Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Trapper in Arkansas – Band 3.9

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-3Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 3
Zweiter Teil – Waktehno – der, welcher tötet
Kapitel 12 – Kriegslist

Nachdem er den Jägern den seltsamen Vorschlag gemacht hatte, kehrte der Hauptmann eiligst zu seiner Höhle zurück.

Doch kannte er das Leben in der Prärie zu genau, um nicht zu wissen, dass wahrscheinlich mehrere seiner Feinde ihm folgen würden. Auch hatte er, um sie irrezuführen, alle List angewendet, die ihm sein erfinderischer Kopf eingab, indem er zahllose Umwege machte, immer wieder umkehrte und zehn Schritte zurück machte, um einen vorwärts zu kommen. Diese Vorsichtsmaßregeln hatten seinen Marsch bedeutend verzögert.

Als er das Ufer des Flusses erreicht hatte, dessen Wasser den Eingang zur Höhle bespülte, warf er einen letzten Blick um sich, um sich zu vergewissern, dass kein neugieriges Auge ihm gefolgt sei.

Alles war ruhig, nichts Verdächtiges ließ sich sehen. Er schickte sich eben an, das versteckt gehaltene Floß flott zu machen, als ein leises Geräusch im Gebüsch seine Aufmerksamkeit erregte.

Der Räuber schreckte zusammen, erfasste schnell eine Pistole, die er im Gürtel trug, lud sie und schritt entschlossen auf die Stelle, wo er das Geräusch gehört hatte, zu.

Ein auf den Boden gebückter Mann war damit beschäftigt, mit einer kleinen Schaufel Gräser und Pflanzen aus der Erde zu graben.

Der Räuber lächelte und steckte die Pistole wieder in den Gürtel.

Er hatte den Doktor erkannt, der sich seiner Lieblingsbeschäftigung überließ.

Dieser, der ganz in seine Arbeit versunken war, hatte ihn nicht bemerkt.

Nachdem er ihn eine Weile verächtlich betrachtet hatte, wollte ihm der Räuber den Rücken kehren, als er sich eines Besseren besann, sich im Gegenteil dem Gelehrten näherte und ihn mit der Hand derb auf die Schulter schlug.

Bei diesem rohen Gruß fuhr der arme Doktor entsetzt in die Höhe und ließ seine Schaufel nebst den Pflanzen erschrocken zu Boden fallen.

»Holla! Mein wackerer Mann!«, sagte der Hauptmann mit verschmitzter Miene, was habt Ihr denn für eine Wut, Tag und Nacht zu botanisieren?«

»Wie?«, antwortete der Gelehrte, »was meinen Sie?«

»Zum Kuckuck! Das ist einfach genug. Wisst Ihr nicht, dass es bald Mitternacht ist?«

»Das ist wahr«, antwortete der Gelehrte naiv, »aber der Mond scheint so schön!«

»Dass Ihr ihn für die Sonne angesehen habt«, unterbrach ihn der Pirat lachend , »doch«, fügte er hinzu und wurde plötzlich wieder ernsthaft, »es handelt sich nicht darum, obwohl Ihr halb verrückt seid, so hat man mir doch gesagt, dass Ihr ein ziemlich geschickter Arzt seid.«

»Ich habe Proben davon abgelegt, Herr«, antwortete der Doktor, den die Rede verdross.

»Sehr wohl ! Ihr seid der Mann, den ich brauche.«

Der Gelehrte verneigte sich unwillig. Offenbar war ihm die Äußerung nicht besonders schmeichelhaft.

»Was wünschen Sie?«, fragte er, »sind Sie krank?«

»Ich nicht, Gott sei Dank, aber einer Eurer Freunde, der jetzt mein Gefangener ist. Deshalb werdet Ihr mir folgen.«

»Aber …«, wollte der Doktor einwenden.

»Ich nehme keine Ausrede an. Folgt mir oder ich schieße Euch eine Kugel vor den Kopf. Beruhigt Euch übrigens, Ihr lauft keinerlei Gefahr, meine Leute werden Euch mit allen Rücksichten, die dem Mann der Wissenschaft zukommen, behandeln.«

Da kein Widerstand möglich war, fügte sich der würdige Mann gutwillig darein, – ja so gutwillig, dass er einen kurzen Augenblick ein Lächeln um seine Lippen spielen ließ, das den Piraten, wenn er es gesehen hätte, bedenklich gemacht haben würde. Der Hauptmann gab dem Doktor die Weisung, voranzugehen, und beiden kehrten an den Fluss zurück. Im Augenblick, als sie den Ort, wo ihre Unterredung stattgefunden hatte, verließen, wurden die Zweige auseinandergebogen. Es erschien ein Kopf, der bis auf einen Büschel Haare in der Mitte des Schädels, in welchem eine Feder befestigt war, glatt geschoren war, dann der Körper und endlich der junge Mann, der sich wie ein Jaguar auf ihre Spur stürzte.

Der Mann war Adlerkopf.

Er blieb ein stummer Zeuge bei der Einschiffung der beiden Weißen, sah sie in die Höhle gehen und verschwand dann ebenfalls im Dickicht, nachdem er leise gemurmelt hatte: »Och! Gut!«, welches in der Comanchensprache der Ausdruck der höchsten Freude ist.

Der Doktor war von dem Indianerhäuptling ganz einfach als Lockvogel benutzt worden, um den Räuber heranzuziehen und in die ihm gestellte Falle zu locken.

War aber der würdige Gelehrte im Einverständnis mit Adlerkopf? Das werden wir gleich sehen.

Den anderen Tag ließ der Pirat bei Tagesanbruch ein allgemeines Treiben in der Umgebung der Höhle vornehmen.

Man fand keinerlei Spuren.

Der Hauptmann rieb sich die Hände, sein Unternehmen war zweifach gelungen, da er die Höhle erreicht hatte, ohne verfolgt worden zu sein.

In der Gewissheit, dass er nichts zu fürchten habe, beschloss er, nicht so viele untätige Leute um sich zu behalten. Er stellte daher seine Truppe unter den Oberbefehl Francks, eines alten ausgelernten Räubers, in den er volles Vertrauen setzte, und schickte sie, nachdem er zehn auserlesene Mann bei sich behalten hatte, fort.

Obwohl das Geschäft, was er augenblicklich betrieb, interessant war und ihm der Erfolg desselben ja sicher zu sein schien, wollte er doch seine übrigen Angelegenheiten nicht vernachlässigen und zwanzig Räuber müßig durchfüttern, die durch den Mangel an Beschäftigung auf unnütze Gedanken kommen und ihm einen schlechten Streich spielen konnten.

Man sieht hieraus, dass der Hauptmann nicht nur ein vorsichtiger Mann war, sondern dass er auch seine ehrenwerten Gefährten genau kannte.

Als die Piraten die Höhle verlassen hatten, gab der Hauptmann dem Doktor ein Zeichen, ihm zu folgen, und führte ihn zu dem General.

Nachdem er die beiden mit der spöttischen Höflichkeit, die ihm eigen war, miteinander bekannt gemacht hatte, entfernte sich der Räuber und ließ sie allein. Doch bevor sich der Hauptmann zurückzog, nahm er eine Pistole aus dem Gürtel, setzte sie dem Gelehrten auf die Brust und sagte: »Zwar seid Ihr halb verrückt, da Ihr, indessen doch in Versuchung kommen könntet, mich zu verraten, so merkt wohl auf das, was ich Euch sage. Bei der geringsten verdächtigen Bewegung, die Ihr macht, jage ich Euch eine Kugel durch den Kopf. So, jetzt seid Ihr gewarnt. Nun tut, was Ihr wollt.«

Hierauf steckte er die Pistole wieder in den Gürtet und ging hohnlachend fort.

Der Doktor hörte die Ermahnung mit unterwürfiger Miene an, doch verzogen sich seine Lippen zu einem schelmischen Lächeln, welches glücklicherweise der Hauptmann aber nicht bemerkte.

Der General und sein Diener Jupiter befanden sich in einem Raum, der von dem Eingang der Höhle ziemlich entfernt war.

Sie waren allein.

Der Hauptmann hatte es für unnötig gefunden, ihnen einen Aufseher zu geben.

Sie saßen mit gesenktem Kopf und gekreuzten Armen auf einem Haufen trockener Blätter und waren in tiefe Gedanken versunken.

Als der General den Gelehrten erblickte, flog ein flüchtiges Lächeln der Hoffnung über seine finsteren Züge.

»Da sind Sie, Doktor«, sagte er und reichte ihm die Hand, die jener schweigend drückte, »soll ich mich über Ihre Gegenwart freuen oder betrüben?«

»Sind wir allein?«, fragte der Doktor, ohne die Frage des Generals zu beantworten.

»Ich glaube es«, sagte dieser erstaunt. »Jedenfalls können Sie sich leicht Gewissheit darüber verschaffen.«

Der Doktor durchstöberte alle Winkel, untersuchte alles genau und kehrte dann zu den Gefangenen zurück. »Wir können reden«, sagte er.

Der Gelehrte war gewöhnlich in seine wissenschaftlichen Forschungen so vertieft und dabei von Natur so zerstreut, dass die Gefangenen nur geringes Vertrauen zu ihm hatten.

»Und meine Nichte?«, fragte der General besorgt.

»Beruhigen Sie sich, sie ist in Sicherheit bei einem Jäger, Treuherz genannt, der ihr mit der größten Ehrerbietung begegnet.«

Der General seufzte erleichtert. Diese frohe Nachricht gab ihm seinen Mut wieder.

»Jetzt«, sagte er, »ist mir es gleichgültig, dass ich gefangen bin. Da meine Nichte gerettet ist, kann ich alles ertragen.«

»Nein, nein!«, sagte der Doktor lebhaft, »Sie müssen im Gegenteil darauf bedacht sein, bis morgen von hier entflohen zu sein.«

»Warum?«

»Antworten Sie mir zuvor.«

»Mir ist es ganz recht.«

»Ihre Wunden scheinen leicht zu sein, sie sind bereits in der Heilung begriffen.«

»Ja, in der Tat.«

»Glauben Sie, dass Sie werden gehen können?«

»O, ja!«

»Verstehen Sie mich recht, ich meine, ob Sie imstande sein werden, einen weiten Weg zu machen?«

»Ich glaube es, wenn es durchaus notwendig wäre.«

»Nun«, sagte der Diener, der bis dahin schweigend zugehört hatte, »bin ich etwa nicht stark genug, meinen Herrn zu tragen, wenn er nicht mehr gehen könnte ?«

Der General drückte ihm die Hand.

»Das ist wahr! Also«, sagte der Doktor, »das ist in Ordnung, es handelt sich jetzt nur noch darum, zu entfliehen.«

»Ich bin natürlich gern dazu bereit, aber wie?«

»Ja, da liegt es eben«, sagte der Gelehrte und rieb sich die Stirn. »Wie? Das weiß ich leider auch nicht! Aber seien Sie ganz ruhig, ich werde ein Mittel entdecken. Zwar habe ich noch keine Ahnung, welches?«

Man hörte Schritte. Der Hauptmann erschien.

»Nun«, fragte er, »wie befinden sich die Patienten.«

»Nicht besonders«, antwortete der Doktor.

»Ach was!«, sagte der Pirat, »das wird sich schon machen. Der General wird übrigens bald frei sein, dann kann er sich mit Muße pflegen. Jetzt kommt, Doktor, ich denke, ich habe Euch lange genug mit Eurem Freund schwatzen lassen.«

Der Doktor folgte ihm, ohne zu antworten, nachdem er dem General noch ein Zeichen gegeben hatte, um ihn zur Vorsicht zu ermahnen. Der Tag verstrich ohne ein weiteres Ereignis.

Die Gefangenen erwarteten die Nacht mit Ungeduld. Die Zuversicht des Doktors hatte ihnen unwillkürlich auch Mut gemacht, sie hofften. Gegen Abend erschien der würdige Gelehrte wieder. Er kam mit leichtem Schritt und strahlendem Gesicht und trug eine Fackel in der Hand.

»Nun, was ist Ihnen denn widerfahren, Doktor?«, fragte ihn der General, »Sie sehen ja ganz vergnügt aus.«

»Das bin ich auch wirklich, General«, antwortete er lächelnd, »weil ich ein Mittel entdeckt habe, Sie entkommen zu lassen, nebst mir, wohlverstanden.«

»Welches Mittel ist das?«

»Es ist schon halb geschehen«, antwortete er mit kurzem Lachen, was stets bei ihm ein Zeichen der Zufriedenheit war.

»Was meinen Sie?«

»Etwas sehr Einfaches, wahrhaftig, was Sie aber doch nicht erraten würden. Unsere Räuber schlafen alle, wir sind die Herren der Höhle.«

»Wäre es möglich! Wenn sie aber aufwachen?«

»Darüber können Sie ganz ruhig sein. Zwar werden sie unzweifelhaft aufwachen, doch nicht eher als in sechs Stunden.«

»Wieso?«

»Weil ich es selbst übernommen habe, ihnen einen guten Schlaf zu bereiten. Beim Abendessen habe ich ihnen nämlich einen Opiumtrank vorgesetzt, in Folge dessen sie wie Bleiklumpen umgefallen sind, und seitdem schnarchen sie wie die Murmeltiere.«

»Das ist ja vortrefflich!«, rief der General aus.

»Nicht wahr?«, sagte der Doktor bescheiden. »Aber, meiner Treu, ich wollte den Schaden, den ich durch meine Nachlässigkeit Ihnen verursacht hatte, wieder ausgleichen! Da ich kein Soldat sondern nur ein armer Doktor bin, habe ich mich meiner Waffen bedient und, wie Sie sehen, sind sie mitunter ebenso gut wie andere.«

»Im Gegenteil, sie sind tausend Mal besser! Doktor, Sie sind ein liebenswürdiger Mann.«

»Wohlan, verlieren, wir keine Zeit.«

»Richtig, gehen wir! Aber was haben Sie denn mit dem Hauptmann gemacht?«

»Was den betrifft, so mag der Teufel wissen, wo er steckt. Er hat uns heute Nachmittag, ohne jemandem ein Wort zu sagen, verlassen, doch kann ich mir schon denken, wohin er geht. Wenn ich nicht sehr irre, so werden wir ihn bald sehen.«

»Nun, so ist ja alles gut, und wir können unseren Weg antreten.«

Die drei Männer machten sich auf. Trotz des vom Doktor angewendeten Mittels waren der General und sein Diener nicht ohne Besorgnis.

Sie kamen in den Raum, der den Räubern als Schlafgemach diente, sie schliefen – hier und dort am Boden ausgestreckt liegend.

Die Flüchtlinge gingen vorüber.

Als sie den Eingang der Höhle erreicht hatten und eben das Floß losbinden wollten, um über den Fluss zu rudern, sahen sie beim matten Schein des Mondes ein zweites Floß, auf welchem ungefähr fünfzehn Mann standen und das ihnen entgegen kam.

Der Rückweg war ihnen abgeschnitten.

Wie sollten sie sich gegen eine so große Überzahl von Feinden wehren?

»Wie unglücklich«, murmelte der General verzweiflungsvoll.

»Ach«, sagte der Doktor schmerzlich, »der Plan zur Flucht hatte mir so viel Mühe und Nachdenken gekostet!«

Die Flüchtlinge versteckten sich in eine Vertiefung des Felsens und erwarteten klopfenden Herzens die Ankunft der Mannschaft, deren Bewegungen ihnen immer verdächtiger vorkamen.