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Die Trapper in Arkansas – Band 1.7

Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 1

Erster Teil – Treuherz

Kapitel 3 – Die Fährte

Adlerkopf, der von seinen Feinden entdeckt zu werden wünschte, hatte sich keine Mühe gegeben, seine Fährte zu verbergen, die sichtlich durch das hohe Gras führte und selbst dann rasch wieder aufgefunden war, wenn sie sich stellenweise zu verwischen schien. In ihrem Vorrücken warfen die beiden Jäger von Zeit zu Zeit Blicke nach rechts und links, um sich vor Täuschung zu sichern. Aber die Fährte ging stets gerade aus, ohne irgendeine Abbiegung. Ihre Verfolgung war so leicht, dass das Außerordentliche der Sache selbst Belhumeur ernstlich zu beunruhigen anfing. Wie immer übrigens die Indianer es halten mochten, die Jäger bemühten sich so gut es ging, ihre eigenen Fußspuren sorgfältig zu verwischen. Sie gelangten endlich an einen ziemlich breiten Fluss, Grünspanfluss genannt, der zum Canadian fließt. Treuherz machte Halt und winkte seinem Begleiter, das Gleiche zu tun. Sie stiegen ab und suchten, die Pferde am Zaum führend, den Schutz einer Baumgruppe auf, um nicht von einer etwa ausgestellten indianischen Schildwache bemerkt zu werden. Hier angelangt legte Treuherz warnend den Finger auf den Mund und flüsterte seinem Begleiter ins Ohr: »Ehe wir weitergehen, müssen wir uns über unsere Schritte genau verständigen. Ich vermute eine Tücke. Die Indianer sind erfahrene Krieger und zu sehr an das Prärieleben gewöhnt, um ohne guten Grund in solcher Weise zu handeln.«

»Die Fährte ist allerdings zu schön,« pflichtete der Kanadier bei, »um nicht eine Falle vermuten zu lassen.«

»Ja, aber sie benehmen sich allzu fein. Ihre Schlauheit übertreibt und täuscht keine alten Jäger, wie wir es sind. Wir müssen jetzt unsere Behutsamkeit verdoppeln und dürfen kein Blatt, keinen Grasstängel unbeachtet lassen, je mehr wir uns dem Lagerplatz der Rothäute nähern.«

»Wir tun vielleicht besser«, sagte Belhumeur umherschauend, »wenn wir unsere Pferde an einen sicheren Platz verstecken, wo wir sie leicht wiederfinden können, um sodann zu Fuß über die Lagerung und Zahl unserer Feinde Erkundungen einzuziehen.«

»Du hast recht, Belhumeur, wir wollen deinen guten Rat sogleich umsetzen.«

Die Jäger verließen mit großer Vorsicht ihr Versteck. Statt über den Fluss zu setzen, kehrten sie auf dem gleichen Weg wieder um und bogen nach einiger Zeit links in eine Schlucht ab, wo sie bald in dem hohen Gras verschwunden waren.

»Ich muss dir Glauben schenken, Belhumeur«, sagte Treuherz, »denn ich weiß in der Tat nicht, wo du mich hinführst.«

»Vertrau mir immerhin. Ich habe zufällig zwei Büchsenschüsse von hier eine Art Zitadelle entdeckt, in der unsere Pferde nicht besser aufgehoben sein könnten. Ja, wir sind erforderlichen Falls imstande, darin eine förmliche Belagerung auszuhalten.« »Caramba!«, rief der Jäger, durch diesen ihm ziemlich geläufigen Leibschwur seine spanische Abkunft verratend, »wie bist du zu diesem kostbaren Fund gekommen?« »Auf die einfachste Weise der Welt«, versetzte Belhumeur. »Als ich nach dem Auslegen meiner Fallen den Berg dort hinaufkletterte, um auf kürzestem Weg später wieder zu dir zurückzukehren, sah ich, nachdem ich etwa zwei Drittel der Höhe erreicht hatte, unter dem Strauchwerk die zottige Schnauze eines prächtigen Bären sich bewegen.«

»Aha! Ich errate, was nun kommt. Wenn ich mich recht erinnere, bist du damals nicht bloß mit einem, sondern mit zwei Fellen von schwarzen Bären zu mir zurückgekommen.«

»Ja, meine Patrone waren ein Pärchen, Männlein und Weiblein. Du kannst dir denken, dass bei ihrem Anblick vor Waidmannsgier mir alle Müdigkeit verging und ich alsbald mit der Büchse dahinter her war. Du wirst selbst sehen, welche Feste sie sich ausgesucht haben«, fügte er bei, indem er abstieg und damit seinen Begleiter zu verstehen gab, dass er das Gleiche tun solle. Vor ihnen erhob sich amphitheatralisch eine gewaltige Felsenmasse.

»Wir können mit unseren Pferden da nicht hinaufkommen«, bemerkte Treuherz, nachdem er eine Weile die Örtlichkeit kritisch betrachtet hatte.

»Versuchen wir es immerhin«, versetzte Belhumeur, sein Tier am Zaum nachziehend.

Nach einer halben Stunde unsäglicher Mühe gelangten sie auf eine höchstens dreißig Fuß breite Plattform.

»Hier ist es«, sagte Belhumeur Halt machend.

»Hier?«, entgegnete Treuherz, der sich überall umsah, ohne eine Öffnung wahrnehmen zu können.

Lächelnd hieß Belhumeur seinen Begleiter ihm folgen und ging mit seinem Pferd zu einem Felsblock voran, hinter welchem ein höchstens drei Fuß weiter darmartiger Gang begann. Nach fünf Minuten gelangten sie auf diesem schneckenförmig ansteigenden Weg vor die gähnende Mündung einer tiefen Höhle. Die Jäger traten ein. Belhumeur hatte vorher eine Menge Holzspäne angefertigt, sodass er ein paar Fackeln zusammenmachen konnte, von denen er eine seinem Gefährten gab. Deren Licht zeigte ihnen die Höhle in ihrer ganzen wilden Majestät. Die hohen Wände waren mit funkelnden Stalaktiten bekleidet, an denen der Reflex der beiden Flammen eine feenhafte Beleuchtung hervorbrachte.

»Diese Höhle«, sagte Belhumeur, nachdem er seinem Freund Zeit gelassen hatte, alles genau zu betrachten, »ist ohne Frage eines von den Wundern der Prärie. Die Galerie, welche sich allmählich abwärts zieht, führt unter dem Grünspanfluss hinweg und mündet jenseits desselben in einer Entfernung von mehr als einer Meile in die Ebene.«

Entzückt über die Entdeckung dieses Zufluchtsortes wollte ihn Treuherz nach allen Teilen untersuchen und konnte dabei, ungeachtet seines sonst so schweigsamen Wesens, unterschiedliche Äußerungen seiner Bewunderung nicht unterdrücken. »Warum hast du nicht früher davon gesprochen?«, fragte er.

»Ich wartete die Gelegenheit ab.«

Die Jäger brachten die Pferde mit einem reichlichen Futtervorrat in einem der Grottenräume unter, der durch unbemerkliche Felsenspalten erhellt wurde. Nachdem sie sich überzeugt hatten, dass die edlen Tiere während ihrer Abwesenheit ebenso wenig Not leiden, als sich entfernen konnten, schulterten sie ihre Büchsen, pfiffen den Hunden und schritten raschen Fußes in dem Gang dahin, der unter dem Fluss wegführte. Bald verriet die feuchte Luft, welche sie umgab, und das dumpfe Geräusch über ihren Häuptern, dass das Wasser über ihnen hinströmte. Sie erhielten für ihre Wanderung hinreichend Licht durch eine Art Laterne in der Gestalt eines hohlen Felsens, der wie eine Schildwache in der Mitte des Flusses emporragte. Nach halbstündigem Gehen gelangten sie durch eine Öffnung, welche durch dichtes Gebüsch und Schlingpflanzen versteckt war, in die Prärie.

Mit Ausruhen, Versorgen der Pferde und sorgfältiger Untersuchung der Höhle war der Tag vergangen, und die Sonne senkte sich eben unter den Horizont, als sie die Verfolgung der Comanchen wieder aufnahmen. Nun begann erst die eigentliche indianische Verfolgungsweise. Die Jäger krochen im hohen Gras auf Händen und Füßen hinter ihren spürenden Hunden her. Ganz Auge und Ohr wagten sie kaum zu atmen und legten sich von Zeit zu Zeit an die Erde, um jene tausend Geräusche der Prärie zu befragen, welche sie mit merkwürdigem Geschick zu unterscheiden und zu deuten wussten. Die Wildnis lag in einer Totenstille. Die Jäger rückten, in parallelen Linien dahinkriechend, mit verdoppelter Behutsamkeit immer vorwärts, bis auf einmal die Hunde lautlos stehen blieben. Die wackeren Tiere schienen den Wert des Schweigens in einer Gegend, wo das geringste Geräusch ihren Gebietern das Leben kosten konnte, zu begreifen.

Belhumeur warf einen durchdringenden Blick umher, seine Augen funkelte. Pantherartig setzte er zu einem Sprung an und stürzte sich auf einen indianischen Krieger, der mit vorwärts gebeugtem Körper und gesenktem Haupt die Nähe eines Feindes zu ahnen schien. Ehe der auf den Rücken niedergeworfene Wilde einen Hilferuf ausstoßen konnte, kniete ihm Belhumeur schon auf der Brust und drückte ihm die Kehle zusammen. Dann zog der Jäger kaltblütig sein Messer und stieß es bis ans Heft dem Feind ins Herz. Als der Wilde sah, dass er verloren war, verschmähte er allen nutzlosen Widerstand, warf aber dem Kanadier einen Blick voller Hass und stolzer Verachtung zu. Ein höhnisches Lächeln spielte um seine Lippen, und mit eherner Ruhe sah er den Tod über sich kommen. Belhumeur steckte das Messer in seinen Gurt, drückte die Leiche beiseite und begann aufs Neue zu kriechen. Treuherz war den Bewegungen des Freundes mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt, um im Notfall ihm behilflich sein zu können. Da der Indianer tot war, nahm auch er die Verfolgung der Fährte wieder auf. Bald bemerkten die Jäger den Schimmer eines Feuers unter den Bäumen und einen Geruch von geröstetem Fleisch. Sie richteten sich nun Gespenstern gleich an einer ungeheuren Korbeiche auf, umfassten den nackten Stamm des Baumes, versteckten sich unter seinen dichten Zweigen und schauten umher. Das Lager der Comanchen befand sich höchstens fünfzehn Schritte von ihnen entfernt.