Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Eine tragische Liebe

Eine tragische Liebe

Der Schriftsteller Moriz Bermann erzählt in seinen Werken von einer dramatischen Liebesgeschichte, die sich Anfang des 14. Jahrhunderts in Wien zugetragen haben soll.

Die heutige Annagasse im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt, zwischen der Kärntner Straße und der Seilerstätte zählt zu den alten Barockstraßen Wiens. Der historische Name lautete Pippingerstraße, nach dem Geschlecht der Pippinger.
Albrecht Pippinger, der in jener Straße in einem herrschaftlichen Haus lebte, war trotz seines Reichtums ein unzufriedener Mann, der nach mehr Macht und Geld strebte. Er war herrschsüchtig und uneinsichtig. Die Tatsache, dass nicht er, sondern sein Freund Otto Wülfleinsdorfer zum Bürgermeister von Wien gewählt wurde, ärgerte ihn dermaßen, dass er seinem besten Freund die Freundschaft kündigte. Das schloss auch dessen Familie mit ein.

Pippingers Sohn Friedrich ließ sich vom Hass seines Vaters nicht blenden und hielt die Freundschaft zum jungen Wülfleinsdorfer Wiprecht aufrecht.

Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege, denn Wiprecht und Pippingers Tochter Anna verliebten sich ineinander. Friedrich war den beiden behilflich, sich zu heimlichen Stelldicheins zu treffen. Diese kurzen Zusammenkünfte waren nur gestohlene Augenblicke, deshalb ging Otto Wülfleinsdorfer zu Pippinger und bat ihn, dem Wohl und Glück der beiden Kinder nicht im Wege zu stehen und den alten Groll zu begraben. Voller Hass schleuderte Pippinger dem einstigen Freund entgegen, dass er seine Tochter lieber in ein Kloster sperre, als sie dem verhassten Feind zu geben.

Sogleich setzte er sein Vorhaben in die Tat um und brachte Anna in das Kloster Zur heiligen Agnes. Da er eine hohe Mitgift bezahlte, wurde das Noviziat umgangen und Anna sofort zur Nonne geweiht.

Bei einem der wenigen Besuche, die Friedrich im Kloster bei seiner Schwester gestattet waren, ließ er sich die Lage ihrer Zelle erklären und schob ihr eine Schnur zu. Um Mitternacht, wenn sie den Schrei einer Wachtel hört, solle sie die Schnur aus dem Fenster halten.

Sie tat wie ihr aufgetragen und Wiprecht band eine Strickleiter an die Schnur, die Anna befestigte. So konnten sich die Liebenden für wenige Stunden treffen. Die Treffen wiederholten sich und sie planten die Flucht. Doch eines Nachts beging Wiprecht einen fatalen Fehler. Beim Stelldichein mit seiner Liebsten vergaß er die Strickleiter in die Zelle zu ziehen. Die Pförtnerin sah das, schlich zu Annas Zelle und belauschte die beiden. In drei Tagen sollte Annas Flucht sein. Die Schwester berichtete dies der Oberin.

Die Äbtissin informierte Albrecht Pippinger über die Schande, die wahrscheinlich schon lange hinter ihrem Rücken begangen wurde, und klärte ihn über die Strafe einer solchen Sünde auf. In Klöstern war es zu jener Zeit üblich, Ordensmitglieder, die ihr Gelübde brachen, bei lebendigem Leib einzumauern. Pippinger gab sofort sein Einverständnis dazu.

Am Tag der Flucht wartete Anna in Knabenkleidung gehüllt auf ihren Liebsten. In dem Moment, als er sich an der Strickleiter Zelle hochzog, sprang eine dunkle Gestalt in Annas Zelle und kappte blitzschnell den Strick. Finger klammerten sich in der Dunkelheit an den Mauersims, auf die der Vermummte unbarmherzig mit seinem Messer stach. Als der Mann mit einem Schrei hinunterfiel, wurde Anna ohnmächtig. Sie erwachte vor dem Tribunal, das über sie richtete. Über die Strafe waren sich alle einig. Pippingers kaltes Herz ließ sich auch durch das Flehen seiner Tochter nicht erweichen. Unter Fackelzug, wie bei einer feierlichen Prozession, wurde die Sünderin durch die Gänge des Klosters tief in den Keller zu einer Nische geführt, wo bereits Ziegel und Mörtel bereitstanden. Die Nonnen ketteten sie an Eisenringe, die in der Wand befestigt waren und begannen, die Mauervertiefung zuzumauern. Flehen und Weinen der Gefangenen konnte die Herzen der Frauen ebenso wenig erweichen, wie das ihres Vaters.

Nach Vollendung der Bestrafung sah Pippinger nach dem Liebhaber seiner sündigen Tochter. Sein Entsetzen muss groß gewesen sein, als er im Fackelschein die tote Gestalt am Boden erkannte. Es war sein Sohn Wiprecht, den er selbst ermordet hatte.

Quellen:

  • Dunkle Geschichten aus dem Alten Wien, Pichler Verlag
  • home.tele2.at

(ah)