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Der Welt-Detektiv Band 6

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Indianische Sagen von der Nordpazifischen Küste Amerikas Teil 6

Indianische-Sagen-von-der-Nord-Pazifischen-Kueste-AmerikasFranz Boas
Indianische Sagen von der Nordpazifischen Küste Amerikas
Sonderabdruck aus den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1891 bis 1895
Berlin. Verlag von A. Asher & Co. 1895

I. Sagen der Shushwap. Gesammelt in Kamloops.

6. Die Bergziegen

Es war einmal ein alter Mann in Kamloops, der ging auf Bergziegenjagd. Er kletterte auf den Bergen umher und ward endlich müde. Da legte er sich schlafen und hörte im Traum zwei schöne Frauen sich nahen und singen. Er wachte auf und erblickte wirklich zwei Frauen. Sie traten zu ihm und sprachen: »Wir haben dich gesucht. Komm mit uns!« Der Alte antwortete nicht. Da forderten sie ihn nochmals auf, mitzugehen. Als sie ihn viermal aufgefordert hatten, stand er auf und begleitete sie. Die Frauen waren in Wirklichkeit Bergziegen. Er hing seinen Bogen und seinen Köcher mit den Pfeilen an eine kleine Fichte. Bald gelangten sie an eine steile Klippe. Die Frauen sagten, das sei ihre Heimat und fingen an hinaufzuklettern. Der Mann konnte ihnen nicht folgen. Da drehten sie um, gaben ihm ein Paar Schuhe, und er konnte nun leicht hinaufklettern. Als sie oben ankamen, zeigten ihm die Frauen ihr Haus auf einer nahen Klippe und er ging mit ihnen hinein. Da sah er viele Böcke und Ziegen umherliegen und er wurde selbst in einen Bock verwandelt. Nachts wollte er bei den zwei Ziegen schlafen, sie aber sagten ihm, er müsse warten, bis die Brunstzeit komme. Als die Brunstzeit kam, kämpfte er mit den Böcken und schlug alle aus dem Feld. Er hatte alle Ziegen für sich. Nach einiger Zeit sagten diese zu ihm: »Die Brunstzeit ist wieder um, und du darfst nicht mehr zu uns kommen.«

Nun kamen auch all die anderen Böcke zurück. Nach einiger Zeit bekam der Mann Heimweh. Die Ziegen merkten es bald und fragten ihn, was ihn so betrübt mache. Er aber lag da und antwortete gar nicht.

Da sprachen sie: »Du sehnst dich nach Hause zurück. Wir wollen dich hinbringen. Merke auf! Künftig darfst du nie wieder junge Bergziegen schießen. Sie werden dich kennen und mit dir spielen. Uns Alte aber darfst du schießen. Wenn du einen steilen Fels erklimmen willst, so speie nur in deine Hände und auf deine Füße.« Sie brachten ihn in die Nähe des Dorfes. Die Leute hatten ihn längst verloren gegeben du vergeblich auf den Bergen nach seiner Leiche gesucht. Anfänglich konnte er nicht zum Dorf zurückkehren, da er unwillkürlich immer wieder floh, sobald er Menschen witterte. Endlich aber wurde er entdeckt.

Die Leute sahen ihn vor dem Dorf sitzen und sprachen zueinander: »Sieht der nicht gerade aus wie der Mann, der in den Bergen verloren ging?«

Sie holten ihn zurück, und nach einiger Zeit erzählte er seine Erlebnisse. Wenn er nun jagen ging, liefen ihm die jungen Bergziegen immer entgegen.