Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Westernkurier 11/2009

Libbie und Autie

Auf ein Wort Stranger,
wer zum Teufel sind Libbie und Autie?

Seit Anbeginn der Menschheit gibt es Liebespaare, die einfach unvergessen bleiben. Ob erfunden, inzwischen Geschichte oder heute noch lebend, jede Epoche hatte solcherlei legendäre Beziehungen. Der Bogen spannt sich dabei von Cäsar und Cleopatra und Tristan und Isolde über Bonny und Clyde oder Katherine Hepburn und Spencer Tracy bis hin zu Tarzan und Jane, Charles und Camilla oder Homer und Marge Simpson. Die Liste lässt sich beinahe endlos fortführen, und dennoch gibt es da ein Paar, dessen Name in solchen Berichten kaum auftaucht.

Dabei waren sie das Liebespaar der amerikanischen Pioniergeschichte schlechthin und besonders der Name des Mannes ist bis heute beim Thema Wilder Westen nicht mehr wegzudenken.

Die Rede ist hier von Libbie und Autie oder genauer gesagt von Elizabeth »Libbie« Bacon und George Armstrong »Autie« Custer. Sie waren zu ihrer Zeit das Glamourpaar Amerikas, und das lag nicht nur alleine an Custers schulterlange goldblonden Locken oder Libbies Auftritten in New York, wo sie mit ihrem wallenden merinowollweißen Umhang, der mit Seide besetzt und mit einer riesigen Haube versehen, der Mittelpunkt eines jeden Balls war.

Es waren die ganzen Lebensumstände des Paares, ihre Auftritte in der feinen Gesellschaft, ihre Skandale und Skandälchen. Um berühmt zu werden bzw. zu bleiben, galt auch damals schon mehr Schein als Sein.

In der heutigen Zeit würde ihr Bild wahrscheinlich jede Woche die erste Seite irgendeines Schundblatts der Regenbogenpresse zieren.

Doch beginnen wir mit den Anfängen ihrer Geschichte, mit den 50er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, als ein ungehobelter junger Schmiedesohn namens George »Autie« Custer in Monroe im Bundesstaat Michigan der zwölfjährigen Anwaltstochter Elizabeth Bacon zum ersten Mal begegnete.

Aber Achtung, lieber Westernfreund, damit beginnen wir auch, den Namen Custer zu entmythifizieren. Was danach bleibt, ist leider kein strahlender Indianerkämpfer mehr, sondern ein sich selbstüberschätzendes, egoistisches und von Ehrgeiz und Ruhmsucht zerfressenes Arschloch.

Sorry, aber wer sich einmal die Mühe macht, seine Armeeakten zu studieren, wird angesichts seiner Berühmtheit und den ganzen Hype um seine Person wohl auch nur noch mit dem Kopf schütteln können.

 

***

 

Die Legende besagt, dass beide schon als Kinder ein Liebespaar waren, doch die Wahrheit ist wie immer viel profaner.

Richter Daniel Bacon hatte lediglich ab und an Botengänge oder allerlei andere Hilfsarbeiten zu vergeben, die Autie als handwerklich begabter Sohn eines Schmiedes sicherlich von all den anderen Jungs der kleinen Stadt am besten erledigen konnte. Wenn er damit fertig war, hockte er bis zu seiner Entlohnung im Hinterhof, in der Hoffnung, ein paar Blicke auf die Tochter des Richters erhaschen zu können. Wahrscheinlich dürfte sie damals auf Anweisung ihres Vaters nie ein Wort mit ihm gewechselt haben.

Schließlich war er ein ungehobelter Schmiedesohn und sie die Tochter eines angesehenen Richters. Deshalb wollte Autie auch Jurist werden, aber seine Eltern hatte nicht die Mittel ihm ein Studium zu finanzieren.

Also folgte er dem Beispiel anderer ehrgeiziger, aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Jungen und ging nach West Point.

Aufgrund seines Verhaltens und seiner Intelligenz aber waren seine Lehrer nicht gerade sparsam mit Disziplinarmaßnahmen gegen ihn. So machte er seinen Abschluss an der Militärakademie als Vierunddreißigster in einer Klasse von vierunddreißig Schülern. Wahrscheinlich wäre sein Name niemals in irgendwelchen Akten der Armee oder Geschichtsbüchern aufgetaucht, wenn sein Abgang nicht im Jahre 1861, dem Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges, erfolgt wäre. Zu diesem Zeitpunkt übernahm man eigentlich alle Absolventen einer Militärakademie, so sie denn einigermaßen geradeaus laufen und bis drei zählen konnten.

Eine gewisse Bauernschläue war dem jungen Custer allerdings nicht abzusprechen.

In den fünf Jahren zwischen Bull Run und Lees Kapitulation bei Appomatox lernte er sehr schnell, dass es nicht unbedingt die militärische Leistung sein musste, die zur Beförderung führte, sondern dass pure Effekthascherei und prahlerische Reden ebenso genügten, und Custer war der geborene Schauspieler und Selbstdarsteller.

Unvergessen seine Schauspielkunst und sein Hang zur Theatralik, als er sich geschickt in den Mittelpunkt jener Szene zu stellen wusste, als General Lee kapitulierte und er es war, der mit eigenen Händen das weiße Geschirrtuch entgegennahm, mit dem Lees Gesandte zur Übergabeverhandlung kamen. Aber ebenso unvergessen waren seine Wutausbrüche, als er erfahren hatte, dass ihn General Sherman nicht zu Wilmer McLeans Farmhaus bei Appomatox mitnahm, wo Lee und Grant die Kapitulationsurkunde unterzeichneten.

Dabei war er es immer selber gewesen der sich mit seinen Eskapaden ins Abseits manövriert hatte. Ständig folgten seinem Werdegang auf politische und gesellschaftliche Höhepunkte absolute Niederschläge, die jemand anderen längst schon ins Nirwana der Bedeutungslosigkeit verfrachtet hätten.

Als er im Herbst 1863 auf Urlaub nach Monroe kam, war er aufgrund weniger militärischer Erfolge, vieler prahlerischen Reden und noch viel mehr Selbstdarstellung bereits Brigadegeneral. Seine Erfolge beruhten allerdings nicht auf ausgetüftelten Taktiken und militärischen Glanztaten, sondern in der Hauptsache auf der Regel, dass Betrunkene, Kinder und Idioten einen besonderen Schutzengel haben müssen. Kein vernünftiger Mensch löschte beispielsweise eine brennende Brücke mit bloßen Händen oder ritt, ohne zu zögern in ein unbekanntes Gewässer, von dem niemand wusste, wie tief es ist oder wie stark die Strömungen sind. Er griff auch ohne zu zögern den Feind an, wenn ihm deckungslos die Kugeln nur so um die Ohren pfiffen. Doch gerade dieses fast selbstmörderische Draufgängertum, gepaart mit einem großen Maul kam bei seinen Vorgesetzten an, da ein Großteil der Offiziere Zögerlinge, Hasenfüße oder Taktierer waren. Kein Wunder, bestand der Hauptteil der Armeeführungskräfte zu dieser Zeit nicht aus Berufssoldaten, sondern aus Politikern und Geschäftsleuten, die sich die lukrativen Posten in der Armeeführung gegenseitig zuschanzten. So stieg der blond gelockte Schönling mit der schick zurechtgestutzten Uniform und dem karmesinroten Halstuch rasch die militärische Erfolgsleiter hoch und wurde schnell zum Schwarm aller Mädchen und von den besten Familien zu ihren Tanzpartys und Bällen eingeladen. Auch Libbie Bacon flog auf den jungen Mann und irgendwann gab ihr Vater seine Einwände, wenn auch zähneknirschend, auf und billigte die Verlobung der beiden.

Libbie und Autie wurden am 2. Februar 1864 getraut und ihre Hochzeitsreise führte sie ins Metropolitan Hotel in New York. Wenn sie nicht miteinander im Bett lagen besuchten sie die Theater der Stadt, weinten bei den traurigen Szenen von Onkel Toms Hütte und Rip van Winkle oder schmissen das Geld mit beiden Händen für immer neue Kleider förmlich aus dem Fenster.

Inzwischen waren sich beide einander nicht nur in sexueller Hinsicht hörig.

 

***

 

Doch die sorglose Zeit der Flitterwochen war irgendwann auch einmal zu Ende und Custer wurde zum Hauptquartier seiner Kavalleriebrigade nach Brandy Station in Virginia zurückbeordert. Libbie jedoch wollte nicht in Custers Haus in Washington auf ihn warten, sondern bestand darauf, mit ihm nach Virginia zu kommen. Aber kaum hatten sich die beiden dort eingerichtet zogen erste dunkle Wolken am Karrierehorizont von Autie Custer auf. Er erhielt eine Vorladung des Armeehauptquartiers betreffs einer gewissen Annie Jones, die sich in Washington in Haft befand. Sie galt als Spionin der Konföderierten, war in Wirklichkeit aber nur ein lebenslustiges, hübsches Mädchen, das keinen Hehl daraus machte, dass sie mit etlichen Generälen der Union das Bett geteilt hatte.

Um sich einer langen Gefängnisstrafe zu entziehen, brachte sie unter anderem auch Custers Namen als Freund und Begleiter ins Spiel. Zähneknirschend räumte Autie seine Bekanntschaft mit Annie ein, versicherte jedoch, wenn auch wenig glaubwürdig, das er nie das Bett mit ihr geteilt hatte. Was blieb war ein fader Beigeschmack und ein immer nervöser werdender Autie. Um den aufkommenden Tuscheleien zu entgehen, log er seiner Frau vor, dass die Rebellen eine Offensive starteten und es daher in Brandy Station für sie zu gefährlich war.

Schamlos erschwindelte er sich einige Tage Krankenurlaub und brachte Libbie persönlich nach Washington zurück. Nach seiner Rückkehr nach Virginia kam er durch Beziehungen zu General Sheridan zu zweifelhaften militärischen Erfolgen über die Konföderierten. Es war wahrlich keine Heldentat gegen die zusammengeschmolzene Truppe des Südens mit überlegenen Kräften an Menschen und Material Siege zu erringen. Doch Custer brachte es durch seine Selbstdarstellung fertig, das man ihn deswegen tatsächlich zum Generalmajor beförderte.

Dann schmeichelte er sich bei General Grant ein und schaffte es sogar ins Weiße Haus eingeladen zu werden.

Als der Krieg vorüber war und nur noch die große Siegesparade auf Washingtons Pennsylvania Avenue bevorstand, schaffte es der junge Autie wieder hauptsächlich dank seines Mundwerks und seiner Beziehungen an der Spitze zu marschieren.

Sein Bild erschien in allen Zeitungen, bei Harpers und anderen Wochenzeitschriften, Musikverlage brachten Märsche mit seinem Porträt heraus.

Autie und Libbie waren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, von nun an ging es bergab.

 

Im zweiten Teil dieses Berichts lernt der Leser den wahren George Armstrong Custer erst so richtig kennen. Hier wird anhand historischer Tatsachen schonungslos mit dem verklärten Bild eines Bürgerkriegsgenerals und Indianerkämpfer aufgeräumt.

Was bleibt ist ein schaler Nachgeschmack, nicht gerade viel für einen Mann, der ein Held gewesen sein soll.

Ich hoffe, wir lesen uns schon bald wieder, wenn es erneut heißt,

auf ein Wort, Stranger.

Mit rauchigen Grüßen,

euer Slaterman

Quellenangaben:

  • The Westerners by Michael Joseph Ltd. London