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Secret Service Band 3 – Kapitel 16

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 3
Old and Young King Brady Detectives
The Bradys after a million
Oder: Ihre Verfolgungsjagd zur Rettung einer Erbin
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.

In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.

Kapitel 16

Ins Netz gegangen

Old King Brady begab sich zum Astor House. In der Rotunde traf er Young King Brady.

Sie aßen zu Abend, dann schaute der junge Detektiv auf seine Uhr.

»Es ist halb sieben«, sagte er. »Wir könnten genauso gut im Oceanic vorbeischauen.«

»In Ordnung.«

Sie begaben sich in einen privaten Raum im Hotel, den Young King Brady reserviert hatte, und bereiteten sich auf die Rolle vor, die sie spielen wollten.

Es handelte sich um zwei Gauner.

Sie schminkten sich so, dass sie McCue und Danton möglichst ähnlich sahen.

Dann verließen sie das Astor House.

Sie schlenderten die Warren Street entlang, bis sie die West Street erreichten. Sie gingen die Straße entlang, die an den Kais vorbeiführte.

Bald kamen sie zu einem schäbigen Backsteingebäude.

Über dem Eingang befand sich ein rotes Licht und ein Schild mit der Aufschrift Hotel Oceanic.

»Das ist der Ort«, flüsterte Old King Brady. »Ich hoffe, Zimmer 14 ist frei. Wenn nicht, müssen wir es der Frau erklären und ein anderes nehmen.«

»Ich nehme an, Sie kennen Meg Pierce?«

Mutter Montgomery zuckte zusammen.

Sie sah ihren Gesprächspartner scharf an.

»Was ist damit?«, fragte sie.

In ihrer Stimme lag Misstrauen.

»Das ist in Ordnung«, sagte Old King Brady beruhigend. »Wir sind Freunde. Sie verstehen das. Sie wird gegen halb neun hierherkommen und nach Mike McCue fragen.«

»Wirklich?«

»Ja.«

»Und?«

»Führen Sie sie zu Zimmer 14!«

»In Ordnung.«

Die beiden Detektive stiegen die Treppe hinauf. Als sie den Treppenabsatz erreichten, entdeckte Old King Brady die Nummer 14 an einer der Türen.

Old King Brady zündete das Gas an.

Sie mussten eine halbe Stunde warten, vorausgesetzt, Meg kam pünktlich. Sie könnte sich verspäten.

Old King Brady hatte alle Chancen dieses Vorhabens abgewogen. Es wäre schwierig gewesen, Meg Pierce auf andere Weise oder an einen anderen Ort zu locken.

Denn die Frau war die personifizierte Schlauheit. Sie konnte eine Falle schon von weitem wittern.

Aber es stimmte, dass sie zum vereinbarten Termin ins Oceanic kommen würde, ohne etwas zu ahnen.

Pünktlich um 8:30 Uhr betrat sie das Lokal.

Mutter Montgomery gab ihr die Hand und Meg flüsterte: »Ist Mike McCue hier?«

»Er ist in Zimmer 14.«

»Alles in Ordnung?«

»Alles in Ordnung.«

»Ich gehe hoch.«

Meg stieg die Treppe hinauf und blieb vor Zimmer 14 stehen. Sie klopfte nicht an, sondern drehte den Türgriff und ging hinein.

Sie versuchte verzweifelt, zurückzuspringen. Aber es war zu spät.

Old King Brady packte sie an der Schulter, warf sie auf einen Stuhl und Young King Brady schloss die Tür.

Eine Revolvermündung richtete sich auf das Gesicht der Frau.

»Beweg dich, und du bist tot«, sagte Old King Brady streng. »Deine Zeit ist abgelaufen. Das Ende ist gekommen!«

»Verflucht seist du, Old King Brady!«, knirschte sie. »Ich werde leben, um das mit dir zu begleichen. Aber du kannst mich nicht festhalten.«

»Du kannst nicht, ja?«

»Nein. Ich habe nichts getan!«

»Das werden wir noch sehen!«

»Was habe ich getan?«

»Wo ist das junge Mädchen, Gladys Baron?«

»Was weiß ich über sie?«, fragte sie hartnäckig.

»Das ist Mike McCues Angelegenheit.«

»Und Ihre!«

»Ich werde meinen Eid leisten!«

»Der ist keinen Pfifferling wert. Sagen Sie mir: Wo ist Gladys Baron?«

»Fragen Sie Mike McCue!«

»Ich frage Sie!«

»Wollen Sie nicht, dass ich es Ihnen sage?«

»Sie werden es mir sagen!«

»Ist das so?«

»Wenn ich Ihnen etwas sage. Mike McCue und Jake Danton sitzen beide hinter Gittern!«

»Nein!«, zeterte sie. »Das glaube ich nicht. Das täuschen Sie nur vor. Das ist eine Lüge!«

»Sie werden schon sehen!«, sagte der alte Detektiv. »Leg ihr die Handschellen an, Harry. Dann pfeif.«

»In Ordnung.«

Der junge Detektiv legte der Frau die Stahlmanschetten um die Handgelenke. Vergeblich flehte und jammerte sie.

»Warum wollt ihr eine arme Frau wie mich festnehmen?«, fragte sie. »Ich habe nichts getan. Ich bin unschuldig. Wenn ich wüsste, wo das Mädchen ist, würde ich es euch sagen!«

»Du weißt, wo sie ist, und du wirst es sagen«, sagte Old King Brady. »Wenn nicht, wird es umso schlimmer für dich!«

Ein gehetztes, wahnsinniges Leuchten trat in die Augen der verzweifelten Frau. Es schien der Blick einer Verrückten zu sein, den sie den Detektiven zuwarf.

»Das Spiel ist aus!«, sagte sie bitter. »Ich habe meine Zeit gehabt. Wenn sie mich vor Gericht bringen, bekomme ich lebenslänglich.«

»Du bist eine Mörderin, und du weißt, welche Strafe dich erwartet«, sagte Old King Brady. »Du kannst es genauso gut zugeben!«

»Wirst du mich gehen lassen?«

»Nein!«

»Wirst du nicht?«

»Auf keinen Fall!«

»Dann werde ich es niemals sagen. Das Mädchen ist gefesselt und kann nicht entkommen. Sie wird einfach dort bleiben und verhungern. Ihr werdet sie nie finden. Ich habe schon ein Leben genommen und kann noch mehr nehmen. Es wird mir nichts ausmachen. Ich trage es! Sie wird sterben, wenn ihr mich nicht gehen lasst!«

Für einen Moment war Old King Brady versucht, ihr die Freiheit im Austausch gegen ein Geständnis anzubieten. Doch die Bedeutung der Festnahme überwog alles andere.

Also sagte er: »Pfeif, Harry. Wir können sie genauso gut mitnehmen!«

»Nein, nein, nein!«, flehte die Frau in äußerster Angst. »Bringt mich nicht weg! Ich bitte euch, lasst mich gehen. Ich werde alles erzählen, wenn ihr wollt.«

»Wenn Sie das Versteck von Gladys Baron preisgeben«, sagte Old King Brady, »werde ich mich vor Gericht für Sie einsetzen. Das ist das Beste, was ich tun kann!«

»Lasst mich aufstehen!«, sagte die Frau und holte tief Luft.

Die Detektive willigten ein.

Die Frau sah sich um, als würde sie gejagt werden. Ihre Augen rollten erschreckend.

»Ihr sagt, Mike ist in der Schwebe?«, fragte sie.

»Ja«, antwortete Young King Brady.

»Und hier warten überall Polizisten darauf, dass man sie ruft, um dieses Haus zu stürmen?«

»Das ist wahr!«

Ein kläglicher Schrei entfuhr ihr.

»Dann habe ich nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt!«, rief sie.

»Und ihr werdet mich niemals hängen. Niemals!«

Keiner der Detektive ahnte, was sie vorhatte.

Bevor sie auch nur den geringsten Versuch unternehmen konnten, sie daran zu hindern, war es schon geschehen.

Wie ein verängstigter Hase sprang die Frau der Sünde und des Verbrechens an ihnen vorbei und zerschlug mit ihren gefesselten Händen die Fensterscheiben.

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