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Der Welt-Detektiv Band 6

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Colorado Sunrise – Folge 7

Gefängnisluft

Ein Raunen ging durch die Menschenmenge. Einige rückten weiter vor, um nichts zu verpassen, andere kassierten die Wetteinsätze. Die meisten hatten auf den Sheriff gewettet. Die Worte waren gesagt. Er würde sie lehren, in der Zukunft nicht mit ihm wie mit einem dahergelaufenen Cowboy zu reden. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Aber er wollte das biestige Weib nicht in seinem Gefängnis.

»Sie werden nicht wagen, mich einzusperren. Grundlos.« Maes Stimme war messerscharf.

»Natürlich. Es gibt mehrere Gründe. Aufwiegelung zur Schlägerei, nächtliches, ungerechtfertigtes Schreien.«

»Was erlauben Sie sich? Diese Gesetze gibt es nicht. Sie können nicht einfach neue erfinden.«

»Ich bin der Sheriff. Und langsam reicht es mir.« Ben senkte seine Stimme. »Wenn Sie jetzt nicht sofort mit mir mitkommen, werfe ich Sie wie einen Mehlsack über die Schulter und trage Sie ins Gefängnis.«

Noch nie hatte er mit einer Frau in solchem Ton gesprochen, aber die Kratzbürste verlangte es nicht anders. Sie benahm sich nicht wie eine Lady, jedenfalls nicht in diesem Augenblick. Er hatte es satt.

»Dann gehen wir«, zischte sie zwischen zusammengepressten Lippen.

Hocherhobenen Hauptes schritt sie vor ihm her.

»Und ihr schert euch nach Hause. Die Vorstellung ist vorbei.«

Die Leute blieben jedoch in Gruppen stehen und redeten wild durcheinander.

 

***

 

Mae stieß die Officetür auf. Drinnen drehte sie sich schwungvoll um und blickte ihn mit funkelnden Augen an. Ben konnte nicht umhin, sie zu bewundern. Selten war er einer so stolzen Frau begegnet. Diese hier würde bis zum letzten Atemzug kämpfen, auch wenn sie einer Horde blutrünstiger Indianer gegenüberstand. Gerade weil sie stolz und starrsinnig war, würde sie in Schwierigkeiten geraten. Zum wiederholten Male fragte er sich, was eine Frau wie sie, in dieses Nest verschlagen hatte.

»Miss Dunlay, ich begleite Sie nach Hause.«

»Sehen Sie Ihr Unrecht ein? Sehr schön«, erwiderte Mae.

Das durfte nicht wahr sein. Sie gab einfach keine Ruhe.

»Lassen Sie uns gehen, okay?«

»Ja. Holen wir das Mädchen raus. Die erste Nacht kann sie bei mir bleiben. Ich kümmere mich um sie.«

»Was? Habe ich mich undeutlich ausgedrückt?« Er war fassungslos über so viel Sturheit. »Wenn das Mädchen freiwillig dort ist, ist es ihre Entscheidung.«

»Sie gaben mir klar und deutlich zu verstehen, dass Sie das Mädchen ihrem Schicksal überlassen. Ich hole sie dort raus.«

»Oh nein, das tun Sie nicht.« Er grinste. »Um diese Zeit sind die ersten Cowboys dort. Wollen Sie wirklich stören?«

An ihrem Blick erkannte er, dass sie sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen ließ.

»Zu Ihrem eigenen Schutz sperre ich Sie ein. Hier geht’s lang.« Er deutete auf eine Tür.

»Was erlauben Sie sich? Kümmern Sie sich gefälligst um wichtige Dinge, anstatt unschuldige Frauen zu drangsalieren. Zu meinem Schutz. So ein Unsinn. Dieses Gesetz gibt es ebenso wenig.«

»Gehen Sie freiwillig in die Zelle, oder muss ich Sie tragen?« Er trat einen Schritt auf sie zu.

»Wagen Sie es nicht, mich anzufassen«, fauchte sie.

Sie öffnete die Tür, die krachend gegen die Wand schlug, betrachtete die zwei Zellen und betrat die rechte.

»Nehmen Sie einen guten Rat von mir an.«

»Ich brauche Ihren Rat nicht. Vergessen Sie nicht, abzuschließen«, rief sie zorngerötet.

»Dann eben nicht.« Er zuckte die Schultern. »Rufen Sie mich, wenn Sie zur Besinnung gekommen sind.«

Er ließ die Zellentür offen und lehnte die Officetür an. Die Lehrerin nervte ihn und sie konnte unmöglich hier bleiben. Sonnabends sperrte er des Öfteren randalierende Betrunkene für eine Nacht ein. Mit einer inhaftierten Frau war das unmöglich. Ein paar Stunden in der Zelle würden sie zur Vernunft bringen. Hoffentlich. Doch sicher war er sich nicht.

Burt Rowell trat ein, sah sich um und blickte Ben fragend an.

»Was?«, blaffte Ben.

»Die Leute sagen …«

»Die Leute sagen was?«

»Hast du wirklich die Lehrerin eingesperrt?«

Burt kratzte sich am Kinn. Das tat er immer, wenn er nachdachte oder nervös war. »Wie lange willst du sie hierbehalten?«

»Sie sollte gar nicht hier sein.«

»Warum hast du sie dann eingesperrt?« Burt schüttelte den Kopf.

»Sie gehört zu der Kategorie Frau, die nicht weiß, wann sie den Mund halten soll.«

»Aha.« Burt kratzte sich fortwährend das Kinn.

»Gib Mrs. Willings Bescheid. Vielleicht hat sie Einfluss auf ihren Gast.«

»Was soll ich den Leuten sagen?«

Burt deutete mit dem Daumen zum Fenster. Kleine Grüppchen standen beieinander und sahen immer wieder zum Sheriffs Office.

»Sollen sich um ihren eigenen Dreck scheren«, antwortete Ben missmutig, setzte sich und angelte nach der Zeitung.

Burt zuckte die Schultern, drehte sich um und rannte gegen den Bürgermeister, der ohne zu klopfen hereinstürmte. Er murmelte eine Entschuldigung und ging.

»Bist du verrückt?«, tobte Peter Greene.

»N’ Abend, Peter. Was führt dich zu mir?«

»Man erzählt, du hättest die Lehrerin eingesperrt. Das kann sich nur um einen Irrtum handeln.«

»Kein Irrtum.«

»Sie hat doch wohl kein Verbrechen begangen.«

»Was kümmert dich das? Ich misch mich auch nicht in deine Angelegenheiten.«

Green mochte es, wenn die Leute zu ihm aufsahen und ihn respektierten. Für Ben war Green lediglich ein Heuchler und das wusste Green. Seine Gesichtsfarbe nahm eine dunkelrote Farbe an, sein Adamsapfel bewegte sich auf und ab. Er hatte sich nicht sonderlich gut in der Gewalt, während Ben die Ruhe in Person blieb.

»Treib es nicht zu weit«, knirschte Green. »Ich überzeuge mich, ob es der Lady gutgeht.«

»Besuchszeit ist heute schon vorüber«, erwiderte Ben kalt.

»Die nächste Sheriffswahl wirst du nicht gewinnen, dafür sorge ich«, zischte Green. »Wenn der Lady auch nur ein Haar gekrümmt wird, wirst du dafür bezahlen.«

Ungerührt blickte Ben ihm nach, wie er zornbebend die Tür aufriss und sie dann mit aller Wucht ins Schloss schmiss. Ben widerstrebte es, vor jemandem zu buckeln, doch damit hatte er sich heute einen Todfeind gemacht. Der Bürgermeister war kein Mann, der eine Niederlage so einfach hinnahm.

***

Mae setzte sich an den äußersten Rand der Pritsche. Er hatte sie wirklich eingesperrt. Sie war im Gefängnis. Das hatte sie nicht erwartet. Ihr Schultertuch spendete nur geringe Wärme gegen die kühle Nachtluft, die durch das winzige Fenster strömte. Die Steinwand, an der die Pritsche stand, fühlte sich kalt an. Wohl oder übel würde sie klein beigeben müssen. Im Nachhinein gesehen hatte sie viel zu impulsiv reagiert. Sich um jemanden zu sorgen, der das nicht schätzte, war unklug. Die Erkenntnis, einen dummen Fehler begangen zu haben, ärgerte sie. Sich selbst gestand sie es ein. Aber es war schwierig, mit dem Sheriff eine Unterhaltung zu führen. Er war ein Besserwisser und sie hatte fortwährend das Gefühl, er wolle sie aus der Fassung bringen, als mache es ihm Spaß, sie zu necken und ärgern. Sie seufzte. Zum Schlafen lud die Pritsche nicht ein und die Decke starrte vor Schmutz und roch unerträglich. Wenn sie die Nacht nicht hier verbringen wollte, musste sie sich entschuldigen. Das behagte ihr nicht. Vielleicht war es gut, noch ein wenig zu warten, sonst dachte er womöglich, sie gab immer so schnell nach. Sie schloss die Augen und massierte ihre Schläfen. Sie sollte sich nicht so viele Gedanken über ihn machen. Seine Meinung über sie war einerlei. So viel Aufmerksamkeit hatte dieser ungehobelte Kerl nicht verdient.

Plötzlich öffnete sich knarrend die Tür.

»Grace, was machst du hier?« Mae war überrascht.

»Das sollte ich besser dich fragen.« Grace‘ Stimme klang belustigt. »Du hast in der kurzen Zeit deiner Anwesenheit in Coldwell von dir Reden gemacht.«

»Warum wusstest du, wo ich bin?«

»Der Deputy hat mich benachrichtigt.«

»Ich wollte doch nur helfen. Wie dumm von mir.«

»Der Sheriff erzählte mir davon. Es ehrt dich, doch misch dich nicht in anderer Leute Angelegenheit. Das gibt nur Ärger.«

»Die junge Frau wirft ihr Leben weg«, flüsterte Mae.

»Sie wirft es nicht weg. Sie denkt, für sie ist es die beste Entscheidung. Kein Mann behandelt eine Hure besser als ein Cowboy. Weder ein Soldat und schon gar nicht die sogenannten ehrenwerten Bürger der Stadt. Lass die Sache auf sich beruhen.«

»Wahrscheinlich bin ich das Gespräch der ganzen Stadt.«

»Das ist anzunehmen. Seit ich hier lebe, wurde noch nie eine Frau eingesperrt. Noch in einigen Jahren werden sie davon sprechen.«

»Es ist peinlich«, wisperte Mae.

»Die Leute sind froh, sich über was anderes als übers Wetter zu unterhalten. Deine Einlage ist unterhaltsam. Du musst mir alles genau erzählen«, forderte Grace.

»Bitte, verschone mich.«

»Nichts da, erzähl schon«, drängte Grace. »Los doch.«

»Wir sollten das Ganze einfach vergessen.«

»Oh, nein. Ich will es wissen. Endlich ist in unserer Stadt etwas los, und du willst es mir vorenthalten. Wir haben die ganze Nacht Zeit.«

Nach einigen Minuten des Schweigens erzählte Mae.

Grace Gekicher ging in Lachen über. »Der Cowboy wird sich ewig an dich erinnern. Sein ganzes Leben lang.«

Taktgefühl war Grace fremd.

»Es war keine Absicht von mir«, entrüstete sich Mae.

»Er wird sich in Zukunft sicher von dir fernhalten. Aber lass uns nach Hause gehen«, schlug Grace mit vergnügter Stimme vor.

»Soll ich einfach raus spazieren?«

»Natürlich.«

Auch wenn Mae es nicht sah, wusste sie, dass Grace lächelte. Wie würde der Sheriff reagieren? Wollte sie nicht hierbleiben, musste sie ihm wohl oder übel entgegentreten. Sie atmete tief durch, straffte die Schultern und betrat gemeinsam mit Grace das Office.

»Burt wird Sie nach Hause begleiten«, sagte er und legte die Zeitung beiseite.

Zu ihrem Erstaunen klang sein Ton sachlich, seine Miene blieb ausdruckslos. Ein Gentleman hätte sich erhoben. Er blieb sitzen. Ob er sich absichtlich so daneben benahm? Er war schwer einzuschätzen. Wenn er sein Benehmen nicht änderte, würde er keine Frau finden. Aber das war nicht ihre Angelegenheit.

Mae wollte etwas erwidern, doch Grace kam ihr zuvor.

»Das ist sehr liebenswürdig, danke.«

Der Deputy strahlte die beiden an und öffnete die Tür. Mae überlegte, ob eine Entschuldigung angebracht war, doch sie glaubte nicht, dass der Sheriff das erwartete. Die Vorkommnisse erwähnte er mit keinem Wort. Er besaß also doch so etwas wie Anstand. Sie erwiderte sein Nicken und trat in die Dunkelheit hinaus.

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