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Die Trapper in Arkansas – Band 3.12

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-3Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 3
Zweiter Teil – Waktehno – der, welcher tötet
Kapitel 15 – Die Verzeihung

Das Wiedersehen des Generals und seiner Nichte war ergreifend.

Der alte, kürzlich so schwer geprüfte Soldat fühlte sich glücklich, das einfache Kind, das seine ganze Familie war, in seinen Armen zu halten, nachdem sie den Schrecknissen, die über sie hereingebrochen waren, glücklich entgangen war.

Sie verloren sich beide lange Zeit in süßem Geplauder. Der General erkundigte sich teilnehmend, wie sie die Zeit während seiner Gefangenschaft zugebracht habe. Das junge Mädchen fragte ihn hingegen, welche Gefahren er bestanden und welche Misshandlungen er ertragen habe.

»Was ist jetzt dein Plan, lieber Onkel?«, fragte sie ihn.

»Liebes Kind«, sagte er traurig und mit einem unterdrückten Seufzer, »wir müssen diese schreckliche Gegend unverzüglich verlassen und nach Mexiko zurückkehren.«

Zwar sah das junge Mädchen die Notwendigkeit einer schnellen Rückkehr ein, doch wurde ihr, wenn sie daran dachte, das Herz schwer. Wenn sie abreisten, musste sie den Geliebten verlassen, musste dem Mann, den sie im traulichen Umgang erst recht schätzen und bewundern gelernt hatte, und der ihrem Leben und Glück von nun an unentbehrlich geworden war, entsagen.

»Was hast du, mein Kind? Du bist traurig, in deinen Augen stehen Tränen«, fragte ihr Onkel und drückte teilnehmend ihre Hand.

»Ach, lieber Onkel«, antwortete sie mit klagender Stimme, »wie sollte ich nach allem, was sich in den letzten Tagen ereignet hat, nicht traurig sein. Mein Herz ist gebrochen.«

»Wahr ist es, dass die fürchterlichen Begebenheiten, deren Zeuge und Opfer wir gewesen, mehr als hinreichend sind, um dich traurig zu machen. Doch du bist noch jung, mein Kind. In einiger Zeit werden jene Schrecknisse nur noch wie Gefahren, die du, Gott Lob, nicht mehr wirst zu überstehen haben, in deiner Erinnerung leben.«

»Wir reisen also wohl bald ab?«

»Wo möglich morgen. Was soll ich länger hier tun? Der Himmel erklärt sich selbst gegen mich, da er mich zwingt, ein Unternehmen aufzugeben, dessen Gelingen das Glück meines Alters begründet haben würde. Aber Gott will nicht, dass ich getröstet werde. Sein Wille geschehe«, fügte er ergeben hinzu.

»Was willst du damit sagen, Onkel?«, fragte das junge Mädchen lebhaft.

»Es ist nichts, was dich jetzt interessieren kann. Es ist besser, wenn du es nicht weißt, und ich allein zu leiden habe. Ich bin alt, ich bin daran gewöhnt«, sagte er schwermütig.

»Armer Onkel!«

»Ich danke dir für deine Liebe, mein Kind. Aber wir wollen diesen Gegenstand, der dich betrübt, ruhen lassen. Reden wir lieber, wenn du es erlaubst, von den wackeren Leuten, denen wir so sehr verpflichtet sind.«

»Treuherz«, flüsterte Donna Luz errötend.

»Ja«, antwortete der General. »Treuherz und seine Mutter, eine würdige Frau, der ich wegen Belhumeurs Verwundung noch gar nicht habe danken können, und der du es, wie du sagst, zu danken hast, dass du keine Entbehrung gelitten.«

»Sie hat wie eine zärtliche Mutter für mich gesorgt.«

»Wie werde ich ihr und ihrem edlen Sohn jemals lohnen können? Sie ist glücklich, einen solchen Sohn zu haben. Das ist eine Freude, die mir leider versagt ist. Ich bin allein!«, sagte der General und ließ den Kopf mutlos in die Hände sinken.

»Und ich?«, sagte das junge Mädchen liebkosend.

»Ja, du!« antwortete er, indem er sie umarmte. »Du bist meine geliebte Tochter, aber ich habe keinem Sohn …!«

»Das ist wahr!«, murmelte sie nachdenklich.

»Treuherz«, fuhr der General fort, »ist ein zu uneigennütziger Mensch, um etwas von mir anzunehmen. Was ist zu tun? Wie soll ich mich dankbar erweisen? Wie die großen Dienste, die er mir erwiesen hat, gebührend erkennen?«

Es trat eine kurze Pause ein.

Donna Luz neigte sich zu dem General, küsste ihn auf die Stirn und sagte mit leiser, bebender Stimme, indem sie ihr Gesicht an seiner Schulter verbarg: »Lieber Onkel, es fällt mir etwas ein.«

»Rede, mein Liebchen«, antwortete er, »rede ohne Furcht, vielleicht hat Gott dir es eingegeben.«

»Nicht wahr, Onkel, du hast keinen Sohn, dem du deinen Namen und dein ungeheures Vermögen hinterlassen könntest?«

»Ach!«, murmelte er, »eine kurze Zeit habe ich geglaubt, ihn wiederfinden zu können. Aber diese Hoffnung ist für immer geschwunden, Kind. Du weißt, dass ich allein bin.«

»Sowohl Treuherz als auch seine Mutter werden nichts von dir annehmen wollen.«

»Das ist wahr.«

»Doch glaube ich, gäbe es ein Mittel, sie dazu zu bewegen, ja zu zwingen.«

»Welches Mittel?«, fragte er lebhaft.

»Lieber Onkel, da du zu deinem Leidwesen keinen Sohn hast, dem du deinen Namen geben könntest, ist kein Grund vorhanden, weshalb du nicht Treuherz an Sohnes statt annehmen könntest.«

Der General sah sie an. Sie zitterte und wurde sehr rot.

»Ja, Liebchen«, sagte er und umarmte sie zärtlich, »das ist wirklich ein herrlicher Einfall. Er ist nur leider unausführbar. Ich würde stolz und glücklich sein, einen Sohn wie Treuherz zu besitzen, aber seine Mutter, die ihn, wie du mir selbst gesagt hast, anbetet, wird sich nie entschließen, sein Herz mit einem Fremden zu teilen.«

»Vielleicht doch!«, flüsterte sie.

»Und gesetzt auch, was ich für unmöglich halte, geschähe, und seine Mutter erschlösse sich aus Liebe zu ihm und um ihm eine Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen, dies Opfer zu bringen, – denn eine Mutter ist zu allem fähig, – so würde er es nicht annehmen. Glaubst du denn, Liebes, dass ein Mann, der wie er in der Wildnis aufgewachsen ist, dessen ganzes Leben eine Folge überraschender und ergreifender Begebenheiten , inmitten einer herrlichen Natur gewesen, sich entschließen wird, um des Goldes Willen, das er verachtet, und wegen eines Namens, der ihn nichts nützt, dieses abenteuerliche Leben voll süßer und schrecklicher Empfindungen, das ihm Bedürfnis geworden ist, aufzugeben? Nein, nein, die Luft in unseren Städten würde ihn niederdrücken. Einer außergewöhnlichen Natur, wie der seinen, würde unsere Zivilisation tödlich sein. Gib den Gedanken auf, mein Kind, ich bin leider fest überzeugt, dass er es ablehnen würde.«

»Wer weiß?«, sagte sie und nickte mit dem Kopf.

»Gott ist mein Zeuge«, fuhr der General mit Nachdruck fort, »dass es mich glücklich machen würde, wenn es gelänge. Alle meine Wünsche wären erfüllt. Aber warum wollen wir uns mit leeren Träumen trösten? Er wird nicht wollen, sage ich dir, und ich bin gezwungen, zuzugeben, dass er recht daran tun wird.«

»Versuche es nur, Onkel«, drang sie in ihn, »wenn dein Vorschlag nicht angenommen wird, hast du Treuherz wenigstens gezeigt, dass du nicht undankbar bist, und dass du seinen wahren Wert erkannt hast.«

»Du bestehst darauf?«, fragte der General, der sich gern überreden ließ.

»Ich wünsche es, lieber Onkel«, sagte sie und umarmte ihn, um ihr Erröten und ihre Freude zu verbergen. »Ich weiß nicht, – warum? Aber ich glaube, es wird dir gelingen.«

»So sei es denn«, murmelte der General mit trübem Lächeln, »bitte Treuherz und seine Mutter, zu mir zu kommen.«

»In fünf Minuten bringe ich sie her«, sagte sie strahlend vor Freude. Hierauf eilte das junge Mädchen mit der Behändigkeit einer Gazelle durch die Windungen der Höhle davon.

Sobald er allein war, ließ der General den Kopf gedankenvoll sinken, und versank in tiefes Sinnen. Einige Minuten später standen Treuherz und seine Mutter, geführt von Donna Luz, vor ihm.

Der General richtete sich auf, begrüßte sie und gab seiner Nichte ein Zeichen, sie allein zu lassen.

Das junge Mädchen entfernte sich zitternd.

In diesem Teil der Grotte herrschte nur ein Halbdunkel, welches die Gegenstände nicht deutlich erkennen ließ. Durch einen sonderbaren Zufall hatte Treuherz’ Mutter ihr Rebozo so aufgesetzt, dass er ihr Gesicht fast ganz verdeckte.

Deshalb wollte es dem General, trotz der Aufmerksamkeit, mit der er sie betrachtete, nicht gelingen, ihre Züge zu erkennen.

»Sie haben uns zu sprechen gewünscht, General«, sagte Treuherz heiter. »Wir haben uns, wie Sie sehen, beeilt, Ihren Wünschen nachzukommen.«

»Ich danke Ihnen für diese Bereitwilligkeit, mein Freund«, antwortete der General. »Vor allen Dingen bitte ich Sie, den Ausdruck meiner Dankbarkeit für die wichtigen Dienste, die Sie uns erwiesen haben, mein Freund – gestatten Sie mir, Sie so zu nennen – entgegenzunehmen. Dies gilt gleichfalls Ihrer vortrefflichen Mutter, für die zärtliche Sorgfalt, die sie meiner Nichte gewidmet hat.«

»General«, antwortete der Jäger gerührt, »ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit, die mich für das, was Sie wir schuldig zu sein glauben, reichlich belohnt. Ich habe, indem ich Ihnen beistand, dem Gelübde gemäß gehandelt, das ich getan habe, dass ich meinen Nächsten niemals ohne Hilfe lassen will. Glauben Sie mir, ich verlange keine andere Belohnung als Ihre Achtung, und ich bin für das Wenige, was ich getan habe, durch die Zufriedenheit, die ich jetzt empfinde, reichlich belohnt.«

»Erlauben Sie, ich muss darauf bestehen, dass ich Sie noch auf andere Weise belohne.«

»Mich belohnen!«, rief der ungestüme, junge Mann aus und trat, bis zur Stirn errötend, zurück.

»Lassen Sie mich ausreden«, erwiderte der General lebhaft, »wenn Ihnen dann der Vorschlag, den ich Ihnen zu machen habe, nicht ansteht. Nun gut, so antworten Sie mir ebenso offen, wie ich jetzt zu Ihnen reden werde.«

»Sprechen Sie, General, ich höre.«

»Mein Freund, ich verfolge auf meiner Reise durch die Prärien einen heiligen Zweck, den ich nicht habe erreichen können! Sie wissen den Grund. Die Männer, die mich begleiteten, sind an meiner Seite gestorben. Beinahe allein, wie ich es nun bin, sehe ich mich genötigt, meine Nachforschungen aufzugeben, die, wenn sie geglückt wären, die Ruhe meiner letzten Tage begründet haben würden. Gott sucht mich schwer heim. Alle meine Kinder habe ich sterben sehen. Nur eines könnte ich noch besitzen, aber ich habe es in einem Augenblick wahnsinnigen Stolzes von meiner Seite gewiesen. Jetzt, wo ich mein Lebensende erreicht habe, ist mein Haus leer, mein Herd öde und verlassen. Ich bin leider allein! Ohne Verwandte, ohne Freunde, ohne einen Erben, dem ich, nicht mein Vermögen, aber meinen Namen hinterlassen könnte, den ich von einer Reihe von Vorfahren fleckenlos ererbt habe. Wollen Sie mir die Familie, die ich verloren habe, ersetzen? Antworten Sie, Treuherz, wollen Sie mein Sohn sein?«

Bei den letzten Worten hatte sich der General erhoben und die Hand des jungen Mannes erfasst, die er mit Tränen in den Augen drückte.

Bei diesem unerwarteten Vorschlag stand der Jäger überrascht und bebend da und wusste nicht, was er antworten sollte.

Seine Mutter warf lebhaft ihren Rebozo zurück und zeigte ihr Gesicht, was, von einer unaussprechlichen Freude umgewandelt, strahlte. Sie trat zwischen die beiden Männer, legte ihre Hand auf die Schultern des Generals, blickte ihn fest an und sagte mit vor Rührung bebender Stimme.

»Endlich! Don Ramon de Garillas! Du forderst also den Sohn zurück, den du seit zwanzig Jahren grausam verstoßen hast?«

»Weib, was willst du damit sagen?«, erwiderte der General mit stockendem Atem.

»Ich will sagen, Don Ramon«, antwortete sie mit feierlicher Stimme, »dass ich Donna Jesusita bin. Deine Frau, dass Treuherz dein Sohn Rafael ist, dem du geflucht hast.«

»Ach!«, rief der General aus und kniete auf dem Boden nieder, indem die Tränen sein Gesicht überströmten. »Verzeihung, mein Sohn, Verzeihung!«

»Mein Vater«, sagte Treuherz und stürzte auf ihn zu, um ihn aufzuheben, »was tust du?«

»Mein Sohn«, sagte der Greis, den der Schmerz und die Freude beinahe wahnsinnig machten, »ich stehe nicht eher auf, bis du mir verziehen hast.«

»Steh auf, Don Ramon«, sagte Donna Jesusita sanft, »sowohl in dem Herzen der Mutter als auch des Sohnes wohnt schon lange nur Liebe und Ehrerbietung für dich.«

»Ach!«, rief der Greis aus und umarmte sie abwechselnd mit Entzücken. »Das ist zu viel Glück, ich verdiene es nicht, so glücklich zu sein, nachdem ich so grausam gewesen war.«

»Lieber Vater«, antwortete der Jäger mit Würde. »Ich bin infolge der verdienten Strafe, die du mir auferlegt hast, ein ehrlicher Mann geworden. Vergiss daher die Vergangenheit wie einen Traum und denke nur an die freundliche Zukunft.«

In diesem Augenblick kam Donna Luz schüchtern und furchtsam herbei.

Sobald er sie erblickte, eilte der General auf sie zu, nahm sie bei der Hand, führte sie zu Donna Jesusita, die die Arme nach ihr ausbreitete, und sagte mit freudestrahlender Miene: »Du kannst Treuherz unbedenklich lieben, meine Nichte, denn er ist wirklich und wahrhaftig mein Sohn. Gott hat in seinem unendlichen Erbarmen gestattet, dass ich ihn in dem Augenblick wiederfinde, wo ich an diesem Glück gänzlich verzweifelte.«

Das junge Mädchen tat einen Ausruf der Freude und verbarg ihr Gesicht verschämt in Donna Jesusitas Busen, während sie Rafael ihre Hand überließ, die er mit Küssen bedeckte, als er zu ihren Füßen niederfiel.