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Mister FBI Teil 3

Das Leben des John Edgar Hoover – Legende und Wahrheit
Der Perfektionist

  1. Das FBI ist ein Ermittlungsbüro. Seine Tätigkeit beschränkt sich strikt darauf, die Verletzung von Bundesgesetzen zu verhindern.
  2. Es ermittelt ausschließlich auf Geheiß des Justizministeriums.
  3. Der Personalstand des Büros hält sich in jenen Grenzen, die durch die Erfüllung seiner Aufgaben gesetzt sind.
  4. Unfähige und unwürdige Mitarbeiter werden ohne Aufschub entlassen.
  5. Sogenannte beigeordnete Mitarbeiter und Mitarbeiter ehrenhalber und ähnliche Personen werden ebenfalls entlassen.
  6. In Zukunft wird kein Beamter ohne Genehmigung des Justizministeriums eingestellt. In Frage kommen nur noch verlässliche, fähige Männer mit ausgezeichneten juristischen Kenntnissen.

Allein schon bei diesem Schreiben, das Hoover drei Tage nach seinem Amtsantritt als Leiter des FBI in Umlauf setzte, haben bei seinen Beamten wahrscheinlich das erste Mal die Ohren geklingelt. Aber das war erst der Anfang. Die meisten von ihnen nahmen Hoover nicht ernst und rechneten damit, dass nach dem Verflackern des Strohfeuers im Büro schon bald wieder alles seinen gewohnten Gang gehen werde.
Protegiere, Vetternwirtschaft, Korruption und Gleichgültigkeit waren bis zu diesem Zeitpunkt an der Tagesordnung.
Aber sie kannten Hoover nicht.
Ungeachtet aller Mahnungen zur Vorsicht und dem Belächeln und Herabwürdigen seiner Arbeit verfasste er eine Woche später einen Bericht an den Justizminister, der es in sich hatte.
Der ungefähre Wortlaut war wie folgt: »Alle Abteilungsleiter und Bürochefs werden angewiesen, dass sie alle ihre Erhebungen strikt auf die Feststellung der Verletzung von Bundesgesetzen zu beschränken haben. In diesen Tagen wird mit der Überprüfung der Dienstbeschreibung jedes einzelnen Beamten begonnen und diejenigen, deren Leistungen unbefriedigend sind werden entlassen. Das Büro hat sich in Zukunft strikt an seine Kompetenzen zu halten. Es wird sich von keinem Außenstehenden, ganz gleich, aus welchem politischen oder sonstigen Milieu er kommt, für dessen Zwecke missbrauchen lassen. Jeder Beamte, der gegen diese Grundsätze verstößt, wird sofort entlassen.«
Sein Vorsatz das FBI, das unter Harding seit nunmehr drei Jahren von Korruption und Skandalen erschüttert wurde, zu säubern, wurde nicht nur von der Öffentlichkeit zunächst belustigt aufgenommen.
Hoover, der Mann, der die Flüsse stromaufwärts fließen lassen möchte, schrieb die Presse.
Hoover ließ sich nicht beirren, sondern begann mit Zustimmung des Präsidenten und des Justizministers Nägel mit Köpfen zu machen.
Als Erstes entfernte er Gaston Means, der als Protegé des ehemaligen FBI-Direktor Burns in den Büros lebte wie die Made im Speck. Danach verbot er dem Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes von Alabama dort stationierte G-Männer zur Untersuchung und Beobachtung seiner politischen Gegner heranzuziehen. Derartige Aufträge waren bisher ein wesentlicher Bestandteil der örtlichen FBI-Büros.
Ein bekannter Senator an der Ostküste war der Nächste, der den neuen Wind beim FBI zu spüren bekam. Trotz seiner Interventionen, die ihn bis zum Justizminister brachten, wurde ihm nicht erlaubt, einen FBI-Mann aufgrund dessen Beziehungen für seine Zwecke als Wahlhelfer einzuspannen.
Allmählich begann das Lachen zu verstummen.

***

Er war der Prototyp jenes amerikanischen Kleinbürgers, den auch heute noch so viele nicht mögen. Er war Chauvinist, Patriot, mit einem gewissen Einschlag von Fremdenhass und streng konservativ. Er wählte die Republikaner und blieb sein ganzes Leben unerschütterlich von der Überlegenheit des American Way of Life und der gottgegebenen Mission der USA als Vorkämpfer des Rechts und der Freiheit in der Welt überzeugt.
Um dieser Überzeugung gerecht zu werden, richtete sich seine unerbittliche Strenge nicht nur gegen seine Untergebenen, sondern auch gegen sich selbst. Er arbeitete täglich 12 bis 15 Stunden und verlangte es genauso von seinen Mitarbeitern, die er persönlich aussuchte. Wobei die Suche nach neuen Beamten bisweilen fast krankhafte Züge annahm.
Die Männer standen mit ihrem Eintritt beim FBI von nun an immer unter Aufsicht und Anleitung, ihr ganzes Leben bis zur Pensionierung gehörte ab diesem Moment Hoover und seiner Behörde. Laut Dienstvertrag hatten sie sechs Tage in der Woche acht Stunden bei Bezahlung sowie zusätzlich noch zwei Stunden unentgeltlich zu arbeiten. Erst danach, was bei jedem der Männer fast immer der Fall war, wurden Überstunden bezahlt.
Hoover behielt sich dabei vor nach eigenem Ermessen das Gehalt zu zahlen, zu kürzen oder zu erhöhen. Alkohol im und außerhalb des Dienstes war verboten, selbst bei Einsätzen hatten sich die Beamten alle drei Stunden in der Zentrale zu melden und Dienstfahrzeuge durften nur für dienstliche Zwecke verwendet werden. Selbst wenn die Erledigung eines Auftrages bis in die tiefe Nacht hinein andauerte und in unmittelbarer Nähe seines Wohnortes stattfand, musste der betreffende Beamte danach den Dienstwagen in der Garage des FBI abstellen und mit seinem eigenen Auto wieder nach Hause fahren. Zuwiderhandlungen konnten die Entlassung zur Folge haben.
Diese eiserne Disziplin, gepaart mit höchsten moralischen Ansprüchen, trug Hoover und seinen Männern den Spitznamen Predigerpolizei ein.
Er, der Junggeselle, betrachtete den FBI als große Familie, deren Mitglieder zusammenhalten mussten, und in der neben der Strenge auch eine gewisse Güte herrschen sollte. Ganz nach dem Vorbild der Familienführung seiner Mutter.
Beispielsweise kürzte er einem Agenten wegen eines Formfehlers für drei Monate das Gehalt um die Hälfte und setzte gleichzeitig durch, dass seine Mitarbeiter zur Absicherung ihres Lebensabends außer den üblichen Beamtenversicherungen gegen eine Jahresgebühr von 15 Dollar eine Lebensversicherung über 100 000 Dollar abschließen konnten. Außerdem war es seine Agenten erlaubt bereits mit 50 Jahren, sofern sie zwanzig Dienstjahre nachweisen konnten, in Rente gehen.
Zu Beginn der dreißiger Jahre war es dann soweit, Hoover hatte sein Haus bestellt und Amerika bekam einen Polizeiapparat mit damals 266 Beamten und 60 Hilfskräften, der wie Hoover schon bald zur Legende werden sollte.

***

Außer dem Kampf gegen das Verbrechen führte Hoover gleichzeitig noch einen zweiten, ungleich härteren und zwar gegen die eigene Regierung. Genauer gesagt gegen den Kongress, gegen Senatoren und Politiker, die seine Macht beschneiden, bzw. ihm gesetzliche und finanzielle Mittel zur Verbrechensbekämpfung verwehrten. Von 1925 an bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges hinein setzte er sich für einen erweiterten Tätigkeitsbereich des FBI ein, für den Kampf gegen die Korruption innerhalb der lokalen Polizei und für finanzielle Mittel zur Ausstattung von Laboren, um den Verbrechern mit wissenschaftlichen Methoden zu Leibe zu rücken. Einer seiner größten Erfolge war dabei 1934 die Verabschiedung von neun Bundesgesetzen, unter anderem das Federal Anti-Racketing Law, das es dem FBI erlaubte aufgrund einer Anzeige gegen kriminelle Vereinigungen von der Art der Rackets vorzugehen. Bisher konnte gegen diese Verbrecherorganisationen nur vorgegangen werden, wenn es mithilfe komplizierter juristischer Konstruktionen, die aber jeder Winkeladvokat mit Leichtigkeit wieder zum Einsturz bringen konnte, gelungen war sie einem Trust gleichzustellen, auf den die Antitrustgesetze anwendbar waren.
Ebenfalls als hilfreich sollte sich die Verabschiedung des Dyers Act herausstellen, der das Überqueren der Grenze zwischen zwei Bundesstaaten in einem gestohlenen Fahrzeug zu einem Verbrechen und damit zur FBI-Sache machte.
Außerdem wurde die Bestimmung in Kraft gesetzt, wonach ein FBI-Agent nun nicht mehr wie früher die Erlaubnis eines Richters oder der lokalen Polizei benötigte, um zu ermitteln.
Wie notwendig all diese Dinge waren, sollte sich bereits Anfang der dreißiger Jahre zeigen, als das Verbrechen ungeahnte Dimensionen annahm.
Es schien, als wäre in den Straßen der Städte der Wilde Westen mit all seinen Dalton-, Doolin- und Jamesbanden wieder auferstanden. Nur mit dem Unterschied, dass statt Colts Maschinengewehre und statt Pferde Autos benutzt wurden und, was am gravierendsten war, dass die Hemmschwelle der Banditen, einen Menschen zu töten, praktisch auf null gesunken war. Feuergefechte mit Dutzenden von Opfern und Hetzjagden auf Mörder die inzwischen zehn oder zwanzig Menschen umgebracht hatten gehörten zur Tagesordnung.
Hoover und seine Agenten nahmen den Kampf auf. Dabei zeigte sich gerade bei jenem Fall, der damals die halbe Welt in Atem hielt, wie gut es war, das Hoover ein derartiger Perfektionist war.

Mehr dazu in Teil 4, wenn es heißt:

Hoover und der Fall Lindbergh

Quellennachweise:

  • Ralph de Toledano: J. Edgar Hoover: The Man in His Time, Arlington House Pub, 1973
  • Norman Lewis: La Mafia, ed. Plon Paris
  • Thomas Plate: The Mafia at War, New York Magazine Press, 1972
  • Jean-Michel Charlier, Pierre Demaret: Der Bulle. Hoover vom FBI, Neff Verlag, Bayreuth, 1982
  • Historical Society Chicago, Time-Life Verlag, öffentliche Bibliothek von Brooklyn

Bildernachweis:

  • Service Iconographique Edition Robert Laffont, Paris 1976

Copyright © 2012 by Gerold Schulz