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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst Kapitel 2

Raubgraf-Bruno-von-RabenhorstDer wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst und sein schreckliches Ende in der Teufelsmühle
Oder: Das furchtbare Femgericht um Mitternacht
Eine Geschichte aus den rohen Zeiten des Faustrechts
Um 1860 niedergeschrieben

Kapitel 2

Es wiehert das Ross, es blitzet der Stahl,
und Fähnlein flattern im tiefen Tal.
Doch von der Zinnen mächt’gen Höh’n
kann man die Feinde gut überseh’n.

Als die Kunde des schrecklichen Überfalls sich in der Gegend verbreitete, und als endlich die Verwundeten, worunter auch der Anführer der Reisigen, in Frankfurt eintrafen, da herrschte nur eine Stimme der Entrüstung über die Untaten Brunos. Man sammelte eine tapfere Schar, die ihn gefangen nehmen und sein Schloss Rabenhorst zerstören sollte. Zugleich sollten sie sich auch nach den verwundeten Kaufleuten umsehen, die vielleicht im elendesten Zustand in der dortigen Gegend herumirrten. Namentlich empfahl man dem Anführer, sich genau nach dem alten Treumann und seiner Tochter zu erkundigen. Als nun so viele Reisige zusammengebracht waren, um dem Raubgrafen die Spitze bieten zu können, zog die tapfere Heldenschar unter Trompetengeschmetter mit fliegenden Fähnlein zum Tor hinaus. Nachdem sie zwei Tagesmärsche hinter sich hatten, erreichten sie die unglückliche Stelle, an welcher der Zug überfallen worden war.

Es wurden die Leichen mit ritterlichen Ehren begraben und in den umliegenden Ortschaften Erkundigungen über Treumann eingezogen. Man fand zur größten Freude des Anführers den alten Treumann in einem Bauerngehöft, zwar noch bettlägerig, doch auf dem Wege der Genesung begriffen. Er erzählte, wie es ihm ergangen, wie er durch großen Blutverlust in lange Ohnmacht gefallen war und wie einige Reiter vorher seine Tochter geraubt hatten, die vermutlich in die blutbefleckten, räuberischen Hände Brunos geraten wäre, und wie er dann endlich von braven Bauersleuten aufgefunden und hierher gebracht worden wäre.

Der Anführer gab seinen Bewaffneten sogleich Befehl, nach Rabenhorst aufzubrechen. Alle schwuren, sich blutig an dem Bösewicht zu rächen.

Der arglistige Bruno hatte jedoch durch einige Spione, die er gut bezahlte, vernommen, was man gegen ihn im Schilde führe, und beschloss, da er selbst sein Schlachtross noch nicht besteigen konnte, anstatt die Gefahr auf offenem Feld mit gewappneter Hand zu bekämpfen, wie er es sonst zu tun pflegte, diesmal dieselbe mit List von sich abzuwenden und seine Feinde auf einmal gänzlich zu vernichten.

An demselben Tag, an welchem die angreifende Schar im Tal des Schlosses Rabenhorst angekommen war, verließ Bruno, der, wie bereits erwähnt, durch Spione hiervon genaue Kunde erhalten hatte, mit allen seinen Mannen seine Burg, nur ließ er Treumanns Tochter ganz allein in derselben zurück. Er ließ sich indessen von seinen Getreuen in einer Sänfte nach einem, ungefähr eine gute Stunde seitwärts im tiefen Gehölz gelegenen, alten verfallenen Turm tragen, welcher dazu geeignet war, Bruno und seine wilden Gesellen zu beherbergen, von dorther seinen Feinden aufzulauern und von hinten her zu überfallen. Dort hatte er zugleich auch vor, den von ihm ersonnenen, teuflischen Plan mit seinem Vogt noch vollends zu besprechen, um ja vor möglichem Verrat sicher zu sein und die erforderlichen Maßregeln sogleich zu ergreifen. Kurz darauf ritt der Burgvogt von Rabenhorst geheimnisvoll in den Wald, der von der hinteren Seite her sich gegen das Raubschloss hinzog.

Als nun Elwira bemerkte, dass man sie allein im Schloss zurückgelassen hatte, wagte sie es schüchtern, sich davon zu überzeugen. Sie durcheilte alle Gemächer. Als sie bemerkte, dass sie wirklich das einzige menschliche Wesen in diesen weiten Räumen war, ahnte ihr nichts Gutes. Es überfiel sie eine große Angst, sodass sie in den weiten Hofraum hinunterging, um sich in der frischen Luft doch einigermaßen wieder zu erholen und wo möglich einen Ausgang aufzusuchen, durch den sie diesen verhassten Mauern entfliehen könne. Von einem Ende zum anderen eilte sie, jeden Winkel und sonstigen zur Flucht allenfalls günstigen Ort ausspähend.

Nachdem sie nun längere Zeit sich vergebens abgemüht hatte. Mit schwerem Herzen an einer glücklichen Flucht und ihrer Rettung aus den Händen Brunos, dieses menschlichen Scheusals, fast völlig verzweifelt, fasste sie den Vorsatz, lieber den Tod zu wählen, als sich diesem Bösewicht zum Spielball seiner Leidenschaften zu opfern. Während sie mit diesem Gedanken umging, hörte sie plötzlich zu ihrem Schrecken entferntes Pferdegetrabe. Da sie die Ankommenden für Brunos Leute hielt, war sie schnell gefasst, bestieg hastig den hohen Wartturm und war im Begriff, sich von demselben herabzustürzen. Wie erstaunte sie aber, als sie auf einmal einige Trompetenstöße und sogleich darauf die Stimme eines Herolds vernahm, der im Namen des Kaisers Einlass begehrte.

Sie mochte ungefähr die halbe Turmhöhe erreicht haben, da bot sich ihr auf derselben Seite, wo die Reiter herangekommen waren, eine ziemlich weite Maueröffnung. Unbeschreiblich war Elwieras übergroße Freude, als sie statt Brunos Raubgesindel eine hübsche Anzahl stattlicher Reiter bemerkte, die, wie sie mutmaßen konnte, zu ihrer Rettung gekommen waren.

Schnell eilte sie zurück in den Burghof, bestieg in größter Eile die kleine Turmwarte am Tor. Nachdem sie in näherer Besprechung mit dem Herold den Grund seiner Ankunft erfahren hatte, erklärte sie demselben, dass sie sich ganz allein auf dem Schloss befände und Bruno schon ganz früh, vermutlich zu einem neuen Raubzug ausgezogen sei, dass aber alle Ausgänge wohl abgeschlossen seien.

Der Herold nebst seinen Gefährten gaben ihren Pferden die Sporen, und im Nu wurde diese Kunde dem in mäßiger Entfernung mit seinen wackeren Streitern harrenden Anführer mitgeteilt. Als der Anführer der Reisigen diese günstige Kunde vom Herold erfahren hatte, sprengte er heran und grüßte sie freundlich, gab ihr schnell Kunde, dass ihr Vater noch lebe und sie sehnsüchtig erwarte. Sie möge nur sehen, ob sie das Tor nicht öffnen und die Zugbrücke herunterlassen könne. Die unendliche Freude, die Elwira durchströmte, gab ihr Manneskraft, dass es ihr möglich wurde, die Maschinerien der Zugbrücke in Bewegung zu setzen. Das Tor selbst aber war zu wohl verschlossen, als dass selbige hätte geöffnet werden können. Nachdem nun die Zugbrüche ihres Haltpunktes entledigt worden war, fiel sie mit ungeheurem Gerassel zu Boden. Sogleich war das schwere Einlasstor von dem anrückenden Haufen mit wahrer Wut aufgestoßen worden. Die ganze Reiterschar war nun im Schlosshof eingerückt. Sogleich wurden alle Räume durchsucht und die nötigen Wachposten aufgestellt, um sich vor einem plötzlichen Überfall sowohl von Seite des zurückkehrenden Brunos als auch einer allenfalls im Innern der Burg versteckten Horde zu sichern, denn dass im Schloss noch jemand zurückgeblieben sein musste, war klar, sonst hätte die Zugbrücke nicht aufgezogen sein können.

Ungeachtet alles Suchens war auch keine Menschenseele aufzufinden, als man im entgegengesetzten untersten Burgteil ein halbgeöffnetes kleines Pförtchen wahrnahm und somit auf den Gedanken kam, dass der zurückgelassene Turmwächter bei ihrem Heranrücken auf diese Art geflüchtet sein mochte. Dennoch war dem Anführer die ganze Sache bedenklich. Nachdem er Befehl gegeben hatte, das Pförtchen bestens zu verschließen und einen Wachposten dortselbst aufzustellen, so begab er sich schnellen Schrittes zu Elwira.

Als Elwira Henrico, so hieß der Anführer, auf sich zukommen sah, eilte sie ihm entgegen. Mit bebendem Herzen und wehklagender Stimme fragte sie nach ihrem Vater. Nachdem Henrico ihr die ausführlichsten Mitteilungen hiervon gemacht hatte, beruhigte sie sich und bat ihn flehentlich, sie doch sogleich in ihres Vaters teure Arme bringen zu lassen, was aber Henrico erst am anderen Morgen zu tun versprach, indem seine Leute zu sehr ermüdet seien, und er doch vorerst den Raubgrafen Bruno für seine Freveltaten züchtigen, ihn entweder tot oder lebendig mit sich führen und dann sein Raubnest dem Erdboden gleich machen möchte.

Deshalb gebot er seinen Kampfgefährten, sich so ruhig wie möglich zu verhalten, und ja genaue Spähe zu halten, damit er sogleich erführe, wann Bruno mit seinen Raubkumpanen zurückkäme. Auch solle alles so bleiben, wie sie es vorgefunden hatten, damit Bruno keine Ahnung von ihrem Dasein bekäme. Nur das gemutmaßte Entweichen des Turmwächters schien dem Anführer ungünstig auf seinen Plan einzuwirken.

Henrico führte nun Elwira in die untere Halle und bat sie, ihm doch ausführlich das unritterliche Benehmen Brunos mitzuteilen, was sie auch mit Tränen in den Augen tat. Darauf beruhigte er sie und versicherte ihr unverbrüchliche Treue, dass er mit seinem Leben dafür stände, sie wohlbehalten in die Arme ihres teuren Vaters zu bringen, der über ihren Verlust untröstlich sei und durch ihre Nähe der Genesung schneller entgegen schreiten würde.