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Bräute für das Biest – Kapitel 2

Wayne Rogers
Bräute für das Biest
Ein Mystery-Thriller voll herzzerreißendem Grauen

Ein wahnsinniges Wesen durchstreift die Bergwildnis und versetzt die Bergbewohner in Angst und Schrecken. Gleichzeitig erfüllte es das Herz von Minna Talbot mit quälenden Zweifeln. Ein wahnsinniger Wissenschaftler flüsterte ihr Geheimnisse über die Geburt ihres Geliebten zu – Geheimnisse über ein grausames Experiment mit einem Menschenaffen.

Kapitel 2
Die Beute der Bestie

Lange Zeit herrschte Stille, während sie neben dem Bett standen und auf das tote Mädchen hinunterblickten. Minna vergaß, dass sie Teil davon war. Vielmehr war es, als wäre sie eine Zuschauerin, die in einen Raum blickte, in dem gerade etwas unvorstellbar Schreckliches geschehen war.

Es war nicht der Tod des Mädchens. Der Tod allein wäre klar und endgültig gewesen, eine segensreiche Erlösung. Dies war jedoch etwas anderes: etwas Unglaubliches und Unheiliges, das auch nach dem Tod des Mädchens noch unangenehm im Raum hing. Dieser Makel ließ sie angesichts des Grauens, das sie nicht in Worte fassen konnten, verstummen.

Dann schlurfte der bärtige Vater zu dem Tisch, auf dem der Leichnam des Säuglings lag. Entsetzen und Ekel spiegelten sich in seinen Gesichtszügen wider, um dann bitterer Wut Platz zu machen.

»Mensch, verdammt!«, knurrte er. »Es ist ein Affe, und Kincaids Viecher sind seine Väter!«

Damit war der Bann gebrochen und erst jetzt bemerkte Minna, dass sie beobachtet worden war. Augen in den Fenstern und an der Tür. Nun schlurften die Besitzer dieser Augen herein, versammelten sich um den Tisch und starrten voller Ehrfurcht auf das Monstrum hinunter, was sich schnell in wilde Wut verwandelte.

Sie erkannte mehrere Gesichter unter ihnen. Es waren dieselben Männer, die sie in der kleinen Stadt gesehen hatte. Diesmal waren sie alle mit Gewehren oder Knüppeln bewaffnet. Ihre harten Blicke, die sie auf die drei Fremden richteten, waren voller Drohung.

»Gott sei Dank ist meine Betsy gestorben, bevor sie so etwas zur Welt gebracht hat!«, rief einer von ihnen. Minna sah, dass es der alte Mann war, der sie geführt hatte. »Meine arme Frau war tot, in Stücke gerissen. Ihre toten Finger umklammerten noch immer die schwarzen Haare, die sie aus dem schmutzigen Fell des Tieres gezogen hatte. Aber ihr alle habt den Professor mit seinen Lügen davonkommen lassen, habt ihm erlaubt, diese mörderischen Affen hier in den Bergen zu behalten, und das ist der Preis, den ihr dafür zahlt!«

Sein Gesicht zuckte, und seine alten Augen blitzten, als er sich zu den anderen umdrehte.

»Und das ist noch nicht alles!«, schimpfte er. »Wartet, bis wir dein Mädchen finden, Jeff Muzzey. Ein Mädchen verschwindet in dieser Gegend nicht für zwei Tage und kommt dann unversehrt zurück. Der Affe hat sie. Wenn ihr sie findet, werdet ihr Gott anflehen, das nie getan zu haben!«

Jeff Muzzey, ein rothaariger Riese, schauderte bei dieser vernichtenden Vorhersage und die Farbe wich aus seinem rötlichen Gesicht.

»Wenn meiner Tochter etwas zugestoßen ist …«, sagte er mit tiefer, grollender Stimme. Dann verstummte er.

Seine funkelnden Augen wandten sich Minna zu und in ihnen blitzte Entschlossenheit auf. Bevor sie sich bewegen konnte, sprang er durch den Raum und packte sie am Handgelenk.

»Wir haben genug von Kincaids mörderischen Kreaturen«, sagte er grimmig. »Ich behalte dieses Mädchen, bis wir meine Dorrie finden. Und wenn Dorrie etwas zugestoßen ist, dann helfe Gott diesem Kerl!«

Das war der Funke, der die Explosion auslöste und die Schleusen für aufgestaute Leidenschaften öffnete. Don Porter sprang vor und versuchte, den Mann von Minna wegzudrängen. Im nächsten Moment lag er jedoch am Boden und kämpfte hilflos gegen ein halbes Dutzend Männer, die sich auf ihn stürzten. Minna spürte, wie raue Hände sie packten und festhielten. Sie spürte harte Finger, die sich in ihre Arme krallten, während sie entsetzt auf die plötzlich blutrünstige Meute starrte. Diese Menschen hatten sie bis vor einer Stunde noch nie gesehen, doch nun lechzten sie nach ihrem Blut.

Raue Hände packten Alice und hielten sie fest. Wütende Fäuste schlugen auf Don ein und der bärtige alte Mann, dessen Tirade diesen Wahnsinn ausgelöst hatte, rief Ermutigungen und schürte das Feuer weiter. Nur ein Mann im Raum behielt einen klaren Kopf.

Über dem Lärm erhob sich die Stimme des Arztes mit autoritärer Kraft.

»Lasst diese Leute in Ruhe, ihr Narren! Was haben sie euch getan? Wenn ihr so viel Lust auf Streit habt, dann geht hinauf und legt euch mit den Affen des Professors an, aber nicht mit ein paar Mädchen. Ich dachte, ihr solltet eigentlich nach Dorrie Muzzey suchen! Hier werdet ihr sie nicht finden. Und während ihr Zeit verschwendet, weiß nur Gott, was mit ihr geschieht.«

Der Peitschenhieb seiner Stimme traf sie wie ein Schlag, drang in ihre vor Wut benebelten Gehirne ein und allmählich setzte sich der gesunde Menschenverstand wieder durch. Die Bergbewohner wichen beschämt zurück. Als sie sie losließen, sah Minna, dass ihre Blicke bitter waren.

»Ihr seid zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt hierhergekommen«, sagte der Arzt, als Don sich aufrichtete.

»Nach allem, was in diesen Bergen vor sich gegangen ist, kann man diesen Männern kaum vorwerfen, dass sie aus der Haut fahren. Aber der alte Stevens hätte Sie nicht auf diese Straße schicken sollen. Das hat er aus purer Boshaftigkeit getan. Sie führt zwar zu Kincaid – tatsächlich sind Sie jetzt nur noch eine halbe Meile entfernt –, aber die Straße ist in einem sehr schlechten Zustand. Sie wurde seit Jahren nicht mehr benutzt.«

»Und wenn wir umkehren und den anderen Weg nehmen?« Don stöhnte.

»Zehn oder zwölf Meilen«, gab der Arzt zu. »Da Sie schon so weit gekommen sind, können Sie genauso gut weiterfahren. Warten Sie einen Moment. Ich besorge Ihnen einen Führer. Hey, Tully!«, rief er einem jungen, kräftigen Mann zu, der gerade aus der Hütte kam.

»Fährst du mit diesen Leuten zum Kincaid-Anwesen? Du kannst sie mitnehmen und gleichzeitig die Augen offen halten, ob du Dorrie auf dieser Nebenstraße siehst.«

Als sie losfuhren, saß Tully Walters neben Don auf dem Trittbrett des Coupés. Er klammerte sich an die Seite des Autos, während es über die Spurrillen holperte. Seine Augen ließen die beleuchtete Straße vor ihnen nicht aus den Augen.

»Dorrie ist meine Freundin«, vertraute er ihr an. »Sie ist seit gestern Morgen nicht mehr zu Hause gewesen, niemand hat sie gesehen. Das sieht Dorrie gar nicht ähnlich. Wenn sie irgendwo hingehen würde, hätte sie mir davon erzählt.«

Minna hörte seiner besorgten Stimme zu und betrachtete die Silhouette seines sorgenvollen Gesichts, das sich vor dem Hintergrund der dunklen Straße abzeichnete. Sie schauderte bei der Erinnerung an das tote Mädchen in der Hütte, die sie gerade verlassen hatten, und ihr Herz ging zu ihm. Was für eine schreckliche Tragödie, die qualvolle Agonie der Mutterschaft zu durchleben, nur um ein solch abscheuliches Wesen in die Welt zu setzen!

Irgendwo in dieser schwarzen Wildnis befand sich das Wesen, das für diese Tragödie verantwortlich war. War es wirklich ein Tier, ein Affe? Ein Monster, das junge Mädchen fängt und vergewaltigt und deren verstümmelte Leichen als grausamen Beweis seiner blutrünstigen Lust zurücklässt?

Minna erinnerte sich an die roten, vor Hass lodernden Augen dieses Monsters im Zoo. Sie erinnerte sich daran, wie es sich auf sie gestürzt hatte. Plötzlich war die Dunkelheit, die sie umgab, voller starrender Augen und haariger Arme, die nach ihr griffen. Sie kämpfte gegen ihre Panik an, doch instinktiv schreckte sie vor dem offenen Autofenster zurück und drückte sich näher an Alice, bis sie den zitternden Arm ihrer Freundin und ihre eiskalten Finger spüren konnte. Die Angst kauerte mit ihnen im Auto.

Doch das sterbende Mädchen hatte darauf bestanden, dass der Vater ihres Kindes kein Tier, sondern ein Mensch war. Was hatte sie damit gemeint? Wusste sie es nicht genau? War es eine Art seltsames Halb-Biest, das weder Mensch noch Affe war? Ein unzugängliches Wesen, das seine Gestalt verändern und sowohl als Mensch als auch als Tier auftreten konnte?

Das war unvorstellbar! Aber Minna schauderte bei dem Gedanken und wünschte sich von ganzem Herzen, dass Sire nicht mit auf diese Reise gekommen wäre. Ihre Intuition hatte sie gewarnt, diesen Ort nicht zu betreten. Vielleicht war dieses unnatürliche Monster das Ergebnis eines der unheiligen Experimente des Professors. Vielleicht …

Plötzlich schoss Tully Walters’ Hand hervor und packte Dons Arm.

»Halt das Auto an!«, flüsterte er angespannt. »Schau! Dort drüben am Straßenrand. Hast du das gesehen?«

Der Motor verstummte, als Don den Schalter umlegte und auf die Bremse trat. Das Auto kam mit einem leisen metallischen Seufzer zum Stehen. Stille breitete sich um sie herum aus, eine so absolute Stille, dass Minna das Klopfen ihres Herzens und Alices schnell gezogenen, panischen Atem hören konnte.

Die Welt wurde zu einem Kreis aus Licht inmitten der Dunkelheit um sie herum – ein Ring aus gleißender Strahlkraft, in den sie starrte, bis ihre Augen schmerzten. Und dann sah sie es!

Im Scheinwerferlicht war ein knurrendes, schwarzes Gesicht zu sehen, ein kugelförmiger Kopf, der zwischen breiten Schultern hing, ein riesiger, behaarter Körper. Für den Bruchteil einer Sekunde kauerte der Affe am Rand des Gebüschs und starrte sie finster an. Dann stürzte er sich nach vorne, und ein schwerer Stein schlug gegen die Windschutzscheibe. Mörderische Glassplitter schleuderten um die hilflosen Insassen herum.

Minna duckte sich hinter das Armaturenbrett, während ein weiterer Stein gegen die Motorhaube des Autos prallte. Sie sah, wie Tully Walters vom Trittbrett sprang. Dann schaltete Don die Scheinwerfer aus und die schmale Straße versank in Dunkelheit.

Aus dieser Dunkelheit drangen die Geräusche der Flucht der furchterregenden Kreatur und der wilden Verfolgung durch Walters, die in der Ferne immer leiser wurden. Hinter der zerbrochenen Windschutzscheibe klammerten sich die Mädchen aneinander und kauerten vor Angst zusammen, bis Don eine Taschenlampe aus einer Seitentasche zog und aus dem Auto stieg.

»Ich werde ihm nachgehen«, verkündete er leise. »Ich kann ihn nicht allein mit diesem Ding konfrontieren. Hier seid ihr in Sicherheit …«

Doch Minna war bereits aus dem Auto gestiegen und zog Alice mit sich.

»Sei nicht albern, Don«, sagte sie bestimmt. »Wir kommen mit dir. Das ist viel besser, als hier in der Dunkelheit zu warten.«

Don widersprach ihr nicht. Mit seiner Taschenlampe suchte er den Straßenrand ab, bis er die Stelle fand, an der der Affe gekauert hatte. Dann entdeckte er einen schwachen Pfad, der zurück ins Gebüsch führte. Langsam ging er voran und folgte diesem kaum erkennbaren Pfad. Das Geräusch vor ihnen wurde leiser und verstummte schließlich ganz. Wieder war es still in der Wildnis. Die schwere Stille wurde nur durch die Geräusche der Nachtinsekten und ihre eigenen Schritte unterbrochen.

Es war besser, als es vor ihnen ein Geräusch gab. Zumindest wussten sie dann, wo sich das Wesen befand. Nun konnte es überall in der Dunkelheit um sie herum sein, bereit, sich auf sie zu stürzen, sobald sie vorbeikamen. Minna zuckte zusammen und konnte förmlich spüren, wie sich die riesigen schwarzen Pranken um ihre Schultern legten.

Ein Schrei durchbrach die Stille, und ihr Blut gefror. Es war Tully Walters, irgendwo direkt vor ihnen. Sein überraschter Schrei blieb ihm im Hals stecken und verwandelte sich in einen Schrei des Schmerzes und des Schreckens.

Don begann zu rennen, aber sie mussten nicht weit laufen. Ein paar Schritte weiter konnten sie das flackernde Licht eines Feuers sehen. Als sie den Rand einer kleinen Lichtung erreichten, drückte Dons warnende Hand sie zurück. Doch er konnte ihnen weder den Anblick des schrecklichen Geschehens im Schein des Feuers vorenthalten noch ihre Ohren vor dem blutigen Gurgeln verschließen, das Tully Walters’ Todesschrei war.

Die blutigen Pranken des riesigen Affen rissen an der Kehle des Mannes und zerfleischte sie auf grausame Weise, während das warme Blut herausspritzte und das zottelige Fell des Affen durchnässte. Dann ließ der Affe mit einem tierischen Knurren den leblosen Körper fallen und starrte finster um sich.

Konnte es in der Dunkelheit sehen – direkt durch das dünne Gebüsch hindurch, hinter dem sie kauerten? Minna hatte das Gefühl, als würden die Augen des Tieres direkt in ihre eigenen blicken, als ob …

Es kam direkt auf sie zu! Mit blutigen Klauen und gesenktem Kopf stürzte es ungeschickt über die Lichtung, bis es nur noch wenige Meter von ihrem Versteck entfernt war. Dann neigte es plötzlich den Kopf und lauschte.

Vor Schreck hatte Minna den ersten Ruf nicht gehört. Jetzt hörte sie ihn, als er wiederholt wurde – ein fernes »Hallo«.

Ohne einen weiteren Blick in ihre Richtung zu werfen, wirbelte der Affe herum und sprang in das Gebüsch.

Erst als das letzte leise Geräusch seiner Flucht in der Ferne verhallt war, ließ Don sie auf die blutbespritzte Lichtung treten. Ein Blick auf das klaffende Loch, das einst Tully Walters’ Kehle gewesen war, genügte, um zu erkennen, dass sie hier nichts mehr für ihn tun konnten.

Doch Minnas Aufmerksamkeit wurde von etwas auf der anderen Seite der Lichtung auf sich gezogen, und ihr jagte es einen eisigen Schauer des Grauens über den Rücken!

Unter einer grob gezimmerten Laube lag der nackte Körper eines jungen Mädchens, das mit einer Kette an einen Baum gefesselt war. Sie war geschlagen, gefoltert und verstümmelt worden, bis ihr Fleisch ein blutrotes Grauen war – und doch lebte sie noch!

Minna sprang vor, nahm den geschundenen Kopf in ihre Arme und sah, wie die geschlossenen Augenlider flackerten. Blut schäumte auf den Lippen des Mädchens, als es versuchte zu sprechen. Dann kamen die Worte, undeutlich und kaum verständlich, während in seinen glasigen Augen die Qualen der Hölle loderten.

»Es war … es war der Perfes …«

Weiter kam sie nicht. Das hervorspritzende Blut gurgelte in ihrer Kehle, und ihr Kopf fiel schlaff zurück. Dorrie Muzzey würde niemals erfahren, wer diese Gräueltaten an ihrem zarten Körper begangen hatte. Sie hegte jedoch einen schrecklichen Verdacht.

Sie hatte die Köpfe der drei geweckt, die sich über sie beugten.

Was hatte sie sagen wollen? Der Professor? Der Affe des Professors? Der Assistent des Professors? Oder – nein, allmächtiger Gott, nein! Sie konnte doch unmöglich den Sohn des Professors gemeint haben!

Minna wagte es nicht, den anderen in die Augen zu sehen, als sie sich erhob. Sie hätte es nicht ertragen können, wenn sie in ihren Blicken denselben schrecklichen Verdacht gelesen hätte, der sich wie eine giftige Schlange in ihrem eigenen Kopf eingenistet hatte. Stattdessen wandte sie sich der primitiv gebauten Hütte zu.

Sie bestand aus nichts weiter als vier Pfählen, über deren Spitzen Querbalken geschnürt waren, auf denen frisch geschnittene Äste lagen. Offensichtlich hatte es dem mörderischen Tier als Unterschlupf gedient – als Liege, von der aus es das Leiden seines hilflosen Opfers hatte beobachten können. Im Laubbett darunter lagen Brotkrusten, ein abgeknabberter Knochen – ja, sogar Zigarettenstummel!

Ein Affe, der Zigaretten rauchte!

Minna sah genauer hin – und ihr sank das Herz. Für einen Moment schwankte die Welt um sie herum und sie war sich sicher, dass sie ohnmächtig werden würde. Doch dann schöpfte sie aus einer inneren Quelle des Mutes Kraft, trat vor und setzte ihren Fuß auf das glänzende Stück Metall, das ihr ins Auge gefallen war.

Als sie sicher war, dass die anderen es nicht bemerken würden, bückte sie sich schnell und schnappte sich das versilberte Feuerzeug mit Monogramm, das sie Hartley Kincaid zu Weihnachten geschenkt hatte.

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