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Jackson – Teil 30

Um Kopf und Kragen

»Hallo Freund«

Obwohl mir der Ruf anhaftete, ein ziemlich harter Hund zu sein, musste ich jetzt doch schlucken. Himmel noch mal, sollte ich auf meine alten Tage tatsächlich noch sentimental werden?

Es fehlte nur noch, dass ich feuchte Augen bekam.

Aber soweit gingen meine Gefühle dann doch nicht, obwohl ich zugeben musste, dass mir das Wiedersehen mit Skmil doch irgendwie nahe ging. Er war zwar nicht unbedingt das, was man gemeinhin als Busenfreund bezeichnet, aber als mir der riesenhafte Kerl mit einer fast liebevollen Geste seine Pranke auf die Schulter legte, kamen doch Bilder in mir hoch, an die ich mich gerne zurückerinnerte.

Während unserer kurzen Bekanntschaft hatten wir so einiges erlebt, und was noch nachhaltiger in meinem Gedächtnis verblieben war, mit ihm verband ich die Erinnerung an Yalla. Auch wenn es derzeit eine andere Frau in meinem Leben gab, Yalla würde immer ein Teil von mir bleiben.

Nachdem ich Skmil begrüßt hatte, wandte ich mich wieder Linda zu.

»Wie um alles in der Welt bist du an Skmil geraten?«

»Ich habe ihn aus den Katakomben befreit. Dort unten gibt es übrigens noch mehr von seiner Sorte. Ziemlich primitiv diese Leute, aber für meine Pläne genau das Richtige.«

Wenn Linda vorhatte, mich zu überraschen, war ihr das rundherum gelungen. Meine Augen wurden so groß wie Spiegeleier und vor lauter Staunen öffnete ich den Mund. Später einmal sagte sie mir, dass ich in diesem Moment aussah wie jemand, der nicht mehr alle Latten am Zaun hatte.

»Wie … Katakomben, was meinst du damit?«

Linda lächelte mich für eine Sekunde geradezu nachsichtig an.

Dann begann sie mit ihren Erklärungen. Doch je länger ich ihr dabei zuhörte, umso mehr beschlich mich ein ungutes Gefühl. Selbst jemand, der auf den Kopf gefallen war, musste merken, dass hier etwas nicht stimmte.

»Nachdem du den Hubschrauber vom Sicherheitsdienst abgeschossen hattest, war mir klar, dass sie uns da draußen mit allem, was sie haben, jagen würden. Die Organisation kann es sich noch nicht leisten, jemanden aus dieser Area entkommen zu lassen. Also musste ich mit dir untertauchen, und damit kommt er ins Spiel.« Dabei zeigte sie auf Skmil, der sie im Gegensatz zu mir bereits vom ersten Moment an argwöhnisch beobachtete.

Ich stutzte ob seines unverhohlenen Misstrauens.

Ahnte er mit seinen primitiven Instinkten etwas, von dem ich noch nichts wusste?

Auch wenn ich Linda gegenüber gewisse Gefühle empfand, der Blick aus Skmils Augen brachte in mir eine gewisse Saite zum Schwingen. Mein Leben als Sicherheitsagent und Wachmann hatte mich in den zurückliegenden zwölf Jahren für bestimmte Dinge deutlich stärker sensibilisiert als jemanden, der tagtäglich einem geregelten Leben nachging, also mit Frau und Kind zu Hause, jeden Tag arbeiten im Büro und am Wochenende ab ins Grüne.

Je länger ich ihr zuhörte, umso unruhiger wurde ich.

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Hatte sie gerade eben nicht etwas gesagt, das sich wie ihre Pläne anhörte?

Seltsam, denn bisher war immer von uns und unseren gemeinsamen Plänen die Rede.

Was hatte sie vor?

Ich beschloss, Linda von nun an etwas vorsichtiger zu begegnen.

 

***

 

»Ich habe durch Zufall davon erfahren, dass man vor einigen Tagen eine Gruppe von Nayanos eingefangen hat, die abseits ihrer Stammesgebiete durch das Land streiften. Sie wurden aufgegriffen und eingesperrt. Kein Wunder, ein besseres Forschungsmaterial als diese Primaten gibt es in der ganzen Area nicht. Ihr Pech war sozusagen mein Glück.«

»Was willst du damit sagen?«

Linda lächelte erneut.

Ich nickte ihr auffordernd zu, aber dann fiel mein Blick wieder auf Skmil und plötzlich war alles ganz anders. Zum ersten Mal betrachtete ich Linda mit anderen Augen.

Sie lächelte noch immer und sah dabei wieder einmal hinreißend aus. Aber diesmal betrachtete ich sie nicht wie sonst durch meine rosarote Brille, sondern mit einer gehörigen Portion Skepsis.

Was soll ich sagen? Auf einmal erschien sie mir in einem ganz anderen Bild.

Ihr Lächeln wirkte plötzlich gar nicht mehr bezaubernd sondern eher aufgesetzt. Ein zweiter, genauerer Blick zeigte, dass dieses Lächeln zwar auf ihren Mundwinkeln lag, aber nicht die Augen erreichte. Ihr Blick wirkte kalt und berechnend.

Während ich mir das Hirn auf der Suche nach dem Grund ihres plötzlichen Sinneswandels zermarterte, redete sie weiter.

Aber ihre Worte erreichten mich nicht mehr.

Ihre Stimme drang wie durch einen dichten Nebel hindurch an mein Ohr.

»Ich wusste um deine Freundschaft mit diesen Steinzeitmenschen, du hast schließlich oft genug von ihnen geredet. Was lag also näher, als die Zellen zu öffnen und in deinem Namen um Hilfe zu bitten?«

»Und dann?«, fragte ich beiläufig. Ich war mit meinen Gedanken immer noch woanders.

»Was – und dann! Wie du siehst, hat es doch funktioniert. Glaub mir, ohne die Hilfe dieses Halbaffen da wären wir jetzt nicht hier. Alleine hätte ich dich niemals hierher bringen können.«

Skmil rührte sich zwar nicht von der Stelle, aber bei dem Wort Halbaffen begannen seine Augen tückisch zu funkeln. Ich sah ihn an, im Gegensatz zu Linda, und bemerkte, wie er zornig das Gesicht verzog und die Zähne bleckte.

»Okay, aber wie stellst du dir vor, dass es weitergeht? Ich glaube kaum, dass wir hier auf lange Sicht hin unentdeckt bleiben, dazu haben wir mit Pasquales Tod und unserer Flucht viel zu viel Staub aufgewirbelt.«

»Das weiß ich selber, deshalb habe ich meine Pläne auch geändert.«

Ich zuckte unmerklich zusammen.

Da war es wieder, dieses Wort »meine«, eigentlich nur fünf Buchstaben, aber sie veränderten so vieles zwischen uns.

»Und wie lauten deine Pläne jetzt?«, fragte ich mit einer leicht zynischen Stimme, aus der die Betonung auf »deine« deutlich herauszuhören war.

Linda war nicht taub, mein Tonfall musste ihr garantiert aufgefallen sein, trotzdem ließ sie sich nichts anmerken.

»Wir gehen wieder in die Katakomben zurück, überwältigen die Wachen und befreien die anderen Nayanos. Durch ihre Flucht sind alle abgelenkt, sodass wir diesmal garantiert aus der Area herauskommen. Eigentlich ganz einfach, oder?«

Der Plan war in der Tat einfach, aber es gab da einige Wenn und Aber, die mir gewaltige Bauchschmerzen verursachten.

Allein das Problem mit den Wachen.

Die Männer waren wahrscheinlich nicht nur alle schwer bewaffnet, sondern auch skrupellos genug, ihre Gewehre auch gegen Frauen einzusetzen. Ich selber hatte das ja bereits zur Genüge mit ansehen können. Außerdem wusste selbst Linda nicht, wie groß die Stärke der Wachmannschaft war. Wir jedenfalls waren nur zu dritt, ein gesundheitlich immer noch angeschlagener Sicherheitsagent, eine skrupellose Wissenschaftlerin und Skmil, ein Baum von einem Kerl mit dem Verstand eines Kindes.

Nicht gerade ein Team, mit dem man in den Krieg ziehen wollte.

Aber hatte ich eine andere Wahl?

Ich wusste, dass das, was jetzt kam, mich um Kopf und Kragen bringen konnte, aber verdammt noch mal, es war anscheinend die einzige Möglichkeit, aus dieser ganzen Scheiße herauszukommen.

»Also, was ist, können wir jetzt endlich gehen?«

»Erst, wenn ich wieder etwas zum Anziehen bekomme, ich habe nämlich nicht die geringste Lust, in diesem Aufzug hier durch die Gegend zu rennen.«

Dabei zeigte ich auf die zerschlissene Decke, die um meine Hüften geschlungen war und die mehr freigab, als sie verbarg.

Ohne eine Miene zu verziehen, warf mir Linda ein Kleiderbündel zu, das sie aus irgendeiner dunklen Ecke des Zimmers hervorzauberte. Im Gegensatz zu Skmil blieb ihr Gesicht völlig ausdruckslos, als sie mir zusah, wie ich mich ankleidete. Bei dem Nayano hingegen glaubte ich, ein schadenfrohes Grinsen gesehen zu haben.

 

***

 

Unvermittelt hielt Linda eine Taschenlampe in der Hand.

Ein kleines, silbernes Etwas, dessen blaues Licht aber überraschend hell aufleuchtete. Zum ersten Mal, seit ich die Augen wieder aufgeschlagen hatte, konnte ich meine Umgebung genauer betrachten. Der Raum, in dem ich mich befand, war tatsächlich riesengroß. Wir befanden uns ungefähr in der Mitte einer weitläufigen Halle, welche die Ausmaße von mindestens zwei Fußballfeldern hatte.

Der größte Teil davon war mit ausrangierten Möbeln und diversem anderem Kram zugestellt, auf dem eine fingerdicke Staubschicht lag.

Hier war seit Ewigkeiten kein Mensch mehr gewesen.

Linda hatte, was das Versteck anbelangte, das richtige Näschen gehabt. Allerdings ein schwacher Trost angesichts der Tatsache, dass wir uns immer weiter entfremdeten, je länger wir zusammen waren. Eine ziemlich beschissene Situation, wenn man die Lage bedachte, in der wir uns befanden.

Bevor ich einen weiteren Gedanken an das, was kommen würde, verschwenden konnte, handelte Linda. Sie drehte sich einfach um und lief den schmalen Gang entlang, der sich schlangengleich zwischen dem überall herumstehenden Gerümpel zum nördlichen Ende der Halle hin schlängelte. Ich hörte Skmils Schnauben hinter mir, wandte mich aber nicht zu ihm um, sondern versuchte, Linda zu folgen, die inzwischen von einer Art zügigem Gehen in ein schnelles Laufen übergegangen war.

Genauer gesagt rannte sie durch die Halle, bis sie abrupt vor einer Treppe stoppte, deren Stufen nach unten auf eine Stahltür führten, deren grauer Anstrich fast vollständig abgeblättert war und den Blick auf mehrere vom Rost zerfressene Stellen freigab.

Linda wies Skmil an, die Tür zu öffnen.

Als ich sah, wie er sich dabei anstellte, wusste ich, warum.

Das Ding saß augenscheinlich so fest in seinen verrosteten Angeln, dass er seine ganze Kraft aufbieten musste, um diese Tür zu öffnen. Ich konnte deutlich sehen, wie sich seine Nackenmuskeln wölbten. Linda und ich hätten also keine Chance gehabt, hier weiterzukommen.

Als die Tür mit einem schrillen Krächzen schließlich nach innen schwang, schlug uns eine Wolke aus muffiger, abgestandener Luft entgegen.

Wie aus einem Grab, dachte ich noch, dann hörte ich jemanden schreien.

Fortsetzung folgt …