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Sagen- und Märchengestalten – Der Teufel in der Schöpfung

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874
Der Teufel in der Schöpfung

Der Schöpfungstrieb ist göttlicher Natur. Er ist der lebendige Odem Gottes, den Gebilden seiner Hand eingehaucht im Frühlingsglanz der neu erblühten Welt, er ist der wunderbare Ring, welcher den ewigen Kreislauf zusammenhält von Jahrtausend zu Jahrtausend. Alle Schöpfungsgeschichten aber, wie mannigfach die Überlieferungen der verschiedenen Völkerstämme auch darüber lauten mögen, fallen dennoch in ihren Grundzügen in eins zusammen.

In der nordischen Sage entstehen zuerst Götter und Riesen. Beide vereint schaffen Menschen aus dem Holz zweier Bäume, Zwerge hingegen aus dem Leib eines erschlagenen Riesen. Nach der Bibel geht die Welt aus dem Nichts hervor auf des Schöpfers allmächtiges Gebot. Erst zuletzt, als Schluss und Krone des Ganzen, wird der Mensch aus Ton bereitet, ein irdisch gebrechlicher Abglanz des erhabenen Bildners. Auch die altgriechische Erzählung der Schöpfungsgeschichte berichtet von Söhnen und Töchtern der Erde, die den Göttern ihr Dasein verdanken.

Die Zeit, welche die Engel entstehen sah, wird verschieden angegeben, und entweder vor die Erschaffung der Menschen gesetzt oder als gleichzeitig, oder als ein späteres Moment bezeichnet.

Ebenso die Verstoßung der Gefallenen aus dem Himmel. Es verdross die Engel, dass Gott den Menschen so hohe Gaben spendete, und die Besorgnis, dereinst vielleicht selbst noch der Herrschaft jener neuen Geschöpfe zu unterliegen, gab ihnen den Gedanken ein, die Menschen zum Ungehorsam gegen den Schöpfer zu verführen. Die Schlange wurde mit der Ausführung des Planes betraut. Wie ihr dies gelang, ist allgemein bekannt.

Gott berief nun die Sünder vor seinen Thron: Die Menschen strafte er mit neun Flüchen und dem Tod, der Schlange hieb er die Füße ab, sodass sie von jener Zeit auf dem Bauch kriechen muss, die Engel stürzte er aus dem Himmel hinab. So erzählt eine Sage, welche Alttestamentliches mit späteren Zusätzen vermischte. Auch die Mohammedaner behaupten, diese Vertreibung der höheren Geister habe erst nach dem Sündenfall stattgefunden.

Satan verharrte in dem Innern der Erde voll Verzweiflung über den Verlust der Seligkeit, die ihm nun um so begehrenswerter erschien. Der Engel mit dem feurigen Schwert verwehrte den Eingang zum Paradies und stellte die Sterne als Hüter aus. Einst gelang es dem Abtrünnigen diese strengen Wächter zu täuschen. Er drang ungesehen bis an den äußersten Rand des Himmels vor und spähte mit gierigen Blicken hinein.

Bald entdeckt musste er entweichen und beschloss nun in ohnmächtigem Trotz, sich selbst ein Paradies zu schaffen. Er sprach und es wurde, – doch selbst die Teufel ergriff ein Schauder beim Anblick dessen, was entstand. Wohl hatte Satan den Himmel angeschaut, allein er, des ewigen Gottes freches Widerspiel, vermochte mit schielendem Auge nur verkehrt in sich aufzunehmen, was er droben sah und schuf die Hölle!

Fast alle Völker, so verschieden ihre Schöpfungsgeschichten auch lauten mögen, nehmen ein höchstes gutes Wesen und ein böses an. Der gute Gott, dessen Dasein ihnen der Tag, der Frühling und der Sommer gleichsam vergegenwärtigten, schuf alles, was licht, schön und nützlich war. Der Böse hingegen, den die Nacht und der unfreundliche düstere Winter sie genugsam ahnen ließ, war der Urheber alles Dunklen, Hässlichen und Schädlichen. Der Böse erschien anfänglich nur untergeordnet, zu Zeiten scheinbar gleich mächtig, niemals überlegen. Die Idee eines bösen Wesens übertrug sich vom Heidentum auf das Christentum, da es den Völkern unmöglich fiel, sich plötzlich von allen jenen Vorstellungen loszureißen, die bei ihnen in Fleisch und Blut übergegangen waren. So finden sich überall zerstreute Sagen, welche dem bösen Geist eine gewisse Wirksamkeit bei der Schöpfung der Welt zugestehen. Andere erzählen, die Hebräer hätten in ihrer babylonischen Gefangenschaft Kontakt zur persischen Mythologie und damit auch zum Teufel (Ahriman) erhalten. So wanderte die Teufelsidee ins Judentum, und damit auch in die christliche Lehre ein.

Einst war Nichts, erzählt eine dieser Sagen, nur oben der Himmel und unten Gewässer. Gott schiffte auf den Fluten und fand ein großes Stück festen Schaumes, in welchem der Teufel steckte.

»Wer bist du?«, fragte ihn Gott.

»Das geht dich nichts an«, entgegnete der Teufel grob, »willst du mich aber in deinen Kahn steigen lassen, so kann ich es nachher ja wohl sagen.«

Da hielt Gott an und nahm ihn auf.

Jetzt sprach er: »Ich bin der Teufel.«

Nun schifften die beiden eine Zeit lang schweigend miteinander, bis endlich der Böse begann: »Wie gut wäre es, wenn es ein Festland gäbe!«

»Das kann geschehen«, sprach Gott, »tauche hinab auf den Meeresgrund und bringe mir eine Handvoll Erde herauf. Daraus werde ich dann ein Festland machen. Wenn du aber in den Sand greifst, so spreche: Ich nehme dich im Namen Gottes!«

Der Teufel ließ sich das nicht zweimal sagen, fuhr sogleich unter das Wasser, packte gierig mit beiden Händen den Meeresboden und schrie: »Ich nehme dich in meinem Namen!« Dann kehrte er an die Oberfläche zurück und blickte voll Neugier in seine festgeballten Fäuste, allein sie waren leer.

Da lächelte Gott und sprach: »Tauche noch einmal hinab.«

Der Teufel tat es. Er war nicht viel klüger geworden, denn als er tief unten in den Sand griff, sagte er: »Ich nehme dich in seinem Namen!« An die Oberfläche brachte er nur eben so viel, als unter seinen langen Nägeln Platz, gefunden hatte.

Gott nahm dies wenige, streute es über die Wasserfläche und schuf Land daraus, nicht größer jedoch als ein Ruhebett.

Als es Nacht wurde, legten sich Gott und der Teufel auf das Festland nieder, um auszuruhen. Der Herr war kaum eingeschlummert, als die Bosheit dem Teufel eingab, ihn gegen Osten zu stoßen, damit er in das Meer falle und untergehe. Doch in der Richtung, in welcher er ihn gestoßen hatte, erhob sich ein weites, großes Festland aus der Wasserwüste. Da versuchte es der Teufel mit einem Stoß gegen Westen und augenblicklich dehnte sich auch in dieser Richtung unabsehbar das Land aus.

Ebenso erging es dem Teufel, als er Gott in die beiden anderen Himmelsgegenden stieß.

Nachdem der Herr das Festland erschaffen hatte, kehrte er in den Himmel zurück. Der Teufel wollte aber nicht von ihm lassen und ging mit. Da sah er, wie die Himmel jauchzten und hörte die Engel Loblieder singen. Das machte ihn traurig, denn er hatte niemand, der sich bei seiner Ankunft freute. Gott erbarmte sich seines Kummers und sprach: »Wasche dir Hände und Gesicht und spritze Wasser über deine Schultern!« Aus diesen Tropfen entstanden Teufel. Da ihr Urheber in der Freude des Schaffens indessen toll und ungebärdig darauf losspritzte, wurde zuletzt die Anzahl der bösen Geister so groß, dass die Engel nicht mehr wussten, wo sie bleiben sollten.

Gott sah, welche Gefahr die Seinen bedrohte. Er berief daher den heiligen Elias und befahl ihm, zu donnern und zu blitzen. Der Heilige, der von alters her noch einen Groll auf den Bösen hatte, legte mächtig zu und donnerte, blitzte, stürmte und ließ vierzig Tage und vierzig Nächte lang regnen, dass die Teufel, welche nicht recht festsitzen mochten, mit dem gar großen Regen vom Himmel herabfielen auf die Erde. Endlich waren sie alle hinausgefegt und Elias hielt ein. Wo nun ein Teufel, im Fallen begriffen, geradestand, musste er bleiben, – deshalb fahren zur Nachtzeit noch heute am Himmel Feuerfunken herum, die erst jetzt zur Erde niederfallen.

In Russland besteht eine zahlreiche Sekte, welche man die Altgläubigen nennt und die sich durch einfache Gebräuche und Sittenreinheit auszeichnet. Unter anderem verabscheuen sie auch den Tabak. Hat in ihrer Wohnung jemand dieses Gott missfällige Kraut geraucht, so unterziehen sie alle Räumlichkeiten derselben einer gründlichen Reinigung und Lüftung, um sie wieder bewohnbar zu machen. Die Altgläubigen nun erzählen die Schöpfungsgeschichte folgendermaßen:

Unser Planet war im Anfang ganz mit Wasser bedeckt und Gott schickte den Teufel auf den Meeresgrund hinab, um Erde zu holen. Weil dieser aber die vorgeschriebene Formel nicht aussprach, sondern mit trotzigem Schweigen in den Sand griff, brachte er auch nichts mit herauf. Beim zweiten Mal war er klüger und fühlte deutlich den Erdenkloß in seiner Hand. Da brach er heimlich ein Stückchen davon ab und verbarg es im Mund. Gott tat so, als merke er nichts, streute das Heraufgebrachte aus und rief: »Es vermehre sich das Land und wachse!« Nun entstanden drei Erdteile, allein auch das Stück in des Teufels Munde begann sich auszudehnen und die Backen des Bösen unförmlich aufzutreiben. Er machte vergebens verzweifelte Anstrengungen, den Raub wieder von sich zu geben. Endlich erlöste ihn Gott. Aber der undankbare und erzürnte Teufel spie das Stück fluchend über alle Erdteile aus und daraus entstanden die Wüsten und Moräste und alle jene anderen Schandflecke der herrlichen Gotteswelt. Nun zog ein jeder seines Weges, Gott, um Menschen zu machen, der Teufel, um neue Bosheiten auszusinnen.

Als der Herr den Leib des ersten Menschen aus Ton fertig gebildet hatte, legte er ihn hin und ging, aus seiner Kammer die Seele zu holen. Weil er aber wusste, wie böse und tückisch der Teufel ist, stellte er den Hund als Wächter daneben. Es dauerte auch nicht gar lange, so kam der Böse, sah den herrlichen Leib und beschloss, ihm irgendetwas Schlimmes anzutun. Der Hund ließ sich jedoch weder durch Schmeicheln noch durch Drohen bewegen, seinen Posten zu verlassen, sondern fuhr dem Teufel grimmig in die dünnen Waden. Da schuf dieser eine so große Kälte, dass der Hund, der damals noch unbehaart war, davon erstarrte.

Nun bespie der Teufel den Leib mehrere Male, was die Ursache aller Krankheiten, Leiden und Gebrechen des menschlichen Körpers geworden ist.

Gott kehrte zurück und der Teufel entfloh. Der Herr sah nun, welchen Unfug der Böse angerichtet hatte. Da aber Leiden und Übel dem Menschen heilsam sind, so formte er den Leib nicht um, sondern ließ ihn, wie er war, und setzte die Seele ein.

Dem Hund gab er einen Pelz, damit er in Zukunft sein Wächteramt besser versehen könne.

Nicht immer ist es die Lust am Bösen allein, welche nach der Meinung des Volkes den Teufel antreibt, die Werke des Herrn zu verunglimpfen, sondern die Begierde, sich der göttlichen Allmacht gleichzustellen. Eben diese Sucht der Nachäffung war es, so erzählt eine rheinische Sage, die Satan einst verleiten ließ, Menschen machen zu wollen. Er nahm Lehm und formte einen Menschenleib daraus, so künstlerisch er es vermochte. Es blieb ihm aber ein Klümpchen von dem Lehm übrig und verwundert besah der Teufel sein Geschöpf, kehrte es hin und her und zerbrach sich den Kopf, wo er wohl etwas vergessen haben möchte. Endlich sagte er: »Lauf!« und der Mensch lief davon. Nun sah er, dass er die Waden, jene Fülle, die er ja selbst entbehrt, vergessen hatte, und voll Ingrimm warf er dem armen Geschöpf das übrig gebliebene Klümpchen nach, das die Schulter traf und dort festwuchs. Daher soll es kommen, dass die Buckligen keine Waden haben.

Wenig glücklich in der Erschaffung menschlicher Gestalten, beschloss der Teufel, seinen Wirkungskreis in das Tierreich zu verlegen. Er unterzog die schon vorhandenen Geschöpfe einer genauen Prüfung und fand dabei heraus, dass die Geiß noch ungeschaffen wäre. Flugs machte er sich ans Werk, drehte sie aus Lehm und gab ihr einen prächtigen langen Schweif. Wild und neugierig, wie sie war, ließ sie keine Hecke und keinen Zaun unberupft und verwickelte sich häufig in die Dornen, sodass er ihr endlich den Schweif stutzen musste, was ihn sehr verdross.

Darauf lief die Ziege in den Weinberg Gottes und benagte die Reben. Der Wolf jedoch, dem die Hut des Gartens anvertraut war, zerriss sie. Als nun der Teufel mit großem Geschrei herbeieilte und Schadensersatz verlangte, erwiderte ihm Gott: »Den sollst du haben, sobald alles Eichenlaub abgefallen sein wird.«

Im Spätherbst kam der Böse, seinen Lohn in Empfang zu nehmen, doch Gott hieß ihn nach Konstantinopel zu fahren, wo noch eine immergrüne Eiche zu sehen war. Dies tat Satan. Doch ehe er wieder zurückkehrte, war es Frühling geworden und die Eichen trugen bereits frische Zweige. Im Ärger stach er nun allen Geißen die Augen aus, und weil ihm das auch nicht gefiel, setzte er ihnen dann seine eigenen dafür ein. Darum blicken die Geißen so klug in die Welt. Der Teufel war durch den Schaden aber doch nicht klug geworden. Er begann nun Vögel, Hasen, Hunde und allerlei Gewürm zu schaffen, machte in seiner Hast den vierbeinigen Tieren aber nur drei Beine und vergaß sie alle insgesamt zu segnen.