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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Schwarze Tod 1348

Aus dem Osten kommend erreichte der Schwarze Tod im Frühjahr 1348 die Küsten Italiens und entfesselte europaweit einen bis dahin beispiellosen Raubzug des Todes. In der Zeit der drei Jahre andauernden Epidemie fiel fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung der Pest zum Opfer.
Die Pest tauchte zum ersten Mal in China auf und verbreitete sich bis 1347 über Asien hinweg bis zum Schwarzen Meer. Eine Legende besagt, dass eine Gruppe infizierter Tataren einen genuesischen Außenposten an der Küste belagerte. Um die eingeschlossenen Bürger zu beunruhigen, schleuderten die Tataren mithilfe von Katapulten die Leichen ihrer Kameraden über die Stadtmauern, damit sich die Epidemie auch unter den Genuesen ausbreiten und die Stadt eingenommen werden konnte. In Panik verfallen flohen die Einwohner mit Schiffen zu den Häfen Norditaliens und brachten den Schwarzen Tod auf das europäische Festland. In ganz Europa wurden besonders die Juden zusammen mit Aussätzigen und anderen Minderheiten für die verheerende Plage verantwortlich gemacht. Tausende wurden als Vergeltung bei lebendigem Leibe verbrannt.

Die Pest lief in drei untereinander in Wechselbeziehung stehenden Formen ab. Die Beulenpest, die am meisten verbreitetste Art, leitet sich aus Schwellungen oder Beulen ab, die am Hals, in den Achselhöhlen oder in der Leistengegend des Opfers zu finden waren. Diese Geschwülste konnten die Größe eines Apfels erreichen. Obwohl einige das schmerzhafte Gottesurteil überlebten, lag die durchschnittliche Lebenserwartung nach Ausbruch der Krankheit bei maximal einer Woche. Infizierte Flöhe, die besonders Ratten und Menschen befielen, waren die Hauptursache für die rasche Verbreitung der Beulenpest. Eine zweite Variante, die Lungenpest, griff die Atmungsorgane an. Eine Übertragung erfolgte durch das Einatmen der verseuchten Atemluft eines Erkrankten. Die Lungenpest war bösartiger als ihre Beulen-Cousine, und die Lebenserwartung betrug lediglich ein bis zwei Tage. Und die septikämische Variante der Pesterkrankung griff das Blutsystem an.
Männer, Frauen und Kinder wussten nichts über die Ursachen der Seuche und kannten keine Schutzmaßnahmen gegen sie, sodass sie anfänglich verwirrt waren, im weiteren Verlauf der Krankheit in Panik verfielen und letztendlich vernichtet wurden.
Der italienische Schriftsteller Giovanni Boccaccio erlebte die Pest, als diese im Jahre 1348 die Stadt Florenz heimsuchte. Seine Erlebnisse in jener Zeit inspirierten ihn zu Dekameron, eine Geschichte von sieben Männern und drei Frauen, welche der Krankheit in eine Villa außerhalb der Stadt entfliehen versuchen. In seiner Einleitung zum fiktiven Teil seines Buches gibt Boccaccio eine anschauliche Darstellung der Auswirkungen der Epidemie auf seine Stadt.

Die Zeichen des bevorstehenden Todes

Die Symptome der Beulenpest waren nicht die gleichen wie die im Osten, wo ein Schwall Blut aus der Nase ein deutliches Zeichen des unvermeidlichen Todes darstellte. Die Krankheit begann sowohl bei Männern und Frauen mit sichtbaren Schwellungen in der Leistengegend oder unter der Achselhöhle. Sie wuchsen mehr oder weniger auf die Größe eines kleinen Apfels oder eines Eies an und wurden volkstümlich als Tumor bezeichnet. In kurzer Zeit verbreiteten sich diese Tumore über den ganzen Körper. Bald darauf tauchten weitere Symptome in Form von schwarzen oder violetten Flecken an den Armen, Oberschenkeln oder anderen Teilen des Körpers auf, manchmal ein paar große, manchmal viele kleine. Diese Flecken waren ein sicheres Zeichen für das bevorstehende Lebensende, falls der ursprüngliche Tumor nicht entfernt wurde.
Keine ärztliche Beratung und keine Medizin konnten diese Krankheit beseitigen oder zumindest lindern, auch nicht die enorme Anzahl von Männern und Frauen, die aufopferungsvoll die Kranken versorgten und einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Pest fochten. Entweder war die Krankheit bereits soweit fortgeschritten, dass keine Behandlung mehr möglich war, oder die Ärzte wussten nicht, worin die Ursachen bestanden und infolge dessen nicht das richtige Mittel zur Anwendung bringen konnten. Sehr wenige Menschen überlebten die Epidemie; die meisten Menschen starben innerhalb von durchschnittlich drei Tagen nach dem ersten Auftreten der Tumore, meistens ohne Fieber oder andere Symptome.
Die Heftigkeit und Heimtücke dieser Krankheit war so, dass die Gesunden dermaßen neben den Kranken lebten, so wie Öl oder Trockenheit sehr schnell in Brand geraten können. Und es ging noch weiter. Indem sie sich mit den Kranken unterhielten und sich in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielten, liefen Ärzte und Pfleger Gefahr, sich selbst zu infizieren. Allein das Berühren oder das Tragen der Kleidung eines Kranken konnten tödliche Folgen nach sich ziehen.

Unterschiedliche Reaktionen auf die Katastrophe

Ängste und fantasievolle Vorstellungen über die Pestkrankheit nahmen Besitz von den Lebenden, da fast alle von ihnen dieselben grausamen Erfahrungen wie die Kranken gemacht hatten und alles daran setzten, um sich nicht anzustecken. Sie achteten in erster Linie an ihre eigene Sicherheit.
Einige dachten, eine moderate Lebensweise und die Vermeidung allen Überflusses würden sie von der Epidemie bewahren. Sie bildeten kleine Gemeinschaften und lebten völlig getrennt von allen anderen. Sie schlossen sich in Häusern, in denen es keine Kranken gab, ein, aßen feinsten Speisen und tranken besten Wein maßvoll, vermieden Musik und dergleichen Genüsse, Neuigkeiten oder Diskussionen über Tod und Krankheit. Andere machten genau das Gegenteil. Sie dachten, dass durch üppige Trink- und Fressgelage, durch Frohsinn, Gesang und Scherze die Pest besiegt werden könnte. Sie setzten ihre Gedanken in die Praxis um, verbrachten Tag und Nacht damit, von Taverne zu Taverne zu gehen, um maßlos zu trinken. Sie durchstöberten anderer Leute Häuser, welche von diesen verlassen und aufgegeben worden waren, und entwendeten Dinge, die ihnen gefielen.
In diesem ganzen Leid und Elend war die Autorität göttlicher und menschlicher Gesetze fast verschwunden, die Pest machte auch vor Ministern und Vollstreckern der Gesetze nicht halt. Auch sie starben, erkrankten oder beklagten verstorbene Familienangehörige und konnten ihren Aufgaben nicht nachgehen. Jeder Mann war daher in der Lage, dass zu tun, was ihm gefiel.
Es gab auch jene Menschen, die sich sowohl für den einen als auch für den anderen gerade beschriebenen Weg durch das Leben in der Zeit der Pest entschlossen hatten. Zusätzlich umgaben sie sich mit Blumen oder duftenden Kräutern und Essenzen, in der Überzeugung, dass es eine hervorragende Sache sei, das Gehirn mit solchen Gerüchen zu täuschen, da die Luft selbst mit dem Geruch von Leichen, Kranken und Medikamenten geschwängert war.
Andere wiederum waren davon überzeugt, dass das einzige wirksame Medikament gegen die Pest die Flucht in andere Länder sei. Aus diesem Grund verließen diese Männer und Frauen die befallenen Regionen und ließen Hab und Gut sowie Familienangehörige zurück, als ob Gottes Zorn nur diejenigen erreichten, welche innerhalb der Stadtmauern blieben.

Der Zusammenbruch der sozialen Ordnung

Ein Bürger mied den anderen, kaum ein Nachbar machte sich wegen des anderen Sorgen, und Verwandte besuchten sich fast nie. Außerdem hatte sich ein solcher Schrecken durch die Epidemie in die Herzen der Männer und Frauen gefressen, dass der Bruder den Bruder, der Onkel den Neffen, die Schwester den Bruder und sehr häufig die Frau ihren Mann verließ. Noch schrecklicher war die Tatsache, dass Väter und Mütter sich weigerten, nach ihren erkrankten Kindern zu sehen. Sie mieden sie im wahrsten Sinne des Wortes wie die Pest.
Eine Vielzahl kranker Männer und Frauen siechten ohne jegliche Fürsorge dahin; diejenigen, welchen Nächstenliebe von Freunden zuteilwurde, ausgenommen. Doch diese waren in der Minderheit. Noch nicht einmal die Bediensteten, die in Brot und Lohn standen, bekümmerten sich um ihre mit dem Pestvirus infizierten Herrschaften. Häufig starben die Bediensteten aufgrund des Kontaktes selbst. Nachdem die Erkrankten von Nachbarn, Freunden und Verwandten aufgegeben wurden, kam eine Angewohnheit auf, die es in der Art vorher noch nicht gegeben hatte. Schöne und edle Damen, welche erkrankten, vergnügten sich mit jungen und alten Dienern ohne Scham und ohne Bedenken. Dies war vielleicht eine Ursache für die lockere Moral bei jenen Frauen, welche die Pest überlebt hatten.

Massenbegräbnisse

Die Not der Unterschicht und dem größten Teil der Mittelschicht war noch erbärmlicher. Die meisten von ihnen blieben entweder aufgrund von Armut oder der Hoffnung, dem sicheren Tod dadurch entrinnen zu können, in ihren Häusern. Da sie keine Pflege und Aufmerksamkeit erhielten, starben fast alle von ihnen. Für viele endete das Leben auf den Straßen sowohl in der Nacht als auch während des Tages. Diejenigen, die in ihren Häusern starben, wurden nur dadurch gefunden, weil man den Verwesungsgeruch wahrnahm. Leichen lagen überall, in jeder Ecke, in jedem Winkel. Träger trugen die leblosen Körper zusammen und legten sie auf Totenbahren oder Tische. Unmengen von Leichen wurden jeden Tag, ja fast jede Stunde zum Gottesacker getragen. Doch die Zeit reichte kaum aus, um ihnen eine ordnungsgemäße Bestattung zukommen zu lassen. Die geweihte Erde reichte bald nicht mehr aus, sodass große Gruben ausgehoben werden mussten, um darin Hunderte von Leichen zu bestatten. Wie Ballen im Laderaum eines Schiffes legte man die Leichen Schicht für Schicht in die Gruben und bedeckte sie mit wenig Erde, bis die Grube voll war.

Der Versuch der Flagellanten, den Schwarzen Tod 1349 zurückzutreiben

Die Flagellanten waren religiöse Fanatiker des Mittelalters in Europa, die ihre religiöse Leidenschaft demonstrierten und Sühne für ihre Sünden suchten, indem sie sich selbst in der Öffentlichkeit peitschend zur Schau stellten. Diese Art der Geißelung war während Zeiten von Krise am populärsten. Anhaltende Plagen, Hunger, Wassermangel und andere natürliche Erkrankungen regten Tausende an, diese Methode anzuwenden, um Erleichterung zu finden. Trotz der Verurteilung durch die katholische Kirche gewann die Bewegung an Stärke und erreichte ihre größte Popularität während des Ansturmes der Pest, welche in Europa Mitte des 14. Jahrhunderts wütete.
Obwohl sie auf dem europäischen Kontinent weit verbreitet waren, erzielten die Flagellanten in England keine Popularität. Ein großes Kontingent der Sekte überquerte 1349 den Ärmelkanal und strömte scharenweise nach London. Sir Robert von Avesburykonnte eines  ihrer Rituale erleben: »… Zu Michaelmas am 29. September 1349 kamen über 600 Männer aus Flandern, größtenteils zeeländischer und holländischer Herkunft, nach London. Manchmal an der St. Paul’s und an anderen Orten der Stadt trafen sie sich zweimal täglich. Sie trugen lange Roben, die bis zu den Knöcheln reichten und eine Kappe, welche mit einem roten Kreuz markiert war. Jeder hatte in seiner rechten Hand eine Geißel mit drei Riemen, an deren Enden jeweils einen Knoten vorhanden war, durch dessen Mitte manchmal spitze Nägel gesteckt wurden. Sie marschierten nackt in einer Reihe einer hinter dem anderen und schlugen sich mit diesen Geißeln auf ihre nackten und blutenden Oberkörper. Vier von ihnen sangen in ihrer Muttersprache, eine anderen gab die Antwort auf die Litanei. Dreimal warfen sie sich auf den Boden und bildeten mit ihrem Körper ein Kreuz. Der Gesang ging weiter. Einer nach dem anderen stieg über seinen liegenden Vordermann und gab ihm einen Schlag mit der Geißel …«

Quellen:

  • Klaus Bergdolt: Der schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters. 4. Aufl. München 2000
  • F. Graus: Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit. Göttingen 1987

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