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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gefangene der Goldräuber – Teil 6

Je näher sie dem Platz kamen, an dem sich das Lager befinden sollte, desto angespannter wurden die Männer. Auf den Felsen, auf dem ein Wächter den Eingang zum Lager kontrollierte, gab es nur einen einzigen Weg hinauf. Der Kontrollposten war klug gewählt, da man von oben rundum einen guten Ausblick hatte. Dyson befahl Cole, sich in der Nähe zu postieren, um den Weg im Auge zu behalten.

»Ihr macht auf Banditen. In einer halben Stunde reitet ihr los.« Mehr musste er zu Larry und Basel nicht sagen. Die beiden nickten wortlos, verstauten ihre Mäntel in der Sattelrolle und zogen ihre Hüte tief ins Gesicht. Es würde sich bald herausstellen, inwieweit der Bandit die Wahrheit gesprochen hatte. »Du kommst mit mir.« Der Befehl war an Matt gerichtet.

Cole wählte seinen Beobachtungsposten hinter einer riesigen, sicher schon an die 150 Jahre alten Tanne, die neben der Kiefer vorherrschend in diesem Gebiet war. Rau spürte er die Rinde, als er sich dagegen lehnte. Er hatte sich in ein Spiel eingekauft, in dem es für ihn nichts zu gewinnen gab. Und alles wegen einer Frau, die er nicht mal kannte, noch nicht mal gesehen hatte. Statt seine letzten Dollars für Whisky und Mädchen auszugeben, zog er mit einem angehenden Anwalt durch die Wildnis, um ein Mädchen zu befreien, vom dem Matt nicht mal wusste, ob sie ihn wollte. Falls es sich wirklich um Barrera handelte, würden die Wittlifs die Prämie nicht teilen, das war so sicher, wie die Nacht auf den Tag folgte. Die Wittlifs bekamen das ausgesetzte Kopfgeld, Matt vielleicht das Mädchen. Und Cole?

Er schüttelte seine Gedanken ab und beobachtete Basel und Larry, die sich auf den Weg machten. Dyson und Matt würden sich vom Felsen her an die Wache anschleichen. Basel stieß zweimal den Ruf eines Käuzchens aus. Cole hielt seine Springfield schussbereit. Der Ruf wurde auf dieselbe Art erwidert. Also hatte der Bandit die Wahrheit gesagt. Cole wartete ab. Basel und Larry verschwanden hinter dem Felsen. Alles blieb ruhig. Ein Schuss würde die Banditen warnen und alles zunichtemachen. Cole blieb angespannt. Er spürte, wie seine Achselhöhlen schweißnass wurden. Ein Knacken in seinem Rücken ließ ihn geduckt herumwirbeln. Gerade rechtzeitig riss er seinen Finger weg vom Abzug, als er sah, was das Geräusch verursacht hatte. Das Wapiti beäugte ihn für einen Sekundenbruchteil, bevor es davonstob. Beinahe hätte er den Fehler begangen und geschossen. Er atmete hörbar aus und wandte seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. Nach einer Weile erschien Larry und winkte ihm. Das Erste, das Cole registrierte, als er bei den anderen ankam, war die spürbare Veränderung, die mit Matt stattgefunden hatte. Aus dem Anwaltsgehilfen, der ein bequemes Leben in der Stadt dem Cowboyleben vorgezogen hatte, war wieder ein Mann geworden, der hart zupacken konnte. In seinen Augen stand ein gewisses Maß an Kälte und seine Bewegungen waren geschmeidiger als zu Beginn ihres Rittes. Den Wachposten erblickte Cole nirgendwo. Es war nicht schwer zu erraten, dass er tot war. Mit dem Messer konnten die Wittlifs genauso gut umgehen wie mit den Revolvern. Vor allem waren Messer lautlose Waffen.

»Du nimmst dort oben den Platz der Wache ein. Wir wollen keine unliebsame Überraschung erleben. Gib Acht, sie werden eine Ablösung schicken.« Dyson gab Anweisungen.

Basel nickte und verschwand wortlos.

Obwohl Cole mit dem Tun der Wittlifs nicht einverstanden war, konnte er nicht umhin, sie auf eine gewisse Art zu bewundern. Sie verstanden sich ohne viele Worte und waren gut aufeinander eingespielt. Während Basel seinen Posten aufsuchte, ritten die anderen in einem weiten Bogen in Richtung Lager. Hufspuren zeigten, dass hier mehrmals in beide Richtungen Reiter entlang geritten waren. Dyson und Larry suchten mit ihren Fernrohren die Gegend ab. Mit einigen Handbewegungen gab Dyson Larry zu verstehen, dass er sich mit Matt um die Pferde kümmern sollte. Vor wenigen Tagen hätte Matt noch dagegen gesprochen, doch jetzt nahm er widerspruchlos den Befehl entgegen. Er hatte erkannt, dass die Wittlifs wussten, was sie taten. Cole folgte Dyson zu Fuß, die Umgebung aufmerksam beobachtend.

Cole hörte es erst, nachdem Dyson stehen blieb und lauschte. Stimmen. Sie schlichen auf eine Bodensenke zu, die von verkrüppelten Kiefern verdeckt wurde. Gerade groß genug, um zwei Menschen zu verbergen. Während Cole darauf achtete, dass er sich nicht in die Losung hineinlegte, die ein Hirsch hinterlassen hatte, ließ sich Dyson ungerührt darauf nieder. Von hier hatten sie einen guten Blick ins Lager, in dem es verhältnismäßig ruhig war. Auch ohne Fernrohr waren die Personen gut zu erkennen. Aus einer der drei Hütten kam eine Frau und verschwand mit einem Eimer hinter einer Biegung, die von dem Beobachtungsposten nicht einsehbar war. Es handelte sich um eine weiße Frau, vielleicht Jennifer Tucker. In der nächsten Stunde beobachteten sie sieben Männer und drei Frauen. Hatte der Bandit die Wahrheit gesprochen, dann fehlten vier Banditen. Dyson tippte Cole an die Schulter und deutete auf einen Mann, der vor einer Hütte stand. »Barrera«, formten seine Lippen. Nach einer weiteren Stunde ritten einige Männer ins Lager. Das bedeutete, Basel hatte seine Sache als Wachposten gut gemacht. Nichts anderes hatte Cole erwartet. Der Mann, den Dyson als Barrera identifiziert hatte, ging ihnen entgegen. Die Gespräche waren nicht zu verstehen, nur hin und wieder Gelächter. Fünf Männer wurden an Bäume gebunden. Wahrscheinlich Gefangene, die in der Mine arbeiten sollten. Einer der ankommenden Banditen zeigte Barrera den Inhalt einiger Satteltaschen. Insgesamt waren elf Banditen anwesend, also vollzählig. Sie waren eindeutig in der Überzahl. Vier gegen elf. Der einzige Vorteil lag im Überraschungsangriff, doch Dyson machte keine Anstalten, etwas in der Richtung zu unternehmen.

Einer der Banditen ritt weg, als sich die ersten Schatten der Dämmerung über das Lager legten. Wahrscheinlich die Wachablösung. Hoffentlich lief alles glatt.

Die Banditen entfachten ein Feuer, an dem sie sich niederließen. Zwei Mexikanerinnen brachten ihnen Essen. Die weiße Frau blieb in der Hütte, die Barrera gehörte, denn nur er ging dort ein und aus. Es musste sich um Jennifer Tucker handeln, da sie die einzige weiße Frau war. Um die Gefangenen kümmerte sie niemand, sie erhielten weder zu essen noch zu trinken. An eine Befreiung der Männer war nicht zu denken, da die Stelle von den Banditen gut einsehbar war.

Dyson teilte Cole zur ersten Wache ein, rollte sich auf den Rücken und schlief von einem Augenblick auf den anderen ein, wie seine regelmäßigen Atemzüge zeigten. Beim geringsten Geräusch würde er wach werden, das hatten sich Männer der Wildnis angeeignet. Unten im Lager soffen die Banditen bis weit in die Nacht. Die beiden Frauen leisteten ihnen Gesellschaft. Während die ältere Mexikanerin nur mit einem einzigen Mann zwischen den Büschen verschwand, musste die jüngere mit mehreren mitgehen. Offensichtlich nicht ganz freiwillig, wie Cole an den Bewegungen erkannte. Langsam wurde es im Lager ruhiger. Dort, wo die Banditen saßen und lungerten, rollten sie sich zusammen und fielen in Schlaf. Als Schemen sah sie Cole unter der fetten Sichel des zunehmenden Mondes, der eine Handbreit über dem Horizont leuchtete. Wenn sich Wolken davor schoben, konnte Cole die Gestalten nur erahnen, die sich im Schlaf manchmal bewegten, schnarchten und Rülpser ausstießen. Er lauschte auf die natürlichen Geräusche, die die Nacht hervorbrachte.

Irgendwann, eine Wolke hatte den Himmel gerade verdunkelt, spürte er mehr, als er es sah, dass sich Dyson lautlos erhob. Er streckte sich kurz. Schemenhaft sah Cole die Handbewegung, die ihn darauf aufmerksam machte, dass er nun für die Nachtruhe dran war.

Cole schloss die Augen und schlief im nächsten Augenblick ein.

Er hatte das Gefühl, erst wenige Minuten geschlafen zu haben, als Dyson ihn weckte. »Beobachte, bis ich wiederkomme«, flüsterte er nah an seinem Ohr und verschwand in der Dunkelheit.

Mit steifen Gliedern erhob sich Cole. Die Kühle des Bodens hatte seine Kleidung klamm werden lassen und fühlte sich unangenehm an. Bewegungslos stand er da und lauschte in die Nacht. Im Lager regte sich nichts, das Feuer war längst heruntergebrannt. Es war ruhig, bis auf die Laute, die der Nacht eigen waren, wenn sich Tiere in der Dunkelheit bewegten. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr, die vom Licht des Mondes beleuchtet wurde. Schatten bewegten sich auf ihn zu. Er bückte sich langsam und zog sein Messer aus dem Stiefelschaft. Bewegungslos wartete er ab, bis er an der Gestalt Dyson erkannte. Hinter ihm kam Matt.

Wortlos hockte sich Dyson auf seine Stiefelabsätze und deutete Matt und Cole, es ihm gleichzutun. Die erste Helligkeit der Morgendämmerung zeichnete sich ab, als Basel und Larry eintrafen. Sie trugen einige Dynamitstangen bei sich. Nun kam Bewegung in Dyson, doch Cole hielt ihn am Arm zurück. »Ich bin kein kaltblütiger Mörder, auch dann nicht, wenn es gilt, eine Frau zu befreien oder Kopfgeld zu kassieren. Nur, damit wir uns verstehen.« Cole wollte nicht noch einmal Zeuge eines brutalen Mordes unter dem Deckmantel des Gesetzes werden.

»Sicher«, antwortete Dyson kurz.

 

Sie schlichen auf das Lager zu und verteilten sich hinter Bäumen. Cole meinte, einen Schatten zu sehen, war sich aber nicht sicher. Er beobachtete die Stelle, bis seine Augen vor Überanstrengung brannten. Mittlerweile war im Grau des werdenden Tages alles gut zu erkennen. Dyson entzündete ein Streichholz und hielt es an die Lunte einer Dynamitstange. In diesem Augenblick blitzte vom Lager her eine Mündungsflamme auf. Cole hatte sich vorhin nicht getäuscht. Ein Mann war zwischen den Bäumen verschwunden, um auszutreten, und kehrte genau in dem Augenblick zurück, als Dyson die Stange anzündete. Eine Kugel schrammte nahe Dysons Kopf in eine Kiefer. Während der Drehung, die ihn in Deckung brachte, warf er das Dynamit. Doch die Bewegung nahm ihm den Schwung für den Wurf. Zu nahe bei ihnen flogen Steine, Wurzeln und Äste umher. Staubfontänen spritzen auf, der strenge Geruch von Dynamit lag in der Luft. Der Schuss weckte die Banditen, die hochtorkelten, ihre Waffen zogen und in Deckung sprangen. Der Überraschungseffekt war in dem Moment vorbei gewesen, als der Bandit das Aufflammen des Streichholzes gesehen hatte. Die Banditen verständigten sich in Spanisch, das Cole nicht verstand.

»U.S. Bundesmarshals. Ihr seid umstellt. Ergebt euch!«, rief Dyson.

Die Antwort war ein Stakkato von Schüssen. Ihre Deckung hinter den Bäumen war verhältnismäßig gut, doch wenn die Banditen sie so befeuerten, hatten sie wenige Chancen, gezielte Treffer zu landen. Die Deckung der Banditen war weniger gut, außer sie zogen sich in die Hütten zurück. Da sie wussten, dass ihre Angreifer Dynamit besaßen, würden sie das jedoch nicht wagen. Zu groß war die Gefahr, in die Luft gesprengt zu werden. Dyson zündete eine weitere Lunte und warf sie. Eine Kugel stieß ihm den Hut vom Kopf, als er sich zu weit aus seiner Deckung nach vorn wagte.

Wieder wurden sie unter Beschuss genommen.

»Passt auf …« Der Gefangene zuckte zusammen und hing schlaff in seinen Fesseln. Eine Kugel der Banditen hatte ihn getroffen.

Sie wussten auch so, dass die Warnung ihnen gegolten hatte. Die Banditen planten etwas. Nun mussten sie nach allen Seiten Ausschau halten. Plötzlich kam ein reiterloses Pferd in ihr Sichtfeld, das hinter einer der Hütten in ihre Richtung galoppierte. Von mehreren Schüssen der Wittlifs getroffen, brach es grell wiehernd zusammen, wirbelte mit den Hufen in der Luft in dem vergeblichen Versuch, auf die Beine zu kommen. Ein zweites Pferd galoppierte heran.

Ein Ablenkungsmanöver, schoss es Cole genau in dem Moment durch den Kopf, als ein Schatten auf ihn zuflog. Er duckte sich, rollte sich ab und sah das gleißende Funkeln des Messers in der Morgensonne. Die Hand, die es hielt, näherte sich. Der Mexikaner wollte es ihm in die Kehle stoßen. Mit dem Gewehrlauf fing er den Stoß ab. Er packte mit seiner zweiten Hand den Gewehrkolben und hieb ihn dem Mexikaner unter das Kinn, der scharf seinen Atem zwischen den Lippen hervorstieß. Einige Yards weiter lehnte Dyson an einem Baum und band sich ein Tuch um seinen Oberschenkel, der heftig blutete. Larry drehte einen Banditen auf den Rücken. Er war tot. Ein Geräusch hinter ihm ließ Cole herumfahren. Der Mexikaner, den er niedergeschlagen hatte, war erwacht und hielt seinen Revolver in der Hand. Larry war schneller als Cole und jagte ihm eine Kugel in die Brust.

Zwei weniger. Noch nicht ausgeglichen. Es waren hartgesottene Banditen, die nichts zu verlieren hatten. Ein Mann rief auf Spanisch etwas zu ihnen herüber. Als keine Antwort erfolgte, erklangen einige laute Flüche.

»Gringos, verschwindet von hier. Wir sind zu viele.«

»Ergebt euch, sonst räuchern wir euch aus«, rief Basel laut.

Dyson sprach kein Wort. Der Schmerz trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.

Befehle auf Spanisch wurden erteilt, dann setzte der Beschuss wieder ein.

Wie es weitergeht, erfahrt ihr in der nächsten Woche …