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Marshal Crown – Band 11

MC011-Der-Kaiser-von-TexasDer Kaiser von Texas

Langsam versank die Sonne hinter den Ulmen am Westufer des Buffalo Bayous. Der aufkommende Abendwind strich sanft durch die Straßen am Hafen.

Dämmerung legte sich wie ein dunkles Tuch über die Stadt und das Geschrei der Möwen vermischte sich mit dem Rauschen des Meeres, das in ständig wiederkehrenden Wellen vom Golf von Mexiko her gegen die hölzernen Aufbauten der Schiffsanlegestellen klatschte.

Es wurde Abend in Houston, der alten, ehrwürdigen Hauptstadt von Texas.

Hinter den Fenstern der Häuser flammten die ersten Lichter auf und der Rauch von Herdfeuer erfüllte die Luft. Aus den Saloons drang das Klirren von Gläsern und Flaschen auf die Straßen und im Mexikanerviertel waren Gitarrenmusik und lautes Lachen zu hören.

Aus allen Richtungen kamen Reiter und Fuhrwerke nach Houston, denn es war Samstag.

Es hatte den Anschein, als wäre die ganze Stadt auf den Beinen, um in der lauen Sommernacht das freie Wochenende zu genießen.

Fast die ganze Stadt, denn die beiden Männer, die kurz nach Einbruch der Dunkelheit vom Hafen aus in Richtung Lamar Street rannten, hatten offensichtlich andere Dinge geplant.

Wie Diebe huschten sie durch die Nacht.

Sie hatten die Kragen ihrer Jacken hochgeschlagen und sich die Hüte tief ins Gesicht gezogen.

Jedes Mal, wenn vor ihnen jemand auftauchte, pressten sie sich in das Dunkel des nächsten Hauseingangs und warteten mit der Hand am Colt, bis die Straße wieder leer war.

»Wenn wir so weiter machen, sind wir morgen früh noch nicht am Ziel«, sagte einer der Männer unvermittelt.

Henry Starr war Ende zwanzig, mittelgroß und unglaublich hager. Als er sich den Hut aus der Stirn schob, war ein spitz zulaufendes Gesicht zu sehen, das von einer riesigen Hakennase und zwei tückisch blitzenden Augen beherrscht wurde. Seine Kleidung war verdreckt und verwaschen und überall am Kragen, an den Ärmeln und den Knien durchgescheuert.

Sein Gegenüber, James Weadock, war das genaue Gegenteil. Er war fast doppelt so alt, ziemlich stämmig und trug eine ordentliche Kugel von Bauch vor sich spazieren. Er steckte in einem braunen Nadelstreifenanzug aus bestem Tuch mit dazu passender Seidenweste, die sich allerdings bedenklich über seinem wohlgenährten Wanst spannte. Auf seinem Anzugtuch schien kein Stäubchen zu liegen und seine handgefertigten Stiefel waren so blank gewienert, dass sich sogar das Mondlicht darin spiegeln konnte.

»Immer langsam mit den jungen Pferden, Henry. Du weißt doch, nur in der Ruhe liegt die Kraft.«

»Spar dir deine klugen Reden. Wir sollten lieber zusehen, dass wir endlich in dieses verdammte Haus kommen. Ich wüsste sonst nicht, was ich der Polizei erzählen sollte, wenn sie mich fragt, warum ich an einem Samstagabend um diese Zeit um das Gebäude der Stadtverwaltung herumschleiche.«

»Keine Angst, bis der erste Constabler endlich auf Nachtstreife geht, sitzen wir längst wieder zuhause und feiern unseren Coup.«

Starrs Kopf ruckte herum. »Was zum Teufel macht dich eigentlich so sicher?«

Der Mann in dem Nadelstreifanzug lächelte, aber der Blick, mit dem er seinen Partner dabei musterte, war kalt und emotionslos, als wären seine Augen aus Glas.

»Glaubst du, ich habe mir das letzte halbe Jahr zum Spaß jede Nacht um die Ohren geschlagen? Ich weiß inzwischen alles! Wann der Nachtwächter Pause macht, wann er seine Runden dreht und wann der erste Polizist auf Streife geht. Ich glaube, wenn ich meine Aufzeichnungen noch einmal durchgehe, kann ich dir sogar sagen, wann der Nachtwächter scheißen geht. «

»Dann frage ich mich, wofür du mich noch brauchst, wenn du schon alles weißt.«

Das Lächeln des Anzugträgers wirkte jetzt mitleidig.

»Wie oft soll ich dir es denn noch erklären? Ich habe keinen Schlüssel für das Verwaltungsgebäude, also brauche ich jemanden, der mich da rein bringt.«

»Warum? Die Tür von dem alten Kasten aufzuhebeln ist doch ein Kinderspiel.«

»Für dich vielleicht, aber nicht für mich. Wie du dich erinnerst, bin ich Archivar in der Stadtverwaltung und kein Einbrecher.«

Starr grunzte ungehalten.

 

***

 

Die Stadtverwaltung von Houston befand sich in einem dreistöckigen Haus am Ende der Lamar Street. In dem Gebäude waren auch einige Büros von Mitgliedern des Gemeinderates untergebracht.

Als sie vor der schweren Eingangstür standen, wirkte Starrs Gesicht einen Moment lang seltsam verkniffen. Nervös blickte er sich mehrmals um, bis er sicher war, dass man ihn nicht beobachtete. Dann zog er hastig einen großen, seltsam geformten Metalldietrich aus seiner Hosentasche und machte sich am Türschloss zu schaffen.

Einen Herzschlag später waren die beiden Männer im Innern des Gebäudes verschwunden.

Gemeinsam durchquerten sie den Verwaltungstrakt, in dem samstags kein Mensch mehr arbeitete, jedenfalls nicht um diese Zeit.

Als sie kurz darauf eine weitere Tür erreichten, übernahm Weadock die Führung. Ohne zu zögern drückte der Archivar die Klinke nach unten und eilte mit weit ausgreifenden Schritten den dahinterliegenden Gang entlang.

Starr hatte Mühe, ihm in der Düsternis zu folgen.

Irgendwann machte der Gang einen scharfen Knick nach rechts und endete schließlich an einer Steintreppe, deren ausgetretene Stufen in einen halbdunklen Raum hinunterführten.

Angewidert rümpfte Starr die Nase.

Dort unten war es ungewöhnlich kühl, trotzdem war die Luft, die ihnen entgegenschlug, dermaßen muffig und abgestanden, dass ihm beinahe schlecht wurde.

Wie in einem Grab, dachte Starr, während sich sein Partner bereits auf dem Weg nach unten befand.

Langsam und vorsichtig folgte er ihm.

Er hatte keine Lust, sich auf den ausgetretenen Stufen die Knochen zu brechen. Die einzige Lichtquelle in dieser für ihn fremden Umgebung war das fahle Licht des Mondes, das nur spärlich durch die Fenster ins Innere des Hauses fiel.

Unten angelangt sah sich Starr nachdenklich um. Der ganze Raum war von unzähligen Regalen durchzogen, die in yardgroße Fächer unterteilt waren. Jedes davon quoll förmlich über vor Dokumenten, Büchern und Urkunden.

Allmählich begann Starr zu ahnen, woher die abgestandene, modrig riechende Luft stammte.

Neugierig wanderten seine Blicke umher, während Weadock bereits an einem der kleinen Tische Platz genommen hatte, die sich am Ende eines jeden Regals befanden. Sein Gesicht wirkte seltsam entrückt, während er in irgendwelchen Büchern blätterte, die er aus den Fächern gezogen hatte.

Gelangweilt beobachtete Starr die Szenerie.

Nachdem der Bücherstapel auf dem Tisch aber immer mehr an Höhe gewann und sein Partner nicht die geringsten Anstalten machte, ein Ende zu finden, wurde er langsam nervös.

Das Wissen um die Existenz eines Nachtwächters und die Befürchtung, dass dieser jeden Moment hier auftauchen konnte, wurde immer größer, während Weadock jegliches Zeitgefühl verloren zu haben schien.

Deshalb überraschte es Starr auch nicht wirklich, als seine düsteren Vorahnungen schlagartig zur Wirklichkeit wurden.

Der Nachtwächter war plötzlich da.

Er trug eine einfache, dunkelblaue Uniform, eine Schildmütze und genagelte Armeestiefel.

Seine Rechte lag um den Griff eines unterarmlangen Schlagstocks, während er mit der anderen Hand eine Petroleumlampe hochhielt, deren flackerndes Licht tanzende Schatten auf die Gesichter von Weadock und Starr warf.

»Was macht ihr denn da?« Seine Stimme hallte überlaut durch den halbdunklen Raum. »Los ihr beiden, hoch mit den Händen und dann langsam aufstehen!«

Starr riss erschrocken die Arme hoch und trat jäh einen Schritt zurück. Dabei streifte er mit dem Ellbogen die Bücher, die Weadock vor sich aufgetürmt hatte. Mit lautem Poltern fiel der Stapel vom Tisch.

Instinktiv drehte der Nachtwächter den Kopf zur Seite.

Weadock musste das vorausgesehen haben, denn er reagierte augenblicklich. Er schlug die Hand mit dem Schlagstock zur Seite und hämmerte dem Nachtwächter die Rechte in den Leib. Der Mann krümmte sich zusammen. Sein Gesicht war verzerrt vor Angst und Schmerz. Als er das Messer in Weadocks Hand sah, quollen ihm die Augen fast aus den Höhlen. Er stieß einen gurgelnden Laut aus, während sich die Klinge in seinen Oberkörper fraß.

Sein Schlagstock fiel zu Boden.

Röchelnd presste er beide Hände auf die Wunde, während er langsam in die Knie sackte. Weadock stieß ein zweites Mal zu. Diesmal durchbohrte der Stich das Herz. Der Nachtwächter stürzte nach vorne aufs Gesicht und rührte sich nicht mehr.

Starr riss die Augen auf und schüttelte fassungslos den Kopf. »Du hast ihn umgebracht … du … du Scheißkerl hast ihn einfach umgebracht!«

»Was ist los mit dir, hast du etwa die Hosen voll?«, blaffte Weadock, nachdem er bemerkt hatte, dass Starr den Blick nicht von dem Toten nehmen konnte.

»Verdammt James, das war nicht ausgemacht. Es war von Einbruch die Rede und nicht von Mord! Mit so etwas will ich nichts zu tun haben.«

»Das hättest du dir vorher überlegen müssen. Mitgefangen ist mitgehangen.«

Starr nahm den Blick von dem Toten und würgte.

Der hagere Mann war bei den Gesetzeshütern der Stadt zwar kein Unbekannter mehr, aber Einbruch war trotzdem etwas anderes als Mord. Außerdem konnte Starr kein Blut sehen.

Weadocks Gesicht verzog sich zu einer verächtlichen Grimasse, als sich sein Partner übergab. Angewidert wandte er sich ab. Dabei fiel sein Blick wie zufällig auf das Messer, das er immer noch in seiner Rechten hielt.

Nach einem zweiten Blick auf die Waffe und einem weiteren, deutlich nachdenklicherem auf seinen immer noch würgenden Partner, strafften sich seine Schultern und seine Augen begannen unvermittelt zu funkeln. Einen Moment lang wog Weadock das Messer abschätzend in der Hand.

Dann stach er das erste Mal zu.

Starr nahm die Klinge voll und taumelte mit einem unterdrückten Stöhnen zur Seite. Blut lief über sein Hemd. Eine zweite Messerattacke zerfetzte seine Kehle. Blutige Luftblasen kamen über seine Lippen und vermischten sich mit dem Erbrochenen.

Stöhnend ging Starr in die Knie. Das Letzte, was er in seinem Leben noch bewusst wahrnahm, war die blutverschmierte Messerklinge, die eine Sekunde später erneut auf ihn zuraste.


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB und MOBI zur Verfügung.

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