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Porterville – Folge 5

Porterville – Folge 5
Die Akte Tori

Die 18-teilige Mystery-Serie Porterville ist keine normale Serie, wie du sie kennst. Denn sie funktioniert wie eine Art Puzzle: So ist jede Folge von Porterville wie ein neues Puzzle-Teil. Das bedeutet, die Geschichten beginnen nicht unbedingt da, wo du bei der letzten Folge aufgehört hast. Doch mit jeder neuen Folge erhältst du tiefere Einblicke in die Stadt und ihre Bewohner, bis sich das rätselhafte Gesamtbild immer mehr zusammensetzt und am Ende die Frage geklärt wird: »Was ist das dunkle Geheimnis der Stadt Porterville?«

Raimon Weber
Porterville – Folge 5
Die Akte Tori
gelesen von Luise Helm
Prolog: Benjamin Völz

Mystery, E-Book/Hörbuch, Folgenreich

Der Schrei bricht abrupt ab. Er verklingt nicht. Er wird abgeschnitten. Eine Lehrerin verschwindet. Man sagt, es sei ein Unfall. Die Schüler sind gewarnt. Haltet euch nur im Hellen auf! Doch das tödliche »Draußen« hat Porterville längst erreicht. Und Tori, die beste Freundin von Emily, bekommt eine neue Aufgabe. Sie muss in einem scheinbar leeren Raum darauf warten, dass etwas Unglaubliches geschieht …

Hörbuch: MP3, 6 Tracks, 1:26 Stunden, 4,99 Euro
E-Book: 82 Seiten, 1,49 Euro

Über den Autor

Geboren in Unna. 1998 legte Raimon Weber seinen ersten Kurzgeschichtenband vor. Bis 2005 als Autor der Jugendhörspielreihe Point Whitmark und der Hörspielserie Gabriel Burns. Heute ist er als Autor, Medientrainer und Produzent tätig. Außerdem bearbeitet er als Storydoktor Fremdtexte wie Drehbücher oder Prosa. Natürlich anonym. 2003 startete Raimon Weber mit Wir waren unsterblich die erfolgreiche Krimireihe Ruhr.Tod.Roman. Seit dem Start im Jahre 2002 ist Raimon Weber an Europas größtem Krimifestival Mord am Hellweg beteiligt. Seine Recherchen treiben ihn in die geschlossene Forensische Psychiatrie, auf hohe Fabrikschornsteine oder in Verbrennungsanlagen für amputierte Gliedmaßen. 2010 verfasste er mit einem Autorenkollektiv die mehrfach preisgekrönte Hörbuch-Thrillerserie Darkside Park. Die wegen des großen Erfolges auch als dreibändige Print-Ausgabe erschien. Seit Februar 2013 erscheint als Fortsetzung der Serie Darkside Park die E-Book-Reihe Porterville.

Hörprobe
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Leseprobe

Tag 185, Jahr 0048

»Schwere Zeiten«, murmelt Mr. Landino. »Wahrhaft schwere Zeiten, Tori.«
Ich weiß nicht genau, was er damit meint. Daher schweige ich lieber.
Er trägt zivile Kleidung. Keine Uniform. Obwohl er zur IFIS, der Instanz für Innere Sicherheit gehört. Er ist alt und aus seinen Ohren wachsen weiße Haarbüschel. Wenn Mr. Landino spricht, muss man genau zuhören, um ihn zu verstehen. Seine Stimme ist immer sehr leise. Anfangs dachte ich, er sei krank. Aber mittlerweile vermute ich, dass es ein Trick ist, um mir absolute Aufmerksamkeit abzuverlangen.
Mr. Landino überfliegt noch einmal meine handgeschriebenen Notizen. »Emily Prey hat in der Nacht vor ihrem Verschwinden eine junge Mitschülerin gerettet. Einen Frischling. So nennt ihr sie doch. Nicht wahr, Tori?«
»Genau«, bestätige ich. »Emily kam sehr spät zurück. Ich habe so getan, als ob ich schlafe und bin ihr dann heimlich gefolgt. Emily ging in den Trainingsraum. Dort verpassten Debra und ihre Freundinnen der Neuen eine Lektion.«
»Eine Lektion«, wiederholt Mr. Landino nachdenklich. Dabei fährt er sich durch das schüttere Haar. »Sie haben das Mädchen gefesselt und aus nächster Nähe mit Basketbällen beworfen. Es trug einen Schädelbruch davon.«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll und warte ab. Mein Blick wandert zu dem Porträt von unserem Bürgermeister an der Wand. Der ehrenwerte Takumi Sato hat ein mildes Lächeln auf den Lippen. In der rechten Hand hält er eine Blume mit weißer Blüte.
»Beteiligst du dich manchmal an derartigen Lektionen?« Mr. Landino sieht mich durchdringend an.
»Äh«, mache ich.
»Tori? Ich wünsche eine ehrliche Antwort.«
»Nur an kleinen Streichen«, erwidere ich zögernd.
Mr. Landino scheint zufrieden. »Gut.«
»Aber Debra wurde nicht bestraft.« Sofort wird mir bewusst, dass ich mit der Bemerkung vielleicht zu weit gegangen bin. Es steht mir nicht zu, das Vorgehen der Schulleitung in Frage zu stellen.
»Was nicht ist, kann noch werden.« Jetzt flüstert er beinahe.
Sein Schreibtisch ist bis auf mein Notizheft und das Modell eines merkwürdigen Autos völlig leer. Bei meinem letzten Besuch war das Auto noch nicht da. Es hat kein Dach und am Steuer sitzt ein grünes und haariges Monster. Irgendwie passt dieses Spielzeug überhaupt nicht zu dem stets korrekten Mr. Landino.
Er bemerkt, wie ich das Modell betrachte. »Du weißt, was das ist?«, fragt er.
»Ja«, antworte ich. »Die Nutzung von privaten Fahrzeugen wurde wie viele weitere überflüssige Dinge am Tag 35 im Jahre 0035 endgültig untersagt. Zwecks Schonung der Energieressourcen. Es macht ja auch keinen Sinn, ein solches Fahrzeug zu benutzen, wenn man damit nur in der Stadt herumfahren kann. Der Tag 35 wird seitdem alljährlich als Tag der Vernunft gefeiert. Ich freue mich immer sehr darauf. Wir dürfen dann fasten.«
Mr. Landino seufzt. »Das hast du brav aufgesagt, Tori.« Er tippt mit dem Zeigefinger gegen das Heck des Modells. Es rollt ein paar Zentimeter in meine Richtung. »Aber hier geht es um den Fahrer. Den Green Goblin. Er ist das Maskottchen der Porterville Patriots.«, murmelt Mr. Landino. »Ich bin ein großer Fan dieser Football-Mannschaft.«
Ich gebe ein bemühtes »Aha!« von mir. Ich weiß nicht, was an dem Auto interessant sein soll und Football finde ich ekelig. Sofort muss ich an dieses Poster denken, das früher in unserem Klassenraum hing. Es zeigte auf der linken Seite einige Mädchen, die auf sehr ästhetische Weise Gymnastik betrieben. Auf der rechten Seite prügelten sich ein paar verschwitzte Jungen in engen Hosen um einen Football.
Mr. Landino schlägt mit der flachen Hand auf die Tischplatte und wechselt abrupt das Thema. »Es gibt Leute, die sind mit dir nicht ganz zufrieden.«
Ich öffne überrascht den Mund, aber Mr. Landino bedeutet mir mit einer strengen Geste zu schweigen.
»Sie behaupten, du hättest wissen müssen, dass Emily Prey mit ihrem Freund verschwinden will. Dann hätte es rechtzeitig verhindert werden können.«
»Emily hat mir doch nichts erzählt«, erwidere ich und mir wird vor Aufregung ganz heiß. »Nur, dass sie sich in einen Jungen namens Jonathan verliebt hätte. Ich fand das furchtbar ekelig. Aber sie wollte nicht auf mich hören. Und …« Ich suche nach Worten. »Und pflichtgemäß habe ich sofort einen Bericht über dieses unsittliche Verhalten an Sie weitergegeben, Mr. Landino.«
Er nickt. »Das hast du, Tori. Allerdings wäre es hilfreich gewesen, wenn du mehr über das, was Emily und ihr Freund planten, herausgefunden hättest.«
Ich bin mir sicher, dass ich vor Scham rot anlaufe. »Bitte, Mr. Landino! Wenn ich das Thema auch nur andeutete, erzählte mir Emily sofort davon, wie sie sich mit dem Jungen geküsst hat. Und von noch viel widerlicheren Dingen. Das habe ich nicht ertragen!« Tränen schießen mir in die Augen. Bei dem bloßen Gedanken an solches Tun wird mir speiübel.
»Beruhige dich, Tori.« Jeglicher Vorwurf ist aus Mr. Landinos Stimme verschwunden. »Deine überaus züchtige Grundeinstellung ehrt dich. Ich werde das in meiner Bewertung hervorheben.«
»Danke«, sage ich und schmecke eine salzige Träne auf meinen Lippen. Hastig wische ich mir mit dem Ärmel über das Gesicht. »Gibt es noch immer keine Spur von Emily?« Meine Freundin ist seit zwei Tagen verschwunden.
Mr. Landino reckt das Kinn, kneift die Augen zusammen und lächelt schmallippig. »Ich werde dir drei Geheimnisse verraten. Du musst sie für dich behalten. Tust du es nicht, werde ich umgehend davon erfahren. Du weißt, was das bedeuten würde?«
Ich schlucke. »Dann dürfte ich niemals zur Instanz für Innere Sicherheit.« Es ist mein größter Wunsch, in nicht allzu ferner Zukunft die weiße Uniform der IFIS zu tragen, um Porterville beschützen zu können.
»Mindestens«, flüstert Mr. Landino. »Das erste Geheimnis ist der Familienname von Emilys Freund Jonathan. Er lautet Sato.«
»Was?« Reflexartig wandert mein Blick wieder zum Porträt des Bürgermeisters.
»Genau. Das hat Emily selbst dir nicht verraten.« Ohne sich umzuwenden deutet Mr. Landino mit dem Daumen auf das Bild hinter seinem Rücken. »Jonathan ist sein Enkel.« Er lässt mich nicht zu Atem kommen und fährt fort: »Das zweite Geheimnis besagt, dass die beiden Ausreißer einen Weg nach Draußen suchen.«
»Unmöglich!«, entfährt es mir. »Das wäre ihr Tod. So verrückt können sie nicht sein.« Ich denke kurz nach. Mr. Landino hat es stets befürwortet, wenn man sich seine eigenen Gedanken über das Verhalten seiner Mitmenschen macht. Eine permanente Analyse der Schutzbefohlenen sei eine der wichtigsten Aufgaben der IFIS.
»Wenn Emily, wie sie es nennt, verliebt ist, würde sie doch nicht ihr Leben wegwerfen«, argumentiere ich. »Außerdem gibt es keinen Weg nach Draußen.«
Mr. Landino zögert einen winzigen Augenblick. »Damit leitest du zum dritten Geheimnis über. Das Draußen kommt zu uns. Die Spezialisten der IFIS glauben, dass etwas in die Stadt einsickert. Etwas Gefährliches.«
Mir ist sofort klar, dass er nicht die Greybugs, die grauen, gummiartigen Käfer meint, die sich in der Stadt breitmachen. Man versucht, sie zu vernichten, aber es kommen einfach immer mehr und fressen alles Mögliche an.
»Ist es groß?«, frage ich.
Mr. Landino zuckt mit den Schultern.
»Denn wenn es groß ist, muss es ja einen ebenso großen Weg gefunden haben, um den Schutzschirm und die Mauern zu überwinden. Wo man reinkommt, kommt man auch wieder raus.«
Mr. Landino ist belustigt. Sein Lachen besteht aus leisen Zischlauten. »Du denkst an Emily und ihren Freund. Wenn sie einen solchen Weg gefunden haben, was ich nicht glaube, sind sie bei den ersten Schritten ins Draußen jämmerlich zu Grunde gegangen.«
Die Vorstellung entsetzt mich. Emily ist meine Freundin. Ich informiere Mr. Landino und die IFIS nur, um Emily vor ihrem fehlgeleiteten Verhalten zu beschützen. Sie gilt als instabil. Eine Einschätzung, die ich gerade seit der letzten Zeit als absolut zutreffend ansehe.
»Das junge Paar wird sich wohl eher in ein geheimes Liebesnest zurückgezogen haben«, sagt Mr. Landino.
Sofort habe ich die Bilder von unzüchtigem Verhalten vor Augen. Nackte Körper, die sich berühren. Nasse Lippen, die aufeinander gepresst werden. Ich muss mich unwillkürlich schütteln.
Mr. Landino betrachtet mich mit einem völlig neutralen Gesichtsausdruck. Er analysiert mein Verhalten. Ich bin mir sicher, dass er meine natürliche Reaktion auf Abnormes zu schätzen weiß.
Er öffnet eine Schublade in seinem Schreibtisch und holt ein Sammelbild hervor. »Ich glaube, das fehlt dir noch.«
Das kleine Bild zeigt eine junge Frau mit geschultertem Gewehr. Sie trägt die weiße Uniform der IFIS und blickt mit einem Fernglas in nebelhafte Ferne. Obwohl sie nur ein paar Jahre älter als ich zu sein scheint, bekleidet sie bereits einen hohen Rang. Das zeigen die goldenen Schulterlitzen an ihrer Uniformjacke. Auf der Rückseite steht der Titel des Bildes: Die Wächterin
»Danke«, sage ich. »Sie sieht toll aus.«
Mr. Landino deutet zur Tür. »Du kannst gehen.«
Ich erhebe mich und frage kleinlaut: »Gibt es keinen neuen Auftrag für mich?«
»Noch nicht, Tori. Aber du wirst von uns hören. Bewahre unsere Geheimnisse und halte dich in der nächsten Zeit nicht in der Dämmerung oder bei Nacht im Freien auf.«

Quellen: