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Das Geheimnis zweier Ozeane 30

Drittes Buch
Fünftes Kapitel
Am Wendekreis des Steinbocks

Der Zoologe trat sichtlich erregt aus der Kajüte des Kapitäns, mit dem er ein langes Gespräch über die nächste Tiefseestation geführt hatte. Das U-Boot sollte dreimal seine Fahrt unterbrechen. Die Stationierungen waren in demjenigen Teil des Ozeans vorgesehen, in dem unter 400 südlicher Breite der kalte Humboldtstrom, der entlang der Westküste Südamerikas zieht, sich mit warmen Abzweigungen des Südäquatorialstromes berührt.

An der Tür der Kapitänskajüte stieß der Zoologe mit Gorelow zusammen.

»Fjodor Michailowitsch«, fragte er ihn, »was halten Sie von einer kleinen, sagen wir, 6- bis 7-stündigen Exkursion unter Wasser? Sie waren ja schon ziemlich lange nicht mit von der Partie. Was meinen Sie dazu?«

Gorelow schien dieses Angebot zu überraschen. Auf den letzten drei Stationen im Stillen Ozean hatten nur der Zoologe, Schelawin und ihre ständigen Helfer – Zoi, Pawlik, Skworeschnja und Matwejew – gearbeitet. Der Ingenieur versuchte damals, seine Dienste anzubieten, stieß aber auf die höfliche Absage des Zoologen, der sich auf den Kapitän berief. Der Kapitän, so sagte damals Lordkipanidse, wolle nicht, dass Gorelow das U-Boot länger als zwei Stunden verlasse; er habe empfohlen, Skworeschnja und Matwejew, die kundige Taucher waren, mitzunehmen. Nach diesem misslungenen Versuch hatte es Gorelow aufgegeben, noch einmal dieses Thema zu berühren. Deshalb war er auch über die Aufforderung des Zoologen etwas erstaunt, schien sich aber aufrichtig zu freuen.

»Vielen Dank, Arsen Dawidowitsch«, sagte er lächelnd.

»Mit größtem Vergnügen. Ich bin hier in diesen engen Räumen schon ganz eingerostet.«

»Sehr schön!«, meinte der Zoologe. »In zwei Stunden unterbricht das U-Boot seine Fahrt. Wir treffen uns in der Druckkammer pünktlich um sechzehn Uhr.« Und mit hastigen Schritten eilte er zum Laboratorium.

Gorelow blickte dem Zoologen aus leicht zusammengekniffenen Augen nach. Dann ging er langsam zu seiner Kajüte.

Um sechzehn Uhr hing das U-Boot unbeweglich in dreitausend Meter Tiefe, fast unmittelbar über dem Meeresboden. In der Druckkammer hatten sich die Exkursionsteilnehmer versammelt. Der Zoologe bat seine Gruppe – Gorelow, Zoi und Pawlik -‚ in seiner Nähe zu bleiben, da sie diesmal gemeinsam arbeiten müssten.

Ein paar Minuten später waren sieben Menschen in Taucheranzügen bereit, das U-Boot zu verlassen. Nur Gorelow und der Zoologe hatten ihre Helme noch nicht aufgesetzt. Gerade als Krutizki, der Taucher vom Dienst, dem Zoologen den Helm auf den Kopf stülpen wollte, erschienen in der Kammer Sjomin und der Intendant Orechow.

»Nun, sind Sie fertig?«, wandte sich der Kommissar an Krutizki. »Wir brauchen Sie. Der Kapitän hat angeordnet, das Taucherausrüstungsdepot zu inspizieren.«

»Gleich bin ich frei, Genosse Kommissar«, antwortete Krutizki. »Ich muss nur noch zwei Helme aufsetzen.«

Orechow trat an Gorelow heran und betrachtete neugierig seine große, metallumschlossene Gestalt.

»Was für eine Unmenge verschiedener Dinge Sie da am Gürtel haben«, sagte er und ließ die Hammeraxt, das Buschmesser und die Reservelaterne durch seine Finger gleiten; er befühlte das Netz des Keschers, öffnete die Seitentasche mit dem Steuergerät, schaute unter den Deckel des Gerätes; dann knöpfte er die elektrischen Handschuhe ab und warf auch einen Blick in ihr Inneres. »Können Sie sich das vorstellen«, fuhr Orechow fort, »ich habe das U-Boot auf seiner ganzen Reise noch nie verlassen. Immer dieser dienstliche Kleinkram. Nie hat man Zeit. Schade! Bald sind wir im Hafen, ohne dass ich, nur einmal die Nase aus dem Schiff gesteckt habe!«

Beim Sprechen ging er um Gorelow herum und schaute sich dessen Taucheranzug von allen Seiten aufmerksam an.

Mit lauernden Augen blickte Gorelow forschend auf die Hände und in das gutmütige Gesicht des Intendanten und bemerkte: »Na, Zeit dazu ließe sich doch bestimmt finden. Lohnen würde es sich schon.«

Krutizki schob den Taucherhelm über Gorelows Kopf.

»Gestatten Sie, Genosse Intendant.«

»Bitte, bitte sehr …« Orechow lächelte. »Wo ist der Exkursionsrucksack des Genossen Gorelow? Ach so, da ist er ja! Interessiert mich …«

Er öffnete den Rucksack, befühlte seinen Inhalt, entnahm den Taschen verschiedene kleine Exkursionsgeräte und legte sie wieder an ihren Platz.

»Da kenn ich mich aber nicht aus … das ist schon was für Wissenschaftler … Sind Sie fertig, Krutizki? Kommen Sie nach. Wir warten im Depot auf Sie.«

Der Kommissar und Orechow winkten den Tauchern zu und verließen die Kammer. Krutizki musterte noch einmal die Exkursionsteilnehmer, nickte befriedigt mit dem Kopf und entfernte sich auch. Kurz darauf hörte man ein dumpfes Rauschen. Die Kammer füllte sich mit Wasser.

Kaum hatten sich die Exkursionsteilnehmer einige Kilometer vom U-Boot entfernt, als Gorelow dem Zoologen mitteilte, dass seine Stirnlaterne erloschen sei.

»Gestatten Sie mir, zum U-Boot zurückzukehren, um die Laterne in Ordnung zu bringen. Ohne Licht kann ich nicht mitkommen. Vielleicht können Sie vorläufig schon hier mit Ihrer Arbeit beginnen. Ich bin gleich zurück. Geht das?«

Nach kurzem Zögern setzte sich der Zoologe mit dem U-Boot in Verbindung und teilte den Vorfall mit. Krutizki erhielt aus dem Steuerraum den Befehl, Gorelow in der Druckkammer zu empfangen.

Fünfzehn Minuten später verließ Gorelow wieder das U-Boot. Die Stirnlaterne war nur leicht beschädigt gewesen. Ein Führungsstift im Steuergerät war leicht verbogen, wahrscheinlich durch eine unvorsichtige Bewegung Gorelows, und die Stromzuführung dadurch unterbrochen. Die Stirnlaterne brannte wieder hell, als Gorelow auf die Plattform trat. Aber kaum senkte er sich in die Tiefe, als das Licht wieder erlosch. Doch das teilte Gorelow niemandem mit. In undurchdring licher Finsternis schwamm er langsam um das U-Boot herum, kaum seine Außenwand mit der Hand berührend, näherte sich dem Heck und tastete sich an die Öffnung der Mitteldüse heran. Vorsichtig, jede Berührung seines Metallarmes mit dem Metall der Düse vermeidend, steckte Gorelow seine Hand in die Düsenöffnung. Sein Arm verschwand bis zur Schulter in der noch heißen Verbrennungskammer und verblieb längere Zeit darin. Ebenso vorsichtig zog Gorelow den Arm wieder heraus. Er hielt jetzt ein kleines würfelförmiges Kästchen in der Hand.

Der Ingenieur entfernte etwas, das wie ein dickes Metallfutteral aussah, und warf es weg. Jetzt befand sich in seinen Händen das bekannte Kästchen mit Höckern, Knöpfen und Zäpfchen, mit gebogenen langen Metallfühlern und einer Drahtspule. Gorelow verstaute das Kästchen in dem Exkursionsrucksack und schwamm zur Plattform zurück. Hier flammte der Lichtstrahl seiner Stirnlaterne hell auf. Gorelow meldete dem Zoologen seine baldige Rückkehr und verschwand in der Nacht der Tiefsee.

Eine Gruppe von vier Tauchern schwamm in östlicher Richtung. Die Exkursion verlief heute nicht in der gehobenen, lustigen Stimmung wie sonst. Sogar Pawlik machte sich schweigend am Meeresboden zu schaffen und begnügte sich nur mit kurzen Fragen. Gorelow glaubte zu fühlen, wie alle heute gegen ihn viel zurückhaltender, ja sogar kühl waren. Das erfüllte ihn mit Unruhe, aber er ließ sich nichts anmerken und zeigte sich aufgeräumt und unternehmungslustig. Er schien ganz vom Jagdfieber erfasst zu sein. Insbesondere hatten es ihm heute die Fische angetan. Er jagte hinter ihnen her und entschwand oft den Blicken seiner Begleiter, sodass man ihn dauernd zurückrufen musste.

»Sie hätten es sehen sollen, Arsen Dawidowitsch. Ein unwahrscheinlich schönes Stomiasexemplar1!

»So! Sehr interessant!«, antwortete der Zoologe gereizt. »Trotzdem muss ich Sie bitten, sich nicht allzu weit zu entfernen.«

Aber Gorelow war so vom Jagdfieber gepackt, dass er immerfort verschwand, manchmal für längere Zeit. Das beunruhigte den Zoologen dermaßen, dass er auf Zoi zuschwamm und, ohne das Funkgerät einzuschalten, seinen Helm an Zois Helm presste und sagte: »Wenn du bemerkst, Zoi, dass er zu weit wegschwimmt, dann folge ihm …«

Die Stimme des Zoologen klang dumpf unter Zois Taucherhelm. Der junge Taucher antwortete kurz: »Gut, Arsen Dawidowitsch!«

Je näher die unterseeische Schwelle kam, um so hügeliger und unübersichtlicher wurde das Gelände.

Bald verlor Zoi den Ingenieur aus den Augen. Ein Hügel lag zwischen ihnen.

»Teufel noch mal!«, rief plötzlich Gorelow. »Ist das aber ein Fischchen! Dieses Leuchten! Und diese Farbenpracht!«

Der Fisch existierte nur in Gorelows Fantasie. Hinter dem Hügel verborgen, löschte er seine Stirnlaterne aus, schaltete die Schraube ab und ließ sich auf den Hügelhang sinken. Dabei sprach er immer weiter: »Schade! Aber noch einmal entkommst du mir nicht! Jetzt ist er wieder weg! Hat sein Leuchtfeuer ausgelöscht, der Schlauberger! Wirklich schade! Jetzt ist er ganz weg! Sie würden sich auch ärgern, Arsen Dawidowitsch! Ein ganz unbekannter Fisch. Kugelrund, mit vier Reihen blauer und roter leuchtender Punkte an den Körperseiten.«

»Da kann man nichts machen, Fjodor Michailowitsch«, antwortete der Zoologe. »Kehren Sie zurück …«

»Da ist er schon wieder!«, rief Gorelow erfreut, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Jetzt entkommt er mir aber nicht! Ich werde ihn überlisten und mich ihm mit der ausgeschalteten Stirnlaterne nähern. Warte nur …«

In diesem Augenblick bemerkte er ein blaues Licht, das auf den Hügel zuraste. Bald unterschied er eine menschliche Gestalt, die mit höchster Geschwindigkeit um den Hügel schwamm.

Gorelow betätigte seinen Gewichtsregler und schnellte wie eine Rakete zweihundert Meter über die Hügelspitze empor. Jetzt ließ er wieder seine Laterne brennen, setzte die Schraube in Gang und strebte in östlicher Richtung davon, immer wieder ausrufend: »Jetzt hab ich dich gleich … Wendig ist das Biest …! Hilft dir alles nichts …! Aha …! Wieder nicht … so ein bunter Irrwisch!«

»Hören Sie auf, Fjodor Michailowitsch!«, rief der Zoologe voller Unruhe. »Beherrschen Sie sich doch …«

Aber Gorelow unterbrach ihn: »Einen Moment noch, Arsen Dawidowitsch … Ich hab ihn doch gleich …«

Vor Gorelow ragte eine hohe, steile Felswand. Er schwamm an ihr empor, immer höher über den Meeresgrund steigend, und verschwand schließlich hinter einem großen Felsblock.

»Wo sind Sie denn, Fjodor Michailowitsch?«, hörte er den Zoologen rufen. »Wir warten hier auf Sie am Fuße des Hügels, an dem Zoi Sie zuletzt gesehen hat.«

»Ich schwimme jetzt zurück, Arsen Dawidowitsch«, antwortete Gorelow.

Er holte schnell aus dem Exkursionsrucksack das viereckige Kästchen heraus, stellte es auf ein flaches Felsstück, bog die Metallfühler gerade, spannte dünnen Draht zwischen sie und wickelte ihn um den Knopf für die elektrischen Handschuhe. Während dieser Vorbereitungen redete Gorelow ununterbrochen weiter.

»Ich schwimme geradewegs nach Nord … vom Hügel habe ich mich offenbar in südlicher Richtung entfernt … Gleich bin ich wieder bei Ihnen, Arsen Dawidowitsch. Bitte tausendmal um Entschuldigung, dass ich Sie warten lasse. Das Jagdfieber hatte mich gepackt. Den Hügel kann ich nicht finden.

Eigentlich müsste er schon da sein … Wie ärgerlich! Sie müssen mir ein Peilzeichen geben, Arsen Dawidowitsch …«

»Ich habe Ihnen doch gesagt, Fjodor Michailowitsch, dass Sie sich nicht so weit entfernen sollen!«, sagte der Zoologe ärgerlich. »In welcher Tiefe befinden Sie sich?«

»Dreitausendzweihundert Meter unter der Meeresoberfläche«, antwortete Gorelow mit gespielter Verlegenheit und unterbrach die Verbindung.

Dann drückte er auf einen Knopf an der Seitenwand des Kästchens. Ein Teil der Vorderwand klappte zurück, eine Tastenreihe wurde sichtbar, ein schmales Fensterchen leuchtete auf. Hinter diesem zog langsam ein Papierstreifen vorbei. Gorelows metallene Finger klopften auf die Tasten. Geheimnisvolle Funkzeichen durcheilten den Raum: »EZIT … EZIT … Hier spricht INA 2 … Antworte, EZIT … EZIT … EZIT … Hier spricht INA 2 …«

Die Meldung dauerte etwa zehn Minuten. Gorelow nahm die Finger von den Tasten und blickte voller Spannung auf den Papierstreifen hinter dem Fensterchen. Auf dem Streifen reihten sich hintereinander Punkte und Striche.

Das Gesicht des Ingenieurs verzerrte sich und zeigte Angst und Entrüstung. Plötzlich sprang er auf und schrie wütend mit keuchender Stimme: »Das ist schon keine Information mehr! Dazu bin ich nicht verpflichtet! Das ist … das geht zu weit!«

Ihm fiel ein, dass ihn ja niemand hörte. Er kauerte sich neben das Funkgerät und klopfte mit ungelenken Fingern die Antwort. Wieder reihten sich auf dem Papierstreifen Punkte und Striche. Gorelows Finger berührten jetzt die Tasten zögernd und unsicher. Dann zeigte sich hinter dem Fensterchen eine kurze Punkt- und Strichreihe und riss ganz plötzlich ab.

Schwer atmend schloss Gorelow die Augen. Auf seiner Stirn perlte Schweiß.

Er beugte sich über das Funkgerät, berührte ein paar Tasten und verharrte einige Zeit in regloser Stellung. Schließlich richtete er sich auf und schwamm mit voller Geschwindigkeit erst zum Meeresgrund und dann nach West.

»Fjodor Michailowitsch! Fjodor Michailowitsch!«, hörte er den Zoologen rufen. »Antworten Sie doch endlich! Wo sind Sie? Was ist mit Ihnen?«

»Ja, bitte?«, murmelte Gorelow mit verstellter Stimme. »Arsen Dawidowitsch, sind Sie das?«

»Ja, ja, ich bin es!«, antwortete der Zoologe erfreut. »Wo stecken Sie denn? Warum haben Sie sich so lange nicht gemeldet?«

»Ich … mir wurde plötzlich schlecht«, Gorelows Stimme klang schwach und erschöpft. »Ich weiß nicht, wo ich bin … liege auf einem Felsen … ich war auf dem Wege zu Ihnen und plötzlich … wurde ich wohl ohnmächtig … Jetzt geht es mir schon ein wenig besser … Peilen Sie doch bitte sofort …«

Ohne die Geschwindigkeit zu vermindern, fast schon am Meeresboden, warf Gorelow das Kästchen fort. Nur ein Schlammwölkchen wirbelte dort auf, wo es sich für immer in den Meeresboden eingewühlt hatte.

»Ihnen ist schlecht geworden?«, fragte der Zoologe misstrauisch und fügte nachdenklich hinzu: »So … hm … das tut mir aber leid … ich werde Sie in Begleitung zum U-Boot zurückbringen lassen. Sie müssen sich ausruhen … jetzt peile ich. Tiefe unverändert? Richtung auch?«

Nach fünf Minuten stand Gorelow neben dem Zoologen und brachte auf dessen Vorwürfe einige Entschuldigungen vor.

»Jetzt muss ich noch Pawlik und Zoi heranrufen!«, sagte der Zoologe tief verärgert. »Ich hatte sie ausgeschickt, um Sie zu suchen. Wie viel Zeit haben wir vertan! Drei Stunden sind schon vergangen, seit wir das U-Boot verlassen haben, und die Ausbeute ist nicht der Rede wert.«

Bald tauchte aus dem Dunkel der Tiefsee Pawlik auf, und ein paar Minuten nach ihm war auch Zoi wieder da. Beide schwiegen und verrieten durch kein Wort Freude oder Genugtuung, die man ja angesichts eines verschwundenen und wieder heil zurückgekehrten Kameraden erwarten konnte.

Als Gorelow und Zoi, der den Ingenieur zum U-Boot begleitete, außer Sicht waren, drückte Pawlik seinen Helm an den Helm des Zoologen und sagte erregt: »Ich schwamm mit gelöschter Laterne im Zickzack, schräg nach oben, nach Ost. In einer Tiefe von tausendfünfhundert Metern sah ich plötzlich Licht. Es jagte zum Meeresboden, in westlicher Richtung. Ich kam näher und erkannte ihn. Dann schwamm ich ihm nach, hundert Meter über ihm. Mir schien, als habe er etwas weggeworfen … aber ich weiß es nicht genau … ich war zu weit entfernt.«

Zoi geleitete Gorelow bis zum U-Boot, schwamm zum Zoologen zurück und arbeitete mit ihm bis zur Beendigung der Exkursion. Vier Stunden später waren alle wieder an Bord der Pionier. Der Zoologe suchte Gorelow auf, um in seiner Eigenschaft als Schiffsarzt nach ihm zu sehen. Zoi und Pawlik beeilten sich, in die Kajüte des Kommissars zu kommen, wo sie auch Orechow antrafen.

»Nun, was gibt’s?«, fragte Zoi ungeduldig schon auf der Schwelle.

»Was soll’s schon geben!«, antwortete Orechow missgelaunt. »Nichts! Gar nichts! Hast du auch nichts durcheinandergebracht, Kleiner?«, wandte er sich an Pawlik.

Pawlik blickte verlegen abwechselnd auf Orechow und Zoi.

»So sagt es doch«, rief Zoi, »was habt ihr gefunden?«

»Überhaupt nichts. Ein ganz gewöhnliches Blechkästchen mit Reserveteilen für seine Schreibmaschine. Das war alles, Genosse Sherlock Holmes!« Nach kurzem Schweigen fügte Orechow hinzu: »Dem Kapitän ist es furchtbar peinlich. Er befürchtet, er habe zu voreilig gehandelt. So kann man eine Sache vor der Zeit verderben. Er sagt, Pawlik sei noch ein Kind, und ein Kind kann sich leicht irren. Und wir hatten darauf bestanden, sofort Klarheit zu schaffen. Eine peinliche Geschichte! Hoffentlich merkt Gorelow nichts!«

»Wie konnte ich mich denn irren!«, sagte Pawlik gekränkt mit zitternder Stimme. »Aus Blech! Ich habe das Kästchen doch selbst in der Hand gehabt … Sehr schwer war es …«

»Vielleicht war Wasser drin?«

»Nein! Das ist unmöglich!«, rief Zoi wütend. »Pawlik hat die Wahrheit gesagt. Die volle Wahrheit! Ein Blechkästchen wäre vom Wasserdruck platt gedrückt worden … Davon können Sie sich später selbst überzeugen. Aber wird das dann nicht zu spät sein?«

»Regen Sie sich nicht auf, Zoi«, bemerkte mit ruhiger Stimme der Kommissar, der auf der Koje saß, »ich teile Ihre Meinung. Wir werden ihn nicht aus den Augen lassen. Dieses Mal hat er uns hinters Licht geführt. Macht aber nichts! Wer zuletzt lacht, lacht am besten!«

Am nächsten Tage, am 25. Juli, um elf Uhr, nahm die Pionier direkten Kurs auf Nordwest. Die Fahrt ging jetzt zur heimatlichen Küste, quer durch den ganzen ungeheuren Raum des Pazifik. Das U-Boot wechselte oft die Fahrtgeschwindigkeit und Tiefe – bald kreuzte es in den oberen klaren Wasserschichten, damit Siedler die reiche subtropische Meeresfauna im Bild festhalten konnte, dann tauchte es wieder in die unteren Wasserregionen, vor allem, um Schelawin mit wissenschaftlichem Material zu versorgen.

Je mehr sich das U-Boot dem Wendekreis des Steinbocks näherte und in das Gebiet des Großen Korallengürtels vordrang, der in den Tropen unter dem Meeresspiegel den Erdball umspannt, um so farbenprächtiger wurde die Meeresfauna.

In den öden, unendlichen Weiten dieses Teiles des Stillen Ozeans war die Pionier sicherer und freier in ihren Bewegungen. Das Boot tauchte oft höher und schwamm lange Zeit, vom Infrarot-Aufklärer beschützt, in den oberen Wasserschichten – manchmal nur einige Meter unter der Oberfläche.

Hinter den Bullaugen des Laboratoriums bewunderten der Zoologe, Zoi, Siedler und Pawlik stundenlang die zahllosen Meeresbewohner, die sich im klaren, von Sonnenstrahlen erhellten Wasser tummelten und sich durch Schönheit oder bizarre Körperformen auszeichneten: Schwärme stumpfmäuliger Goldmakrelen mit glänzenden Purpurkörpern und goldfarbenen Schwänzen; riesige, fünf Meter lange Seglerfische mit mächtigem Rückensegel und langem, spitzem Kranichmaul; Boniten, die Siedler durch ihre stahlblaue, grün und rot schillernde Beschuppung entzückten; Kofferfische mit unbeweglichem Panzer aus Knochenfeldern statt Schuppen; Borstenzähner mit kurzer, rüsselförmiger Schnauze und einem bunt gefleckten und gestreiften, stark aufgeblähten Körper; Seedrachen mit schwarzen, gelb umrandeten Flecken auf leuchtend blauem Untergrund; blutrote, schwarz gestreifte Seebarben mit langen Stachelflossen; Lippfische mit dicken, fleischigen Lippen, der rötlich schimmernde Körper mit prächtigen blauen Streifen verziert; Zahnkiemer, deren Schuppen und Flossen an Pracht mit den Farben des Regenbogens wetteiferten; violettrote Papageifische …

»Wahrscheinlich sind wir jetzt in der Nähe von Korallenriffen«, sagte der Zoologe, der Mühe hatte, schnell genug die einzelnen Teilnehmer dieses bunten Reigens aufzuzählen. »Nur in ihrer Nachbarschaft kann man Fische antreffen, die von der Natur so verschwenderisch mit Farben ausgestattet sind.«

Plötzlich verschwand, als hätte sie der Wind weggeweht, diese ganze bunte Zauberwelt. Vor den Bullaugen tauchte eine Herde schwarzer Delfine auf. Sie umringten das U-Boot und begleiteten es lange Zeit in spielerischem Dahinjagen.

Neben der Pionier zeigte sich im grünen Dämmerlicht der Tiefe ein kleiner wendiger Fisch. Seine Grundfärbung war ein bläuliches Silbergrau; fünf dunkelblaue Bänder umgaben seinen Körper. Kaum war er erschienen, verschwanden die übermütigen Delfine blitzschnell.

»Hat denn dieses kleine Fischchen die Delfine so erschreckt?«; fragte Pawlik erstaunt.

»Das ist ein Lotsenfisch«, antwortete der Zoologe. »Folglich muss in der Nähe ein Haifisch sein.«

Der Lotsenfisch umkreiste das U-Boot, als wolle er es von allen Seiten untersuchen, entfernte sich, kehrte aber bald wieder zurück. Ihm folgte aus dem Dunkel gravitätisch ein riesiger, fünf Meter langer Hai. Er näherte sich langsam dem Bullauge und glotzte es mit seinen kleinen stumpfen Augen an. Sein breitgespaltenes, bogig quergestelltes Maul starrte von Zähnen.

»Von hier aus lässt er sich bequemer betrachten als vom Rücken eines Pottwals … Brr!« Pawlik schüttelte sich bei dieser Erinnerung.

Der Haifisch drehte sich auf die Seite und ließ seinen schmutzig weißen Bauch sehen.

Der Lotsenfisch, der die ganze Zeit vor der Haifischschnauze hin und her geflitzt war, zeigte plötzlich Unruhe. Er schoss kreuz und quer, verschwand und kehrte zu seinem phlegmatischen Gebieter wieder zurück. Diese Unruhe schien sich auch dem Haifisch mitzuteilen. Er wälzte sich um und schwamm weg, mit einem mächtigen Schlag seiner Schwanzflosse das Bullauge streifend. Die dahinter Stehenden wichen erschreckt zurück. Nachdem der Raubfisch verschwunden war, belebte sich die Tiefe nicht mehr, sie blieb öde und verlassen.

»Seltsam, hat denn der Hai alle verscheucht?«, fragte Siedler verwundert.

»Das scheint mir selber sehr merkwürdig … auch das Wasser ist plötzlich trübe geworden …«, bemerkte der Zoologe, durch das Bullauge starrend.

»Stimmt … Das Wasser ist stark getrübt … als ob es verschmutzt wäre.«

Zoi hob warnend den Finger.

»Achtung! Arsen Dawidowitsch, hören Sie nichts?« Alle verstummten und horchten angespannt.

Aus der Ferne hörte man ein dumpfes Grollen und dazwischen einzelne Detonationen.

Die Pionier durchpflügte die Tiefe mit halber Kraft, und je weiter sie vordrang, um so trüber wurde das Wasser, um so deutlicher hörte man das dumpfe Grollen und die Detonationen.

»Was könnte das sein?«, fragte Siedler erregt.

Niemand antwortete ihm. Alle lauschten angespannt diesen geheimnisvollen, aus den Tiefen des Ozeans kommenden Lauten. Im stark getrübten Wasser zogen die Schatten seltsam unbeweglicher Fische mit leblos herabhängenden Flossen vorbei. Seeschildkröten, deren Köpfe hilflos von ihren langen Hälsen herabhingen, stießen gegen das Bullauge.

»Tierkadaver«, sagte der Zoologe, ganz nahe an das Bullauge herantretend. Vor seinen Augen wirbelten im Wasser kleine schwarze Brocken. »Bimsstein und Asche!«, rief er. »Ein Vulkan ist auf dem Meeresgrund ausgebrochen!«

Das U-Boot hatte inzwischen seine Fahrt verlangsamt.

»Im Steuerraum hat man das wahrscheinlich schon lange bemerkt«, sagte Zoi. »Es wäre schade, wenn der Kapitän umkehren würde und wir ein so seltenes Schauspiel nicht beobachten könnten.«

»Das glaube ich nicht!«, bemerkte der Zoologe lächelnd. »Schelawin ist wohl schon im Steuerraum und wird sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen.«

Obgleich die Detonationen und das Grollen immer lauter wurden, schien das U-Boot seinen Kurs nicht zu ändern. Bald hörte man auch andere Geräusche. Gegen die Außenwand des Schiffes prasselte es wie Hagelschlag auf einem Wellblechdach. Im Wasser wirbelten, von Dampf umgeben, ganze Wolken kleiner und größerer Brocken.

»Und was ist das?«, fragte Pawlik.

»Das sind erhitzte Bimssteinstücke, die der Vulkan ausschleudert«, sagte der Zoologe. »Bimsstein ist leichter als Wasser und strebt deshalb zur Oberfläche. Bei derartigen Vulkanausbrüchen ist das Meer dann kilometerweit von einer dicken Schicht schwimmenden Bimssteins und mit feiner Asche bedeckt.«

Schiffe meiden gewöhnlich solche Stellen und halten sich möglichst abseits vom Herd eines Seebebens. Aus diesem Grunde stieg die Pionier mit langsamer Fahrt immer höher zur Oberfläche empor. Offenbar war der Kapitän sicher, dass niemand das U-Boot entdecken würde.

Nach einigen Minuten tauchte die Pionier wieder tiefer hinab. Ringsum war es völlig finster. Die Detonationen und das dumpfe Getöse schienen unmittelbar in der Nähe des U-Bootes zu erfolgen.

»Wir nähern uns dem Vulkan«, bemerkte der Zoologe, ohne den Blick vom Bullauge zu wenden. »Sehr interessant! Außerordentlich interessant!«

»Ist es denn nicht gefährlich?«, fragte Siedler.

»Das lassen Sie nur die Sorge des Kapitäns sein. Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen.«

Im Laboratorium war es dunkel, aber der Zoologe machte kein Licht.

»Warten Sie noch ein bisschen«, sagte er mit lauter Stimme, damit man ihn im Tosen und Krachen hören konnte, »bald werden Sie in dieser Finsternis ein märchenhaftes Schauspiel erleben. Wenn nur der Kapitän nicht den Kurs ändert.«

Das U-Boot setzte das Tauchen fort. Es hatte bereits eine Tiefe von nicht weniger als zweitausend Metern erreicht, als es plötzlich scharf drehte.

Weit in der Ferne, schräg zum U-Boot, breitete sich ein ungeheurer purpurroter Feuerschein aus. Riesige weißglühende Bälle schossen aus seinem Zentrum empor. Eingehüllt in rosafarbene Dampfwölkchen, zerplatzten sie wie Raketen in kleine rote Bruchstücke und fielen, gleich Schwärmen dunkelpurpurner Meteoriten, zum Meeresboden.

Das U-Boot umkreiste langsam den Feuer speienden Vulkan und näherte sich ihm vorsichtig in einer immer enger werdenden Spirale. Der flammend rote Widerschein der Eruption drang schon durch das Bullauge und zauberte auf die Gesichter der reglos verharrenden Menschen fantastische Reflexe. Die Farben im Eruptionszentrum wurden immer intensiver, sie wechselten vom Purpur ins Rot, untermischten sich mit Orangegelb; dann lohte über dem Vulkan, inmitten schwarzvioletter Dampfwolken, ein grelles gelbes Flammenbündel empor, umgeben von einem Gitterwerk kurzer gelber Strahlen.

»Lava wird herausgeschleudert und erstarrt an den Hängen des Vulkans«, schrie der Zoologe durchs Getöse Pawlik ins Ohr. »Die Geburt einer Insel! Vor unseren Augen entsteht eine neue vulkanische Insel! Begreifst du das?« Lordkipanidse war außer sich vor Begeisterung.

Die Pionier kreuzte noch eine halbe Stunde um den mit unverminderter Heftigkeit tätigen Vulkan und ging wieder auf Nordwestkurs. Bald hatte sie die Meerestiefen verlassen, die im heftigen Kampf zwischen Feuer und Wasser eine neue Insel gebaren.

Das U-Boot tauchte wieder zu den oberen Wasserschichten empor, und Siedler konnte seine unterbrochene Arbeit fortsetzen. Die im Laboratorium Anwesenden standen noch lange unter dem Eindruck des eben Erlebten und tauschten lebhaft ihre Eindrücke aus.

Auch alle anderen an Bord des U-Bootes schienen von dem gewaltigen Naturschauspiel tief beeindruckt worden zu sein, insbesondere Gorelow, der in kaum beherrschter Erregung einige Male an der Tür des Steuerraumes vorbeiging. Der Kapitän und Oberleutnant Bogrow, die das U-Boot während seiner gefahrvollen Fahrt um den Vulkan führten, hatten den Steuerraum in Begleitung Schelawins schon verlassen. Dienst tat jetzt Leutnant Krawzow, der gerade einen Infrarot-Aufklärer über die Meeresoberfläche hinausgeschickt hatte, um die genauen Koordinaten des unterseeischen Vulkans und der neuen Insel festzustellen.

Kaum hatte der Leutnant seine Berechnungen beendet, als Gorelow, lächelnd und aufgeräumt, den Steuerraum betrat.

»Nun, was sagen Sie dazu, Juri Pawlowitsch?«, wandte er sich an den Leutnant. »Einmalig, nicht wahr? Ich konnte mich nicht sattsehen an diesem wunderbaren Schauspiel!«

»Großartig, ein tolles Feuerwerk!«, erwiderte der Leutnant. »Einen Moment bitte, ich will noch schnell die Koordinaten dieses Vulkans ins Logbuch eintragen.«

»Ja, das ist wichtig. Übrigens, welche Koordinaten hat er eigentlich?«

»30°22’18” südlicher Breite und 130°12’35” westlicher Länge«, antwortete der Leutnant, das Logbuch zuschlagend.

»Tatsächlich?«, rief Gorelow erfreut aus. »Da sind wir ja bald am Wendekreis des Steinbocks? Was denken Sie, wann werden wir dort sein?«

»Wenn wir die Fahrt nicht unterbrechen und vom Nordwestkurs nicht abweichen, dann sind wir bei unserer jetzigen Fahrtgeschwindigkeit bestimmt in acht Stunden dort, also morgen, am 29. Juli, um vier Uhr. Genau auf die Minute. – Aber sagen Sie mal, Fjodor Michailowitsch«, rief der Leutnant lebhaft, den Bildschirm betrachtend und ab und zu einen Blick auf die Kontrolllämpchen werfend, »haben Sie auch diese unwahrscheinliche Fontäne aus glühenden Steinen gesehen, die erst geschlossen emporschoss und sich dann auf halbem Wege in vier Feuersäulen gabelte? Märchenhaft war das! Wie eine gigantische Kokospalme mit vier herabhängenden purpurfarbenen Wedeln an der Spitze!«

Einige Minuten lang unterhielt sich Gorelow noch mit dem Leutnant, zeigte dann aber große Eile, da er, wie er sagte, noch eine unaufschiebbare Sache zu erledigen habe. Mit schnellen Schritten verließ er den Steuerraum. Der Gang war leer. Gorelow näherte sich dem hinteren Luk, setzte den Fuß auf die Wendeltreppe, zögerte aber und schien zu überlegen. Sein Gesicht drückte äußerste Erregung aus. Etwa eine Minute später stand er reglos und mit gesenktem Kopf vor dem Luk; aber dann drehte er sich jäh um und ging in seine Kajüte. Hier kleidete er sich rasch aus.

»So geht es nicht … ich muss etwas ausruhen … Kräfte sammeln …«, murmelte er.

Er löschte das Licht und legte sich auf die Koje, konnte aber lange nicht einschlafen, stöhnte und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Sein Schlaf war unruhig, aber nach vier Stunden erwachte er ziemlich erfrischt. Nachdem er sich angezogen und gewaschen hatte, fühlte er sich noch besser. In zwei Stunden würde sein Dienst beginnen. Romejko war krank, Gorelow hatte ihm zwei Tage freigegeben. Der Ingenieur verließ nun seine Kajüte und suchte die Messe auf. Hier trank er eine Tasse Kakao, aß ausgiebig und schaute dann auf die Uhr. Es war null Uhr fünfzehn, also schon der 29. Juli. Bis zum Dienstantritt hatte er noch eine Viertelstunde Zeit. Gorelow trat auf den Gang und lenkte seine Schritte zum Steuerraum. Vor dessen Tür sah er sich um. Der Gang war menschenleer. Der Ingenieur schob die Tür etwas auf, blickte durch den schmalen Spalt und lächelte zufrieden. Wie er angenommen hatte, tat Leutnant Krawzow wieder Dienst.

»Schon wieder Dienst, Juri Pawlowitsch?«

»Gerade habe ich den Oberleutnant abgelöst.«

»Geht alles glatt?«

»Ausgezeichnet! Direkt nach Nordwest.«

»Freut mich. Vor lauter Heimweh wird man langsam trübsinnig.«

»Nicht nur Sie!«

»Wenn wir erst den Äquator überquert haben, ist es nicht mehr weit bis nach Hause … Sind wir bald am Wendekreis?« Der Leutnant blickte zur Uhr.

»In genau drei Stunden.«

Gorelow warf ebenfalls einen Blick auf seine Uhr.

»Nun, auf Wiedersehen. Ich muss wieder Kosyrew ablösen. Romejko ist ja krank.«

»Auf Wiedersehen, Fjodor Michailowitsch!«

Gorelow löste Kosyrew ab und ging durch die Räume und Kammern, die zu seinem Dienstbereich gehörten. In der Kammer mit den Wasserstoffbehältern hielt er sich einige Zeit auf. Die Pumpe des einen Behälters arbeitete; sie drückte das Gas durch die Gasleitungsrohre zu den Düsen. Der Ingenieur bereitete den benachbarten Behälter zur Gasabgabe vor; offenbar verließ er sich nicht auf die automatische Schaltung. Das Gleiche tat er in der nächsten Kammer, in der die Sauerstoffflaschen standen. Dann holte er aus der Tasche ein kleines Kästchen ohne Deckel, nahm von der Wand einen verschlossenen Beutel und ein paar Werkzeuge herunter, setzte sich eine Gasmaske auf, streifte die Asbesthandschuhe über und betrat die Gasrohrkammer. In dieser Kammer zwängte er sich durch ein Gewirr heißer Rohre zur linken Wand durch und machte sich an der Signalvorrichtung zu schaffen. Die Gasdruck-Signalvorrichtung bedeckte er mit dem Kästchen, nahm aus dem Beutel einen Streifen Kautschukdichtung und legte ihn unter die Ränder des Kästchens. Die Hitze in der Kammer weichte den Streifen auf, und das Kästchen war jetzt hermetisch abgeschlossen; die Luft würde darin fortan unverändert die gleiche Zusammensetzung und Dichte bewahren. Welche Veränderungen auch später in der Kammer vor sich gingen, die im Kästchen eingeschlossene Signalvorrichtung würde immer nur einen normalen Gasdruck dem Steuerraum anzeigen.

Jetzt holte Gorelow aus der Tasche ein flaches, an einer Seite verglastes Metallkästchen, an dem ein paar dünne Drähte befestigt waren. Unter dem Glas schimmerte ein Zifferblatt mit zwei Zeigern. Im Kästchen tickte leise eine Uhr. Der Ingenieur drückte vorsichtig auf einen Knopf an der Schmalseite des Behälters. Ein Deckel sprang auf. Darunter befand sich der einfache Mechanismus eines altmodischen Feuerzeuges: ein benzingetränkter Docht und neben ihm ein raues Stahlrädchen über einem Feuerstein. Gorelow zog die Uhr auf und stellte die Zeiger auf vier Uhr fünfzehn. Das Feuerzeug legte er auf den abgedichteten Gasdruckmesser und verband es durch einen Draht mit dem Akkuschränkchen von der Notbeleuchtung. Nach all diesen merkwürdigen Vorbereitungen verließ Gorelow die Kammer.

Schwer atmend setzte er sich auf einen Stuhl neben den Gasbehältern und schaute auf die Uhr. Es war drei Uhr dreißig. Gorelow sprang auf und begann im schmalen Gang zwischen den Behältern auf und ab zu gehen, immerfort auf die Uhr schauend. Zehn Minuten vor vier stürzte er zu der Tür der Gasrohrkammer und schraubte die Porzellankappe des Schließmechanismus ab; dann zerbrach er die darunterliegenden Kontaktblättchen und schraubte die Kappe wieder auf. Genau um vier Uhr schloss er die Hähne der Behälter, die die Düsen mit Gas versorgten. Die Düsen waren stillgelegt, das U-Boot hatte keinen Antrieb mehr. Blass und schweißbedeckt lief Gorelow aus der Kammer.

Er eilte durch die Maschinenräume, die Wendeltreppe hinauf, den Gang entlang und stürzte in den Steuerraum.

»Juri Pawlowitsch«, wandte er sich außer Atem an Leutnant Krawzow, der mit verstörtem Gesicht am Mikrofon stand. »Die Düsen arbeiten nicht! Das ist das Werk dieses schönen Vulkans, der Teufel soll ihn holen! Wahrscheinlich sind die Verbrennungskammern mit Bimsstein und Asche verstopft. Geben Sie mir schnell einen Passierschein zum Verlassen des U-Bootes. Die Düsen müssen sofort gereinigt werden.

»Das ist es also!«, rief der Leutnant. »Ich konnte es mir gar nicht erklären und wollte gerade den Kapitän wecken.«

»Den Passierschein bitte! Jede Minute ist kostbar! Die Gase sammeln sich in den verstopften Düsen an. Jede Sekunde kann es zu einer Explosion kommen! Beeilen Sie sich. Den Kapitän können Sie später benachrichtigen.«

Gorelows Erregung teilte sich dem Leutnant mit. Er schrieb schnell einen Passierschein aus und reichte ihn Gorelow.

Eine Minute später war dieser schon in der Druckkammer. Er zeigte den Passierschein Krutizki, dem Taucher vom Dienst, vor.

»Schnell, schnell! Ich muss von Bord. Die Düsen streiken!« Krutizki stürzte zu den Taucheranzügen.

»Sauerstoff, Ration, Akkus, alles komplett?«, fragte Gorelow hastig, den Taucheranzug anlegend.

»Jawohl, Genosse Ingenieur.«

Gorelow fieberte vor Ungeduld. Als sich die breiten Türen der Druckkammer öffneten und die Plattform aufklappte, jagte er mit voller Geschwindigkeit davon. Aber kaum war er etwa zweihundert Meter von der Pionier entfernt, da schaltete er die Schraube ab und wandte sein Gesicht dem U-Boot zu. Im gleichen Augenblick durchzuckte die Finsternis eine grelle Stichflamme, begleitet von einer ohrenbetäubenden Explosion. Im Feuerschein sah Gorelow im Bruchteil einer Sekunde den riesigen Schatten des Schiffes, das mit hochgerissenem Heck fast senkrecht in die dunklen Tiefen des Ozeans sauste.

Show 1 footnote

  1. Räuberischer Tiefseebewohner mit weitem, oft stark bezahntem Rachen, großen Augen und Leuchtorganen; gehört zur Knochenfischfamilie.