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Jackson – Teil 20

Geständnisse

Ich richtete den Oberkörper auf und stieß Linda von mir weg.

Am liebsten hätte ich mir vor lauter Wut in den Arsch gebissen, aber ich ließ es bleiben. Ich hätte mir eh nur den Hals verrenkt, mehr wäre dabei nicht herausgekommen.

Ich hatte beinahe zwei Jahrzehnte gebraucht, um mir als Bodyguard und Sicherheitsagent einen Namen zu verschaffen. Wer diese Haifischbranche kennt, weiß, dass so etwas alles andere als ein Zuckerschlecken ist. In diesem Metier kann man nur überleben, wenn man härter, schneller und vor allem bösartiger ist als der Rest der Konkurrenz.

Aber das gelang nur, wenn man sich nicht ablenken ließ. Weder von Geld, Alkohol und Drogen noch von irgendwelchen Interessengruppen oder so wie in meinem Fall von einer Frau.

Dass ich jetzt in der Scheiße saß, hatte ich mir selber eingebrockt, aber so ist das nun mal, wenn ›Mann‹ mit dem Schwanz denkt und nicht mit dem Hirn.

Ich kam mir vor wie ein Idiot.

Anstatt zusammen mit Linda, dem Jeep und einer Waffe in der Hand den Ausbruch aus dieser verrückten Welt zu versuchen, saß ich nackt und wehrlos wie ein Neugeborenes im heißen Wüstensand, verbrannte mir meinen Allerwertesten und wartete wie ein dummer Schuljunge auf das Herannahen der weißen Männer.

Denn dass die Stiefeltritte von ihnen stammten, stand für mich außer Frage.

In wenigen Augenblicken stand ich meinen Todfeinden gegenüber. Und warum?

Weil ich für die Aussicht auf eine schnelle Nummer die elementarsten Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen hatte, die man beherzigen sollte, wenn man in einer menschenfeindlichen Umwelt derlei Dinge plante.

Ich hatte mich weder vergewissert, dass wir ungestört waren, noch die Waffe bereitgelegt für den Fall, dass sich unliebsamer Besuch einstellen sollte.

Diese Waffe war an sich nichts Weltbewegendes, nur eine schmale, silberfarbene Beretta. Eine dieser kleinkalibrigen Taschenkanonen, wie sie gerne von Frauen benutzt werden. Linda hatte sich den winzigen Knaller zugelegt, um sich unter all den Männern im Basislager nicht gänzlich wehrlos zu fühlen. Das Ding sah zwar putzig aus, aber die Löcher, die es stanzte, waren genauso tödlich wie die einer Magnum.

Aber sie war die einzige Waffe, die wir besaßen, und nun, wo ich sie am nötigsten hatte, lag sie nicht in meiner Hand, sondern irgendwo zwischen unseren Kleidern, die wir uns in ungestümer Begierde förmlich vom Leib gerissen und achtlos zu Boden geworfen hatten.

Ein unverzeihlicher Fehler, den ich leider nicht mehr rückgängig machen konnte.

Dazu war es zu spät.

»Was ist los?«

Lindas Stimme vibrierte vor Erregung.

Bevor ich ihr antworten konnte, wurden die Stiefeltritte immer lauter.

Ich war lange genug bei der Army, um herauszuhören, dass eine Viererkolonne im militärischen Gleichschritt um die Hügel herummarschierte.

Sie mussten jeden Moment hier sein. Ich fuhr hektisch in meine Hose, während Linda auf allen vieren über den Boden kroch, um ihre Kleider einzusammeln. Ein Anblick, der mich normalerweise auf dumme Ideen brachte, aber nicht jetzt. Stattdessen zuckten meine Blicke zu den nahen Hügeln und in meinem Kopf jagte ein unheilvoller Gedanke den anderen.

Die Anspannung ließ meinen Körper verkrampfen und meine Kehle war plötzlich staubtrocken. Ich rechnete bereits mit dem Schlimmsten, als plötzlich etwas Merkwürdiges passierte. Etwas sehr Merkwürdiges.

Es geschah von jetzt auf gleich und vollkommen lautlos.

Direkt hinter den Hügeln, nur wenige Schritte von uns entfernt, erglühte der Himmel in einem gelbweißen Licht von solcher Intensität, das ich aufstöhnend die Augen schloss.

Ein dumpfes Brummen erfüllte die Luft, als wären eine Million Bienen im Anflug.

Als ich einen Atemzug später meine Augen wieder öffnete, war das rätselhafte Licht genauso plötzlich verschwunden, wie es aufgetaucht war und es herrschte eine geradezu gespenstische Stille.

Es schien, als hielte das Land den Atem an.

Sekundenlang geschah nichts, absolut nichts. Nada, Null, Njiente.

Das gleichmäßige Stampfen der genagelten Stiefelsohlen auf dem hart gebackenen Wüstenboden war ebenso verstummt wie das Säuseln des Windes und die immer wiederkehrenden Laute der Tierwelt. Unser Atmen war das einzige Geräusch.

»Was zum Teufel war das?«

Linda sagte keinen Ton.

Stattdessen sortierte sie ihre Kleider und ging, nachdem sie wieder vollständig angezogen war, zielstrebig um die Hügelkette herum. Ich folgte ihr instinktiv und es dauerte nicht lange, bis wir das letzte Sichthindernis umgangen hatten. Dann, nach einem kurzen Blick auf das vor uns liegende Land, stieß Linda einen Schrei aus, wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht schluchzend an meiner Brust.

Ich sagte nichts, ich hatte genug damit zu tun, mich zu beherrschen.

Allein der Anblick versetzte mir einen Schlag in die Magengrube, ich wollte in diesem Moment gar nicht wissen, wie es passiert war.

Vor uns auf dem Boden zeichneten sich die Gestalten von vier Menschen im Sand ab. Menschen, wie sie aufgrund ihrer Konturen nicht unterschiedlicher hätten sein können. Einer war groß, einer klein, einer dick, der andere dünn.

Das Entsetzliche an diesem Bild jedoch war, dass diese Gebilde nicht aus Fleisch und Blut bestanden, sondern aus grauweißen Aschehäufchen.

Irgendetwas hatte unsere vier Verfolger im Bruchteil einer einzigen Sekunde in eine Handvoll Staub verwandelt. Als ich mit ansah, wie der stetige Wind die Asche aufwirbelte und das, was von ihnen übrig geblieben war, einfach in alle Himmelsrichtungen verstreute, ballte ich die Hände zu Fäusten.

 

***

»Du hast es geahnt, nicht wahr?«

Härter als nötig packte ich Linda an den Schultern und zwang sie, mir in die Augen zu sehen.

»Was verheimlichst du noch alles vor mir?«

»Du tust mir weh«, sagte sie heiser.

Ich lockerte meinen Griff und sie machte instinktiv einen Schritt nach hinten.

»Ich habe es nicht gewusst, es war nur so eine Ahnung. Im Lager hat man immer wieder davon gesprochen.«

»Von was?«

»Dass man das Gebiet, in dem unsere Forschungen stattfinden, mit einer Art unsichtbaren Zaun umgeben hatte, der auf Basis von Lasertechnik funktioniert.«

Ich brauchte geraume Zeit, um das Gehörte zu verdauen.

Dann machte ich die Probe aufs Exempel.

Ich bin keine Intelligenzbestie, ich bin auch heute noch ein einfach gestrickter Bursche, der nur das glaubt, was er mit eigenen Augen sehen oder mit den Händen anfassen kann. Ich nahm also einen Holzstrunk vom Boden auf, irgendein abgerissener Ast, eine Wurzel oder was weiß ich und warf ihn nach vorne.

Das Ergebnis verursachte mir Migräne.

Das Teil flog so durch die Luft, wie man es von einem Stock oder einem Ast eben erwartete, den man geworfen hatte. Aber nur bis zu einem bestimmten Punkt in der Landschaft. Dann zuckte wie aus dem Nichts ein Blitz heran. Kleine Flammen umhüllten den Holzstrunk und dann bestand das, was zu Boden fiel, nur noch aus grauweißer Asche.

Ich benötigte einige Sekunden, um meine Fassung wiederzuerlangen.

Wer das hier auch konzipiert hatte, er verstand sein Handwerk.

Niemand, der gezwungen war, sich hier aufzuhalten, konnte das Areal verlassen. Der Zaun, der genauso unsichtbar wie tödlich war, ließ keinerlei Möglichkeit zu einer Flucht zu. Allmählich begann ich Linda zu verstehen, wenn sie sagte, dass unsere Chance auf ein Entkommen nur im Hauptquartier lag. Aber dazu mussten wir es erst erreichen, und zwar, bevor das Basiscamp, aus dem wir geflohen waren, mit dem Headquarter in Verbindung treten konnte.

Uns war klar, dass von jetzt an jede Sekunde zählte.

Deshalb übernahm diesmal ich das Steuer.

Ich ließ den Motor an und wartete, bis Linda wieder im Wagen saß.

Dann, nachdem der Jeep ins Rollen kam, schaltete ich hoch und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Es dauerte nicht lange, bis sich die Nadel des Tourenzählers in den roten Bereich gezittert hatte. Der Wagen kämpfte sich fortan mit dröhnendem Motor durch den australischen Busch, bis ich irgendwann auf einem Bergkamm in die Eisen stieg.

Der serpentinenartige Wüstenpfad, der von unserem Standort aus nach unten ins Tal führte, wurde urplötzlich so schmal wie ein Nadelöhr. Die Straße, oder wie immer man das auch nennen konnte, was mich näher zum Hauptquartier brachte, entwickelte sich dabei langsam mehr und mehr zu einem Schotterweg, der kaum breiter war als unser Jeep. Einen Steinwurf weit vor uns wurde der Weg dann auf der einen Seite von hoch aufragenden Felswänden begrenzt, während auf der anderen ein steil abfallender Abgrund gähnte, der sicherlich fünfhundert Yards, wenn nicht sogar mehr, nach unten führte.

Ein einziger Fahrfehler und meine Abenteuer in dieser verrückten Welt waren Geschichte.

Dementsprechend langsam kamen wir nun auch voran.

Doch irgendwann war auch dieser Weg zu Ende und wir gelangten ins Tal. Es war weit größer, als ich erwartet hatte. Es gab sogar Nebentäler und Canyons, die vom eigentlichen Tal abzweigten.

Ich stoppte den Jeep erneut.

Unwillkürlich pfiff ich leise durch die Zähne.

Umgeben von hoch aufragenden Bergen, deren rotes Felsgestein im Schein der hochstehenden Sonne Purpur leuchtete, erstreckte sich vor uns eine Landschaft, wie sie urwelthafter und unberührter nicht hätte sein können. Obwohl nirgends ein Lebewesen zu sehen war, vermeinte ich hier ein Stück Erde zu erkennen, wie sie wohl kurz nach dem Urknall ausgesehen haben musste.

Wild und zerrissen, und obwohl das Land offensichtlich nur aus Sand, Steinen und sonnenverbranntem Gestrüpp zu bestehen schien, von einer geradezu einsamen Schönheit.

Der Gedanke, hier auf Dinosaurier oder Urweltmenschen zu stoßen, erschien mir mit einem Mal gar nicht mehr so abwegig.

Fortsetzung folgt …

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