Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Westernkurier 04/2007

Auf ein Wort Stranger, denn diesmal geht es bis zum letzten Cent.

Heutzutage nennt man es Lotto, Sportwette oder Glücksspirale, vor etwas mehr als hundert Jahren hieß es westlich des Mississippis noch Poker oder Dreikartenmonte.

Eines jedoch haben alle diese Begriffe gemeinsam. Mit ihnen verbindet bis heute noch fast ein jeder die Hoffnung auf einen Gewinn, wenn nicht sogar auf ein sorgenfreies Leben.

Gemeint ist hier das Glücksspiel.

Dieses Glücksspiel war im Wilden Westen in etwa so verbreitet wie der Cowboy, der Indianer oder Samuel Colts Equalizer selbst.

Übersetzt heißt Equalizer übrigens Gleichmacher, denn dieses typische Cowboywort entstammte der Auffassung, dass ein Revolver jedermann voreinander gleich macht, weil lediglich ein Fingerdruck zum Schuss genügte.

Egal ob Soldat, Goldsucher, Viehzüchter, Anwalt oder sogar Priester und Frauen, sie alle traf man am Spieltisch, wo man nicht nur sein mühsam erarbeitetes Geld, sondern oftmals auch den letzten Cent riskierte. Das Glücksspiel war in diesen Tagen wie eine Sucht und die Variationen dieses zweifelhaften Vergnügens konnten nicht unterschiedlicher sein.

Poker, Monte, Keno oder Faro dürften dabei noch die Bekanntesten sein, aber wer kennt heute noch Chuck-a-Luck, Whist oder das bei den chinesischen Eisenbahnarbeitern so unglaublich populäre Fan-Tan?

Keinesfalls vergessen möchte ich in dieser Aufzählung der Spiele den amerikanischen Ureinwohner. Schon lange, bevor der weiße Mann überhaupt in Erscheinung trat, waren sie geradezu versessen auf Wetten und Spielen. Hervorzuheben wären dabei das Hoop and Pole-Spiel, Double Ball oder Sky´s the Limit. Viele dieser Spiele trugen religiöse Züge und oftmals waren die Auswirkungen dieser Leidenschaft sogar tödlich.

Niemals zuvor oder auch danach war das Glücksspiel in den USA so verbreitet und gesellschaftlich anerkannt wie in den Tagen des Wilden Westens. Einer der Hauptgründe dafür lag in der Härte und in der Einsamkeit des Frontierlebens.

Die Arbeit in den Minen, den Wäldern, auf den Farmen oder beim Eisenbahnbau war hart. Nach vollbrachtem Tagewerk sehnte sich fast jeder nach ein bisschen Zerstreuung. Und diese wurde in jeder Kistenbretterstadt, in jedem Goldgräbercamp oder sonstigen Ansammlung menschlicher Behausungen zur Genüge geboten.

Jetzt in dieser kleinen Kolumne alle Spiele und deren Regeln zu erklären, würde wohl den Rahmen derselben sprengen. Ergo will ich versuchen, mit einigen historischen Gegebenheiten den Zeitgeist jener Ära zu vermitteln.

Um 1830 begann der genehmigte Versand von gezinkten Karten, 1,25 Dollar pro Päckchen zahlte man dafür im Versandhaus Grandine. Es gab Bücher, die richtige Anleitungen zum Falschspiel enthielten. Die Will and Finck Company mit ihren Warenhäusern in San Francisco bot dem zahlungskräftigen Kunden sogar die neuesten mechanischen Erfindungen zur Unterstützung des Falschspiels an. Im wettverrückten Kalifornien setzte man auf Dromedarrennen, ob nach einem Erdbeben ein bestimmtes Gebäude einstürzt oder nicht, oder um die größte Anzahl geschorener Schafe, das meiste gehackte Holz oder wie lange ein 100 Pfund schwerer Eisblock braucht, um in der Julisonne zu schmelzen.

Alice Ivers, die Tochter eines englischen Lehrers, verlegte sich nach dem Tode ihres Ehemanns auf das Glücksspiel und wurde als Zigarren rauchende, Revolver tragende Poker-Alice berühmt. Nebenbei gesagt benutzte sie die Waffen auch; mindestens zwei erschossene Männer gingen auf ihr Konto.

Ein deutschstämmiger Adliger mit Namen Graf Jakob Portales eröffnete im Niemandsland von Nevada das sogenannte Broadmoor-Casino. Ein 80 Meter langer Prachtbau an einem sechs Hektar großen, künstlichen See gelegen. 15000 Menschen bevölkerten an manchen Tagen das Gelände. Mit der Wirtschaftskrise 1893 kam allerdings das Aus und das Kasino versank in Schutt und Asche. Um schließlich das ganze Ausmaß der Spielleidenschaft zu beschreiben, sei erwähnt, dass es in manchen Städten zwar drei oder vier Kirchen gab, aber mindestens hundert Spielhallen.

In Colorado gab ein Bankdirektor einen ihm völlig Unbekannten einen Kredit von 5000 Dollar. Wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit der Tagesverdienst eines Minenarbeiters bei gerade mal 3 Dollar lag, war das eine unvorstellbare Summe. Als Sicherheit hatte der Unbekannte lediglich vier Könige und ein Ass aus einer Pokerpartie zu bieten.

Um die Jahrhundertwende gewannen die Gegner dieses angeblich so unseligen Lasters langsam die Oberhand und als letzter Staat verbot Nevada am 1. Oktober 1910 endgültig das Glücksspiel. Allerdings dauerte es keine drei Jahrzehnte und das ganze wurde wieder legalisiert.

Die Euphorie vergangener Zeiten war jedoch dahin und die Namen von Spielergrößen wie Belle Siddons, Dick Clark oder Pete Spence und Bones Brannon gehörten ebenso der Vergangenheit an wie jenes legendäre Flussdampferwettrennen auf dem Mississippi, das sogar in Europa Beachtung fand. Wer die Neuverfilmung von Maverick mit Mel Gibson kennt, kann sich jetzt in etwa vorstellen, dass diese Westernkomödie das Ganze keinesfalls überspitzt darstellt, sondern dass sich dies alles durchaus so zugetragen haben könnte.

Quellennachweis:

  • H.J. Stammel: Der Cowboy von A bis Z

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal.

Euer Slaterman