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Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 4

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 4

Am folgenden Morgen blies der Wind sehr leicht und noch vor Mittag trat Windstille ein. Zwei große Haifische kamen unter den Stern des Schiffes, und die Matrosen gaben sich alle Mühe, einen derselben zu fangen. Die Haie aber verschmähten den Köder, der aus einem Stück gesalzenen Schweinefleisches bestand, verließen das Schiff und verschwanden zum Verdruss der Passagiere und der Besatzung.

»Ich glaubte, dass Haifische stets den Köder aufnehmen würden«, sagte Alexander.

»Nicht immer, wie Sie soeben erst gesehen haben«, versetzte Mr. Swinton. »Es hängt davon ab, ob sie hungrig sind oder nicht. Ich selbst habe in einem Hafen, wo es viele Fische gibt, Haie zu Hunderten gesehen, welche nicht nur jeden Köder verschmäht, sondern auch die Menschen, welche zufälligerweise ins Wasser gerieten, unbeschädigt ließen. Indes wundert es mich doch, dass diese atlantischen Haie nicht anbissen, denn sie sind in der Regel sehr gierig.«

»Ich kann Ihnen sagen, Sir, warum sie den Köder nicht wollten«, fiel der Hochbootsmann des Schiffes ein, der in der Nähe stand, »der Grund ist, dass wir jetzt in der Fahrstraße der brasilianischen Sklavenhändler sind. Die Tiere haben in der letzten Zeit reichliche Nahrung Menschenfleisch erhalten.«

»Ihr mögt mit Eurer Vermutung recht haben«, erwiderte Swinton.

»Es gibt wohl mehrere Arten von Haifischen?«, fragte Wilmot.

»Sehr viel sogar, der Wildeste und Größte ist derjenige, den wir eben gesehen haben und der den Namen »Weißer Hai« führt. Er streicht durch den Atlantischen Ozean, lässt sich selten im Norden blicken, da er die Tropen vorzieht. Auch findet man ihn im Mittelmeer, und zwar im Golf von Lion. Im englischen Kanal kommt der blaue Hai vor, der selten gefährlich wird. In den nördlichen Meeren gibt es einen noch viel größeren, aber unschädlichen Hai, der von Walfischjägern erbeutet wird. Ferner haben wir den gefleckten oder getigerten Hai, derselbe wird aber nicht besonders groß, dann den Hammerhai, welcher seinen Namen der eigentümlichen Bildung seines Kopfes verdankt und den Grundhai, welcher der Gefährlichste von allen ist, weil er auf dem Boden liegt und von unten heraufkommt, ohne dass man eine Ahnung von seiner Nähe hat. Dieses dürften die Hauptarten sein.«

»Wenn ein Mensch über Bord stürzt und ein Haifisch in der Nähe ist, was kann man denn da am besten anfangen, um der Bestie zu entkommen?«

»Am besten ist, wenn man schwimmen kann, man wirft sich auf den Rücken, plätschert tüchtig mit den Füßen und schreit aus Leibeskräften. Der Haifisch ist ein feiges Tier und der Lärm verscheucht ihn.«

»Als ich vor zwei Jahren auf See war, hatte ich einen Neufundländerhund bei mir, der gewohnt war, fast von jeder Höhe ins Wasser zu springen. Eines Tages – wir lagen gerade auf der Höhe der Westindischen Inseln in einer Windstille – sprang er plötzlich auf einen Haifisch los, der an das Schiff herankam, und suchte ihn unter lautem Bellen und durch Schwimmen zu erreichen. Ich erwartete nichts anderes, als das Ungeheuer werde im Nu mit ihm fertig sein, zu meinem Erstaunen aber ließ es sich einschüchtern und schwamm fort, der Hund ihm aber nach, bis das Boot niedergelassen wurde, ihre aufzulesen. Allerdings dürfte der Haifisch nicht besonders hungrig gewesen sein. Die Perlentaucher haben einen besonderen Trick, um den Haifischen zu entgehen. Sie lassen sich aus einem Boot in zehn oder zwölf Faden tiefes Wasser nieder, ehe sie auf Muschelbeete gelangen. Macht ein Hai auf sie Jagd, während sie ihre Körbe füllen, und kommt auf sie zu, so wühlen sie dann den Schlamm so schnell wie möglich auf. Das Tier kann sie dann nicht unterscheiden und vom trüben Wasser geschützt, gelangen sie wieder an die Oberfläche. Dennoch gelingt es nicht immer, auf diese Weise zu entkommen und in jedem Jahr fallen viele dem Hai zum Opfer.«

»Eine Lady, die stolz auf ihr Perlenhalsband ist, denkt wohl wenig daran, wie viel unglückliche Menschen in Stücke gerissen wurden, ehe sie einen solchen Schmuck erhalten konnte.«

»Sehr richtig, und wenn man in Betracht zieht, wie oft man niedersteigen muss und wie viele Taucher umkommen, ehe man eine Schnur schöner Perlen beisammenhat, so lässt sich sagen, dass jede Perle des Bandes ein Menschenleben kostete.«

»Wer verfügt über die Perlen und wem gehören sie?«

»Ich glaube, die Perlenfischerei gehört der Regierung und wird in jährliche Pacht gegeben. Die gefangenen Perlmuscheln werden ungeöffnet ans Land gebracht und am Ufer in Vierecken von einem Meter aufgeschichtet. Ist die Zeit des Fanges vorüber, so werden die Muschelhaufen versteigert und an den Meistbietenden verkauft – natürlich Inhalt unbekannt – sodass die Sache zu einer Art Lotterie wird. Der Käufer findet vielleicht nicht eine Perle in seinem Haufen, möglicherweise aber zwei oder drei, die ihm allein zwanzig Mal den Preis einbringen, welchen er für alles zusammen bezahlt hat.

So ist es also eine Lotterie vom Anfang bis zum Ende. Die Losung der armen Taucher heißt Haifisch oder nicht Haifisch, die des Käufers Perlen oder keine Perlen. Doch jetzt kommt Mister Fairburn die Treppe herauf und ich bin begierig zu hören, was aus Mokanna wurde.«

Muster Fairburn kam auf das Deck, setzte sich zu seinen beiden Reisegefährten und fuhr folgendermaßen fort.

»Ich sagte bereits, dass Mokanna zum Kap gebracht wurde. Sein einziges Verbrechen hatte im Kampf für sein Vaterland gegen zivilisierte Eindringlinge bestanden – freilich ein schweres Verbrechen in den Augen der Kolonialregierung. Er wurde ins Gefängnis geworfen und endlich zu lebenslänglicher Haft auf der Robbeninsel verurteilt, und die Verbrecher in Fesseln in den Schieferbrüchen arbeiten mussten.«

»Darf ich frage, wo die Insel liegt!«

»Dicht an der Tafelbay, eine Stunde vom Festland. Mokanna blieb ungefähr ein Jahr dort, dann gelang es ihm, aus eisernen Reifen von Fässern säbelartige Waffen zu fertigen. Mit diesem bewaffnete der seinen Freunde, überwältigte die Wachen, bemächtigte sich eines Bootes und ruderten mit seinen Freunden dem Festland zu. Und glücklicherweise schlug das Boot in der ungestümen Brandung um. Mokanna klammerte sich an ein Riff, wurde aber weggespült. So ging der unglückliche Held der Khoikhoi zugrunde.«

»Der Ärmste«, sagte Alexander. »Er verdiente ein würdiges Schicksal und einen edleren Feind. Dauerte der Krieg nun fort?«

»Nein, er schloss so würdig, wie seinen Anfang war. Er war begonnen, um den Khoikhoihäuptling gegen die wirklichen Häuptlinge zu schützen. Die Khoikhoi hatten sich schon früher genötigt gesehen, ihr Gebiet auf der rechten Seite des Fischflusses abzutreten. Die Kolonialregierung bestand nun darauf, dass sie sich weiter zurückziehen müssten – und zwar über den Kaisi- und Chumifluss, wodurch das Kolonialgebiet wiederum mehr als 100 Quadratmeilen vergrößert wurde. Dies geschah, um einen neutralen Boden zu haben, der die Khoikhoi und die holländischen Buren trennte. So hoffte man beiderseits, allen ein Ende zu machen. Sonderbar war es allerdings, dass dieser Landstrich nicht den Khoikhoihäuptlingen, sondern unserem Verbündeten Gaika abgenommen wurde, zu dessen Unterstützung der Krieg gekommen war.«

»Das hieß also, mit gleicher Hand spenden – wenn auch nicht Gerechtigkeit, so doch Ungerechtigkeit.«

»Ganz richtig, und so dachte auch Gaika – denn als er von dem Schutz sprach, den er von der Regierung erhalten hatte, sagte er: ›Doch wenn ich an die schönen Landstriche denke, die mir abgenommen sind, also muss ich sagen, dass ich, obgleich geschützt von meinen Beschützern, eher unterdrückt wurde.‹ So ungerecht auch die Art und Weise ist, wie der neutrale Grund erworben wurde, so war es immerhin klug, einen derartigen Landstrich zwischen die feindlichen Parteien zu legen.«

»Ich gebe dies zu, aber wie benahm sich dann die Kolonialregierung?«

»Dieser neutrale Grund wurde später an die holländischen Buren abgegeben, sodass sie wieder in Berührung mit den Khoikhoi kamen.«

»Ist es möglich.«

»Ja, an dieselben, die sich stets der englischen Regierung widersetzt, zweimal die Waffen gegen sie erhoben und den Versuch gemacht hatten, zur Zerstörung der Kolonie die Khoikhoi hereinzuschieben. Die Beutezüge der Buren gegen die Khoikhoi nahmen nun kein Ende und, wie ich hörte, ist Mekomo, der Sohn Gaikas, jetzt von ihnen bedroht. Ich hoffe übrigens, dass das englische Ministerium alles aufbieten wird, um dem schlimmen Treiben ein Ende zu machen.

Ich habe nun einen kurzen Überblick über die Geschichte des Kaps bis zum heutigen Tag gegeben. Ehe ich fortfahre, möchte ich die Bemerkung beifügen, dass das Gute, was bisher geschehen ist, nur der unermüdlichen Mission zuzuschreiben ist. Sie verdient dafür das wärmste Lob. So schlimm auch die Kolonie viele Jahre verwaltet wurde, ohne ihre Bemühungen Peres noch viel schändlicher und schlimmer hergegangen. Eine weitere Veränderung, die mit der Zeit viele Gutes bringen wird, ist die britische Einwanderung, die jährlich zunimmt. Wenn die britische Bevölkerung die der Buren überwiegt, wird ein besserer Geist in die Kolonie einziehen. Es gibt ja allerdings unter den holländischen Pflanzern würdige Männer, obschon man Bildung und gute Erziehung nicht häufig unter ihnen findet. Die Buren, mit all ihren hergebrachten Sitten und Lastern werden bald unter der Flut englischer Ansiedler verschwinden und sich durch Heiraten vermischen, sodass man dann keinen Unterschied mehr machen kann. In dieser Verschmelzung ist allerdings Zeit nötig, aber die Aussichten des Kaps sind umso erfreulicher, als sie früher düster und trostlos waren.«

»Hoffen wir zu Gott, dass es der Fall sein wird«, versetzte Alexander.

»Wenn der Wind so andauert, werden wir in wenigen Tagen bereits das Kap erreichen und sehen, wie es dort steht. Vor meiner Abreise von England wurde mir mitgeteilt, dass Zulustämme, die nördlich von den Khoikhoi wohnen, sich erhoben hätten. Da Sie auf ihrer Reise in die Nähe des Gebietes kommen müssen, so bin ich gespannt, Näheres von Ihnen zu erfahren. Jedenfalls ist Chaka tot. Er wurde vor zwei Jahren von seinen eigenen Verwandten ermordet.«

»Wer war Chaka?«, fragte Alexander.

»Das werde ich noch näher mitteilen. Vorderhand sind wir bis zu den Khoikhoi gekommen, die unserer unmittelbaren Grenznachbarn sind.«

Der Wind blieb andauern günstig und näherte sich rasch den Kap. Alexander hatte Swinton als seinen jetzigen Freund den Grund dieser Reise ins Innere mitgeteilt. Swinton hatte sich angeboten, ihn auf dieser beschwerlichen und gefährlichen Reise zu begleiten. Alexander nahm dieses Anerbieten an und bat ihn, ihm die Kosten allein zu überlassen. Sein Oheim habe ihm die Geldmittel zur unbeschränkten Verfügung gestellt, und Mister Swintons Teilnahme an dem Zug machte keinen Unterschied aus.

Nachdem sie sich über die Expedition geeinigt hatten, unterhielten sie sich über die erforderliche Ausrüstung, über die Wagen, den Proviant, die Pferde und Ochsen. Mister Fairburn erteilte ihnen Rat, indem er gleichzeitig andeutete, dass er ihnen nach der Ankunft in Kapstadt wahrscheinlich von großem Nutzen sein könne. Alexander, als vorzüglicher Jäger und Freund von Pferden, versprach sich viel Vergnügen von der Jagd auf Raubtiere und wünschte sich Glück, mit so guten Gewehren versehen zu sein, die er mehr in der Aussicht auf Selbstverteidigung als in der Vorahnung schöner Waimannsgenüsse angeschafft hatte.

Endlich rief der Matrose, welcher im Mastkorb die Morgen hatte, Land ahoi. Bald darauf konnte man deutlich die flachen Gipfel des Tafelberges von Deck aus unterscheiden. Das Schiff näherte sich schnell dem Land, sodass man alles deutlich mit dem Fernglas unterscheiden konnte. Am Mittag lag die Surprise zwischen zwei anderen Kauffahrern vor Anker, welche für die Heimfahrt beladen wurden.

Nach mehrmonatiger Fahrt ist es den Passagieren naturgemäß daran gelegen, so schnell wie möglich an Land zu kommen, weshalb sich noch vor Einbruch der Nacht alles am Ufer befand. Alexander hatte ein gutes Quartier in einem der besten Häuser Kapstadts erhalten, denn Mister Fairburn hatte ihn während der Fahrt gebeten, eine Unterkunft bei ihm zu nehmen.

Am anderen Morgen sagte Mr. Fairburn zu Alexander: »Mr. Wilmot, ich möchte Ihnen empfehlen, die ersten zehn Tagen nicht an Ihre Reise zu denken. Kapstadt mit seinen öffentlichen Gärten und Sehenswürdigkeiten lohnt einen längeren Aufenthalt. Auch müssen Sie mit Ihrem Freund mal den Tafelberg besteigen. Die Mahlzeiten sind Ihnen ja bekannt. Betrachten Sie sich wie zu Hause, mich müssen Sie jedoch entschuldigen, und da ich meinem Beruf nachzugehen habe. Es wird wohl einige Wochen dauern, ehe ich mich wieder ordentlich eingearbeitet habe und die Dinge in ihrem gewohnten Gang gehen. Heute Nachmittag würde es sich empfehlen, mich zu dem Gouverneursgebäude zu begleiten, damit ich Sie dem Gouverneur vorstellen kann. Es ist vorteilhaft, die Pflichtbesuche sofort zu erledigen, und dann ganz Ihr eigener Herr zu sein.«

Alexander nahm die Gastfreundschaft gern in Anspruch, und fand bei dem Gouverneur gute Aufnahme, welcher ihm für die Expedition möglichen Beistand zusagte. Der Besuch schloss mit einer Einladung zum Diner für den nächsten Tag. Am folgenden Tag wurde Alexander von Mister Swinton besucht, der einen Major der bengalischen Kavallerie mitgebracht hatte. Sein Name war Henderson. Dieser war erst seit einigen Tagen von Kalkutta gekommen und befand sich in Kapstadt auf Urlaub, um sich von den Folgen eines heftigen Dschungelfiebers zu erholen. Er war ein lebenslustiger, heiterer Kamerad, und vergnügt zogen alle drei zu dem Zoologischen Garten, in welchem sich Löwen und sonstige Kaptiere befanden, die Anlass zu einem Jagdgespräch gaben. Major Henderson schilderte die gefährlichen Jagden in Indien, besonders die Tigerjagden auf dem Rücken von Elefanten, für die er eine besondere Vorliebe zu haben schien. Alexander entdeckte bald, dass der Major ein leidenschaftlicher Jäger war.

Mister Swinton sagte über die beabsichtigte Expedition zu Alexander: »Wie wäre es, wenn Major Henderson sich unseren Zügen anschließen würde? Ich kenne ihn allerdings nur wenig, aber habe nur Vorteilhaftes über ihn gehört. Schon aus der Art seines Lebens sieht man ja, das er ein sehr guter Mann ist. Wie gefällt Ihnen mein Vorschlag?«

»Ich habe gleichfalls eine gute Meinung von Herrn Major Henderson und bin der Meinung, dass es nur von Vorteil sein kann, wenn wir uns vereinigen, weil die Expedition doch nicht ohne Gefahr ablaufen wird. Besonders ist es wünschenswert, wenn wir Leute finden können, die durch ihren Beruf an Gefahr gewöhnt sind und sich auch auf die Jagd von Raubtieren verstehen. Ich betrachte Ihre Vorschläge als sehr wertvolle Erwerbung und bin entzückt darüber!«

»Es freut mich, ihr Einverständnis zu hören, jedenfalls ist der Major jagdbegeistert und führt eine vortreffliche Büchse. Ich bin der Ansicht, dass wir uns zu dieser Erwerbung Glück wünschen dürfen. Ich glaube sicherlich, dass er gleichfalls ins Innere zu dringen gedachte. Auch hat er zu diesem Zweck ein paar arabische Pferde aus Indien mitgebracht. Ich werde, wenn wir nach Hause gehen, ihm unseren Vorschlag mitteilen. Verlassen Sie sich darauf, dass er zustimmt und sich durch seine Tätigkeit nur nützlich erweisen wird.«

Mr. Swinton und Major Henderson besuchten nachmittags Alexander Wilmot gemeinschaftlich und der Major begann sofort, nachdem er sich als Teilnehmer der Expedition betrachtete, über die Pläne und Vorbereitungen zu sprechen.

»Mein Gefolge ist nicht sehr groß. Ich führe zwei Pferde, zwei Hunde, einen persischen Diener und einen Pavian mit mir. Den Letzteren möchte ich eben so gerne mitnehmen wie den Diener – den Diener, weil er ein guter Koch ist, und den Affen, weil er, wenn es etwas knapp hergehen sollte, uns zeigen wird, was wir essen dürfen und was nicht, denn es gibt keinen besseren Vorkoster wie den Affen. Außerdem ist er jung und voller dummer Späße, und ich habe gern etwas bei mir, was mich unterhalten kann.«

»Die Paviane haben noch eine gute Eigenschaft. Sie kündigen eine Gefahr viel früher an als der Hund«, sagte Swinton. »Wir werden deshalb den Affen gern aufnehmen in unsere Gesellschaft.«

»Ich freue mich sogar darüber«, sagte Alexander lachend, »ich bitte Herrn Major, machen Sie ihm mein Kompliment und sagen Sie ihm, dass ich sehr erfreut sei, seine Bekanntschaft zu machen.«

»Ich nenne ihn Begum, weil er weiblichen Geschlechtes ist und der alten Prinzessin Begum, die ich einst in Indien mit meinem Trupp als Ehrengarde begleitete, sehr ähnlich sieht. Sie müssen nun für einige gute Pferde sorgen, meine Herren, denn wir können ihrer nicht genug haben. Wenn ihre Rücken gesund bleiben sollen, lassen Sie keine Khoikhoi darauf reiten.«

»Wir haben hierüber bereits gesprochen und beschlossen, per Schiff zu der Algoa Bay zu gehen und erst von dort aus die Reise zu beginnen.«

»Recht so«, sagte der Major, »in diesem Fall ersparen wir uns die lange Landreise und sind nicht weit von den besten Jagdgründen, welche am Vaal zu finden sind.«

Man einigte sich dahin gehend, allen Proviant und Pferde in Kapstadt anzukaufen, während Wagen und Ochsen, desgleichen das Mieten der Khoikhoi erst in der Algoa Bay vorgenommen werden sollte.

Mr. Fairburn hatte jetzt Zeit, um sich seinem Freund Alexander widmen zu können.

Eines Abends nach dem Diner schlug er die Karte auf, um seinem gast einige Belehrungen über die Expedition zu erteilen. Er zeigte die Richtung an, die durch das Xhosaland am zweckmäßigsten eingeschlagen werden konnte, und bemerkte sodann, dass es schwierig sei, nach Zurücklegung dieses Landstriches, der von Hinza beherrscht werde, weiteren Rat zu erteilen, da alles von den Umständen abhängen würde.

»Wissen Sie etwas von dem jenseits gelegenen Land?«

»Nicht viel, wir wissen nur, dass dort die Zulus hausen und Chaka ihr Häuptling ist. Im vorigen Jahr zogen unsere Truppen aus, um den Khoikhoi Beistand zu leisten, da sie von einem nordwärts wohnenden Stamm, den Mäntetie, angegriffen wurden. Sie wurden von unseren Soldaten unter schrecklichem Blutvergießen zerstreut. Wir sehen auf der Karte, dass das Zululand nördlich von Port Natal und auf der Ostseite der großen Gebirgskette liegt. Die Mäntetie kamen von der Westseite des Gebirges, und ich kann leider nicht sagen, wie es dort aussieht, oder was passieren kann, ehe Sie Ihren Bestimmungsort erreichen, da im Norden ständig feindliche Einfälle stattfinden.«

»Sie haben mir die Geschichte von Chaka zu erzählen versprochen.«

»Und ich will sie Ihnen nicht vorenthalten. Er war der König der Zulus, der Nero und Napoleon Afrikas, ein Ungeheuer an Grausamkeit und Verbrechen. Er begann seine Laufbahn mit der Ermordung seiner Verwandten, um die Oberherrschaft zu erlangen. Als er seinen Zweck erreicht hatte, ließ er alle diejenigen ermorden, die ihm feindlich gesinnt zu sein glaubten oder Freunde seiner Verwandten gewesen waren.«

»Sind die Zulu Khoikhoi?«

»Nein, es gibt aber im Norden einzelne Stämme, die zu der Khoikhoi-Rasse gehörig zu betrachten sind. Chakas Streitmacht bestand aus 100.000 Kriegern. In jedem Land, durch das er zog, schonte er weder Alter noch Geschlecht und ließ alles niedermetzeln. Seine Befehle fanden unbedingten Gehorsam, seine Heere teilte er in Kompanien ein, die er durch verschiedene Farben ihrer Schilder kenntlich machte, und führte den kurzen Speer ein, sodass seine Krieger im Handgemenge fechten mussten. Jedes in die Schlacht geschickte Regiment wurde, wenn es eine Niederlage erlitt, nach seiner Rückkehr sofort vernichtet, es gab keine andere Lösung als Sieg oder Tod, und zwar Tod in der grausamsten Form, da alle gespießt wurden. Er führte deshalb mit Recht den Namen Der Blutige. Seine Tyrannei war schrecklich. Einmal ärgerte er sich über ein Kind und erteilte den Befehl, es zu töten. Da es aber zwischen siebzig und achtzig andere Kinder lief und nicht gleich erkannt wurde, ließ er alle Kinder töten. Er ermordete zwei- oder dreihundert seiner Frauen an einem einzigen Tag. Auf den leichtesten Argwohn hin ließ er seine Häuptlinge schlachten und niemand wusste, wann die Reihe an ihn kam. Als seine Mutter starb, erklärte er, sie sei durch Zauberei getötet worden. Hunderte und aber Hunderte wurden daraufhin aufgespießt. Das ging ihm aber zu langsam und so alarmierte er die Armee und ließ über das ganze Land hin den Befehl ergehen, alle niederzumetzeln. Das Blutbad dauerte vierzehn Tage. Er war ein Teufel, der im Blut schwelgte. Aber zuletzt kam auch seine Stunde. Er wurde von seinem Bruder erschlagen, denn dieser wusste, dass auch er geopfert werden sollte. Dingaam sitzt jetzt auf dem Thron in Zulu und ist ein friedlicher Herrscher. Es ist noch ein anderer großer Häuptling, mit Namen Moselitsi vorhanden, der sich gegen Chaka empörte und den gleichen Charakter hat. Die Gunst dieser beiden lässt sich leicht durch Geschenke erringen und Sie müssen sich deshalb damit versehen. Ich habe den Behörden aufgetragen, Ihre Papiere auszufertigen, die Unterschrift des Gouverneurs müssen Sie sich selbst einholen. Wann gedenken Sie denn aufzubrechen?«

»In einigen Tagen sind wir zur Reise fertig und warten nur auf das Schiff, das nach Algoa Bay geht.«

»Man wird Sie einige Gegenstände mit besorgen lassen, die nach den Missionsstationen, auf welchen Sie unterwegs treffen werden, geschickt werden sollten. Sie haben wohl nichts dagegen einzuwenden?«

»Keineswegs, denn die Missionare verdienen jedwede Unterstützung, und wenn ich ihnen irgendeinen Gefallen erweisen kann, so soll es mit dem größten Vergnügen geschehen.«

Jetzt erboten sich viele, an der Expedition teilzunehmen, aber Alexander lehnte höflich ab. Wenige Tage später fuhr ein Schiff zu der Niederlassung an der Algoa Bay. Proviant, Pferde, Hunde und die Äffin Begum wurden eingeschifft. Nachdem sich Alexander von Mr. Fairburn und dem Gouverneur verabschiedet hatte, ging er mit Major Henderson und Mr. Swinton an Bord. Am Abend des vierten Tages erreichten sie die Algoa Bay, in welcher zehn bis zwölf Schiffe vor Anker lagen. Diese waren erst von England gekommen und hatten eine Menge Auswanderer mitgebracht, die in dem neuen Land ihr Glück versuchen wollten. Bei Tagesanbruch wurde das Boot gehisst, um die Pferde ans Ufer zu bringen. Nach einem hastigen Frühstück gingen Alexander und seine beiden Begleiter an Land, um nach Obdach zu sehen. Bei der großen Anzahl der Auswanderer war jedoch hier keine Aussicht, da jedes Haus und jedes Bett bereits vergeben war. Sie waren sehr verdrießlich, da sie nur ungern nach ihrem engen Quartier zurückkehren mochten. Sie beabsichtigten deshalb abermals sich nach einer Wohnung umzusehen. Die Straßen in der Stadt boten wilde Unordnung. Überall sah man die Zelte der Auswanderer, die wie Zigeuner biwakierten, und sich ihren eigenen Mundvorrat in Kesseln auf offener Straße abkochten.«

»Jetzt haben wir unser Quartier. Dass wir nicht früher daran gedacht haben«, rief Alexander aus. »Wie meinen Sie das?«

»Unter dem Gepäck, das Sie aus Kapstadt mitbrachten, befinden sich zwei Zelte. Wir müssen sie ans Land schaffen und uns das Beispiel dieser Leute zum Muster nehmen.«

»Schön, das freut mich«, rief Major Henderson. »Alles ist besser, als sich an Bord von den Motten kitzeln zu lassen. Kehren wir sofort zurück!«

»Allerdings«, erwiderte Mr. Swinton. »Wir haben nur unsere Matratzen und wenige Gegenstände herauszuschaffen.«

»Überlassen Sie dies meinem Diener, der an dergleichen gewöhnt ist«, sagte der Major. »In Indien behilft man sich auf dem Land meistens mit Zelten, doch da kommt jemand, den ich kennen sollte – Maxwell, glaube ich.«

»Henderson, was hat dich denn hierher gebracht? Du bist doch kein Aussiedler?«, versetzte der angeredete Offizier.

»Nein, ich bin hier, weil ich keinen festen Sitz habe«, entgegnete Henderson lachend. »Ich will mit diesen meinen beiden Freunden ein Flusspferd schießen. Gestatte, Herrn Wilmot und Herrn Swinton vorzustellen. Wie ich sehe, bist du im Dienst hier auf dem Fort?«

»Ja, ich kam vor ungefähr einem Monat von Sommerset. Kann ich Ihnen irgendwie nützlich sein, meine Herren?«

»Es hängt ganz von den Umständen ab. Wir gehen an Bord zurück, unsere Zelte zu holen und sie auf dem Berg dort aufzuschlagen, weil wir keine Wohnung haben.«

»Ich kann Ihnen freilich im Fort keine Betten anweisen, glaube aber, dass Sie besser tun würden, die Zelte auf dem Glacis dort aufzuschlagen. Ihr Gepäck ist dort sicherer, als auf dem Berg und ich bin eher imstande, Ihnen Beistand zu leisten.«

»Ein famoser Gedanke, wäre es auch nur des Gepäcks wegen«, erwiderte Henderson. »Wir nehmen dein Anerbieten dankbar an.«

»Gut, mein Junge, schaffe das Nötige schnell an Land. Meine Leute können mithelfen und das Gepäck transportieren. Wegen eines Dieners brauchen Sie keine Sorge zu haben.«

»Ein Freund in der Not ist tatsächlich ein Freund. Kamerad, ich nehme dein Anerbieten so unverhohlen an, als du es uns gemacht hast.«

Nachdem sie sich nun von Kapitän Maxwell getrennt hatten, bemerkte Henderson: »Das war eine glückliche Begegnung, denn nun wird es uns an nichts mehr fehlen. Maxwell ist ein vortrefflicher Mann und wird uns bei unseren Einkäufen sehr nützlich sein, da er Land und Leute kennt. Auch brauchen wir nicht zu fürchten, dass an unserem Gepäck lange Finger gemacht werden.«

»Wir können in der Tat von Glück sagen«, erwiderte Mr. Swinton, »wo haben Sie denn Kapitän Maxwell kennengelernt?«

»In Indien. Ich war oft mit ihm auf der Tigerjagd und er würde sofort an der Expedition teilnehmen, wenn er nur abkommen könnte.«

»Wie halten wir es nun mit unserem Proviant, Major Henderson?«, bemerkte Wilmot. »Wir können uns doch nicht bei Ihrem Freund einquartieren?«

»Natürlich nicht, denn wir würden seinen Sold samt Nebeneinnahmen bald aufgezehrt haben. Nein, nein, wir beschaffen das Rohmaterial und er hilft uns beim Kochen und Essen.«

»Unter solchen Bedingungen will ich mit Vergnügen mein Quartier im Fort aufschlagen«, entgegnete Alexander.

Sie sprangen ins Boot, stießen ab und befanden sich bald an Bord des Schiffes. Der Schiffseigentümer war froh, sich seiner Passagiere und des Gepäcks entledigen zu können, deshalb wurde alles mit der größten Schnelligkeit ausgeladen. Nach wenigen Stunden befanden sich alle an Land. Begum, der Pavian, saß auf den Proviantsäcken, welche das letzte Boot ans Ufer brachte. Ein Trupp Soldaten, welche Kapitän Maxwell heruntergeschickt hatte, half den Matrosen das Gepäck zum Fort hinaufzuschaffen. Noch ehe die Nacht anbrach, waren die Zelte aufgeschlagen, die Betten gemacht und die Vorräte wohlbehalten unterbracht, ohne dass sich die Reisegesellschaft zu bemühen brauchte. Sie speisten mit Kapitän Maxwell, begaben sich zur Ruhe und erwachten am anderen Morgen erst, als das Frühstück bereit war. Nachdem sie dieses eingenommen hatten, machten sie sich mit Kapitän Maxwell auf den Weg, Wagen und Ochsen einzukaufen. Sie trafen bald einige bekannte Buren, die sich mit ihren Fuhrwerken eingefunden hatten, verfügten sich jedoch, noch ehe der Handel abgeschlossen wurde, zu dem Landdrosten, an dem ihnen der Gouverneur einen Brief mitgegeben hatte.«

Dieser Herr schloss sich ihnen an und durch seine Vermittlung wurden noch vor Abend vier treffliche Frachtwagen mit Leinwandplanen und vier Ochsengespanne von je vierzehn Stück angekauft. Sie sollten erst abgeliefert werden, wenn die aufgeladene Fracht an Ort und Stelle abgegeben wurde. Da die Wagen vor vier Tagen nicht zurückkehren konnten, so wollten sie noch einige Pferde ankaufen, was hier freilich mit Schwierigkeiten verknüpft war, denn Henderson, der sich vorzüglich auf Pferde verstand und deshalb mit der Wahl beauftragt war, erklärte, dass von den vielen angebotenen keins brauchbar sei. Sie hatten übrigens reichlich Zeit, da die nötige Ausrüstung der Wagen ebenfalls einige Tage in Anspruch nahm, und benutzten diese Zeit, um noch nötige Gegenstände einzukaufen. Die Fuhrwerke kamen und wurden bezahlt. Zimmerleute mussten nun die Fuhrwerke mit einzelnen Fächern versehen, um das Gepäck gesondert aufzubewahren und das erforderliche jeden Augenblick finden zu können. Dann mieteten sie unter dem Beistand des Landdrosts eine Anzahl Khoikhoi, Ochsentreiber, Jäger und dergleichen und es dauerte drei Wochen, ehe alles für den Aufbruch fertig war. Die Expedition setzte sich folgendermaßen zusammen: zunächst unsere drei Gentlemen, der Diener des Majors Henderson, acht Ochsentreiber, zwölf Khoikhoi, denen die Aussicht über eine Herde Schafe übertragen war. Die Schafe sollten der Karawane folgen und zur Nahrung dienen, bis man Ochsen oder Wildbret durch Jagd oder Kauf gewinnen konnte. Außer diesen kamen noch zwei Khoikhoi-Frauen hinzu, zur Besorgung der Wäsche, und um beim Kochen mitzuhelfen. Ferner gehörten dazu: 65 schöne Spann-Ochsen, 12 Pferde, 13 Hunde verschiedener Größe, die Äffin des Majors Henderson und die Schafherde. Die Wagen waren nach Anweisung von Major Henderson folgendermaßen ausgestattet: Der erste Wagen, Wilmot genannt, enthielt Proviant, Tee, Zucker, Kaffee, Käse, Schinken, Zunge, Zwieback, Seife, Wachslichte, Branntwein in Flaschen, Tabak für die Khoikhoi und Alexanders Bekleidungsstücke. Seine Matratze lag obenauf. Er enthielt auch die Gerätschaften der Zimmerleute. Der zweite Wagen hieß Swinton, er war wie der vorherige mit Fächern ausgestattet, hatte aber außerdem einen großen Schrank mit Schubladen für Insekten und Weingeistflaschen zur Aufbewahrung derselben. Ferner ein Ries Papier zum Trocknen der Pflanzen, eine gute Reiseapotheke, Glasperlen und noch andere Geschenke, Munition und Küchengeräte.

Der dritte Wagen hieß die Rüstkammer oder der Majorwagen und war mit beweglichen Kisten beladen, auf denen der Major sein Bett hatte. Die meisten enthielten Schießpulver in Flaschen und einen Vorrat Schrot zum schnellen Gebrauch, Tabak in großen Rollen, Spaten, Schaufeln, Äxte und sonstige nützliche Werkzeuge. Die Planen bestanden aus wasserdichtem Segeltuch, und unter ihr waren sämtliche Gewehre aufgehangen. Die Rüstkammer war vorn und hinten mit Brettern geschlossen, die man niederlassen und mit Gewinden aufziehen konnte, sodass sie einen kleinen Panzerwagen darstellten. Einige Branntweinfässer befanden sich gleichfalls auf dem Wagen und waren so verborgen, dass die Khoikhoi nicht daran konnten, ohne einzubrechen. Der Affe Begum wurde des Nachts auf einen Wagen gebunden.

Das vierte Fahrzeug hieß das Magazin und enthielt Mehlfässer, Reisesäcke, Munition, Taue mit Ringen, Nägel von vermiedener Größe, Rollen von Messingdraht, zwei Zelte und drei Stühle mit einem kleinen Tisch. Auch das Magazin war mit zwei wasserdichten Planen bedeckt. Dies war die Ausstattung für den abenteuerlichen Zug. Man beeilte sich nun, aus der Stadt herauszukommen. Die Khoikhoi wurden aus ihren Branntweinbuden geholt und der Landdrost las ihnen ihre Dienstkontrakte vor, indem er sie zugleich für jedes Abweichen von demselben oder für sonstige Missverhältnisse mit schwerer Züchtigung bedrohte. Das Vereinskleeblatt verabschiedete sich vom Landdrost und führte dann die Karawane vor Anbruch des Morgens langsamen Schrittes aus der Stadt.