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Geisterjäger John Sinclair: Schattenreich Serienhistorie

John Sinclair Band 1840: Schattenreich Atlantis

Autor: Jason Dark
Bastei-Verlag
Erscheinungsdatum: 15.10.2013
Preis: 1,70 €

Bei einer Serie – und das ist Geisterjäger John Sinclair trotz der zahllosen Einzelromane, die in den letzten Jahren ohne richtigen roten Faden erschienen sind, immer noch – ist neben der Qualität der Romane an sich ein weiterer Faktor ungemein wichtig: die innere Logik. Das Universum des Geisterjägers ist zwar nicht so komplex wie beispielsweise das des Perry Rhodan, aber alle Details unter einen Hut zu bekommen, ist dennoch durchaus schwierig.
Für solche Angelegenheiten kann neben dem Autor auch ein Lektor oder die Redaktion zuständig sein. Natürlich ist es auch für diese Leute schwierig, nach mittlerweile 1840 Heften, 312 Taschenbüchern, 50 Gespenster-Krimis, 7 Ersatzromanen, 2 Paperbacks sowie einem Hardcover noch den Überblick zu behalten. Aber das ist nun mal deren Aufgabe, und der Leser erwartet stets eine gewisse Kontinuität.
Im vorliegenden Roman ist diese jedoch in zwei Fällen leider nicht gewährleistet. Zum einen geht es um die Person der Purdy Prentiss, einer Staatsanwältin und guten Freundin von John Sinclair, die zwar zu den neueren Verbündeten des Geisterjägers zählt, allerdings mittlerweile auch schon seit mehr als vierzehn Jahren mit von der Partie ist. In dieser Zeit hat sie so einiges erlebt, etwa Zeitreisen nach Atlantis, wo sie schon einmal gelebt hat, den Tod ihres Lebensgefährten Eric La Salle und später sogar eine unvermeidliche Bettgeschichte mit John Sinclair. Auch Myxin, Kara und den Eisernen Engel konnte sie schon mehrfach kennenlernen, beispielsweise in den Taschenbüchern Nr. 264 und 269, ebenso wie die Flammenden Steine, jenen magischen Ort in Mittelengland, in dem sich Johns atlantische Freunde versteckt halten. In Schattenreich Atlantis ist dies alles jedoch vergessen und Purdy sieht zum ersten Mal die Flammenden Steine und den Eisernen Engel.
Eine weitere, schon länger schwelende Problematik ist der Umstand, dass bei den flaming stones eigentlich vier Atlanter leben sollten – neben den bereits genannten auch die Gefährtin des Eisernen Engels, Sedonia. Diese hatte jedoch nach ihrer Einführung in Band 972 Die Prinzessin von Atlantis nur noch einen einzigen Auftritt, im Tb Nr. 216 Fluchtpunkt Atlantis. Seitdem wurde sie lange Zeit lediglich erwähnt, falsch geschrieben oder – wie in diesem Fall – einfach totgeschwiegen.
Dabei ist es doch eigentlich so einfach, diese Fehler abzustellen: Eine Charakterhistorie, eine Namensliste oder simple Internetrecherche könnten da bereits Abhilfe schaffen.
Doch trotz dieser Mankos weiß Band 1840 erstaunlicherweise ganz gut zu unterhalten …

Im alten Atlantis sucht ein Mann namens Raffi nach seiner Geliebten Lavinia, da er glaubt, dass sie entführt wurde. Allerdings muss er bald feststellen, dass diese Frau eine Mutantin aus dem Schattenreich ist. So wird der Mann gefangen genommen und verliert ein Auge an zwei den Mutanten dienende Vögel. Bevor er von ihnen getötet werden kann, wird Raffi jedoch von einer namenlosen Kriegerin gerettet. Allerdings stirbt er bei seiner Flucht an den schweren Verletzungen.

In der Gegenwart bittet Purdy Prentiss ihren Freund John Sinclair um Hilfe, da sie seit einiger Zeit von einem Stalker verfolgt zu werden scheint. Der Geisterjäger stellt den Mann, Victor Fuller, zur Rede, welcher sich als Wiedergeburt jenes Raffi herausstellt und vor einer Gefahr aus dem Schattenreich Atlantis warnt.

Nachdem Fuller in die Vergangenheit gerissen wird und ein Auge verliert, gerät auch Purdy Prentiss in einen Zeitstrudel. In Atlantis wird sie nicht nur mit den Mutanten konfrontiert, sondern auch mit sich selbst in ihrem ersten Leben …

Zugegebenermaßen passiert in diesem Roman trotz der ausführlichen Inhaltsangabe nicht allzu viel. Insbesondere die Ereignisse im alten Atlantis am Anfang des Heftes wirken erheblich in die Länge gezogen, sind aber durch den in letzter Zeit sträflichst vernachlässigten Schauplatz durchaus reizvoll in Szene gesetzt.
Auch im zweiten Drittel geschieht nicht wirklich mehr, dafür erscheint die Handlung leider nun auch ausgesprochen gestelzt und durch den immer gleichen Schauplatz, ein Restaurant, ziemlich uninteressant. Erst als es Richtung Ende hin wieder nach Atlantis geht, gewinnt der Roman wieder an Spannung.
Allerdings wirkt der Auftritt der drei alten Atlanter Myxin, Kara und dem Eisernen Engel (wir erinnern uns, Sedonia wird wieder einmal nicht erwähnt) eher gezwungen als erfreulich. Gerade als es im Finale gegen lediglich eine Mutantin geht, ist die Übermacht der Kämpfer des Guten nicht gerade spannungsfördernd. Die Darstellung der Atlanter wirkt dabei wie ein fades Abziehbild früherer Zeiten, als wären sie nur des Effekts wegen überhaupt in den Roman eingebaut worden.
Dennoch kann das Finale zumindest dahingehend überzeugen, dass es endlich wieder etwas mehr Action bietet und auch die Hauptgegnerin überraschenderweise entkommen kann. Ob man von Lavinia allerdings noch einmal etwas lesen wird, wage ich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre stark zu bezweifeln.
So bleibt Band 1840 ein recht netter, leidlich unterhaltsam geschriebener Atlantis-Roman, der jedoch an einigen serienhistorischen Fehlern, chronischer Ereignisarmut und einem zu konstruiert wirkenden Auftritt der alten Atlanter krankt. Aus dem Thema hätte man viel mehr herausholen können, schlecht jedoch ist der Roman trotzdem sicher nicht.

Um noch einmal auf Sedonia, der Prinzessin aus Atlantis, zurückzukommen: Wer sich etwas länger mit der Serie beschäftigt, wird feststellen, dass sie bei Weitem nicht der einzige Charakter ist, der im Sumpf des Vergessens versunken zu sein scheint. Zahlreiche andere Personen teilen dasselbe Schicksal und treten aus Gründen, die wohl nur der Autor selbst kennt, wohl nie wieder in Erscheinung.
Aktuellstes Beispiel dafür ist die Mystikerin Serena, die sogar ausführlich in einer Trilogie (Band 1737 – 1739) eingeführt wurde. Nach weiteren Auftritten in den Bänden 1740, 1754, 1755, 1770, 1771 und 1775, in denen sie zunächst bei den Conollys und später bei Jane Collins einzog (bei letzterer sollte sie eigentlich auch noch wohnen, wenn nicht …) und sich dabei mehrfach mit Justine Cavallo und Matthias anlegte, ist sie nun einfach wieder von der Bildfläche verschwunden, ohne dass überhaupt einer der handelnden Charaktere einen Gedanken an sie verschwendet. Da fragt man sich als Leser schon, warum überhaupt neue Personen eingebracht werden, wenn sie dann irgendwann doch einfach links liegen gelassen werden.
In der gleichen Trilogie wurde auch ein weiterer Charakter, Justines namenloser, grausamer Urahn, ein uralter Vampir und gleichzeitig eine Kreatur der Finsternis, eingeführt. Zwar konnte er bei seinem Auftritt in Band 1739 sein volles Machtpotenzial leider nicht ganz ausschöpfen, eine interessante neue Persönlichkeit gab er aber allemal ab. Doch statt nun Justine Cavallo, die er in jenem Roman vor der Vernichtung gerettet hatte, weiterhin zur Seite zu stehen, wird er nur noch in den Bänden 1740 und 1754 kurz erwähnt dabei quasi in einem Nebensatz aus der Handlung genommen. Und als das wäre nicht allein ein Schlag ins Gesicht der Fans, wird in Band 1770 auch noch behauptet, dass nicht der Urahn, sondern Luzifers rechte Hand, Matthias, Justine in Band 1739 gerettet hat. Somit wurde dieser Charakter nicht nur einfach totgeschwiegen, sondern vollständig aus der Sinclair-Historie gebrannt.
Ein ähnlich trauriges Schicksal mussten gleich mehrere Polizisten aus Lauder, dem Heimatdorf von Johns Eltern, erleiden, das ebenfalls mehrfach von Dämonen heimgesucht wurde. Starb der erste dortige Polizeichef, McDuff, noch tatsächlich in einem Roman (Band 915 Macht des Schicksals), so wurde sein Nachfolger Terence Bull (der sogar in der Fernsehserie mitspielen durfte) nach einigen Jahren in Tb 279 Familie Zombie durch einen gewissen Duncan O’Connor ersetzt, der sogar selbst als direkter Ersatz für McDuff bezeichnet wurde. Allerdings geriet auch er nach nur einem weiteren Auftritt wieder in Vergessenheit.
Alle Charaktere aufzuzählen, die auf diese Weise aus Geisterjäger John Sinclair herausgeschrieben wurden, würde wohl den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Als weitere traurige Beispiele werfe ich noch kurz einige weitere mehr oder weniger bekannte Namen ein: Die von Aliens entführte und genetisch verbesserte Nora Thorn; Janine Helder, eine Schulfreundin von Johns Vater; der indische Geisterjäger Mandra Korab (er erlebte zwar in Band 1730 nach 17 Jahren eine Rückkehr, ist nun aber wohl wieder in der Versenkung verschwunden); die Horror-Reiter; Elohim und Clarissa Mignon; der bereits in einer früheren Kolumne erwähnte Rote Vampir; Johns Indianerfreund Chato – und viele mehr.
Natürlich kann es vorkommen, dass sich bei einer so langlebigen Serie manche Charaktere einfach aus den Augen verlieren, aber wenn plötzlich sogar deren Existenz negiert wird, wie etwa bei Serena, Justines Urahn oder Terence Bull, dann ist das sowohl für den Autor, die Serie als auch insbesondere für die Fans einfach nur traurig. Und dabei so leicht vermeidbar …

Bildquellen:

(rh)