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Curumilla – Zweites Buch, Kapitel 12

Gustave Aimard
Curumilla
Zweites Buch
Eine Abenteuergeschichte aus dem Jahr 1861
Kapitel 12 – Der Eber kehrt sich gegen die Hunde

Wir bitten den Leser, uns ungefähr ein Jahr nach den zuletzt berichteten Vorfällen nach Guaymas zu folgen.

Ein Mann, der ein militärisches Kleid trug, welches große Ähnlichkeit mit einer mexikanischen Uniform hatte, schritt mit den Händen auf dem Rücken in einem prachtvoll ausgestatteten Zimmer auf und ab. Der Mann schien sehr vertieft in seine Gedanken zu sein. Zuweilen runzelte er die Brauen und blickte ungeduldig zu einer auf einer Konsole stehenden Uhr.

Offenbar wartete er auf jemanden, der nicht kam, denn sein Unmut und seine Ungeduld stieg mit jedem Augenblick. Er griff nach seinem Hut, den er beiseitegelegt hatte, und wollte sich wahrscheinlich entfernen, als eine Tür geöffnet wurde und ein Diener mit der Meldung eintrat: »Señor Exzellenz Don Sebastian Guerrero.«

»Endlich!«, brummte der Besucher zwischen den Zähnen. Der General trat ein. Er war in voller Uniform.

»Verzeihung, lieber Graf«, sagte er in herzlichem Ton, »dass ich Sie so lange habe warten lassen. Ich habe die Zudringlichen, die mich belagerten, nur mit Mühe entfernen können. Endlich stehe ich vollständig zu Ihren Diensten und bin bereit, die Mitteilungen entgegenzunehmen, welche Sie mir zu machen haben.«

»General«, antwortete der Graf, »zweierlei Gründe führen mich heute her. Erstens wünsche ich auf die Vorschläge, welche ich die Ehre hatte, Ihnen bereits vor mehreren Tagen vorzulegen, eine entscheidende, unumwundene Antwort zu bekommen. Zweitens habe ich ernste Klagen zu führen, wegen gewisser Ereignisse, die zum Nachteil des französischen Bataillons stattgefunden haben, und von welchen«, fügte er mit einem Anflug von Spott hinzu, »Sie wahrscheinlich nicht unterrichtet sind.«

»Ich höre von Ihnen das erste Wort davon, Graf. Seien Sie versichert, dass es mein ernster Wille ist, dem französischen Bataillon nach allen Seiten hin gerecht zu werden, denn ich habe, seitdem es ins Leben getreten ist, nur Lobenswertes gehört, und es hat sich nicht nur musterhaft benommen, sondern hat uns zahlreiche Dienste erwiesen.«

»Das sind freundliche Worte, General. Warum sind sie nur leere Redensarten?«

»Sie irren, Graf, und ich hoffe, Ihnen bald das Gegenteil zu beweisen. Doch sprechen wir nicht mehr davon und wenden wir uns den Beschwerden zu, welche Sie vorzubringen haben. Reden Sie.«

Die beiden Männer, welche so freundschaftlich und höflich miteinander verkehrten, waren der General Guerrero und der Graf Louis de Prèbois-Crancé, welche wir als erbitterte Feinde haben einander gegenüberstehen sehen.

Was war seit dem Vertrag von Guaymas geschehen? Welcher triftige Grund hatte sie bewogen, ihren Groll zu vergessen? Welche Berührungspunkte bestanden zwischen ihnen, die eine so merkwürdige und unerklärliche Umwandlung herbeigeführt hatten?

Wir bitten den Leser um die Erlaubnis, uns eingehender darüber verbreiten zu dürfen, ehe wir weiter gehen, und zwar um so mehr, als unsere Erzählung dazu beiträgt, den mexikanischen Charakter im vollsten Licht zu zeigen.

Nachdem es dem General gelungen war, den Vertrag von Guaymas abzuschließen und vermöge des Verrates Don Cornelios den Ausstand der Pueblos zu verhindern, glaubte er seines Sieges vollkommen gewiss, und für immer von dem Grafen von Prèbois-Crancé befreit zu sein.

Letzterer, der noch auf den Tod krank und unfähig war, seine Gedanken zusammenzunehmen, erhielt den Befehl, Guaymas augenblicklich zu verlassen.

Seine Freunde, welchen man, nachdem der Vertrag unterzeichnet worden war, ihre Freiheit wiedergegeben hatte, waren sofort zu ihm geeilt. Valentin ließ den Grafen nach Mazatlan transportieren, wo er allmählich genas. Hierauf begaben sich beide nach San Francisco und ließen Curumilla in Sonora zurück, um sie von allen Vorkommnissen zu benachrichtigen.

Der General wusste gegenüber seiner Tochter mit der Großmut zu prahlen, die er dem Grafen gezeigt hatte.

Er ließ ihr hierauf scheinbar volle Freiheit, nach Gutdünken zu handeln, indem er im Stillen hoffte, dass sie mit der Zeit ihre Liebe vergessen und sich geneigt zeigen würde, gewisse Pläne zu unterstützen, von welchen er noch nichts verlauten ließ, die aber darauf hinzielten, sie an einen der einflussreichsten Männer zu verheiraten.

Monate waren unterdessen vergangen. Der General hatte auf die Abwesenheit des Grafen, und besonders auf den vollständigen Mangel an Nachrichten von ihm gerechnet, um seine Tochter von dem, was er ihre törichte Leidenschaft nannte, zu heilen. Er war daher sehr überrascht, als er eines Tages anfing, von den Heiratsplänen mit ihr zu reden, welche er im Stillen hegte, sie in bündigen Worten antworten zu hören.

»Ich habe dir gesagt, Vater, dass ich den Grafen von Prèbois-Crancé heiraten werde, und ich will keinem anderen meine Hand reichen. Du hast selbst in die Heirat eingewilligt. Ich betrachte mich daher als an ihn gebunden und werde ihm treu bleiben, solange er lebt.«

Der General war anfangs über diese Antwort sehr betroffen. Denn obgleich er den festen Willen seiner Tochter kannte, war er doch weit entfernt, einen so hartnäckigen Widerstand zu erwarten. Indessen fasste er sich bald wieder, neigte sich zu ihr, küsste sie auf die Stirn und sagte mit geheuchelter Milde: »Ich sehe wohl, du gottloses Kind, dass ich dir den Willen tun muss, wie schwer es mir auch ankommt. Nun, ich werde sehen, will mir Mühe geben, und meine Schuld soll es nicht sein, wenn du deinen Geliebten nicht wiedersiehst.«

»Wie, mein Vater, wäre es möglich«, rief sie mit einer Freude, die sie nicht bewältigen konnte, »redest du im Ernst?«

»Im vollkommenen Ernst, du böses Kind, trockne daher deine Tränen und lass deine alte Heiterkeit und dein blühendes Aussehen wiederkehren.«

»Ich werde ihn also wiedersehen?«

»Ich schwöre es dir.«

»Hier?«

»Ja, hier in Guaymas.«

»Ach«, rief sie mit stürmischer Zärtlichkeit und schlang ihre Arme um seinen Hals, indem sie ihn liebevoll küsste und zugleich in Tränen ausbrach. »Ach, mein Vater, es ist sehr gut von dir, und wenn du das tust, werde ich dich so sehr lieb haben!«

»Ich werde es tun, sage ich dir«, antwortete er mit unwillkürlicher Rührung bei dem Ausbruch ihrer tiefen, leidenschaftlichen Liebe.

Der General hatte bereits seinen Plan fertig im Kopf, und wir werden diesen in seiner vollen Abscheulichkeit sich entwickeln sehen.

Don Sebastian hatte sich von den Worten seiner Tochter nur das eine gemerkt.

»Solange der Graf lebt, werde ich ihm treu bleiben.«

Doña Angela hatte, ohne es zu ahnen, den Keim eines schändlichen Planes in ihrem Vater erweckt.

Zwei Tage später reiste Curumilla nach San Francisco ab, um Don Louis einen Brief des jungen Mädchens zu überbringen, der auf die künftigen Beschlüsse desselben den unberechenbarsten Einfluss ausüben sollte. Die Franzosen hatten die Mexikaner in Hermosillo so glänzend besiegt, dass Letztere ihnen das rührendste und ehrerbietigste Andenken bewahrten. Der General Guerrero der, wie der Leser bereits bemerkt haben wird, eine rege Fantasie besaß, hatte über den Gegenstand eine eben so treffende als verständige Betrachtung angestellt. Er überlegte sich, dass die Franzosen, indem sie die Mexikaner, die doch sehr tapfere Soldaten sind, so vollständig geschlagen hatten, bewiesen, dass sie noch viel besser imstande sein würden, die Indianer und die Yankees zu besiegen; jene Gringos, wie sie die Süd-Amerikaner nennen, vor welchen sie eine entsetzliche Scheu haben und die, wie sie fürchten, jeden Augenblick in Mexiko eindringen würden. In Folge dieser Betrachtung bildete der General Guerrero in Guaymas ein Bataillon, das nur aus französischen Freiwilligen bestand, welche er unter den Befehl französischer Offiziere stellte, und deren Pflicht sich vorläufig darauf beschränkte, die Polizei im Hafen zu führen und in der Stadt die Ordnung zu erhalten.

Unglücklicherweise war der Anführer jenes Bataillons, obwohl ein wackerer Offizier und guter Soldat, doch nicht so ganz der Mann, der für diesen Posten passte.

Seine etwas kleinlichen beschränkten Ansichten übersahen nicht die Lage, in welcher er sich befand, und bald kam es zwischen den Fremden und Mexikanern zu Uneinigkeiten, welche wahrscheinlich im Stillen von einflussreichen Personen genährt wurden. Das Bataillon geriet dadurch, trotz des versöhnlichen Sinnes seines Anführers und der Bemühungen desselben um das gute Einvernehmen wieder herzustellen, in eine schwierige Lage, welche mit jedem Tag bedenklicher wurde.

Es bildeten sich im Bataillon zwei Parteien. Die eine derselben war dem Kommandanten feindlich gesinnt und schwärmte für den Grafen, dessen Gedächtnis noch lebhaft in Sonora fortlebte, bedauerte seine Abwesenheit und sehnte seine Rückkehr herbei. Die andere war zwar dem Kommandanten auch nicht sehr ergeben, doch hing sie ihrer, wegen der Ehre der Fahne an. Im Ganzen war aber die Liebe der Untergebenen zu ihrem Vorgesetzten nur lau, und jedenfalls mussten die Leute, bei irgendeinem unvorhergesehenen Fall, sich von den Begebenheiten fortreißen lassen.

So standen die Sachen, als sich der General Alvarez gegen Santa Anna, den Präsidenten der Republik, erklärte, und alle verstreut in den Provinzen umherziehenden Anführer von Truppen zum Aufstand aufrief.

Der General Guerrero war unschlüssig oder schien es wenigstens zu sein, für wen er sich erklären solle.

Plötzlich erfuhr man, zur allgemeinen, nicht geringen Überraschung, dass der Graf von Prèbois-Crancé im Hafen von Guaymas eingelaufen sei.

Folgendes hatte sich ereignet:

Der General hatte nach der Unterredung mit seiner Tochter, welche wir zum Teil mitgeteilt haben, dem Señor Don Antonio Mendez Pavo einen Besuch abgestattet. Derselbe währte lange, und die beiden Herren hatten eine ausführliche, aber geheime Unterhaltung miteinander gepflogen. Hierauf kehrte der General, indem er sich vergnügt die Hände rieb, nach Hause.

Der Graf hielt sich unterdessen, traurig, verstimmt und beschämt über den Ausgang eines Feldzuges, der so glänzend begonnen hatte, in San Francisco auf. Er war wütend auf die Verräter, die seine Pläne vereitelt hatten, und glühte, trotz der weisen Ermahnungen Valentins, vor Verlangen, sich Genugtuung zu verschaffen.

Mehrere einflussreiche Personen drangen von verschiedenen Seiten auf den Grafen ein, sein Unternehmen wieder neu zu organisieren. Man bot ihm die nötigen Gelder an, um Waffen anzuschaffen und Freiwillige anzuwerben. Louis hatte zwei geheime Zusammenkünfte mit zwei verwegenen Abenteurern, dem Obersten Walter und dem Obersten Fremont, der später als Kandidat zu der Präsidentschaft der Vereinigten Staaten auftrat. Jene beiden Männer machten ihm vorteilhafte Anerbietungen, doch folgte der Graf dem mächtigen Einfluss Valentins und lehnte sie ab.

Der Graf verfiel in eine düstere Schwermut. Er, der sonst so wohlwollend und sanft gewesen war, wurde hart und bitter. Er zweifelte an sich und anderen.

Der Verrat, dessen Opfer er geworden war, hatte sein Gemüt erbittert, und zwar in solchem Grade, dass seine besten Freunde anfingen, besorgt zu werden.

Er sprach nie von Doña Angela, ihr Name stieg nie von seinem Herzen zu seinem Mund. Häufig aber griff er nach der Reliquie, welche sie ihm bei ihrem ersten Begegnen gegeben hatte und die er seitdem auf seiner Brust trug. Wenn er allein war, küsste er diese unter Tränen.

Curumillas Ankunft in San Francisco wirkte wie ein Zauberschlag. Der Graf schien plötzlich die verloren gegebene Hoffnung wiedergefunden zu haben und sich neuen Illusionen hinzugeben. Seine Lippen lächelten wieder und seine Stirn heiterte sich augenblicklich auf.

Es befanden sich zwei Männer in der Gesellschaft Curumillas, welche wir nicht nennen wollen, um das Buch nicht zu entweihen.

Den erhaltenen Weisungen gemäß wussten die Männer bald den Grafen vollständig zu beherrschen und schleuderten ihn zurück in den Strom, aus welchem ihn sein Milchbruder mit so großer Mühe gezogen hatte.

Eines Abends saßen beide in einem Haus, welches sie gemeinschaftlich bewohnten, und rauchten nach eingenommener Mahlzeit.

»Du wirst mich begleiten, nicht wahr Bruder?«, fragte der Graf zu Valentin gewendet.

»Du bist also entschlossen zu gehen!«, antwortete jener seufzend.

»Was haben wir hier zu tun?«

»Nichts, das ist wahr. Das Leben ist mir hier eben so drückend, wie dir, aber vor uns breitet sich die grenzenlose Wildnis aus, dehnen sich die ungeheuren Fernen der Prärien. Warum könnten wir nicht wieder zu unserem glücklichen, freien Jägerleben greifen, statt, uns auf die täuschenden Versprechungen der Mexikaner zu verlassen, deren Herzlosigkeit und schändliche Verräterei dir bereits so viele Leiden bereitet, und dich dahin gebracht haben, wo du jetzt bist.«

»Es muss sein«, fuhr der Graf in entschlossenem Ton fort.

»Höre«, erwiderte Valentin, »du hast nicht mehr die glühende Begeisterung, welche dich das erste Mal aufrechterhalten hat. Es fehlt dir der Glauben und du zweifelst selbst an deinem Gelingen.«

»Du irrst, Bruder. Ich halte mich jetzt mehr als damals des Gelingens versichert, denn ich habe diejenigen zu meinen Bundesgenossen, welche früher meine bittersten Feinde waren.«

Valentin schlug ein höhnisches Gelächter an. »Bist du noch so arglos?«, sagte er.

Der Graf errötete. »Nein«, erwiderte er, »ich will dir nichts verhehlen. Mein Schicksal reißt mich fort. Ich weiß, dass ich nicht zum Sieg, sondern zum Tod gehe. Aber gleichviel ich muss, will sie wiedersehen! Hier, lies!«

Der Graf zog den Brief aus der Brusttasche, welchen ihm Curumilla überbracht hatte, und gab ihn Valentin.

Dieser las ihn.

»Gut«, sagte er, »ich sehe es lieber, wenn du offen zu mir bist. Ich werde dich begleiten.«

»Ich danke dir! Ach Gott!«, fügte er schwermütig hinzu, »ich mache mir keine Illusionen. Ich kenne das alte lateinische Sprichwort, welches lautet: Non bis in idem. Was einmal fehlgeschlagen ist, glückt nimmer.

Die falschen Versicherungen des Generals Guerrero täuschen mich nicht, eben so wenig wie die seines würdigen Spießgesellen des Señors Pavo. Ich weiß sehr gut, dass mich beide bei der ersten besten Gelegenheit verraten werden. – Wohlan, es sei! Habe ich dann doch diejenige wiedergesehen, die mich erwartet, mich ruft, kurz, die mir alles ist. Falle ich, so sterbe ich eines Todes, der meiner würdig ist, und andere, Glücklichere werden den von mir gebahnten Weg einschlagen und die Zivilisation in den Ländern verbreiten, welche du und ich gewähnt haben, befreien zu können.«

Bei diesen Worten konnte Valentin ein trübes Lächeln nicht unterdrücken, denn sie sprachen die Sinnesart des Grafen vollständig aus, dessen Charakter eine seltsame Mischung der entgegengesetztesten Elemente enthielt und in dessen Herzen sich die Leidenschaftlichkeit, die Begeisterung und der Stolz fortwährend bekämpften.

Am folgenden Tag eröffnete Louis Werbeämter, und einige Tage darauf schiffte er sich mit seinen Freiwilligen auf einer Goélette ein.

Die Reise begann unter ungünstigen Umständen, die Abenteurer litten Schiffbruch. Hätte Curumilla den Grafen nicht mit Gefahr des eignen Lebens gerettet, so wäre er verloren gewesen.

Die Abenteurer blieben ungefähr zwölf Tage verlassen auf einer kleinen Insel.

»Die alten Römer hätten in unserem Schiffbruch eine Vorsehung gesehen«, sagte der Graf seufzend, »und würden ein Unternehmen aufgegeben haben, was so unglücklich begonnen hat.«

»Wir würden klug handeln, wenn wir ihrem Beispiel folgten«, versetzte Valentin traurig, »noch ist es Zeit.«

Der Graf zuckte die Achseln und antwortete nicht. Einige Tage später landeten sie in Guaymas.

Señor Pavo empfing den Grafen mit Auszeichnung und bestand darauf, ihn dem Generale selbst zuzuführen.

»Ich will Sie miteinander aussöhnen!«, sagte er.

Don Louis ließ ihn gewähren. Sein Herz schlug heftig bei dem Gedanken, dass er vielleicht Doña Angela wiedersehen würde.

Dem war aber nicht so.

Der General zeigte sich äußerst zuvorkommend gegenüber dem Grafen. Er redete ihn mit geheuchelter Offenheit an und schien bereit seine Vorschläge anzunehmen.

Don Louis führte ihm zweihundert Mann zu, brachte ihm Waffen mit und stellte ihm seinen Degen zur Verfügung, wenn er die Absicht habe, sich mit dem General Alvarez zu vereinigen.

Der General Guerrero gab zwar keine entscheidende Antwort auf diesen Vorschlag ließ aber blicken, dass er ihm keineswegs missfalle. Ja, er ging noch weiter, indem er dem Grafen beinahe versprach, ihm den Befehl über das französische Bataillon zu übertragen, welches Versprechen der Graf seinerseits mit Vergnügen entgegenzunehmen schien.

Der ersten Zusammenkunft folgten mehrere andere, doch konnte der Graf, außer einer Flut von Versicherungen von dem General nichts erlangen, als eine Art stillschweigender Befugnis, in Gemeinschaft mit dem früheren Befehlshaber des Bataillons, das Kommando über dieses zu führen.

Jene Befugnis brachte übrigens dem Grafen mehr Schaden wie Nutzen, indem eine große Anzahl der Franzosen dadurch gegen ihn eingenommen wurden und den neuen Befehlshaber, welchen der General sich herausnahm, ihnen aufzudringen, nur mit Verdruss betrachteten.

Er war bereits seit acht Tagen in Guaymas, und noch hatte der General kein Wort von Doña Angela gesagt. Auch war es ihm bisher unmöglich gewesen, sie zu sehen.

An dem Tag, wo wir ihn bei Don Sebastian trafen, waren die Reibungen zwischen den Franzosen und den Einheimischen auf einen solchen Grad gestiegen, dass es eines sofortigen Einschreitens bedurfte, um großes Unglück zu verhüten. Mehrere Franzosen waren insultiert, zwei sogar auf offener Straße erdolcht worden. Die Civicos und die Einwohner der Stadt sprachen heimliche Drohungen gegen die Freiwilligen aus, in der Luft herrschte jenes unbeschreibliche Etwas, was den großen Katastrophen voranzugehen pflegt, und das man empfindet, ohne es erklären zu können.

Der General gab sich den Anschein, als ob er über die, den Franzosen zugefügten Beleidigungen, sehr entrüstet wäre. Er versprach dem Grafen volle Genugtuung und die Verhaftung der Mörder.

Im Grunde aber wollte der General, ehe er einen entscheidenden Schritt tat, die bedeutenden Verstärkungen erwarten, die er von Hermosillo kommen ließ, und suchte nur Zeit zu gewinnen, ehe er die Franzosen vollständig vernichtete.

Der Graf entfernte sich.

Am nächsten Tag wiederholten sich die Überfälle. Die Franzosen sahen die Mörder, welche der General hatte bestrafen wollen, prahlend durch die Straßen stolzieren.

Es entstand dadurch eine dumpfe Gärung im Bataillon und man schickte dem General eine zweite Deputation, an deren Spitze wieder der Graf stand.

Derselbe bestand mit Entschiedenheit darauf, dass ihnen Genugtuung gegeben werde, dass man dem Bataillon zur Wahrung seiner Sicherheit zwei Kanonen gebe und dass die Civicos sofort entwaffnet würden, denn jene gesetzlosen Menschen, welche größtenteils aus der Masse des Volkes hervorgegangen waren, verursachten alles Unheil.

Der General versicherte wiederholt seinen guten Willen und sein Wohlwollen für die Franzosen, versprach ihnen zwei Kanonen, wollte aber von der Entwaffnung der Civicos nichts wissen, indem er vorgab, dass eine solche Maßregel Unzufriedenheit im Volk erwecken und einen üblen Eindruck machen würde.

Er begleitete die Franzosen bis an die Tür seines Besuchszimmers und erklärte ihnen, dass er ihnen einen besonderen Beweis seines Vertrauens geben wolle, indem er selbst in die Kaserne käme und allein, ohne Gefolge, ihre Klagen anhören wolle.

Ein solcher Schritt war vonseiten des Generals gewagt, musste aber eben deshalb gelingen, besonders den Franzosen gegenüber, welche Keckheit zu schätzen wussten und Unerschrockenheit zu würdigen verstanden.

Der General hielt Wort. Er kam wirklich allein in das französische Quartier und gab auf die Warnungen seiner Offiziere eine Antwort, welche deutlich bewies, wie gut er den Charakter des Grafen und den unseres Volkes kannte.

Als ihn unter anderem ein Oberst darauf aufmerksam machte, wie unvorsichtig es sei, sich wehrlos in die Hände gereizter Männer zu begeben, welche die Kränkungen, die sie seit so langer Zeit erfahren, in die übelste Stimmung versetzt hatte sagte er:

»Lieber Oberst, Sie wissen nicht, was Sie sagen. Die Gallier gleichen den Mexikanern in keiner Weise. Bei ihnen gilt die Ehre mehr als alles. Ich weiß wohl, dass man überlegen wird, ob man mich nicht gefangen nehmen will, doch wird es einer unter ihnen nimmer mehr zugeben und mich auf eigne Gefahr in Schutz nehmen, nämlich der Graf von Prèbois-Crancé.«

Der General hatte richtig vermutet und es geschah genau, wie er gesagt hatte. Der Graf widersetzte sich seiner Verhaftung energisch, obwohl dieselbe bereits beschlossen war.

Don Sebastian konnte sich entfernen, wie er gekommen war, und niemand durfte es wagen, einen Vorwurf gegen ihn laut werden zu lassen. Es gelang ihm im Gegenteil, vermöge oder einschmeichelnden Redensarten, welche ihm zu Gebote standen, die Gemüter dermaßen für sich einzunehmen, dass man ihm von allen Seiten Versicherungen der Treue gab und ihm beinahe huldigte.

Der General erreichte durch diesen kecken Besuch ungeheure Vorteile, denn infolge des Eindruckes, welchen seine Worte auf die Masse der Freiwilligen gemacht hatten, trat nach seiner Entfernung Zwiespalt zwischen ihnen ein und sie konnten sich nicht verständigen.

Einige von ihnen wollten den Frieden um jeden Preis, andere verlangten stürmisch den Krieg, indem sie behaupteten, dass man sie hintergehe und sie noch einmal die Opfer der Mexikaner sein würden.

Die Letzteren hatten recht und urteilten richtig, doch wurden sie, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, nicht angehört und schließlich griff man zu einem zwischen beiden liegenden Mittel, was bei solchen Gelegenheiten stets verwerflich ist. Man ernannte nämlich eine Kommission, welche beauftragt war, sich mit der Regierung wegen der Interessen des Bataillons zu verständigen.

Die Mine war, wie man sieht, fertig, und es bedurfte nur eines Funkens, um eine ungeheure Feuersbrunst zu veranlassen.