDer wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst und sein schreckliches Ende in der Teufelsmühle
Oder: Das furchtbare Femgericht um Mitternacht
Eine Geschichte aus den rohen Zeiten des Faustrechts
Um 1860 niedergeschrieben

Kapitel 4

Wo Angst und Not die Herzen binden,
da wird sich leicht die Liebe finden,
die fester hält als Stahl und Erz,
und nicht vergeht im Todesschmerz.

Elwiras Vater besserte sich allmählich und erwartete mit steigender Sehnsucht Nachricht von seiner geliebten Tochter, die er so schmerzlich bei seinem Krankenlager vermisste. Er zählte ängstlich die Stunden, Minuten und Sekunden, wann wohl Henrico von seinem Feldzug zurückkommen würde, und beschloss in seinem Innern, denselben, wenn er ihm gute Nachricht von seiner Tochter oder wohl gar dieselbe selbst mitbrächte, ihn nach Kräften dafür zu belohnen.

So saß er eines Abends im Garten, mit kummervollen Blicken die Blumenbeete musternd, womit sich zu Hause er und seine Tochter so oft beschäftigten, wenn sie sich beide nach vollbrachter Arbeit im Kreise der ihren im Garten erholten, als er durch starkes Pferdegetrappel in seinen Träumereien gestört wurde und neugierig auf die Staubwolke hinblickte, die auf der Landstraße emporwirbelte. Wie groß war aber sein freudiges Erstaunen, als er seine Tochter an der Seite Henricos bemerkte, die ihn durch Zuwinken freundlich grüßte.

»Meine teure vielgeliebte Elwira!«, rief er aufspringend, um ihr so schnell wie möglich entgegenzueilen.

Allein die kindliche Liebe beflügelten Elwiras Schritte ums Doppelte, sodass der alte Treumann kaum die Gartentür erreichen konnte, Elwira schon in seinen Armen lag und ihn mit den süßesten Namen und mit den zärtlichsten Liebkosungen begrüßte.

»Mein lieber Vater, wie freut es mich, Euch wieder umarmen zu können. Doch danke ich dieses nächst Gott diesem edlen und tapferen Henrico, der mich so treulich hierher geleitete.«

»Kommt her, edler Rittersmann, dass ich Euch meine Rechte reichen und Euch von Herzen Dank sagen kann für die Sorgfalt und Treue, womit ihr meine Tochter hierher geleitet habt!«

»Eurer Tochter, ehrwürdiger Treumann«, entgegnen Henrico, »bin ich selbst vielen Dank schuldig, denn sie hat durch eine kluge und mutige Tat nicht nur mein Leben, sondern auch das meiner Gefährten gerettet.« Indem er Elwiras Hand drückte, erzählte er ihrem Vater, was sie getan hatte.

»Das sieht meiner Tochter ähnlich«, sagte gerührt der Vater, »doch Ihr seid hauptsächlich die Ursache, dass ich sie wieder habe. Jetzt bleibt einige Tage hier in unserer Nähe und erholt Euch von Euren Strapazen, bis Ihr Verstärkung von Frankfurt erhalten haben werdet, um das Raubnest des Bruno vollständig umzingeln und ihn zur Rechenschaft vor des Kaisers Gericht ziehen könnt, der dann seine Schandtaten nach Fug und Recht bestrafen mag.«

Dieser Vorschlag war Henrico umso willkommener, da er doch in der Nähe Elwiras bleiben konnte, die ihn gewiss ungern hätte ziehen sehen. Henrico sandte sogleich einen Boten nach Frankfurt ab, um zu berichten, wie es ihm ergangen war, und bat, dass man ihm sobald wie möglich Verstärkung senden möge. Dann befestigte er, so gut es ihm die Ortsverhältnisse gestatteten, den Bauernhof und stellte zahlreiche Wachposten aus, um vor jedem Überfall vonseiten Brunos sicher zu sein.

Die Tage schwanden unserem Henrico in der Nähe der holden Elwira, mit welcher er täglich in Begleitung ihres Vaters, der nun völlig wieder genesen war, die reizende Umgegend besuchte, fast zu schnell, sodass es ihm gar nicht auffiel, dass noch keine Verstärkung von Frankfurt eingetroffen war, die doch schon längst hätte da sein sollen, worauf ihn erst Treumann aufmerksam machen musste.

»Es ist bedenklich«, sprach dieser, »noch länger hier zu verweilen, da wir von Bruno alles Böse befürchten müssen. Ich habe daher beschlossen, da ich mich zur Reise gestärkt fühle, morgen in aller Frühe mit meiner Tochter die Heimreise anzutreten.«

Henrico hätte dieses Mal keine schlimmere Mitteilung erhalten können, denn er erblasste bei dieser Nachricht, welches Elwiras Vater nicht entging.

Als sie gegen Abend alle wohlbehalten ihre Behausung erreicht hatten, setzten sie sich traulich im Garten zusammen, um den letzten Abend ruhig zu genießen. Allein Henrico war ganz niedergeschlagen, und die Laute, deren er sich sonst zur Erheiterung Elwiras und ihres Vaters bediente, lag unbenutzt zu seinen Füßen.

»Warum ertönt heute Abend kein Saitenspiel und warum kommt kein Laut des Gesanges von Euren Lippen, mit welchem Ihr uns sonst zu ergötzen pfleget?«, fragte Treumann, und Elwira sah erwartungsvoll auf Henricos Lippen.

Als derselbe die Antwort schuldig blieb, da erfasste Treumann seine Hand und sagte: »Wohl weiß ich, was Eurem Herzen quält, und da Ihr nicht mit der Sprache heraus wollt, so will ich für Euch reden. Ihr liebt, wie ich mich schon längst überzeugt habe, meine Tochter Elwira, und wie sie mir bereits gestanden hat, empfindet sie Gegenliebe. Darum lege ich die Hand meiner Tochter in die Eurige, lebt glücklich und schützet einander, wie ihr es bisher getan habt, dann wird nicht nur mein Segen, den ich euch jetzt gebe, sondern auch der Segen des Himmels auf euch ruhen.«

»Und nehmt auch den Segen Brunos dazu!«, erscholl plötzlich eine raue Stimme außerhalb des Gartens. Zu gleicher Zeit schwirrte ein Pfeil in die vor Liebeslust pochende Brust Elwiras, der sie plötzlich mit Todesschmerz erfüllte.

»Allmächtiger Himmel«, schrie Henrico verzweifelnd, als er die hinsinkende Elwira sanft gen Boden gleiten ließ. »Wer dieses Bubenstück getan hat, soll es mit seinem Leben büßen und müsste ich sein Herz mit meinen Nägeln aus seiner entmenschten Brust reißen.«

Dieses sagend, flog er mit gezücktem Schwert der Stelle zu, von wo das tödliche Geschoss das unschuldige Opfer traf, während Elwiras Vater händeringend seufzte: »O allmächtiger Gott, schenke mir Kraft, dass ich diesen bitteren Schmerz ertrage.«

Als Henrico racheschnaubend an den Ort gelangt war, woher diese teuflische Bosheit verübt wurde, sah er nichts, nur konnte er noch schwaches Pferdegetrappel vernehmen, welches sich immer mehr entfernte, und zwar der Gegend nach Rabenhorst zu. Er stieß sein Schwert in die Erde, fiel auf die Knie. Als er seinen Racheschwur beim Kreuzgriff seines Schwertes erneuert hatte, begab er sich mit zerrissenem Herzen wieder zum Ort des Schreckens und der Wehklage hin. Tiefgebeugt saß der alte Treumann, Elwiras kalte Totenhand mit Tränen benetzend, an ihrem letzten Lager, das man mit brennenden Wachskerzen umstellt hatte, und um welches die frommen Hausbewohner betend standen. Henrico trat schweigend zum Vater hin und versuchte ihn mit Tröstungen aufzurichten, obwohl er selbst deren notwendig bedurft hätte, denn sein ganzes Innere ward durch diesen schauderhaften Mord empört. Als er die schönen Züge Elwiras betrachtete, die selbst der Todesschmerz nicht verunstalten konnte, da gedachte er der schönen Stunden, die er mit ihr verlebt hatte, sowohl die Stunden der Gefahr als auch die der süßen Erholung im Garten und der schönen Umgegend. Er konnte sich der Tränen nicht mehr erwehren.

Nachdem Elwira bestattet war, machte sich der tiefbekümmerte Vater zur Abreise bereit und zog mit dem Gefolge Henricos, der ihn noch eine halbe Tagesreise weit begleitete, seiner Heimat zu, um im Schoße seiner Familie die bitteren Stunden, die er hier durchlebt hatte, zu vergessen. Er gelangte auch glücklich zu den seinen, die ihn schon ganz verloren glaubten, denn die Kunde von dem Überfall war auch zu ihren Ohren gedrungen. Der alte Treumann hatte doch einigen Ersatz für Elwira gefunden, während der arme Henrico, an ihre Grabstätte zurückgekehrt, trostlos auf ihrem Grabeshügel weilte, um sich daselbst seinem großen Schmerze ganz zu überlassen, den er dann beim sanften Mondesschimmer öfters in folgendem Gesang zu verringern suchte.

Dir töne ernster Totensang,
Dir meiner Saiten Trauerklang,
Dir, liebes, teures Schattenbild,
Das meine Seele ganz erfüllt!

Du warst mir Alles! Alles schwand
Mit dir dahin ins bessre Land;
Nichts wird mich ferner mehr erfreu’n,
Nichts meinem Herren Wonne sein!

Der Menschheit Würde sah ich nur
In dir, mit dir war die Natur
Mir reizend; aber ohne dich
Flieht jede sanfte Freude mich!

Es ruft jetzt jedes Echo mir:
Dein Seelenliebling fehlet dir!
Der Nachtigallen süßer Sang
Tönt mir wie Grabesglockenklang!

Drum rauscht ihr Saiten Totenklang,
Drum singe Lied nur Grabessang,
Bis trauernd, o geschäh’ es bald,
Mein schwacher Klageton verhallt!