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Der Welt-Detektiv Band 6

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Hessische Sagen 15

Das jammernde Irrlicht

Ein Jägerbursche sah jeden Abend, wenn er nach Hause ging, ein Irrlicht, das folgte ihm auf seinem ganzen Weg und flehte mit jammernder Stimme um Erbarmung, weil er zu seiner Erlösung ausersehen sei. Aber der Jäger war ein rauer Geselle und achtete nicht nur nicht auf das Flehen des Geistes, sondern verspottete und verhöhnte ihn noch gar. An einem recht kalten und dunklen Winterabend bat der Geist ihn dringender und liebender, als je vorher. Zürnend über das Klagen und fortgesetzte Jammern griff der Jäger zur Büchse, spannte den Hahn und ein Schuss knallte durch die Nacht. Zugleich aber scholl, den Schuss übertönend, ein furchtbarer Klageruf, und das Irrlicht war verschwunden. Den Jäger ergriff ein eiskalter Schauer, er eilte nach Hause, wie gepeitscht von unsichtbaren Händen, matt und kraftlos kam er an und warf sich auf sein Bett. Am folgenden Morgen fand man ihn kalt und tot.


Irrwische

Ein Knecht fuhr gegen Abend auf dem Heuwagen nach Hause. Da sah er in der Ferne mehrere Irrwische, welche hin und her fuhren, und er fing an, sie zu necken, indem er rief:

Irrwisch hierher
Wohl über!

Da flogen die Irrwische plötzlich auf ihn zu und er war froh, als er sich glücklich tief ins Heu verkrochen hatte, wohin sie ihm nicht folgen konnten. Trotzdem aber ließen sie nicht von dem Wagen ab und tanzten immer um ihn herum, bis er über einen Kreuzweg kam, da war ihre Macht gebrochen und sie mussten wieder zurück.

Eine ähnliche Geschichte ist folgende. Es fuhr ein Mann aus, Wein für einen Wirt zu holen, und hatte noch einen Knecht bei sich, der ein wilder Bursche war. Der Weg führte an einem Wald vorbei und neben dem Wald lag ein Wiesengrund, wo sich die Heerwische in Massen aufhielten. Als der Knecht sie sah, fing er gleich an zu rufen:

Heerwisch ho,
leuchtest wie Haberstroh!

Kaum hatte er das Wort aus dem Munde, als die Heerwische auf den Wagen zu flogen. Jetzt wurde ihm angst und er verkroch sich in das Stroh. Sie flatterten eine Weile um den Wagen herum und wieder fort, einen ausgenommen, der setzte sich hinten auf den Wagen und wich nicht. Als man zu Hause ankam, fragte der Bauer den Heerwisch, was sein Begehren sei.

Da sprach der Heerwisch: »Gebt mir einen Heller und werft einen in den Armenkasten, dann bin ich erlöst. Ich musste so lang umherwandeln, weil ich eines Tages in der Kirche einen Knopf in den Klingelbeutel geworfen habe, statt einer Münze.«

Die Leute haben das gleich getan, und als er den Heller empfangen hatte, flog er weg.

In der Wetterau ruft man dem Irrwisch spottend zu:

Irrwisch, leucht’ wie Haberstroh!
Komm und schmeiß mir mein A… blitzblo!

Wenn man ihm aber so ruft, so kommt er auch und schmeißt einen blitzblau. Sonst gilt der Irrwisch in der Wetterau für einen feurigen Mann, und von jemand, der großes Unheil anrichtet oder gebranntes Herzeleid antut, sagt man, »der muss feurig gehn.« Zunächst müssen nach dem Volksglauben solche Männer, die untreue Feldscheider sind, Marksteine verrücken, abpflügen, als feurige Männer wandern.


Die wandernde Laterne

Ein Mann aus Jugenheim kam mit einem zweispännigen Wagen des Wegs von Darmstadt über Seeheim daher. Als er in einem Hohlweg zwischen den beiden Dörfern anlangte, wollten die Pferde plötzlich nicht weiter, wie er sie auch streichelte und schlug. Endlich rief er ungeduldig: »Gott weiß, was das sein soll. Ich weiß es nicht. Der mag mir helfen, ich kann es nicht.« Da sah er von fern ein Licht, wie das einer Laterne, das kam immer näher und näher, sprang endlich mit einem tüchtigen Satz über Pferde und Wagen hinweg und setzte sich hinten auf denselben. Zugleich zogen die Pferde an und der Bauer konnte weiter. Es war ihm aber so unheimlich, dass er in einem fort betete und je mehr er betete, um so lustiger zogen und liefen die Pferde. Als er in seinem Hof ankam, sprang das Lichtchen wieder vom Wagen weg und durch das Hoftor, worauf es auf der Straße verschwand.


Der letzte Kapuziner

In Fulda wollte man ein Krankenhaus für die Armen bauen. Da es an einem Lokal gebrach, so beschloss man, die Kapuziner aus ihrem Kloster zu entfernen und dies zum Spital einzurichten. Sie gingen auch gutwillig, einen alten Priester ausgenommen, der nicht wich, bis man ihn eines Morgens tot in seiner Zelle fand. Seitdem sahen die Krankenwärter ihn jedes Mal, wenn ein Kranker am Tode lag, zu dessen Lager treten und nicht eher weichen, bis die Seele geschieden war. Seitdem die barmherzigen Schwestern die Krankenpflege übernommen haben, erscheint der Geist nicht mehr. Als nämlich die Erste von ihnen bei einem Sterbenden wachte und der Geist sie erblickte, da verklärte sich sein Angesicht und wurde heiter. Er schritt mit segnender Hand der Tür zu und ließ sich nie wieder sehen.


Die zwei Tauben

In dem Fuldaer Land hausten seit Jahren zwei gefürchtete Raubmörder, welche ihr schreckliches Gewerbe um so ungestörter trieben, da sie sich unsichtbar machen konnten. Wenn die Häscher sie gefangen zu haben vermeinten, fanden sie statt ihrer nur zwei Büschel Stroh. Endlich traf die Gnade ihr Herz und sie beschlossen, in sich zu gehen und sich dem Gericht zu stellen. Unterwegs begegnete ihnen eine Frau, welche sie erkannte und auf den Knien sie bat, ihr das Leben zu lassen. Da sprach der Eine: »Fürchte nichts von uns, was wir von dir haben wollen, wirst du uns gern geben. Schließ uns alle Tage in dein Gebet ein, denn wir geben zum Richter, um uns ihm zu auszuliefern. Hörst du, dass wir hingerichtet werden, dann komm zum Hochgericht und sieh zu, was unsere Seelen machen.«

Gern versprach die Frau alles und hielt auch treu Wort, betete jeden Tag für die Mörder, und als sie vernahm, dass dieselben sterben sollten, da eilte sie an das Hochgericht. Kaum hatte aber der Henker dort getan, was seines Amtes war, da sah die Frau, wie von den Leichnamen sich zwei schneeweiße Tauben erhoben, welche im Kreis um sie herumzogen und sich alsdann gen Himmel schwangen, wo sie verschwanden. So erkannte die Frau, dass die Mörder Gnade gefunden hatten vor Gott, vor dem keine Sünde so groß ist, dass eine aufrichtige Reue sie nicht tilgte.


Die zugeriegelte Tür

Ein heiteres, neckisches Mädchen kam jedes Jahr bei entfernt wohnenden Verwandten zum Besuch und mit ihr zog ein frohes Treiben in die Familie ein. Sie machte Scherze jeder Art, besonders aber riegelte sie gern die Türen von innen zu, sodass man sie oft lange vergebens suchte, oder dass der oder jener herausgesperrt war und erst lange gute Worte geben musste, bevor sie ihn einließ.

Plötzlich bekam das Mädchen die Auszehrung, doch ahnte sie davon nichts und auch ihre Eltern und Geschwister hielten die Sache nicht für so sehr gefährlich. Die Krankheit nahm jedoch zu und das Mädchen musste sich zu Bett legen. Als nun der Tag herankam, wo sie zu ihren Verwandten abzureisen pflegte, erinnerte sie sich mit Freuden der vielen Scherze, welche sie bei denselben getrieben und rief: »Ach könnte ich dort nur noch einmal die Tür meines Schlafzimmers verriegeln!« Kaum hatte sie das Wort aus dem Munde, als sie tot auf ihr Kissen zurücksank.

Zur selben Stunde sprachen die fernen Verwandten von ihr und einer fragte, ob sie denn dieses Jahr nicht kommen werde. Man bezweifelte es wegen ihrer Krankheit und beklagte, dass ihr Stübchen wohl leer bleiben müsse. Ein Mitglied der Familie fühlte sich dadurch zu dem Stübchen hingezogen und ging, einen Augenblick darin zu verweilen. Doch als es an die Tür kam, war sie verschlossen, der Schlüssel steckte jedoch außen in der Tür. Man versuchte sie auf alle mögliche Weise zu öffnen, aber es gelang nicht. Da zerbrach man zuletzt ein Fenster und stieg ein und siehe, sie war von innen verschlossen. Zwei Tage danach traf die Todesnachricht ein und dabei war jene letzte Äußerung der Verstorbenen bemerkt. Jetzt war es den Verwandten klar, woher die Tür von innen verriegelt worden.


Die letzten Augenblicke

Wo in den letzten Augenblicken eines Menschen Gedanken sind, da ist auch sein Geist sichtbar und tätig. In Jugenheim lag ein Mann am Sterben und hatte große Sehnsucht, seine Schwäger noch einmal zu sehen. Da bemerkte man, wie er plötzlich mit einer Hand dreimal heftig auf die Bettdecke schlug. Das wiederholte er dreimal. Wenige Minuten danach traten die beiden Schwäger in das Zimmer und erzählten, sie hätten dreimal drei Schläge an ihre Haustür gehört, da sei einer von ihnen an das Fenster gegangen, um nachzusehen, wer da sein könne. Aber sogleich sei er totenbleich zurückgefahren, denn er habe den Mann gerade so an der Tür stehen sehen, wie er im Bett liege. Da reichte der Kranke ihnen die Hand und sank tot auf sein Kissen zurück.


Die ausgerissenen Haare

Es war einmal ein Mann, der lebte in Unfrieden mit seiner Frau und schlug sie und riss sie an den Haaren herum. Sie aber sammelte sorgfältig alle Haare, die er ihr ausriss. Als der Mann gestorben war, sprach sie: »Weil du mich so misshandelt hast, sollst du im Grab keine Ruhe haben«, und legte ihm die Haare in den Sarg unter seinen Kopf. Als er aber begraben war, gab es einen solchen Lärm in dem Grab, dass man ihn wieder ausgrub und öffnete. Da sah man, dass der Tote sich herumgedreht hatte,auf dem Gesicht lag, und tat die Haare heraus, auf dass er Ruhe hätte.


Erlöste Seele

Es war einmal ein Herr, bei dem wollte keine Magd bleiben. Als er nun wieder einmal ein neues Mädchen in Dienst genommen hatte, fragte er sie nach der ersten Nacht, wie sie geschlafen habe.

»Ganz gut«, sagte sie.

Nach der zweiten Nacht erhielt er auf dieselbe Frage die gleiche Antwort. Doch als er am dritten Morgen fragte, erzählte die Magd, wie während der ganzen Nacht ein Lichtlein um ihr Bett herumgetanzt sei, ihr keine Ruhe gelassen und in einem fort zu ihr gesprochen habe: »Geh Ann! Geh Ann!«

Da riet ihr der Herr, sich beim Pfarrer Rat einzuholen.

Das tat sie und erhielt von dem Geistlichen die Weisung, sich, bevor sie ins Bett gehe, ihre Kleider zur Hand zu legen, damit sie der Aufforderung des Geistes folgen und mit ihm gehen könne. Dabei müsse sie aber immer den Geist vorangehen lassen und sich wohl hüten, irgendetwas anzugreifen. Die Magd tat wie ihr geheißen und legte sich zu Bett.

Gleich war auch das Flämmchen da, tanzte wieder um sie herum und sprach wie in der vorigen Nacht. »Geh Ann! Geh Ann!«

Da stand sie auf und zog sich an, um dem Geist zu folgen. Der wollte hinter ihr herschweben, sie aber bedeutete ihm, dass er voran müsse. Das Licht leuchtete mit lustigen Sprüngen vor ihr her und führte sie über den Gang die Treppe hinab bis vor die Kellertür. Da hielt es an und hieß sie die Kellertür aufmachen.

Sie aber gedachte der Warnung des Geistlichen und sagte: »Mach selber auf!«

Sie stiegen die Treppe hinab in den tiefen Keller und jetzt sah das Mädchen erst, dass das Lichtchen eigentlich ein kleines weißes Frauchen war. Das führte sie in eine entfernte Ecke des Kellers, wo eine Hacke lag und hieß sie ein Loch hacken.

Sie aber hütete sich es zu tun und sagte: »Hack selber!«

Da fing das Weiblein an wacker zu arbeiten und zu scharren, bis endlich aus der Tiefe des Lochs ein Kessel voll Gold und Edelsteine hervorschimmerte. Jetzt wollte der Geist wieder, sie solle den Kessel herausheben. Da sie sich aber standhaft weigerte, tat er es selber und führte sie die Kellertreppe hinauf und auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren, in ihr Bett zurück. Sie dachte nun Ruhe vor dem Ding zu haben. Das aber fing wieder an um ihr Bett herumzutanzen und winselte dabei so jämmerlich, dass sie ihm gar zu gern geholfen hätte, wenn sie nur gewusst hätte, wie.

Endlich sprach sie herzhaft zu ihm: »Hast du mir geholfen, so helfe dir Gott ins Himmelreich.«

Und da war das Weiblein mit einem Schlag verschwunden und erlöst, sie aber hatte den Kessel voll Gold und war glücklich für ihr Lebtag.


Zur Ruhe bringen

Im alten Schulhaus in Seeheim erschien vor vielen Jahren dem Lehrer jede Nacht eine weiße Gestalt, wie die eines schönen Kindes, die trat vor sein Bett, winkte ihm, bis es zwölf Uhr schlug, und verschwand alsdann durch das Schlüsselloch der Tür. Er fragte den Pfarrer um Rat, was er machen könne, um den Geist los zu werden und der Pfarrer riet ihm, demselben einmal zu folgen, um zu sehen, was er wolle. Das tat der Lehrer und der Geist führte ihn bis zum Herd, zeigte dort mit dem Finger auf eine Stelle und verschwand. Am folgenden Tag grub der Lehrer da nach, glaubte schon einen Schatz zu finden, fand aber nur das Gerippe eines kleinen Kindes, welches er auf des Pfarrers Rat auf den Kirchhof trug und begrub. Seitdem hatte er Ruhe und außerdem Segen bei allem, was er vornahm, sodass er als ein wohlhabender Mann starb.