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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 29

Der-Teufel-auf-Reisen-Zweiter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Zweiter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Sechstes Kapitel – Teil 4
Die Familie Purps

Man trat in einen kleinen hell erleuchteten Salon, der schon ziemlich von Gästen angefüllt war.

»Hier nicht,« bemerkte der Bürochef denselben durchschreitend, »dort ist ein allerliebstes kleines Kabinett, da wollen wir uns niederlassen und eine Stunde gemütlich zusammen plaudern.«

»Nun, so mag es darum sein«, sagte Purps, einen kühnen Anlauf nehmend, »ich habe schon manchen Sturm ausgehalten und schlimmstenfalls werde ich auch einen neuen aushalten.«

»Du lieber, herzensguter Papa«, rief Therese, ihrem Vater mit ihrem freundlichsten Gesicht anblickend.

»Ja, ja«, bemerkte dieser, sich gutmütig die Hände reibend, »wenn es nach mir ginge, wäret ihr schon längst ein glückliches Paar. Aber ich kenne ihren Hochmut und ihre ehrgeizigen Pläne. Wenn sie hinter die Wahrheit kommt, so blitzt und donnert es von allen Seiten und dann mögt ihr sehen, wie ihr fertig werdet. Ich wasche meine Hände in Unschuld.«

Der kleine Purps machte hier eine Bewegung, als ob er unter den Tisch schlüpfen wollte, wurde aber noch rechtzeitig durch das Erscheinen des Kellners daran gehindert, welcher die bestellten Speisen brachte.

»Nun langen Sie zu, Schwiegerpapa«, sagte Heidenreich, indem er zugleich die Gläser füllte. »Ihr Herz gehört uns, das wissen wir und ein edleres und besseres Herz gibt es nicht.«

»Weiß Gott«, antwortete unser Bekannter, indem ihm dabei die Tränen in die Augen traten, »deine Mutter, Therese, hat nicht immer recht an mir gehandelt. Ich bin von ihr genug gequält worden, aber noch zehnmal mehr wollte ich ausstehen, wenn ich damit dein Glück erkaufen und dir eine deinen Wünschen entsprechende Zukunft bereiten könnte.«

»Du guter, lieber Papa«, antwortete diese, indem sie den alten Mann schmeichelnd die Backen streichelte. »Habe nur Geduld, auch für dich wird noch eine bessere Zeit kommen. Bis zum Reichtum werde ich es zwar nie bringen, aber so viel wird doch hoffentlich da sein, dass du täglich ein behagliches Stündchen bei uns zubringen kannst.«

»Ja«, fügte Heidenreich hinzu, »ein bescheidenes Los habe ich Therese freilich nur zu bieten, aber ich glaube auch nicht, dass sie größere Ansprüche macht.«

Diese drückte ihm warm die Hand. »Was hätte ich für große Ansprüche zu machen? Ich bin eine Tochter aus dem Volk und wenn du einst eine Stelle am Gericht erhältst, die halbwegs eine Familie ernährt, so bin ich zufrieden.«

»Und dazu sind die besten Aussichten vorhanden. Also, Schwiegervater, auf eine baldige Hochzeit! Sind Sie damit einverstanden?«

»Ja, ja«, antwortete dieser, mit seinem Glas anstoßend und freundlich mit dem Kopf nickend. »Alles liebt und paart sich in der Welt, und Gott gebe, dass sie ein Einsehen bekommt und dass ihr auf irgendeine Weise der Hochmutsteufel ausgetrieben wird.«

»Nun, einstweilen rechnen wir auf Sie, Papa«, sagte Heidenreich.

Der kleine Mann machte eine Bewegung, als ob er wieder unter den Tisch verschwinden wollte.

»Mich lasst aus dem Spiel«, rief er und sah dabei so scheu in eine Ecke, als erblicke er dort plötzlich ein Gespenst. »Ich kenne sie, ja ich kenne sie seit dreißig Jahren und ich weiß …«

Hier fuhr Purps plötzlich ein paar Zoll in die Höhe und fühlte nach seinem Kopf, ob derselbe noch ganz sei, denn dicht vor seinem Ohr, davon hielt er sich fest überzeugt, war ein Pistolenschuss abgefeuert worden, obgleich sich der Kellner nur das Vergnügen gemacht, den Pfropfen von der Champagnerflasche springen zu lassen. Als nun Papa Purps von dem perlenden Getränk mehrere Gläser geleert hatte, kam plötzlich ein ganz wunderbarer Geist über ihn. Aus dem Hasen wurde ein Löwe, aus dem Zwerg ein Riese, aus dem David ein Goliath. Wie einst Simson, so würde auch er jetzt den Mut gehabt haben, mit einem Eselskinnbacken in die Philister einzuhauen. Da aber eben keine Philister (wenigstens keine alttestamentarischen) vorhanden waren, so richtete er sich entschlossen empor und forderte – nicht etwa sein Jahrhundert – sondern seine abwesende Ehehälfte in die Schranken.

»Es ist eigentlich Torheit«, rief er, »dass ich mich vor einem Phantom fürchte. Erscheine Phantom und gib Rechenschaft, weshalb du mich ununterbrochen dreißig Jahre quältest! …«

Da aber das Phantom so halsstarrig war, nicht zu erscheinen, so leerte der kleine Purps abermals sein Glas und fuhr mit erhöhter Stimme zu seiner Tochter und zu Heidenreich gewendet fort: »Unter allen Umständen könnt ihr auf meinen Schutz rechnen und ihr werdet diesen Schutz nötig haben! … Unter allen Umständen werde ich mich in die Bresche stellen und diese Bresche mit meinem Herzblut verteidigen! … Unter allen Umständen trotze ich dem Geschick, mag es in einer Gestalt, wie es will, vor mich treten, ja sollte es sogar in der Gestalt einer gewissen Frau Purps …« Hier hielt der kleine Mann plötzlich erschrocken inne und wollte wieder unter den Tisch verschwinden, denn eine tief verhüllte Dame war eingetreten, deren Gestalt dieser gewissen Frau Purps sehr glich.

Therese und deren Geliebter waren übrigens ebenfalls schon sehr angeheitert, und so brach die kleine Gesellschaft schließlich in ziemlich ausgelassener Stimmung auf und war sehr froh, noch einen Fiaker zu finden, welcher die Weisung erhielt, sie in der Müllerstraße Nr. l0 abzusetzen. Unterwegs steigerte sich Papa Purps sogar so weit, dass er laut in die Nacht hinein das bekannte Lied »Ein freies Leben führen wir« sang und nebenbei seinem künftigen Eidam an die Brust sank und Therese für jetzt und für die Zukunft wiederholt seine väterliche Protektion zusicherte.

»Wissen Sie was, Schwiegerpapa«, sagte der Bürochef schließlich, als die Umrisse des alten weitläufigen Gebäudes bereits ganz in der Nähe auftauchten. »Ich will Ihnen zu guter Letzt noch einen Vorschlag machen.«

»Schlagen Sie vor«, rief Purps mit einer so herausfordernden Miene, als wolle er eine große Wette eingehen.

»Nun, wir befinden uns alle drei in einer Stimmung, welche nichts zu wünschen übrig lässt. In meiner Stube habe ich noch eine Flasche alten Portwein, die mir ein dankbarer Klient schenkte. Was meinen Sie, wenn wir derselben den Hals brächen? In einer Viertelstunde ist dies geschehen.«

»Brechen wir derselben den Hals«, schrie Purps und kletterte dabei bereits ziemlich schwankend aus dem Wagen. »Komm, meine Tochter, es lebe der Portwein und halte dich fortwährend meiner väterlichen Protektion versichert!«

Kichernd und lachend betraten alle drei das Haus. Sie ahnten nicht, dass der Verräter bereits in ihrer Nähe lauerte und dass binnen kürzerer Zeit das unerbittliche Fatum in der Gestalt der liebenswürdigen Dame aus dem Ministerium vor ihnen erscheinen würde.

Kaum verschwanden sie nämlich in dem finsteren Hausflur, als Julie sich aus ihrem Versteck erhob und ihnen einen Augenblick mit dem Ausdruck staunender Überraschung nachblickte.

»Also darum wollten sie mich los sein und deshalb musste ich den weiten Weg bei diesem schlechten Wetter zu Fuß zurücklegen, um ungestört schwelgen zu können! … Man hat mich also beiseitegeschoben, weil ich nicht sehen sollte, wie sie sich küssten und die Hände drückten! … Und Papa ist auch dabei, der Duckmäuser, welcher immer tut, als wenn er nicht bis Drei zählen kann! …« Von Rache und eifersüchtiger Enttäuschung erfüllt, schlich sie den dreien nach. Als sie diese in dem Zimmer Heidenreichs verschwinden sah, leuchteten ihre Augen boshaft auf.

»Portwein! … Das glaube ich, dass der besser schmeckt als Wasser oder Dünnbier! … Und die liebe Therese – ei, wie sich das Püppchen zu verstellen verstand, und jetzt ist sie vollständig außer Rand und Band! … Aber ich kenne jemand, der ihnen bei ihrem Gelage leuchten wird und puh! Ich sehe schon das Kleeblatt entsetzt auseinanderfahren, wenn dieser jemand plötzlich unter sie tritt!«

So sehr war sie in diesem Augenblick von dem Verlangen nach Rache erfüllt, dass sie darüber sogar die Rücksichten, welche sie ihrem Vater schuldig war, vergaß, obgleich sie recht gut wusste, was dem kleinen Mann bevorstand, wenn er von seiner Frau auf solchen verbotenen Wegen und noch dazu als Begünstigter eines heimlichen Liebesverhältnisses seiner Tochter mit einem ihrer Mieter betroffen wurde.

Während nun der kleine Purps, von dem genossenen Wein völlig umgewandelt auf einen Stuhl sank, den Versuch machte, sich eine Zigarre anzustecken und den beiden jungen Leuten unter den lebhaftesten Gestikulationen fortwährend versicherte, dass sie fest auf seine väterliche Protektion zählen könnten, war Julie jetzt schnell in das gemeinschaftliche Wohnzimmer getreten. Die Lampe brannte nur düster und im Hintergrund gab Frau Purps durch einige unartikulierte Laute zu erkennen, dass auch auf sie der reichlich genossene Grog seine Wirkung nicht verfehlt habe.

Aber rasch entschlossen trat Julie an sie heran und rief, sie nur Arm rüttelnd: »Mutter, stehe auf … es gibt etwas für dich zu tun .. es gehen Dinge vor, von denen du dir nichts träumen lässt!«

»Was geht vor?«, fragte die Amazone emporfahrend und sich die Augen reibend. »Was geht vor?«

»Etwas Schreckliches … etwas Verabscheuungswertes!«

Nun schienen plötzlich bei der dicken Frau alle Erinnerungen zurückzukehren, welche der Schlaf für einige Zeit verscheucht hatte.

»Wo ist Therese?«, fragte sie mit einer Stimme, die nichts Gutes verkündete.

»Drin im Zimmer des Herrn Heidenreich.«

Bei diesem Namen schien sich im Innern der liebenswürdigen Dame ein Orkan zu erheben, dessen verheerende Wirkungen schrecklich zu werden drohten. Ihre Augen glühten wie zwei Feuerräder und über ihr hässliches Gesicht zuckte es unheilverkündend.

»Die Unwürdige!«, stieß sie heraus, »die Ehrlose! Aber wenn sie mir unter die Hände kommt! …« Sie krallte ihre zehn Finger in so diabolischer Weise, dass Julie erschrocken erbleichte und gerade zur Entschuldigung ihrer Schwester hinzusetzen wollte: »Aber Papa befindet sich gleichfalls im Zimmer des Herrn Heidenreich«, als sie von ihrer Mutter durch die Frage unterbrochen wurde.

»Und weißt du, wer dieser angebliche Bürochef aus dem Ministerium des Innern ist?«

»Nun, ich denke …«

»Ein bettelhafter Advokatenschreiber ist er«, brüllte die Megäre, »ein verhungerter Lump, der sich hier in lügenhafter Weise unter einem hochtrabenden Titel eingeschlichen hat. Aber er soll mich kennenlernen, ja, bei Gott, das soll er. Morgen werfe ich ihn zum Haus hinaus!«

»Ist es möglich!«, rief Julie, die Hände über den Kopf zusammenschlagend.

»Freilich ist es möglich. Heute gegen Abend wurde nach ihm gefragt und so erfuhr ich, was für ein Vogel er ist. Gesucht hatte man ihn an allen Ecken und Enden der Stadt, denn schlau genug war von ihm seine Wohnung nicht angegeben worden, aber ich werde ihm jetzt ein Licht anstecken und dem verliebten Pärchen zum Tanz aufspielen!«

Mit widerlich verstellten Gesichtszügen ergriff sie die auf dem Tisch stehende Lampe und befahl ihrer Tochter, ihr zu folgen.

Inzwischen waren auch Schwefelkorn und Schwalbe in dem angrenzenden Zimmer durch Papa Purps lebhafte Kundgebungen munter geworden und fuhren von ihren Sitzen in die Höhe.

»Ich sagte es Ihnen ja«, bemerkte der Erstere, sich behaglich die Hände reibend, »dass wir heute noch etwas zu tun bekommen würden. Gleich wird es losgehen, der alte Drache ist schon im Anzug.«

Indem ließ sich der kleine Purps in seiner Weinlaune wieder vernehmen.

»Kinder«, rief er, »ihr könnt euch unbedingt auf meine Protektion verlassen ! Bomben und Granaten, wer hat hier das letzte Wort zu sprechen? … Wer hat …«

Er hielt inne und erbleichte, der Haarbeutel, den er sich angetrunken hatte, fiel ihm plötzlich vom Kopf. Mit einem Gesicht so jämmerlich und kleinmütig wie je, blickte er um sich und horchte ängstlich und beklommen.

»Aufgemacht!«, tönte es draußen vor der Tür und zugleich donnerte eine kräftige Faust gegen dieselbe.

Eine Totenstille trat für einen Augenblick ein.

»Die Mutter!«, stöhnte Therese und bedeckte mit beiden Händen ihr Gesicht.

»Lassen Sie mich in den Kleiderschrank«, lispelte Purps, welcher plötzlich ganz nüchtern geworden war, »oder vielleicht ist es noch besser, wenn ich unter das Bett krieche.«

»Nun, wird′s bald?«, erklang es wieder drohend von außen, und die Amazone rüttelte wild am Schloss.

»Ruhig«, mahnte Heidenreich, »es wird sich doch ein Ausweg finden lassen, und wenn dies nicht gelingt, so trete ich in die Bresche.«

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, welche beide Zimmer trennte, und Schwefelkorn erschien auf der Schwelle.

»Geschwind, schlüpfen Sie hier durch«, lispelte er, »Nachbarn müssen sich behilflich sein.«

»Aber wohin ?«, fragte Purps, sich mit den Fingern ratlos durch die dünnen Haare fahrend.

»Natürlich ins Bett. Wir werden nötigenfalls bezeugen, dass Sie nicht hier gewesen sind.«

Der kleine Mann ließ sich dies nicht zweimal sagen. Er schlüpfte behände in das andere Zimmer und Therese folgte oder wankte ihm vielmehr nach.

»Nun, wird′s bald?«, rief die Amazone sehr energisch von außen, »soll ich etwa die Tür einschlagen?«

»Ist keineswegs nötig«, antwortete Heidenreich mit fester Stimme und drehte zugleich den Schlüssel im Schloss.

Eine Minute darauf stand Frau Purps mit hocherhobener Lampe wutschnaubend ihm gegenüber.

»Was wollen Sie hier noch so spät und wen suchen Sie?«, fragte ihr Mieter mit kalter Ruhe.

»Wo ist meine Tochter? Wo ist mein Mann?«

»Da fragen Sie mich zu viel. Ich verbitte mir übrigens ein so unverschämtes Eindringen in meine Wohnung nach Mitternacht.«

Frau Purps setzte die Lampe auf den Tisch und stemmte beide Arme in die Seiten.

»Was, Sie verhungerter Advokatenschreiber, Sie glauben mir wohl noch imponieren zu können?«

»Verhungert bin ich nicht«, erwiderte der junge Mann mit der größten Ruhe, »aber dass ich bei einem Advokaten arbeite, ist richtig.«

»Eingeschlichen haben Sie sich hier in lügenhafter Weise als Bürochef im Ministerium des Innern.«

»Bürochef bin ich auch, das »im Ministerium des Innern« hat Ihre schwunghafte Phantasie hinzugesetzt.«

»Meine Tochter haben Sie durch allerhand Schwindeleien zu verführen gesucht! Na, das fehlte noch, dieselbe einem solchen Hungerleider in die Arme zu werfen. Mein seliger Vater, der Geheime Kanzleirat würde sich noch vor Scham im Grabe umdrehen.«

»Madame Purps«, erwiderte der junge Mann mit der größten Ruhe, »Ihre gemeinen Schimpfworte berühren mich nicht. Ihre Tochter lernte ich auf eine anständige Weise kennen. Ich habe redliche Absichten und ich denke, wir sind uns in unseren Verhältnissen ziemlich gleich.«

»So? Meinen Sie? Ei, sehe doch einer den Prahlhans!« Indem die würdige Dame einen Schritt näher rückte, richtete sie sich mit unvergleichlicher Würde in die Höhe, betrachtete ihren Mieter mit einem unaussprechlichen Blick der Verachtung und sagte spöttisch: »Also der Tochter des Geheimen Kanzleirats Pipenmeier wollen Sie sich gleich stellen?«

Heidenreich zuckte mitleidig mit den Achseln. »Pipenmeier war nicht mehr als ich. Er bekleidete ebenfalls nur das Amt eines Schreibers.«

Das war zu viel für die Amazone. Ihre Augen blitzten, und indem sie abermals einen Schritt näher rückte, rief sie: »Ich werde kurzen Prozess mit Ihnen machen. Noch diese Nacht müssen Sie auf die Straße!«

Die Stirn Heidenreichs verfinsterte sich. »Genug der Beleidigungen, ich bitte, dass Sie mich verlassen!«

»Ei, das wollen wir doch einmal sehen!«

Die handfeste Dame setzte sich trotzig auf einen Stuhl.

»Da Sie es durchaus darauf ankommen lassen«, sagte Heidenreich, »so entschuldigen Sie, wenn ich etwas unzeremoniell zu Werke gehe. Ich wünsche mich zu Bett zu legen und bedarf daher der Ruhe.«

Ehe Madame Purps wusste, wie ihr geschah, befand sie sich vor der Tür, und diese wurde ohne Weiteres vor ihr zugeschlagen und der Schlüssel im Schloss herumgedreht.

Eine Flut von Schimpfworten folgte diesem Justizakt.

Nun legten sich aber auch Schwefelkorn und Schwalbe ins Mittel und verbaten sich sehr energisch diesen Höllenlärm. Zugleich erklärten sie, morgen gleichfalls ausziehen zu wollen, da ihnen nach einem solchen Auftritt der Anstand verbiete, noch länger wohnen zu bleiben.

Dies wirkte allerdings sehr entmutigend auf die liebenswürdige Frau Purps. Nachdem ihr dieser Dämpfer angelegt worden war, entfernte sie sich ziemlich kleinlaut, einige Entschuldigungen murmelnd. Am anderen Tag herrschte ein düsteres Schweigen in der Purpsschen Wohnung. Therese lag zu Bett, wahrscheinlich infolge der mütterlichen Zärtlichkeiten. Der kleine Purps schlich sehr in sich gekehrt umher und verzehrte still und geräuschlos sein frugales Mittagbrot. Die Feuerräder im Kopf der Amazone rollten noch immer unheilverkündend. Mit einem Seufzer strich sie die ihr überschickte Miete ein, denn ihre Zimmer standen jetzt leer und sie hatte durchaus keine Aussicht, dieselben bald wieder besetzt zu sehen.

Von Schwalbe und dem falschen Baron von Schwefelkorn nahm der Bürochef des Justizrats Palmer unter warmen Dank für die geleistete Hilfe einen herzlichen Abschied.

»Sie sind gestern Zeugen einer widerlichen Szene gewesen «, sagte er, »die durch die Rohheit eines abscheulichen Weibes, welches leider hier im Haus die Herrschaft führt, hervorgerufen wurde. Sowohl mir als auch Therese bin ich es schuldig, Ihnen eine kurze Erklärung zu geben. Den alten Purps kannte ich schon früher und durch den alten Purps lernte ich auch dessen Tochter kennen, die ihn manchmal vom Kontor abholte. Dass ich es redlich mit dem Mädchen meine, brauche ich Ihnen wohl kaum erst zu sagen. Das Verlangen, in ihrer Nähe zu sein und wohl auch die Hoffnung, ihre Mutter mit der Zeit für mich zu gewinnen, veranlasste mich unter Anwendung einer kleinen List hierher zu ziehen. Welchen Ausgang mein Abenteuer genommen hat, haben Sie gesehen, trostloser als je, scheide ich jetzt.«

»Nun, Sie werden doch nicht gleich den Mut verlieren«, bemerkte Schwefelkorn.

»Den Mut nicht, aber jede Hoffnung ist so gut wie verschwunden«, lautete die Antwort. »In dem Herzen dieser rohen Frau schweigt alles bessere Gefühl, ihr lächerlicher Hochmut macht sie blind und wenn kein außergewöhnliches Ereignis zu meinen Gunsten eintritt, so nutzt mir die Stelle, welche ich binnen Kurzem beim Gericht zu erwarten habe, nichts, denn Thereses Mutter wird mir nie deren Hand bewilligen.«

»Nun«, bemerkte Schwefelkorn, »kleinmütig dürfen Sie deshalb doch nicht werden. Wer weiß, was passiert, vielleicht findet sich noch in der letzten Stunde ein guter Freund, der sich ihrer annimmt.«

»Wo sollte der herkommen. Ich bin ein armer Mensch, um den sich niemand kümmert.«

»Auf jeden Fall lassen Sie Ihre Karte bei uns zurück. Wäre es auch nur, um uns mitunter einmal wiederzusehen.«

»Sie sind sehr gütig, hier ist sie. Ich beziehe wieder meine alte Wohnung, Steinweg Nr. 16, auf dem Hof, drei Treppen rechts.«