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Der Welt-Detektiv Band 6

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Im fernen Westen – Sioux-Kit 1

Sioux -Kit
Kapitel 1

Es sind mehr als dreißig Jahre her und es war noch vor der Zeit, in welcher jenes weite Gebiet des fernen Westens, welches heutzutage das Dakota-Territorium genannt wird, sich 1861 als ein solches organisiert hatte. Da lebte in der sogenannten Yankton-Reservation ein Methodistenprediger namens Joel Hogg mit seiner Gattin und zwei Söhnen, um dem Stamm der Yankton das Wort Gottes zu predigen und diese Wilden mit dem Ackerbau und den Segnungen der Zivilisation bekannt zu machen. Diese Yankton oder Yanktonwan sind ein versprengter Stamm der rothäutigen Ureinwohner des fernen Westens, welche früher in dem heutigen Staat Iowa gelebt hatten, aber durch die Ansiedelungen der Weißen aus ihren Wohnsitzen und von ihren Jagdgründen vertrieben worden waren. Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte den Yankton nun einen anderen Bezirk auf dem linken Ufer des Missouri am Choteau zum Wohnsitz angewiesen und ihnen jährliche Unterstützungen an Lebensmitteln, Kleidern, Geld usw. versprochen, um sie zufriedenzustellen und sesshaft zu machen, wie man dies mit allen von ihren früheren Wohnplätzen verdrängten Indianerstämmen tut. Diesen Bezirk nun nennt man seither die Yankton-Reservation.

Joel Hogg war schon mehrere Jahre hier auf diesem Posten, wohin ihn eine Methodistengemeinde geschickt hatte, und es war ihm ein heiliger Ernst mit der Mission, welche er unter den wilden Rothäuten unternommen hatte. Die Yankton waren gerade nicht einer der wildesten und unbotmäßigsten Stämme, allein sie waren stolz auf ihre Geschicklichkeit als Jäger und ihre Tapferkeit als Krieger, voll Unabhängigkeitssinn und stillem Hass gegen die Weißen, welche sie aus ihrer Heimat verdrängt und vertrieben hatten. Sie lebten von der Jagd in den waldigen Hügeln, welche den Choteau und seine Nebengewässer besäumen, und vom Fischfang im Missouri und seinen Zuflüssen und ritten im Frühling und Spätherbst, wenn die großen Herden wilder Büffel nord- und südwärts in ihrer Nähe vorüberzogen, weit nach Südwesten in die Great Sand Hills und nach Westen in die Mauvaises Terres hinein, um Büffel zu jagen und sich dadurch einen Vorrat von Fleisch und Häuten zu sichern. Sie lebten sorglos in den Tag hinein, wie diese wilden Indianer es immer tun, die nur den Augenblick leben und nicht für den nächsten Tag sorgen, verkauften die Pelze und Häute der erlegten Tiere an die Händler, welche unter ihnen erschienen, und vertranken den besten Teil ihres Erlöses in Branntwein, jenem Gift, welchem die ganze kupferfarbige Rasse der nordamerikanischen Indianer mit Zeit und Weile zu erliegen droht.

Die Yankton kümmerten sich anfangs gar nicht um den Herrn Hogg, der in einem einsamen Blockhaus am Zusammenfluss des Choteau und des Navis wohnte, wenige Meilen oberhalb der Einmündung des Choteau in den Missouri. Sie hatten ungern und nur dem Indianeragenten zuliebe, der ihnen den sogenannten Tribut der Regierung auszubezahlen hatte, erlaubt, dass Hogg sich auf ihrem Gebiet niederließ, und hatten sich für seine Sicherheit verbürgen müssten. Aber sie betrachteten ihn mit Misstrauen und beobachteten ihn argwöhnisch. Hogg aber gab ihnen kein Ärgernis, sondern lebte schlicht und recht und suchte sich diesen hochmütigen Wilden überall nützlich und gefällig zu erweisen. Er hatte am Fuß der Hügel ein kleines Grundstück gerodet, auf welchem er Mais und Weizen, Bohnen, Kartoffeln und Gemüse aller Art anbaute. Er hielt Hühner und Schweine und zwei Kühe. Er pflanzte sogar Obstbäume und bebaute sein Feld unverdrossen. Ein kleines Dorf der Yankton lag nur einige Tausend Schritte von seiner Wohnung. Der Häuptling desselben war vom Indianeragenten verantwortlich für das Leben und die Sicherheit Hoggs und seiner Familie gemacht worden. Hogg, welcher der sogenannten Creesprache, die beinahe alle Stämme des Westens verstehen, vollkommen mächtig war, erschien oft in dem Dorf und sprach mit dem Häuptling und den Kriegern, die einem Gespräch nicht abgeneigt waren, weil sie neugierig sind wie alle Wilden und gern etwas Neues hören. Er bat sie, ihre Kinder zu ihm herüberzuschicken, damit er sie in den Künsten der Weißen unterrichte und sie mit dem »Großen Geist der Weißen« bekannt mache. Allein die wilden Krieger schienen kein Verständnis dafür zu haben, und die Erwachsenen wenigstens verhielten sich gleichgültig oder sogar höhnisch abweisend gegen Hoggs Anerbietungen oder kamen höchstens zu ihm, wenn sie an ihren Flinten und Musketen etwas zerbrochen hatten, damit es Hogg ihnen ausbessere, der sich auf verschiedene Handwerke verstand.

Dieser anfängliche Misserfolg hätte vielleicht manchen anderen gleichgültig oder missmutig und seiner Pflicht abtrünnig gemacht, nicht so aber diesen ernsten, sanften und geduldigen Mann und seine fromme, treue Gattin. Beide waren überzeugt, dass die Zeit auch noch kommen werde, wo sie sich den Rothäuten noch nützlich machen könnten, und trugen Anfeindung, Neckereien und kleine Feindseligkeiten oder Diebstähle, denen sie vonseiten der Yankton ausgesetzt waren, mit Demut und Geduld. Wenn ihnen die Kinder der Yankton Maiskolben oder Hühner und Eier entwendeten, ging Hogg einfach hinüber zu dem »Großen Bogen«, dem Häuptling, ein Kerbholz in der Hand, zeigte den Fall an, schnitt eine neue Kerbe in das Holz und sagte. »Ich bin immer friedlich und freundlich mit den Kriegern der Yanktonwan, ihren Weibern und Kindern, und mein Herz und meine Hand sind offen für sie. Sie aber sind boshaft und feindselig gegen mich und kränken mich und die meinen. Glaube nicht, mein Freund, dass ich dies vergesse. Du siehst, ich mache für jede Kränkung eine Kerbe, und der Kerben werden so viel, dass, wenn ich das Holz dem Indianeragenten gebe, er sehen kann, wie feindselig und wortbrüchig die Yanktonwan gegen den ›Großen Vater‹ und seine Kinder sind. Und wenn nun der Agent diese Kerben alle zählt, wird er versucht sein, den Yanktonwan ihren Wert vom Tribut abzuziehen, welchen die weißen Männer meinen roten Brüdern gewähren. Und dann wird Mangel eintreten in den Dörfern der roten Krieger. Das wolle mein roter Bruder bedenken und seinem Stamm verkündigen. Das sage ich meinem Bruder, dem ›Großen Bogen‹ in allem Frieden.«

Das half dann immer eine Zeit lang und hielt den Häuptling und seinen Stamm im Respekt. Aber endlich kam auch die Zeit, wo Hoggs Hoffnungen in Erfüllung gingen. Eines Tages kam zu ihm ein Bote vom »Großen Bogen« und bat Hogg um seine Hilfe. Der älteste Sohn des Häuptlings, ein bildschöner, kräftiger junger Mann, war beim Fällen eines Baumes von dem stürzenden Stamm getroffen worden, und dieser Unfall hatte das ganze Dorf sehr erschüttert. Der Verletzte litt unsägliche Schmerzen, und die Verletzung ging über das Wissen und die Kunst der sogenannten Medizinmänner und der alten Weiber des Stammes, welche sich einigermaßen auf Heilkunde verstanden. Hier stand die einzige Hoffnung der Heilung auf der Hilfe des weißen Mannes, denn Hogg verstand etwas von Heilkunde. Hogg kam, untersuchte die Verletzung und fand sie sehr schwer. Er versprach dem Häuptling, sein Bestes zu versuchen, und hoffte auf Gottes Hilfe und des jungen Kriegers ungeschwächte Kraft und Gesundheit. Er übernahm die Kur unter der Bedingung, dass Scha-co-opon (wörtlich: sieben Elche, weil derselbe einmal sieben Wapiti aus einer Herde erlegt hatte), wie der Verwundete hieß, zu ihm in sein Haus gebracht werde und über die ganze Zeit der Kur bei ihm verbleibe. Der Verletzte und sein Vater waren damit einverstanden. Und so wurde Scha-co-opon zu Hoggs Blockhaus gebracht und lag dort über vier Monate mit geschienten Beinen, nachdem die Knochensplitter herausgenommen worden waren, und erhielt die liebreichste und die sorgfältigste Pflege. Hogg und seine Frau behandelten ihn mit der größten Freundlichkeit und zartesten Rücksicht. Die beiden Söhne des Missionars, Luke und Tim, versuchten den Kranken zu unterhalten, erzählten ihm Geschichten, lehrten ihn Englisch, lasen ihm vor aus Büchern in der Creesprache, welche die Sioux oder Dakotas (zu denen auch die Yanktonwan gehören) verstehen, und lehrten ihn mancherlei kleine Künste, in welchen sie den Rothäuten überlegen waren. Scha-co-opon war nicht umsonst der Gast dieser wackeren Weißen. Es ging ihm gewissermaßen eine neue Welt auf und eine Überzeugung von der Überlegenheit der Weißen in allen Dingen, von dem Frieden und der Behaglichkeit eines solchen Daseins, und dem Wohlwollen und der uneigennützigen Herzensgüte dieser Menschen gegen ihn, der seither beinahe ihr Feind gewesen war. Solch ein Indianer beobachtet scharf und eignet sich alles an, was ihm nützlich erscheint. Und so stand der junge Krieger als ein klügerer und besserer Mann von seinem Schmerzenslager auf, als sein Beinbruch geheilt war und er an Krücken, welche Vater Hogg selbst ihm angefertigt hatte, wieder im Haus herumhumpeln und Haus, Stall sowie Feld besichtigen konnte. Von nun an war er der treue, dankbare Freund der Familie Hogg, wenn er auch davon nicht viel Aufhebens machte, denn der Indianer lässt nicht gern durch ein Wort oder Gebärde an die Erscheinung treten, was in ihm vorgeht.

Als Scha-co-opon wieder so weit geheilt war, dass er, wenn auch an Krücken, in seine Hütte zurückkehren konnte, schickte er Herrn Hogg zwei schöne, junge Pferde als Geschenk und bat ihn, seine Kinder in die Schule zu nehmen und in dem Wissen der Weißen zu unterrichten. Seine Frauen aber schickte er hinüber zum Blockhaus, damit sie von Frau Hogg Kochen, Stricken und ähnliche häusliche Künste sowie von Vater Hogg die Bestellung des Bodens und den Anbau von Mais, Bohnen, Küchenkräutern und anderen Pflanzen erlernten und der Familie Hogg in ihren Arbeiten beiständen. Mit Dank erkannte er es, dass ihm Frau Hogg einige Hühner und einen jungen Hahn schenkte, denn er wollte von nun an auch Hühner züchten und die ersten Versuche zu einem zivilisierten Leben machen.