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Der Welt-Detektiv Band 6

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Robert der Teufel – Kapitel 5

Robert der Teufel und die höllischen Fanghunde
Eine schauderhafte Teufels-, Hexen-, Räuber- und Mördergeschichte um 1860

Kapitel 5 – Das Paradies

Eine Stunde südlich der Hauptstadt Arles erhebt sich ein großes Felsengebirge, auf dessen Scheitel ungeheure und undurchdringliche Wälder liegen. Am Fuße dieses Gebirges hatte sich Robert einen prächtigen Wintergarten anlegen lassen, den er das Paradies nannte, eine halbe Stunde lang und eben so breit, mit Wänden und gewölbter Decke von venezianischem Glas auf schlanken Randsäulen von Erz. In diesem Wintergarten befanden sich Orangen-, Zitronen- und Dattelbäume, Palmen, Ziersträucher, die schönsten Blumen aller Art, kleine Wasserfälle, Springbrunnen, auf denen goldene Kugeln im Sonnenlichte funkelnd auf- und abhüpften, zierliche Statuen aus weißem Marmor, Irrgänge, kurz alles, was das Auge ergötzen konnte. Am Eingangstor verkündeten goldene Buchstaben auf einer Tafel aus Alabaster freien Eintritt in den Garten, mit der freundlichen Bitte um Schonung desselben.

Wenige Schritte vor diesem Tor stand ein hübsches, geräumiges Jägerhaus mit großen Stallungen, in welchem die Besucher des Paradieses Erfrischungen aller Art gegen billige Vergütung erhalten konnten. Den Hintergrund des Wintergartens bildete, in Felsen gehauen, eine Muschelgrotte mit Wasserkünsten. Auf einen Druck verschloss ein Vorhang von Wasser fünf Minuten lang, für jedes Auge unsichtbar, die Grotte, oder einzelne, an den Wänden angebrachte, groteske Köpfe spien Wasser, oder es kam ein Platzregen von unten herauf oder von oben herab. Wer immer nicht durchnässt werden wollte, flüchtete sich auf eine steinerne Bank, die ganz hinten in der Grotte unter einem schützenden Gewölbe stand, welches auf einer ganz glatten Felsenwand ruhte.

Wer dieses Kunstwerk kannte, das keinem Zufall preisgegeben war, durfte nur sacht auf eine gewisse Stelle drücken, und mit der Schnelligkeit eines Blitzes drehten sich Wand, Bank und Boden, auf dem sie stand, völlig nach innen. Wer nun eben auf einer solchen Bank saß und nicht zu Roberts Raub- und Mordkumpane gehörte, die in den weiten, inneren Felsenräumen grausam hausten, fiel in ihre Gewalt, wurde ausgeraubt, auf alle Art misshandelt und oft unter den größten Martern ermordet. Das Licht des Tages sah ein solches Opfer nie wieder. Gewöhnlich warf man die Ermordeten in eine Kalkgrube, später wurde es für besserer gehalten, sie nachts durch einen geheimen Schacht in den Wald hinaufzuschaffen, um die Meinung zu verbreiten, dass sie die Opfer einer dort versteckten Räuber- und Mörderbande geworden seien. Ein solches Verschwinden der Bänke ließ sich aber nicht bloß von einer solchen Bank aus bewirken, sondern auch von innen auf beiden Seiten der Grotte, durch deren Muschelwerk man recht gut sehen konnte, wer auf der Bank saß und ob der Fang sich der Mühe lohne.

Die Arbeiter, welche diesen Kunstbau nach der Angabe und unter der Aufsicht Roberts ausgeführt hatten, durften während der ganzen Zeit das Jägerhaus nicht verlassen, wo sie, neben reichlichem Lohn, gute und kostenlose Verpflegung fanden. Es bedarf wohl keiner Bemerkung, dass alle Bediensteten im Jägerhaus zu Roberts verruchter Horde gehörten. Als die Arbeiter fertig waren, mussten sie im Wald oben einen Brunnen graben, angeblich um außerhalb des Paradieses, an der Seite einen mächtigen, künstlichen Wasserfall anzulegen. Zufällig aber, so sagte man wenigstens, wurden sie eines Tages alle durch einen Erdsturz verschüttet, als sie schon 30 Fuß tief gegraben hatten. Dieser Erdsturz war ein Werk der Mörder, damit die Arbeiter die Geheimnisse des Paradieses nicht verraten konnten.

Am frühen Morgen des vorangegangenen Tages, an welchem das bereits genannte blutige Ereignis stattfand, saß auf der verhängnisvollen steinernen Bank in der Grotte des Paradieses die gleich einer Hofdame gekleidete Atalie, in einem Buch lesend, über welches sie oft erwartend in den Wintergarten hinausschielte. Plötzlich trat Agathe, an der Seite ihrer Zofe, die ein schweres Kästchen trug, mit verstörten Blicken in die Grotte, schaute forschend umher, erblickte Atalie, welche sie für eine vornehme Dame hielt, und verneigte sich vor ihr.

Atalie dankte ihr mit einer freundlichen Miene, und sagte: »Ich bitte um Vergebung. Suchen Sie nicht hier einen jungen Mann, der Sie zu sprechen wünscht?«

»Ja, so ist es!«

»Er war soeben da, in der Hoffnung, Sie bereits anzutreffen, ist wieder fort und versprach sogleich zurückzukehren.«

»Ich danke verbindlichst. Es ist aber doch sonderbar, dass er mir nicht begegnet ist!«

»Vermutlich ist er in den Irrgarten geraten. Er kann nicht lange ausbleiben. Nehmen Sie indessen Platz neben mir!«

»Mit wem hab ich die Ehre zu sprechen?«

»Ich bin eine Hofdame der Königin.«

»Ah! Eine große Ehre für mich!« Sie setzte sich neben Atalie.

»Vermutlich Ihre Zofe?«, fragte Atalie, ganz unbefangen mit ihrem Kopf auf jene deutete.

»Zu dienen.«

»Ei, Sie werden von dem weiten Weg auch ermüdet sein. Setzen Sie sich doch, wenn ihre Gebieterin es erlaubt.«

»O, recht gerne«, sagte Agathe, »wenn die gnädigste  Hofdame nichts dagegen hat.«

»Im Gegenteil, sie entspricht dadurch ganz meinem Wunsch.«

Atalie sprach die Wahrheit. Sie wünschte sich das Kästchen.

Kaum hatte die Zofe auf der Bank Platz genommen, als sie sich im Innern der Mörderhöhle befanden, wo Agathe und ihre Zofe von den Unmenschen in Empfang genommen, entkleidet und an Pfähle gebunden wurden. Ihr Wehklagen war herzzerreißend.

Auf der gewechselten Bank in der Grotte saß nun Lucia, ebenso gekleidet wie Agathe und in einem Buch lesend. Alland kam, voll sichtbarer Unruhe, Agathe nicht anzutreffen. Lucia benahm sich wie Atalie, aber der junge Mann wollte sich durchaus nicht setzen, sondern am Eingang der Grotte auf die Geliebte warten, vermutlich deshalb, weil er ihre Eifersucht befürchtete, wenn sie käme und ihn neben einer schönen Dame sitzen sähe. Lucia bangte, es könnte zufällig noch jemand kommen und dadurch ihr Plan vereitelt werden. Daher sagte sie nach einer kurzen Pause: »Mein Herr, Sie strengen Ihre Augen vergebens an!«

»Warum, meine gnädige Dame?«

»Dieses kleine Geheimnis«, antwortete sie mit dem freundlichsten Lächeln, »will ich Ihnen sogleich anvertrauen, wenn Sie den Mut haben, neben mir Platz zu nehmen.«

Die Neugier zog Alland auf die Bank, und auf der Stelle erfuhr er das Geheimnis, als die Bank auch mit ihm verschwunden und er entkleidet Agathe gegenüber ebenfalls an einen Pfahl gefesselt wurde.

»In dem Rock dieses Menschen«, sagte Klotar, »hab ich vier Rollen Goldstücke gefunden.»

»Leg sie in dieses Kästchen, das uns die schöne Jungfrau da gebracht hat und voll Gold und Juwelen ist. Beide haben recht gut gestohlen – für uns. Die Aufteilung geschieht, wenn Robert kommt, der, wie ihr wisst, in seinem Jagdschloss den ganzen Plan entworfen hat.«

»Aber ich begreife nicht, dass beide gerade in das Paradies kamen.«

»Durch Briefe an ihn und sie, welche Roberts Amme kritzelte. Die Jungfrau forderte in ihrem Brief an den Geliebten diesen zur Flucht auf und verabredete sich mit ihm in der Grotte des Paradieses, weil sie in wenigen Tagen mit dem ehrwürdigen Wechselherrn getraut werden solle, was gar nicht wahr ist. Vielmehr wollten die Eltern dieser Tage ihre Tochter mit der Einwilligung in ihre Vermählung mit ihrem Geliebten überraschen. In dem Brief des Geliebten an die Jungfrau, scheinbar mit einer vor Angst zitternden Hand geschrieben, versprach jener zu kommen. Wären nicht beide vor lauter Liebe blind gewesen, so hätten sie schon aus den Schriftzügen den Betrug erkennen müssen.«

Dies alles wurde in Gegenwart der drei Gefangenen gesprochen, und es lässt sich leicht denken, was sie dabei fühlen mussten. Die Reue, ihre guten Eltern bestohlen, verlassen und gekränkt zu haben, brach Agathe fast das Herz.

»Was geschieht denn jetzt mit diesen drei Personen?«, fragte Lucia.

»Umgebracht werden sie natürlich«, antwortete Manfred trocken, »wie unser Meister Robert für den Fall des Gelingens des Planes angeordnet hat. Der junge Mensch wird in die Kalkgrube geworfen, um für immer zu verschwinden. Die Leichen der beiden Mädchen wirft man eine halbe Stunde von hier in den Wald. Werden sie gefunden, so wird jedermann glauben, ihr Geliebter habe sie beide ermordet und mit ihrem Geld die Flucht ergriffen.«

Diese Gefährdung seines Rufes presste dem Jüngling einen dumpfen Schrei aus.

»Was doch die Jungfrau eine feine Haut hat!«, äußerte Lucia. »Da hab ich eben einen recht guten Einfall, Manfred!«

»Welchen?«

»Du solltest ihr so viel Haut abziehen, welche für zwei Paar Handschuhe notwendig ist. Ein Paar für mich, denn als Hofdame der Königin«, fügte sie mit wildem Spottgelächter hinzu, »versteh ich mich recht wohl auf die feinen Handschuhe. Und das andere Paar für unseren lieben Robert, damit er seiner künftigen Gemahlin ein Geschenk damit machen kann.«

»Närrchen! Glaubst du denn, die Prinzessin werde Handschuhe von Menschenhaut tragen?«

»Das wird ihr auch nicht gesagt. Man gibt sie für höchst seltene indische Handschuhe aus.«

»Gut, das lässt sich hören! Gib mir ein scharfes Messer! Ich will gleich selbst die Haut ausschneiden.«

»Aus dem lebendigen Leibe?«

»Warum nicht? Mir tut dies nicht weh!«

»Oh, nicht deswegen. Die Haut vom lebendigen Leib wird zu spröde und lässt sich nicht gut verarbeiten.«

»Ja so!«

»Gedulde dich nur, bis sie tot ist. Es dauert nicht mehr lange.«

Diese schrecklichen Reden mussten die drei unglücklichen Opfer anhören.

Agathe bot ihr ganzes Vermögen für ihr, ihres Geliebten und ihrer Zofe Freilassung und versprach, Verschwiegenheit zu schwören.

»Du sollst dafür gezüchtigt werden, unverschämte Dirne!«, schnaubte sie Manfred zornig an, dass du von unserem Verstand eine so schlechte Meinung hast.«

Er ließ sie vom Pfahl losbinden, auf den Boden legen, wie auch ihre Zofe und vor den Augen ihres Geliebten allen Misshandlungen seiner Spießgesellen, unter dem teuflischen Gelächter der Mordgenossinnen, preisgeben. Hierauf zog sie Klotar bei den Haaren empor, schleppte sie zu Alland, welchem Manfred in die eine losgebundene Hand einen Dolch presste, den er, während Manfred seinen Vorderarm lenkte, in den Hals Agathes bis an das Heft stoßen musste. Um nicht zu viel Blut zu vergießen, erdrosselte Atalie mit einem Strick die Zofe, und Lucia den unartigen Jüngling, der sich in der Grotte nicht gleich neben hatte setzen wollen.

»Da nun alles genau so vollzogen wurde, wie es Robert befohlen hat«, sagte Manfred, »so werft diesen Burschen in die Kalkgrube und die zwei anderen Leichen in den Wald hinaus!«

Und alles war erledigt!

Auch die vier lieben, tapferen Leute waren erdrosselt worden, ohne dass Robert der Teufel die Residenz verlassen brauchte. Es genügte, dass er durch seine Amme den Spießgesellen durch die überall postierten Späher, die Namen der Todesopfer nannte und den Rachebefehl zu ihrer schleunigen Ermordung erteilen ließ. Denn die Amme war als eine gewandte Spionin und geübte Giftmischerin ein würdiges Mitglied der verruchten Mörderbande.