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Curumilla – Erstes Buch, Kapitel 3

Gustave Aimard
Curumilla
Eine Abenteuergeschichte aus dem Jahr 1861
Kapitel 3 – Der Spion

Es mochte ungefähr acht Uhr frühmorgens gewesen sein, als Valentin und Curumilla sich von Louis verabschiedeten.

Der Jäger hatte die ganze Nacht schlaflos zugebracht. Er fühlte sich erschöpft und seine müden Augenlider schlossen sich wider Willen. Trotzdem schickte er sich an, den Auftrag, welchen ihm sein Bruder gegeben hatte, zu erfüllen. Curumilla aber, der seine Erschöpfung bemerkte, forderte ihn auf, einige Stunden auszuruhen. Er machte ihm klar, dass er für den Augenblick ihn nicht benötigte, um die Spuren zu verfolgen, die er am Morgen entdeckt hatte, und versprach ihm schließlich, ihm ausführlich Bericht zu erstatten.

Valentin hatte das unumschränkte Vertrauen zu Curumilla. Er hatte sehr häufig im Laufe ihres gemeinschaftlichen Lebens Gelegenheit gefunden, die Klugheit des Häuptlings zu würdigen. Er war daher damit einverstanden, ihn allein auf Erkundung gehen zu lassen. Nachdem er ihm einige Verhaltungsregeln erteilt hatte, wickelte er sich in seinen Mantel und schlief fest ein.

Er mochte ungefähr zwei Stunden lang fest und friedlich geschlummert haben, als er bemerkte, wie sich eine Hand vorsichtig auf seine Schulter legte.

So zart die Berührung auch war, genügte sie doch, um den Jäger zu wecken, denn er registrierte, gleich allen Menschen, welche an das Leben der Prärie gewöhnt sind, selbst im Schlaf seine nähere Umgebung. Er öffnete die Augen und betrachtete aufmerksam denjenigen, der seine Ruhe störte, während er ihn im Stillen zu allen Teufeln wünschte.

»Nun!«, sagte er in dem verstimmten Ton eines Schläfers, der aus seinen schönsten Träumen gerissen wird, »was wollt Ihr von mir, Don Cornelio? Konntet Ihr keinen passenderen Moment wählen, um mit mir zu reden? Ich vermute, dass Ihr mir nicht sehr Wichtiges mitzuteilen habt.«

Don Cornelio, denn er war es wirklich, der Valentin geweckt hatte, legte einen Finger an den Mund und blickte sich misstrauisch um, als wolle er dem Jäger zur größten Vorsicht raten. Er neigte sich zu seinem Ohr und flüsterte ihm zu: »Verzeiht mir, Don Valentin, ich glaube aber, dass die Mitteilung, welche ich Euch zu machen habe, sehr wichtig ist.«

Valentin sprang hastig auf, blickte dem Spanier ernst in die Augen und fragte: »Was gibt es?«

»Die Sache ist nicht mit zwei Worten erzählt. Oberst Flores, dessen Physiognomie mir, nebenbei gesagt, keineswegs zusagt, streift seit heute früh in dem Missionsdorf umher, durchstöbert und durchspäht jeden Winkel, fragt nach allem, was man tut und nicht tut, schwatzt bald mit dem, bald mit jenem und sucht besonders zu erforschen, was die Leute von ihrem Anführer halten. Das ist alles nicht besonders verdächtig. Sobald er aber gesehen hatte, dass Ihr eingeschlafen ward, und sich überzeugte, dass der Graf, um seine Briefe zu schreiben, Befehl gegeben hatte, dass ihn niemand während einiger Stunden störe, hat er sich so verhalten, als ob er sich in die ihm angewiesene halbverfallene Hüte zurückziehe, die an der Grenze des Dorfes liegt. Aber nach wenigen Minuten, als er glaubte, dass man ihn nicht mehr beachtete, ist er, statt zu schlafen, wie er vorgegeben hatte, aus der Hütte getreten, hat sich hinter den Bäumen fortgeschlichen wie ein Mann, der sich fürchtet, entdeckt zu werden, und ist dann im Wald verschwunden.«

»So, so«, sagte Valentin mit besorgter Miene, »was hat der Mensch für einen Grund, sich heimlich fortzustehlen? Ist er schon lange fort?«, fügte er nach einer Weile hinzu.

»Seit kaum zehn Minuten.«

Valentin stand auf.

»Bleibt hier«, sagte er, »für den Fall, dass der Oberst während meiner Abwesenheit wiederkommen sollte. Beobachtet ihn genau, aber ohne es ihn merken zu lassen. Ich bin Euch dankbar, dass Ihr mich geweckt habt. Denn die Sache ist allerdings ernster Natur.«

Der Jäger brach die Unterhaltung plötzlich ab, verließ Don Cornelio und schlich sich unbemerkt um die Ruinen herum gleichfalls in den Wald.

Oberst Flores, der Valentin schlafend glaubte und wusste, dass der Graf mit Schreiben beschäftigt war, daher gewiss zu sein glaubte, dass er keine Verfolgung zu befürchten habe, schritt rasch in Richtung Fluss weiter, ohne sich zu bemühen, seine Spuren zu verwischen. Der Jäger benutzte diese Unvorsichtigkeit und hatte bald die Fährte des Mannes, den er beobachten wollte, entdeckt.

Der Oberst gelangte auf diese Weise an das Flussufer.

Rings herum herrschte tiefste Stille.

Die Alligatoren streckten sich am schlammigen Ufer, die roten Flamingos fischten sorglos. Kurz, alles verkündete die Abwesenheit des Menschen. Kaum betrat aber der Oberst das Ufer, als sich ein Mensch an den Armen von den Zweigen eines Baumes herunterließ und zwei Schritt vor ihm auf den Boden aufkam.

Aufgrund dieser unvermuteten Erscheinung unterdrückte der Oberst einen Schrei der Verwunderung und trat einen Schritt zurück. Er hatte sich von seinem Schrecken noch nicht erholt, als ein Zweiter auf gleiche Weise erschien und ebenfalls auf den Sand sprang.

Oberst Flores blickte unwillkürlich den Baum hoch.

»Oho!«, sagte der Erste laut lachend. »Du brauchst dich gar nicht umzusehen, Garrucholo. Es ist niemand weiter da.«

Beim Hören des Namens Garrucholo wurde der Oberst von einer heftigen inneren Erregung gepackt und betrachtete die beiden Männer, die so plötzlich vor ihm standen mit besonderer Aufmerksamkeit, während diese unbeweglich stehen blieben und ihn spöttisch lächelnd ansahen.

Der Erste war ein Weißer, was auf den ersten Blick zu sehen war, trotzdem seine sonnenverbrannte Haut eine ziegelrote Farbe hatte. Seine Kleidung glich der des Indianers vollkommen.

Jenes interessante Wesen war gut bewaffnet und hielt eine lange Büchse in der Hand.

Sein Begleiter war eine Rothaut, kriegsmäßig bewaffnet und bemalt.

»Nun!«, fuhr derjenige fort, der zuerst gesprochen hatte. »Du siehst ja wahrhaftig aus, als ob du mich nicht kennst, mein Junge. Bei Gott! Du hast ein schlechtes Gedächtnis.«

Die starke Betonung, mit welcher der Mann spanische sprach sowie die fremdartige Redensart war ein Lichtblick für den Oberst.

»El Buitre!«, rief er aus, sich vor die Stirn schlagend.

»Freilich!«, sagte jener lachend, »ich wusste ja, dass du deinen alten Kameraden nicht vergessen haben konntest.«

Diese unerwartete Begegnung war dem Oberst keineswegs angenehm. Er hielt es für angemessen, sich nichts merken zu lassen.

»Welcher Zufall führt dich hierher«, fragte er.

»Und dich?«, erwiderte jener keck.

»Mich! Meine Gegenwart ist natürlich genug und leicht zu erklären.«

»Die meinige gleichfalls.«

»Ah!«

»Ich bin ja hier, weil du hier bist.«

»Hm!«, sagte der Oberst etwas zurückhaltend, »erkläre mir das deutlicher.«

»Dazu bin ich gern bereit. Da aber der Ort hier zu einer Unterhaltung schlecht geeignet ist, folge mir.«

»Erlaube einen Augenblick! Buitre, lieber Freund, wir sind allerdings, wie du gesagt hast, alte Bekannte.«

»Was soll das heißen?«

»Dass ich das größte Misstrauen in dich habe.«

Der Räuber lachte.

»Eine solche Gesinnung macht mir Ehre und ich fühle mich dieser vollkommen würdig. Aber zwei Worte worden genügen, um dich aufzuklären. Hast du in der Kirche des Missionsdorfes einen Dolch gefunden, dessen Griff mit einem eingravierten S gekennzeichnet war?«

»Ja«

»Gut. Jenes Zeichen bedeutete, dass du in diese Richtung gehen solltest, nicht wahr?«

»Allerdings.«

»Und dass du ferner eine oder mehrere Personen treffen würdest, die mit dir zu reden wünschten?«

»Ja.«

»Nun, die Personen, mit welchen du reden sollst, stehen vor dir. Verstehst du jetzt?«

»Vollkommen.«

»In dem Fall wollen wir miteinander reden. Da aber das, was wir zu besprechen haben, nur uns allein angeht, ist es daher überflüssig, andere Unbeteiligte einzubeziehen. Wollen wir uns an einen Ort begeben, wo wir keine unbefugten Zuhörer zu befürchten haben.«

»Wer zum Teufel soll uns denn hier belauschen?«

»Wahrscheinlich niemand. Aber die Vorsicht, mein geschätzter Freund, ist die Mutter der Sicherheit. Seitdem wir uns getrennt haben, bin ich außerordentlich vorsichtig geworden.«

»Gehen wir, wohin du willst.«

»Komm.«

Die drei Männer kehrten in den Wald zurück.

In einiger Entfernung vom Ufer machten sie auf einer geräumigen Waldlichtung Halt, in dessen Mitte sich ein gigantischer, grünlich schimmernder Felsblock erhob.

Die drei Männer kletterten auf den Felsen und streckten sich sorglos auf der oben befindlichen Plattform aus.

Valentin folgte ihnen Schritt für Schritt, sie gingen aber nicht weiter.

»So!«, sagte El Buitre, »hier, glaube ich, können wir reden.«

Die von dem Räuber getroffene Wahl versetzte Valentin anfangs in einige Verlegenheit, doch ließ er sich nicht abschrecken. Der Jäger war daran gewöhnt, ähnliche materielle Hindernisse wie das gegenwärtige zu überwinden. Nachdem er kurze Zeit nachgedacht hatte, blicke er sich spöttisch lächelnd um.

»Auf einen Schurken, meinetwegen«, murmelte er. Hierauf streckte er sich auf den Boden. Das Gras wuchs auf der Lichtung dicht und saftig, und Valentin kroch mit fast unmerklicher Bewegung im Gras in Richtung des Felsens. Er führte seine Bewegungen so vorsichtig aus, dass sich die Grashalme fast nicht bewegten. Nachdem er sich ungefähr eine viertel Stunde lang auf diese Weise fortbewegt hatte, erreichte der Jäger das Ziel, welches er sich gesteckt hatte, indem er eine Stelle erreichte, wo er sich aufrichten konnte, ohne zu befürchten, entdeckt zu werden und im sicheren Versteck alles hören konnte, was auf der Plattform gesprochen wurde.

Unglücklicherweise hatte ihn das Herankommen so lange aufgehalten, dass er einen Teil, vielleicht den wichtigsten der Unterhaltung versäumt hatte. In dem Augenblick, als er zu lauschen begann, führte El Buitre das Wort.

»Bah!«, sagte er mit der spöttischen Betonung, die ihm eigen war, »ich stehe für den Erfolg. Wie tapfer die Franzosen auch sein mögen, wird doch nicht ein jeder zwei Mann wert sein. Zum Teufel! Lasst mich nur machen.«

»Canarios! Ich will am Galgen hängen, wenn ich mich in eine solche Angelegenheit mische«, antwortete der Oberst, »ich habe bereits zu viel getan!«

»Du zitterst fortwährend. Wie kannst du glauben, dass eine Anzahl Männer, die von einem langen Marsch ermüdet und ohne dem mehr als halb demoralisiert sind, einen Angriff widerstehen werden, welchen der Apachenhäupling mit seinen Kriegern unter der Mitwirkung der achtzig Taugenichtse, welche die mexikanische Regierung zu meiner Verfügung gestellt hat, und der sorgfältig bedacht und überlegt ist?«

»Ich weiß nicht, was die Franzosen tun werden. Jedenfalls wirst du dich selbst überzeugen können, dass es ganze Kerle sind.«

»Desto besser! Dann haben wir Erfolgsaussichten, uns gut zu unterhalten.«

»Sieh dich vor, dass du dich nicht zu gut unterhältst«, erwiderte El Garrucholo hohnlachend.

»Geh zum Teufel mit deinen Einwänden! Du weißt ja übrigens, dass ich es auf ihren Anführer abgesehen habe!«

»Bah! Als ob ein Mann wie du es auf einen Einzelnen abgesehen hätte! Du hast es doch nur auf Gold abgesehen. Aber was hast du für Leute?«

»Civicos, echte Räuber, wahre Galgenschwengel. Sie werden Wunder tun, mein Bester.«

»Was Civicos! Der Einfall ist unbezahlbar. Werden sie nicht vor den Hacienderos gehalten und bezahlt, um gegen die Rothäute zu kämpfen?«

»Mein Gott, ja! Das ist der Lauf der Welt. Dieses Mal werden sie mit den Rothäuten gegen die Weißen kämpfen. Der Einfalt ist originell, nicht wahr? Und zwar um so mehr, da sie als Indianer verkleidet sein werden.«

»Das wird ja immer besser! Wie viel Krieger hat der Häuptling?«

»Ich weiß es nicht. Er wird es dir selbst sagen.«

Der Häuptling war während dieser Unterhaltung düster und stumm geblieben.

Der Oberst wandte sich ihm zu und blickte ihn fragend an.

»Mizcoatzin ist ein mächtiger Häuptling«, sagt die Rothaut im Kehlton, der den Indianern eigen ist. »Zweihundert Apachen-Krieger folgen seinem Kriegsbüschel.«

El Garrucholo verzog bedeutsam das Gesicht.

»Trotzdem«, sagte er, »bleibe ich bei meiner Behauptung.«

»Was?«

»Ihr werdet mit einer gewaltigen Gegenwehr rechnen müssen.«

El Buitre hatte Mühe, seinen Unmut zu unterdrücken.

»Genug«, sagte er, »ich sehe, dass du die Indianer nicht kennst. Der Häuptling ist einer der tapfersten Sachem seines Stammes. Er genießt in den Prärien einen guten Ruf, und seine Krieger sind sämtlich auserwählte Leute.«

»Nun gut! Macht, was Ihr wollt, ich wasche meine Hände in Unschuld.«

»Sage mir wenigstens, ob wir auf dich zählen können.«

»Ich werde die Befehle, die mir der General gegeben hat, pünktlich ausführen.«

»Mehr verlange ich nicht von dir.«

»Es ist also nichts geändert worden?«

»Nichts, es bleibt bei derselben Stunde und demselben Signal.«

»Dann ist es unnötig, dass wir darüber noch länger sprechen. Ich werde zur Mission zurückkehren, denn ich muss vermeiden, Verdacht zu wecken.«

»Geh und möge dich der Schwarze weiterhin unter seinen Schutz nehmen.«

»Schönen Dank.«

Der Oberst verließ die Plattform. Valentin dachte eine Zeit lang nach, denn er war unschlüssig darüber, ob er ihm folgen sollte. Nach reiflicher Überlegung war er überzeugt, dass er wahrscheinlich noch wichtige Informationen mitbekommen würde.

El Buitre zuckte mit den Achseln, wandte sich dem Häuptling zu, der noch immer seinen unerschütterlichen Gleichmut bewahrte und sagte: »Der Stolz hat jenen Mann zugrunde gerichtet. Vor wenigen Jahren war es noch ein lustiger Bruder.«

»Was beschließt mein Bruder jetzt?«

»Nicht viel, ich werde mich versteckt halten, bis die Sonne zwei Drittel ihres Laufes vollbracht hat, und dann zu meinen Kameraden zurückkehren.«

»Der Häuptling wird sich zurückziehen, denn seine Krieger sind noch fern.«

»Gut, wir werden uns also wie vereinbart treffen?«

»Ja, das Bleichgesicht wird von der Seite des Waldes angreifen, während die Apachen von der Flussseite anrücken.«

»Gut. Seien wir aber vor allen Dingen vorsichtig, denn ein Missverständnis könnte uns den größten Nachteil bringen! Ich werde mich der Mission so nah wie möglich nähern, sage euch aber vorher, dass ich mich nicht rühren werde, ehe ich nicht das Zeichen wahrnehme.«

»Ooah! Mein Bruder möge die Ohren öffnen. Das Geheul des Tigers soll ihm die Nähe der Apachen verkünden.«

»Gut, noch eine Warnung Häuptling.«

»Das Bleichgesicht rede.«

»Es ist ausgemacht, dass die Beute zu gleichen Teilen zwischen uns aufgeteilt wird!«

Der Indianer lächelte unheimlich.

»Ja«, sagte er.

»Lasst keinen Verrat zwischen uns treten, Rothaut, sonst schwöre ich bei Gott, dass ich dich lebendig wie einen tollen Hund quälen werde.«

»Die Zunge der Bleichgesichter ist zu lang.«

»Das ist möglich. Beherzige aber meinen Rat, wenn du nicht willst, dass dir ein Unglück zustößt.«

Der Indianer antwortete nur mit einer verächtlichen Geste, worauf er sich in seinen Bisonmantel hüllte und sich langsam entfernte.

Der Räuber blickte ihm eine Zeit lang nach.

»Elender Hund!«, murmelte er, »sobald ich dich nicht mehr brauche, will ich deine Rechnung schon abschließen. Das ist sicher.«

Der Indianer war verschwunden.

»Ja, was werde ich jetzt machen?«, fuhr El Buitre fort.

Plötzlich sprang ein Mann wie ein Jaguar hervor. Ehe der Räuber begriff, was mit ihm geschah, war er bereits gefesselt und gänzlich wehrlos.

»Ihr wisst nicht, was Ihr machen sollt? Ich will es Euch sagen«, entgegnete Valentin und setzte sich gelassen neben ihm.

Nachdem der erste Schreck überwunden war, fand der Räuber seine volle Fassung und Frechheit wieder zurück und blickte den Jäger unverschämt an.

»Bei Gott! Ich kenne Euch nicht, Kamerad«, antwortete er, »muss aber bekennen, dass Ihr einen Meisterstreich vollbracht habt.«

»Ihr seid ein Kenner.«

»Ein wenig.«

»Ja, ich weiß es.«

»Ihr habt mich aber ein wenig zu festgebunden, denn Eure verteufelte Reata dringt mir ins Fleisch.«

»Bah! Daran werdet Ihr Euch gewöhnen.«

«Hm!«, sagte der Bandit, »Ihr habt wohl alles gehört, was gesprochen wurde?«

»So ziemlich.«

»Hol’ mich der Teufel! Man kann in der Wildnis wirklich nicht mehr reden, ohne belauscht zu werden.«

»So ist es, es ist ein Übelstand.«

»Man muss sich eben damit abfinden. Was sagtet Ihr?«

»Ich? Gar nichts.«

»Verzeiht, ich glaubte, dass Ihr mich etwas gefragt habt. Aller Wahrscheinlichkeit nach habt Ihr mich nicht zum Vergnügen wie ein Bündel Tabak zusammengeschnürt.«

»Nicht ganz unrichtig bemerkt. Ich verband damit allerdings noch einen anderen Zweck.«

»Welchen?«

»Ich wollte mich eine Weile Eurer Unterhaltung erfreuen.«·

»Ihr seid zu gütig.«

»Man hat in der Wildnis so wenig Gelegenheit sich zu unterhalten.«

»Allerdings.«

»Ihr befindet Euch auf einen Streifzug?«

»Freilich, man muss ja doch etwas tun.«

»Sehr wahr. Seid so gut, mir einige Einzelheiten mitzuteilen.«

«Worüber?«

»Über Euer Vorhaben.«

»Ja, so gern ich es möchte, ist mir es leider unmöglich.«

»Schau! Warum denn?«

»Ich weiß selbst nicht viel.«

»So!«

»Ja, darüber hinaus bin ich sehr inkonsequent und es genügt, dass man mich um etwas bittet, damit ich mich weigere.«

Valentin lächelte und zog sein Messer, dessen glänzende Klinge bläulich schimmerte.

»Selbst wenn man Euch durch triftige Gründe überführt?«

»Dergleichen kenne ich nicht«, versetzte der Räuber hohnlachend.

»Oho!«, sagte Valentin, »dennoch hasse ich es, Euch umzustimmen.«

»Versucht es! Hört«, fuhr er in verändertem Ton fort, »wir haben nun lange genug Komödie gespielt. Ich bin in Eurer Gewalt und nichts kann mich retten. Tötet mich, wenn Ihr wollt, ich werde aber kein Wort sagen.«

Die Männer wechselten einen vielsagenden Blick.

»Ihr seid ein Dummkopf«, sagte Valentin, »und versteht mich nicht.«

»Ich verstehe vollkommen, dass ich Euch die Geheimnisse unseres Unternehmens verraten soll.«

»Ihr seid ein Einfaltspinsel, Teuerster! Ich habe Euch ja gesagt, dass ich alles weiß.«

Der Räuber schien einen Augenblick nachzudenken.

»Was wollt Ihr denn?«, fragte er.

»Euch einfach für mich zu gewinnen.«

»Hm! Das wird Euch aber teuer zu stehen kommen.«

»Aber Ihr sagt nicht Nein!«

»Ich sage niemals Nein!«

»Gut, jetzt redet Ihr vernünftig.«

»Wer weiß?«

»Wie hoch schlagt Ihr einen Beuteanteil von heute Nacht an?«

El Buitre blickte ihn so durchdringend an, als wollte er seine Gedanken erraten.

»Wie gesagt, das wird teuer werden.«

»Ja, besonders wenn man Euch an den Galgen hängt.«

»Oho.«

»In Geschäften muss man alles bedenken.«

»Ihr habt recht.«

»Und zwar um so mehr, da ich Euch niederschieße wie einen Hund, wenn Ihr meinen Vorschlag ablehnt.«

»Das klingt tröstlich.«

»Ihr seit gewarnt. Lasst uns verhandeln und stellt Eure Forderung.«

»Fünfzehntausend Piaster«, rief der Räuber aus, »nicht einen Ochavo darunter!«

»Bah! Das ist nicht viel.«

»Was?«, versetzte jener verwundert.

»Ich gebe Euch zwanzigtausend.«

Trotz seiner Fesseln sprang der Räuber auf.

»Topp!«, rief er aus und fuhr nach einer Weile fort, »aber wo ist das Geld?«

»Glaubt Ihr, dass ich dumm genug sein werde, Euch im Voraus zu bezahlen?«

»Aber, ich dachte …«

»Was fällt Euch ein, Ihr seid von Sinnen, Compadre. Jetzt haben wir uns verständigt. Ich will Euch daher losbinden, damit mit der Bewegungsfreiheit auch das gesunde Urteilsvermögen wiederkehrt.«

Er löste die Reata, worauf El Buitre sofort aufsprang, mit den Füßen stampfte, um sein erstarrtes Blut in Gang zu bringen, und sich dem Jäger zuwandte, der lächelnd auf sein Gewehr gelehnt dastand und ihn betrachtete.

»Könnt Ihr mir wenigstens eine Sicherheit geben?«, fragte er.

»Ja, und zwar eine gute.«

»Welche?«

»Das Wort eines ehrlichen Mannes.«

Der Räuber schnitt ein Gesicht.

Valentin schien es nicht zu bemerken, sondern fuhr fort: »Ich bin derjenige, welchen die Weißen und die Indianer als Fährtensucher benannt haben. Mein Name ist Valentin Guittois.«

»Seid Ihr das?«, rief El Buitre seltsam bewegt aus, »Ihr seid also der Fährtensucher?«

»Das bin ich«, antwortete Valentin einfach.

El Buitre schritt auf der Plattform hastig auf und ab, wobei er unartikulierte Worte ausstieß und heftig erregt zu sein schien. Plötzlich blieb er vor dem Jäger stehen.

»Ich schlage ein«, sagte er kurz.

»Ihr werdet Euer Geld morgen erhalten.«

»Ich verlange nichts.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Lassen Sie mich noch einige Tage mein Geheimnis bewahren, Valentin. Dann will ich Ihnen mein Benehmen erklären. Obgleich ich ein Räuber bin, ist doch nicht jedes Gefühl in mir erloschen. Eines wenigstens ist rege genug – die Dankbarkeit. Vertraut mir, Ihr werdet fortan keinen treueren Verbündeten sowohl zum Guten als zum Bösen haben.«

»Der Ton, in welchem Ihr redet, ist nicht der eines Betrügers. Ich will Euch daher vertrauen, ohne mich näher nach dem Grunde dieser plötzlichen Sinneswandelung zu erkundigen.«

»Später sollt Ihr alles erfahren, und ich bitte Euch, mir jetzt, wo wir allein sind, Euren Plan ausführlich mitzuteilen, damit ich Euch wirksam unterstützen kann.«

»Ja«, versetzte Valentin, »die Zeit drängt.«

Die beiden Männer blieben noch zwei Stunden zusammen, um den Plan des Jägers zu besprechen. Als alles zwischen ihnen geklärt war, trennten sie sich, und Valentin kehrte zum Missionsdorf zurück, indessen El Buitre seine Kameraden aufsuchte, die sich in der Nähe versteckt hielten.

Eine Antwort auf Curumilla – Erstes Buch, Kapitel 3