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Brasada – Folge 6

Das Haus der sechzehn Arschbacken

Big Bill Bakers Rechte legt sich auf den schmiedeeisernen Griff des Eingangsportals.

Dann reißt er die Tür auf und knallt sie mit solcher Wucht an die dahinter liegende Wand, dass dort der Putz aus den Mauerfugen rieselt. Der Knall hallt wie ein Donnerschlag durch das Haus. Als einen Herzschlag später Big Bill Bakers wilde Rebellenschreie den Eingangsbereich bis in den hintersten, dunkelsten Winkel hinein erfüllen, ist auch der letzte Bewohner dieses Hauses wach.

Es ist nämlich erst kurz vor acht und die hier arbeitenden Schönheiten sind normalerweise nicht vor Mittag anzutreffen.

»Yaaahuuu!«, kreischt Baker und eilt mit zwei, drei schnellen Schritten durch den Raum.

Dort steht neben einer Treppe, die ins Obergeschoss führt, ein kleiner Holztisch, der mit allerlei Flaschen und Karaffen beladen ist. Hier hat man für die zahlenden Gäste dieses Etablissements Freigetränke bereitgestellt. Es gibt blutroten mexikanischen Wein, scharfen Rotaugenwhisky aus Kentucky, Pulque aber auch so Dinge wie Pfefferminzlikör oder echten französischen Champagner.

Neben dem Tisch gibt es aber auch eine Tür und aus der kommt jetzt ein kurzbeiniger, kaum mittelgroßer Mexikaner, der die Männer grimmig mustert. In seinen olivbraunen Händen hält er eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen, und weil man mit der Waffe auf diese kurze Distanz hier in dem Raum einen Mann damit wahrhaftig in Stücke schießen kann, wird es für einen Moment wieder still.

»Ihr verdammten Halbaffen!«, knurrt der Mann. »Wenn ihr mir gleich nicht mindestens einen Grund dafür nennen könnt, warum ihr hier so herumbrüllt, dann blase ich eure stinkenden Kadaver mit meiner Flinte bis hinauf nach Kanada.«

»Einen?«, lacht Lee Marlowe, greift in die Tasche und lässt es Dollarmünzen regnen. »Das hier sind mindestens fünfzig Gründe, warum wir hier sind, und jetzt hör auf zu glotzen wie eine Kuh, wenn es blitzt. Weck endlich die Mädels.«

Als auch Ben Allison die Hand öffnet und ein paar goldene Zehndollarstücke aufblitzen lässt, stellt der Hausdiener seine Waffe in die Ecke und eilt die Treppe hoch. Big Bill schlägt grinsend einer Flasche Wein den Hals am Treppengeländer ab, während Ben Allison die Haustür hinter sich schließt.

Indessen Bill die Flasche anhebt und trinkt, bis ihm der Wein von den Mundwinkeln hinab übers Hemd läuft, öffnen sich im Obergeschoss zwei Türen. Aus der ersten kommt die schwarzhaarige Besitzerin, die sich immer noch verschlafen die Augen reibt, aus der Tür daneben eine Halbindianerin, deren nackter Busen bei jedem Atemzug auf und ab wippt.

»Gott, werde ich spitz!«, kreischt Lee Marlowe bei diesem Anblick, zieht seinen Revolver und schießt jauchzend in die Decke.

In der Zwischenzeit erscheinen auch die restlichen sechs Ladys, die zusammen mit den beiden anderen dem Etablissement den treffenden Namen Haus der sechzehn Arschbacken gegeben haben.

***

»Diese gottverdammten Hurensöhne treiben selbst unserem Herrn noch die Schamröte ins Gesicht«, sagt der Reverend von Tascosa, während er seufzend den roten Bart krault und von dem inzwischen hell erleuchteten Haus seinen Blick nimmt. »Wir gehen schlimmen Zeiten entgegen, wenn wir uns in Tascosa schon am frühen Morgen der Fleischeslust hingeben.«

»Gönnen Sie doch den Jungs ihren Spaß, Reverend«, erwidert Doc Hoyt, der dabei ist, seine Arzttasche zu packen. »Wie ich gehört habe, kommen die drei gerade von einem Viehtrieb aus Fort Bascom zurück. Ehrlich gesagt ist mir diese Art, ein erfolgreiches Geschäft zu feiern, lieber, als wenn sie sich bei Dunn besaufen und anschließend schießend und schreiend durch die Straßen reiten. Die letzte derartige Feier hat mir gereicht. Ich lag mindestens eine Stunde flach auf dem Fußboden meiner Praxis, während mir die Kugeln irgendwelcher Verrückten um die Ohren flogen. Dabei hatte ich noch Glück. Sam Warner erhielt einen Streifschuss an der Wade und Miss Adams geblümtes Kaffeegeschirr besteht jetzt nur noch aus einem Haufen Scherben.«

»Sind das etwa die Männer von der Drei Balken Ranch?«

»Yeah«, meint der Arzt nur, indes er eine Handvoll zusammengewickelter Verbände in die Tasche stopft. Dann verschließt er diese und blickt den Reverend auffordernd an.

«Ich bin soweit, wenn Sie wollen, können sie mitkommen. Obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass Mrs Benton bei der Geburt ihres ersten Kindes eher einen medizinischen als einen geistlichen Beistand benötigt.«

»Ihr Mann hat aber darauf bestanden. An ihm könnten sich übrigens die drei von der Balken Ranch ein Beispiel nehmen. Mister Benton sehe ich jeden Sonntag in der Kirche, diese Männer aber haben mein Haus noch nie betreten, dabei sind sie jetzt schon beinahe sieben Monate hier.«

»Eine Ranch aus dem Nichts aufzubauen bedeutet eine Menge Arbeit. Vielleicht hatten die Jungs bisher einfach noch keine Zeit für ihre Predigten.«

»Vielleicht ist die Erde aber auch eine Scheibe und in meinem Bart wachsen Elfen«, erwidert der Reverend brummig.

***

Als sie Tascosa verlassen, ist es bereits später Nachmittag.

Sie müssen Big Bill auf seinem Pferd festbinden. Er hat soviel von dem blutroten mexikanischen Wein getrunken, dass Ben sicher ist, mit solch einer Menge sogar ein Pferd ersäufen zu können. Während sie ihre Tiere aus der Stadt lenken, schwankt Bill im Sattel wie ein Grashalm im Wind, was ihn aber nicht daran hindert, mit donnernder Stimme das Lied vom Old Chisholm Trail zu singen. Er singt zwar nicht besonders schön, aber dafür besonders laut. Auch Lee ist, wie man so schön im Volksmund sagt, nicht mehr ganz alleine. Immer wieder verzieht der dunkelhaarige und sehnige Mann seinen Mund zu einem Lächeln, das Ben an den Anblick eines grinsenden Wolfs erinnert.

Er ist es auch, der als einziger der drei Männer das ist, was man als stocknüchtern bezeichnet. Aber das bedauert Ben Allison nicht, im Gegenteil. Nicht für allen Schnaps dieser Welt würde er die letzten Stunden mit jener Frau eintauschen, deren Strumpfband er jetzt um den Hals trägt.

Weil er also der einzige Nüchterne in diesem Trio ist, hat er seine liebe Not, seine Sattelpartner auf dem richtigen Weg zu halten. Eigentlich ist es nicht besonders klug, in der Dunkelheit angetrunken durch das Indianerland zu reiten, aber nach den entbehrungsreichen Tagen des Treibens zieht es die Männer irgendwie magisch nach Hause. Vielleicht weil sie zum ersten Mal in ihrem wilden Leben wissen, was ein Zuhause ist.

Weil also jeder vernünftige Mensch damit gerechnet hat, dass die drei die Nacht in der Stadt verbringen werden, ist auch der ungebetene Gast im Haus der Drei Balken Ranch nicht besonders vorsichtig. Er hat die Holzläden der Fenster nicht zugezogen und so bemerkt Ben Allison das Licht in der Hütte, noch bevor sie das Gebäude in der Dunkelheit richtig ausmachen können.

»Ich wüsste nicht, dass wir jemanden gebeten haben, uns bei der Rückkehr heimzuleuchten.«

Big Bill und Lee Marlowe brauchen zwar eine geraume Zeit, bis sie Bens Worte begreifen, aber dann sind sie mit einem Schlag wieder beinahe nüchtern.

»Was für ein verdammter Hurensohn …«, braust Big Bill auf.

»Still!«, zischt Lee.

Der ehemalige Armeescout gleitet aus dem Sattel, übergibt Big Bill die Zügel und dirigiert Ben hinter das Haus. Dann geht alles blitzschnell und lautlos. Der Unbekannte im Haus hat keine Chance mehr. Bevor sein Pferd, das draußen an der Veranda angeleint ist, ein warnendes Schnauben ausstoßen kann, ist Lee im Haus.

Man hört jemand erschrocken aufschreien, das Rücken von Tisch und Stühlen und dann fliegt die Haustür auf und ein Mann taumelt rücklings heraus. Er rudert mit den Armen und versucht auf den Beinen zu bleiben. Aber es gelingt ihm nicht, weil Lee Marlowe jetzt auch aus dem Haus kommt und ihm seine Rechte auf die Leberpartie hämmert. Es ist ein gnadenloser und brutaler Schlag, der den Mann wie ein Streichholz einknicken lässt.

»Eh Hombre«, sagt Ben Allison mahnend.

»Schlag ihn nicht tot, ich will keinen Ärger mit dem Gesetz.«

»Ratten kann man nicht totschlagen, Ratten kann man höchstens ersäufen«, sagt Lee und seine Stimme hat dabei einen knirschenden Klang. »Jetzt rate mal, wer da in unserer Abwesenheit im Haus herumgeschnüffelt hat?«

Ben Allison zuckt mit den Schultern und geht auf den Mann zu, der immer noch am Boden sitzt und wimmernd seine Hand gegen die Leberpartie presst.

»Sieh mal einer an!«, sagt er dann erstaunt, als er ihn erkennt.

***

Am anderen Vormittag bietet sich den Bewohnern von Tascosa ein seltsamer Anblick.

Ein Mann kommt in die Stadt geritten und wird dabei von einer großen Schar Kinder kreischend und brüllend begleitet. Er ist auf seinem Pferd festgebunden und um seinen Hals hängt ein Holzstück, auf das jemand mit dem Bleikopf einer Patrone Ich bin ein Dieb geschrieben hat. Der Mann ist nur mit seiner rostroten Armeeunterwäsche bekleidet, die nicht nur löchrig, sondern an manchen Stellen auch sehr dreckig ist.

Einige Frauen bekommen einen hochroten Kopf, doch viele der anwesenden Männer beginnen schadenfroh zu grinsen.

Offensichtlich geschieht es diesem Mann recht, was da mit ihm passiert. Er ist in der Gegend nämlich als salziger Hund verschrien. Das heißt, er ist ein Mann, der Leute übers Ohr haut und seine Finger in alle möglichen windigen Geschäfte steckt.

Der Mann ist ziemlich dick und sein Name ist Angus O´Reilly.

Copyright © 2009 by Kendall Kane