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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jackson – Teil 13

Sie nannten ihn Balun

Ich folgte dem Rauch, dessen Ursprung irgendwo vor mir im Südosten liegen musste. Der Weg dorthin führte zu einer Hügelkette. Dort angelangt blieb ich am Fuß eines Hangs stehen und legte den Kopf in den Nacken.

Der Weg hinauf schien nicht besonders steil und die Sicht dort oben war mit Sicherheit um ein Vielfaches besser als hier im Flachland, also überlegte ich nicht lange, sondern marschierte zielstrebig weiter.

Der Anstieg entpuppte sich jedoch rasch als ziemlich riskant. Der Untergrund aus rötlichem Felsgeröll geriet bei jedem unbedachten Tritt ins Rutschen und beförderte einen, ob man wollte oder nicht, binnen Sekunden wieder an den Fuß des Hügels zurück. Außerdem war das Geröll so scharfkantig, dass ich jeden einzelnen der Steine selbst durch die dicke Sohle meiner Stiefel hindurch spüren konnte. Mehr als einmal geriet ich prompt ins Stolpern, stürzte auf die Knie und zeriss mir die Uniformhose.

Mühsam rappelte ich mich immer wieder auf und konzentrierte mich jedes Mal stärker darauf, wo ich hintrat. Als ich die Spitze des Hangs schließlich erklommen hatte, war ich trotz der morgendlichen Kühle schweißbedeckt. Keuchend hob ich den Kopf und starrte ins Tal hinunter.

Ich schluckte. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit.

Ungläubig kniff ich die Augen zusammen, öffnete sie wieder, doch das Bild blieb das gleiche.

Der Rauch kam nicht von einem Lagerfeuer, sondern aus dem Kamin einer Lehmhütte, die halb in den gegenüberliegenden Hügel gegraben war.

Die kleine Hütte lag so versteckt zwischen Büschen, Sträuchern und Felsen, dass ich sie niemals entdeckt hätte, wäre das Feuer nicht gewesen.

Die Strahlen der aufgehenden Sonne spiegelten sich in dem einzigen Fenster der Behausung wider, das sich direkt neben dem Eingang befand.

Ich beobachtete das Anwesen eine geraume Weile. Seine primitive Beschaffenheit ließ für mich den Schluss zu, dass sich hier unmöglich ein Quartier der weißen Uniformierten befinden konnte. Gleichzeitig war die Fensterscheibe ein untrügliches Indiz dafür, dass es sich bei den Bewohnern auch nicht um jemanden aus Yallas Volk handelte; Glas war für diese Menschen etwas völlig Unbekanntes.

Ich überdachte meine nächsten Schritte, während ich die Lage weiterhin sondierte.

Eigentlich gab es nicht viel zu überlegen, ich konnte es mir nicht leisten, die Existenz dieser Hütte zu übergehen und nicht nachzusehen, was es mit der Behausung tatsächlich auf sich hatte. So etwas konnte in dieser unwirklichen Gegend ein Fehler sein. Ein ziemlich großer sogar, wie ich insgeheim befürchtete, denn das, was ich bisher hier erlebt hatte, sprengte die Vorstellungskraft eines jeden normalen Menschen.

Also verscheuchte ich die trüben Gedanken aus meinem Kopf und arbeitete mich den Hügel hinunter. Es war einfacher, als ich dachte. Eine Viertelstunde später stand ich bereits an der rechten Hauswand und duckte mich hinter einen Stapel sorgfältig aufgeschichteter Holzscheite.

Ich hielt den Atem an und lauschte. Es war immer noch alles still. Mit dem Finger am Abzug kam ich aus meiner Deckung hervor. Plötzlich wurde die Eingangstür aufgestoßen und ich erstarrte. Jemand begann zu singen und dann hörte ich Schritte.

 

***

Der Mann, der mir unvermittelt gegenüberstand, war kaum mehr als mittelgroß, rotbärtig und wirkte noch ziemlich verschlafen. Sein rundes Gesicht war von Knautschfalten durchzogen und das Haar stand ihm wirr vom Kopf ab. Er schien geradewegs aus dem Bett zu kommen. Sein Oberkörper war nackt und seine Beine steckten in einer löchrigen Unterhose, deren Vorderseite mit gelben Flecken durchsetzt war. In den Händen hielt er einen Korb, dessen Boden mit Holzspänen bedeckt war.

Mir wurde klar, dass er damit ein paar Scheite von dem Holzhaufen holen wollte, hinter dem ich mich bis gerade eben noch versteckt hatte.

Seine Augen weiteten sich jäh, als er mich sah. Dann holte er mit dem Korb aus.

Ich ließ ihm keine Chance und sprang aus dem Stand auf ihn zu, hob das Gewehr und stieß ihm den Kolben mit aller Kraft in den Bauch.

Er ließ den Korb fallen und riss den Mund weit auf.

Ein zischender Laut kam über seine Lippen. Die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen. Ohne ein Wort zu sagen, presste er beide Hände gegen seinen Magen und fiel vor mir auf die Knie. Ich wartete, bis er den Kopf hob, und setzte ihm dann die Mündung meiner Laserwaffe auf die Stirn.

»Lebst du alleine hier?«

Der Rotbärtige nickte, so gut es eben mit einem Gewehrlauf am Kopf ging. »Balun immer alleine leben.«

»Okay, dann werden wir jetzt zurück ins Haus gehen. Los, steh auf!«

»Was du wollen?«

Statt einer Antwort stupste ich Balun mit der Waffe an die Schulter und deutete energisch auf den Hütteneingang. Ich hatte keine Lust, mich großartig auf eine Diskussion einzulassen. Ich stand hier wie auf dem Präsentierteller. Baluns Aussage, hier alleine zu leben, war zwar schön und gut, aber Kontrolle war besser.

Ich hatte schon Pferde kotzen sehen und das vor der Apotheke.

Balun erhob sich und ging mit mir in die Hütte zurück. Die Art, wie er sich dabei anstellte, ließ erkennen, dass er durch mein Auftreten ziemlich eingeschüchtert war. Er machte einen verunsicherten Eindruck, als ich hinter ihm über die Türschwelle trat.

»Alles meins«, sagte er leise und setzte sich wie ein artiges Kind auf eine Holzpritsche, während ich mich umsah.

Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum, der zwar primitiv eingerichtet war, aber alles enthielt, was ein Mensch zum Leben benötigte. Es gab einen Tisch, einen Stuhl und das Bett mit den Tierfellen, auf dem Balun Platz genommen hatte. An der Nordwand waren ein paar Regalbretter angebracht, auf denen sich dicht gedrängt allerlei Hausrat wie Teller, Töpfe, Tonkrüge und Tassen drängten, darunter gab es eine Feuerstelle.

Von der Decke hingen ein paar getrocknete Sträucher herab, wahrscheinlich irgendwelche Kräuter.

Ich senkte die Waffe und musterte Balun eingehender.

 

***

Der Kerl stank geradezu penetrant nach Holzrauch, Kaminasche, Schweiß und kalter Pisse, trotzdem war er mir irgendwie sympathisch. Er war der Erste in dieser verrückten Welt, der einigermaßen normal wirkte, außer Yalla natürlich.

Balun war weder missgebildet, noch einer von diesen hirnlosen Idioten, die ich zur Genüge bei den Nayanos gesehen hatte. Seine einfache Sprache führte ich auf den Umstand zurück, dass er wahrscheinlich hier schon seit Ewigkeiten alleine lebte.

Als ich die Musterung seiner Hütte beendet hatte, erhob er sich von seinem Bett und lief zu den Regalen hinüber. Mit schussbereitem Gewehr verfolgte ich jede seiner Bewegungen.

Balun ließ sich nicht beirren. Als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, begann er damit, den Tisch zu decken. Wortlos stellte er zwei Teller auf den Tisch und legte zwei Holzlöffel daneben, deren Form und Aussehen darauf hindeuteten, dass er sie selber geschnitzt hatte. Dann ging er zur Feuerstelle und kam mit einem Topf zurück, der eine Art Brei enthielt. Die grünbraune Masse roch ziemlich verbrannt, aber das interessierte mich nicht. Mein Magen begann augenblicklich zu knurren. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte.

Als Balun aus einem der Tonkrüge im Regal dann auch noch einen Brotlaib hervorzauberte und für mich einen faustgroßen Kanten abbrach, war es endgültig um mich geschehen.

Plötzlich war mir alles gleichgültig und ich schaufelte, stopfte und schlang alles in mich hinein, was mir Balun auftischte.

»Seit wann lebst du hier?«, fragte ich zwischen zwei Bissen.

Baluns Antwort war so einfach wie prägnant. »Jetzt essen, dann reden!«

Ich nickte und schaufelte weiter.

Irgendwann war der Topf leer, das Brot gegessen und ich pappsatt.

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, tätschelte meinen vollgefressenen Wanst und genehmigte mir einen lautstarken Rülpser.

Balun grinste, offensichtlich nahm er das als eine Anerkennung seiner Kochkünste zur Kenntnis. Ich grinste zurück, wurde aber gleich darauf wieder ernst.

»Jetzt mal raus mit der Sprache«, forderte ich. »Was treibst du hier und seit wann wohnst du in dieser Hütte?«

Balun schien nachzudenken, jedenfalls runzelte er die Stirn und verzog sein Gesicht zu einer unmöglichen Grimasse.

Schließlich zuckte er die Achseln und sah mich verschüchtert an.

»Weiß nicht, Balun schon immer leben hier. Hier Hütte und Wasser, ich jagen und sammeln Wurzeln und alles gut.«

Seine Antwort enttäuschte mich bitter. Ich hatte mir von ihm bedeutend mehr erhofft. Aber vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach viel zu groß.

Balun schien das zu spüren. Er kam an den Tisch, musterte mich kurz und sagte dann: »Du eine Menge Ärger, wie?«

Ich nickte und erzählte ihm in groben Zügen von meinen Erlebnissen.

Nicht, dass ich von ihm Verständnis oder gar die Lösung meines Problems erwartete, es war einfach so, dass ich das Bedürfnis hatte, mich mit einem normalen Menschen zu unterhalten. Dabei erwähnte ich auch die Existenz der geheimnisvollen Männer in den weißen Uniformen.

Als ich seine Antwort hörte, fiel ich fast vom Glauben ab.

»Kenn ich«, sagte er. »Sie sagen Balun, wenn sie mich sehen.«

 

Fortsetzung folgt …