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Westernkurier 09/2009

Das kurze Leben des Herrn Short

Auf ein Wort Stranger,

denn jetzt geht es weiter mit dem kurzen Leben des Herrn Short.

Nachdem Luke Short Teilhaber am Long Branch Saloon war, wurde dieser das mit Abstand geschäftlich erfolgreichste Lokal in ganz Dodge City und Umgebung. Das aber war einem gewissen A. B. Webster mehr als nur ein Dorn im Auge. Dieser Mann hatte nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit als Bürgermeister der Stadt den Alamo Saloon übernommen, der auf der anderen Straßenseite direkt dem Long Branch gegenüberlag. Nachdem er ständig hinter einer leeren Theke stand, während es gegenüber hoch herging, besann er sich auf seine immer noch vorhandene Macht und seinen Einfluss und griff zu einer Art Selbsthilfe, wie sie heute noch allgemein in politischen Kreisen üblich sein soll. Da sein Nachfolger auf dem Stuhl des Bürgermeisters, der ehemalige Marshal Larry Deger, auch nur eine seiner Marionetten im Gemeinderat war, hatte er leichtes Spiel.

Zunächst veranlasste er die Stadtverwaltung einen Beschluss zu verfassen, wonach innerhalb der Stadtgrenzen das Betreiben eines Bordells verboten wurde und alle Personen, die an solchen Unternehmungen beteiligt waren, nach dem Landstreichergesetz zu verurteilen und aus der Stadt zu werfen waren. Ein paar Tage erklärte Bürgermeister Deger in einem beispiellosen Willkürakt den Long Branch zu einem Bordell, ließ ihn schließen und Luke und dessen Geschäftspartner am 28. April 1883 einsperren. Kurz darauf wurden beide aus der Stadt gewiesen. Was eindeutig beweist, dass Auswüchse von politischer Korruption nicht eine Erscheinung unserer Zeit sind, sondern dass es diese bereits schon in jenen Tagen gegeben hatte. Das Ganze war dann der Beginn einer Auseinandersetzung, die als der Dodge City Krieg in die Geschichte von Kansas einging.

Manchen ist die Geschichte auch als Piano-Krieg in Erinnerung, weil ein ebensolches mit einer blond gelockten Sängerin, zwar mit dünner Stimme aber dafür mit dickem Ausschnitt, mit am Umsatzhoch des Long Branch beteiligt war und damit ebenfalls bei Webster und Konsorten für Unmut sorgten. Das aber nur nebenbei bemerkt.

Der gute Luke allerdings dachte nicht daran, klein beizugeben. Er ging nach Kansas City, mietete sich in einem Hotel ein und ließ nun seinerseits seinen Einfluss spielen. Er telegrafierte an all seine Freunde und bat sie um Hilfe; und alle kamen: Wyatt Earp aus Tombstone, Bat Masterson aus Denver, Texas Jack Vermillon aus Tascosa, Jonny Millsap aus Amarillo, Charly Bassett aus Omaha, außerdem John Green aus St.Louis und Frank McLane aus Little Rock sowie noch Neal Brown und Will Harris.

Das waren die bekanntesten Revolverschützen der damaligen Zeit, und als sich Luke mit dieser Streitmacht auf den Weg nach Dodge City machte, bekamen die Herren Webster und Deger schnell kalte Füße. Auch ihr Freund County-Sheriff Hinkle wurde ziemlich nervös bei dem Gedanken, diesen Männern schon bald gegenüberstehen zu müssen.

Er sandte ein SOS-Telegramm an den Gouverneur von Kansas und bat um Bereitstellung von Staatsmiliz. Während der Gouverneur noch zögerte, ritt Luke mit seinen Freunden am 5. Juni 1883 in die Stadt, nahm den Long Branch wieder in Besitz und beredete mit Webster ein paar Kleinigkeiten.

Als seine Freunde wieder abzogen, war der Long Branch wieder geöffnet, der Rubel rollte und alles war wieder beim Alten.

Aber die politischen Ränkespiele waren nichts für Short, er verlor alsbald die Lust am Leben in Dodge City. So verkaufte er im November seinen Anteil am Long Branch und zog nach Texas.

Erwähnenswert sei hier noch anzuführen, dass er von der Stadtverwaltung wegen seiner widerrechtlichen Ausweisung aus der Stadt noch eine sogenannte Wiedergutmachung in Höhe von 15 000 Dollar erhielt.

In Texas angekommen wählte er Fort Worth als neues Betätigungsfeld aus.

Das Glücksspiel war zwar in dieser Stadt verboten, da aber Verbote stets animierend zu wirken pflegten, wanderten dort über die samtbezogenen Spieltische der illegalen Spieltische weitaus höhere Summen, als in jenen Städten, in denen das Glücksspiel von Gesetzes Wegen aus erlaubt war.

Luke mietete sich ein Hinterzimmer in einem Saloon und wurde aufgrund seiner ehrlichen Spielweise schon bald zum Geheimtipp. Sehr schnell ging bei ihm die Prominenz der Stadt ein und aus und bestätigte Short in seinem Entschluss, das Hinterzimmer aufzugeben und eine feste geschäftliche Basis anzustreben. Im Februar 1887 stand der White Elephant Saloon zum Verkauf, und da Short inzwischen ein angesehener und wohlhabender Bürger der Stadt war, gelang es ihm, den Saloon zu erwerben.

Wenige Tage nach der Eröffnungsfeier betrat ein breitschultriger, bullig wirkender Mann den Saloon, legte seinen Hut auf die Theke und stellte sich Luke vor.

Sein Name war Timothy Isaiah »Jim« Courtright, ein tragisches Schicksal des Westens, das beispielhaft für die Zerrissenheit dieser Zeit war.

Als Sechzehnjähriger trat er in die Südstaatenarmee ein und nahm am Bürgerkrieg teil. Als der Krieg zu Ende war und die Familie nach Texas zog, blieb Jim – entgegen vieler anderer seiner Kameraden – von der wirtschaftlichen Not, die kurz nach dem Krieg überall im Land herrschte, verschont. Er hatte das Glück, auf seinen ehemaligen Kommandanten bei der Armee, dem Bürgerkriegsgeneral J. A. Logan zu treffen. Zu ihm hatte er während seiner Soldatenzeit ein sehr herzliches Verhältnis und deshalb verschaffte ihm Logan einen Posten als Armeescout.

Er erwarb sich einen Ruf als tapferer Kämpfer und durch sein unerschrockenes Auftreten bei Indianerangriffen war sein Name bald in aller Munde. Als berühmter Mann kehrte er nach Fort Worth, der Heimat seiner Familie, zurück. Die Stadtverwaltung stellte ihn sofort als Deputy Marshal ein. Als am 5. April 1876 die Wahlen für das Amt des City Marshals anstanden, kandidierte auch Courtright und wurde mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Er war ein überaus erfolgreicher Polizeichef. Die Stadt, ein Tummelplatz von Banditen aus ganz Texas, wurde von ihm mit harter Hand gesäubert. Er war ein Revolvermarshal im klassischen Sinn, ein Mann, der im Grunde selbst einen desperaten Charakter hatte, der sich aber nicht gegen das Gesetz wandte, sondern seine Fähigkeiten in dessen Dienst stellte.

Es war folglich die logische Konsequenz, dass er aufgrund seiner harten Hand in der wilden Stadt auch für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde. Aber dann beging der parteilose Einzelgänger den Fehler, sich auf eine politische Intrige innerhalb der Stadtverwaltung einzulassen und wurde gnadenlos zwischen den Fronten der Demokratischen und der Republikanischen Partei zermahlen. Er verlor seinen Posten, wurde verbittert und zog als Tramp umher. Seine Popularität verblasste und damit auch der Erfolg und das Geld. Um sich finanziell über Wasser halten zu können, legte er alle Skrupel ab und begann sein Geld als eiskalter Schießer zu verdienen.

Als er im Sommer 1883 in einer Auseinandersetzung zwischen Farmer und Rancher gnadenlos drei im Umgang mit Waffen völlig unerfahrene Siedler erschoss, entging er seiner Verhaftung nur durch eine Flucht nach Südamerika.

1884 kehrte er nach Fort Worth zurück.

Der Wilde Westen war noch wild und die Behörden wurden der Flut der Kriminalität nicht Herr. So wurden auch die Ermittlungen gegen ihn eingestellt und er galt zu diesem Zeitpunkt wieder als freier Mann. Aber die Bürger des Landes hatten ihn nicht vergessen. Er galt als Killer und wurde verachtet. Um zu überleben, war er gezwungen, in Saloons als Rausschmeißer zu arbeiten, wurde zum jähzornigen Rowdy, zu einem Mann ohne Moral und Charakter. Er begann seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten, indem er von den örtlichen Kneipenbesitzern Schutzgebühren erpresste.

Als der White Elephant Saloon wieder seine Tore öffnete, witterte Courtright ein gutes Geschäft, da er um die erheblichen Einnahmen, die hier erzielt wurden, wusste.

Er stellte sich Luke Short vor und versuchte ihn zu erpressen, indem er ihm darlegte, das Fort Worth eine unruhige Stadt war und er eine Agentur besaß, die gegen eine gewisse Gebühr verhindere, dass jemand die Einrichtungen des Saloons zerschlagen oder die Gäste ausplündern würde.

Short wies ihn eiskalt aus dem Saloon, aber Courtright dachte nicht daran, sich von dem kleinen Spieler derart ungestraft abkanzeln zu lassen.

Am 8. Februar 1887 tauchte er vor dem White Elephant Saloon auf und stellte sich Short in den Weg. Nach kurzem Wortwechsel griff er selbstsicher zum Revolver, auch weil er bei Short keine Waffe sah.

Er feuerte sofort, aber Luke machte instinktiv einen Satz zur Seite und so wurde lediglich sein Zylinder getroffen. Dann zog er einen kurzläufigen Colt aus der Hosentasche und feuerte dreimal.

Alle Kugeln trafen und Courtright war sofort tot.

Niemand weinte dem zum Gangster verkommenen ehemaligen Helden eine Träne nach, und gegen Short wurde deshalb auch gar nicht erst eine Anklage erhoben.

In den nachfolgenden Jahren wurde es ruhiger um Luke Short, der inzwischen ein erfolgreicher Geschäftsmann war. Aber je mehr Geld er verdiente, umso mehr ging es mit seiner Gesundheit bergab.

Er litt unter einer beginnenden Wassersucht.

Im Dezember 1890 bekam er am Spieltisch Streit mit einem Konkurrenten namens Charles Wright. Wright wusste um die Gefährlichkeit von Short und ging einem offenem Kampf aus dem Weg. Stattdessen lauerte er ihm am Abend des 23. Dezembers auf und schoss ihn hinterrücks mit einer Schrotflinte nieder.

Luke stürzte schwer verletzt zu Boden, konnte aber dennoch seine Waffe ziehen und Wright mit einem einzigen Schuss niederstrecken. Das war allerdings sein letztes Revolverduell. Er überlebte, aber sein ehemalig schmächtiger Körper war jetzt von der Wassersucht dermaßen aufgeschwemmt, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Er verkaufte all seine Besitztümer und zog von einem Arzt zum anderen, bis er schließlich als letzte Hoffnung im August 1893 die Heilquellen von Geuda Springs in Kansas aufsuchte. Aber es war zu spät, niemand konnte ihm mehr helfen und so starb am 8. September 1893 in einem Sanatorium einer der gefährlichsten Revolverhelden des Wilden Westens einsam still und leise.

Luke Short wurde gerademal 39 Jahre alt.

 

In diesem Sinne,

bis zur nächsten Ausgabe des Westernkuriers, wenn es wieder heißt:

Auf ein Wort, Stranger.

Euer Slaterman

Quellennachweis: