Archiv

Felsenherz der Trapper – Teil 01.1

Felsenherz, der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Überarbeiteter Text
Band 1
Die Felsenfarm
Erstes Kapitel

Weiße Banditen

Über die kleine Prärie, die sich in leichten Bodenwellen zwischen bewaldeten Bergen bis zu einem der zahlreichen Nebenflüsse des Oberlaufs des Canadian River hinzog, jagten an einem heißen Julimorgen vier Reiter. Ihre Lederanzüge und ihre gesamte Ausrüstung ließen sie als Fallensteller erkennen.

Ihre Tiere, abgetrieben und mit Schweiß bedeckt, strauchelten oft vor Erschöpfung, wurden aber von ihren Reitern immer wieder zu rasendem Galopp angespornt.

Es waren Indianerpferde, magere, kleine, aber ebenso zähe Klepper, die nicht so leicht ermüden und die nun doch jeden Augenblick zusammenzubrechen drohten.

Der vorderste Reiter, ein rotbärtiger, hagerer Mann mit lederartiger Gesichtshaut und dunklen, stechenden Augen, drehte sich zu seinen Gefährten um und rief ihnen aufmunternd zu: »Der Estacado ist nahe! Nur Mut! Wir werden den roten Schuften schon entgehen!«

Gleichzeitig blickte er nach Westen über die hügelige Prärie, durch deren dichtes Gras sich die Fährte der vier Flüchtlinge wie ein endloser Strich hinzog.

Was er dort in der Ferne sah, beruhigte ihn noch mehr als die Nähe des Baches, an dem sie ihr plumpes Boot versteckt hatten. Dort hatten sie dem Comanchendorf in den südlichsten Ausläufern der Rocky Mountains einen sehr lohnenden heimlichen Besuch abgestattet. Denn er zählte nur acht Indianer, die ihnen nach dieser nächtlichen Hetzjagd noch auf den Fersen geblieben waren.

»Gemach, Boys, gemach!«, brüllte er nun mit triumphierendem Lachen. »Nur acht von der roten Brut habe ich soeben bemerkt! Also Trab, Boys! Mit diesen acht werden wir leicht fertig!«

Die Flüchtlinge zügelten ihre Pferde und ritten nun nebeneinander zu einer Gruppe von Eichen, in deren Mitte sich eine einzelne Riesenkiefer erhob.

»Wahrhaftig, Hobler, du hast die Richtung fein eingehalten!«, meinte ein schlanker junger Mann mit wehendem schwarzen Schnurrbart zu dem Rotbärtigen. »Dort sind die Eichen, und links davon muss hinter den Büschen der Estacado seine rauschenden Wasser dem Mazapil zusenden!«

»Kein Kunststück, weiter, Benito!«, sagte Hobler gleichmütig. »Diese Gegend hier im Nordwesten der berüchtigten Llano Estacado ist seit Jahren mein Jagdgebiet. Ich kenne hier jeden Fußbreit Boden. Ah, der Bach meldet sich schon! Hört ihr sein Rauschen? Nun können die Comanchen uns nachpfeifen. Wir werden diesen kostbaren Ledersack, den mein Pferd so brav bis hierher geschleppt hat, in aller Ruhe in Sicherheit bringen.«

Er brach mitten im Satz ab, griff nach der am Sattel befestigten Doppelbüchse und rief zischend: »Da, da, es ist der Unterhäuptling der Comanchen, der Schwarze Panther, und der andere mit dem langen Haarschopf kann nur seine kriegerische Schwester sein, von der man sich weit und breit die reinsten Wunderdinge erzählt!« Die beiden müssen uns im Bogen überholt haben. Aber was tut’s! Es sind nur zwei …!«

Die beiden Comanchen waren plötzlich aus den Uferbüschen des Estacado aufgetaucht und galoppierten auf ihren noch frischen Mustangs den Flüchtlingen entgegen.

»Überlasst sie mir!«, meldete sich Hobler abermals. »Der Schwarze Panther schwenkt einen Eichenzweig. Er will zum Schein mit uns verhandeln. Natürlich nur, um uns seinen Kriegern in die Hände zu spielen!«

Hobler spannte die Hähne seiner Büchse, warf noch einen Blick auf die Zündhütchen und ließ sein Pferd im Schritt gehen.

Als die beiden Comanchen noch etwa sechzig Schritte entfernt waren, parierte der Schwarze Panther seinen Mustang und schwenkte den Eichenzweig über dem Kopf.

»Die vier Bleichgesichter werden das Gestohlene herausgeben!«, rief er auf gut Englisch. »Die Comanchen leben seit Monaten in Frieden mit den Trappern und Farmern. Der Schwarze Panther hat hundert Krieger in der Nähe und …«

Der scharfe Knall eines Schusses donnerte über die stille Prärie hinweg.

Ein zweiter Schuss folgte.

Die junge Indianerin sank mit einem Schrei vom Pferd und auch der Häuptling ließ den Eichenzweig aus der Hand fallen, obwohl die Kugel seinen Arm nur gestreift hatte.

Der Comanche spornte seinen Mustang an und stürmte mit schrillem Kriegsgeschrei auf die vier Weißen zu.

Hoblers Freunde schossen nun ebenfalls, aber sie trafen nicht. Nur der Mustang des Roten schien getroffen worden zu sein. Er schnellte in die Luft und blieb dann wie angewurzelt stehen.

Der Häuptling hatte den Tomahawk bereitgehalten. In einem kurzen Bogen sauste das Schlachtbeil auf Hobler zu. Doch dieser riss sein Pferd mit einem Ruck hoch, und die Schneide des Tomahawks vergrub sich mit dumpfem Krach in die Stirn des abgetriebenen Tieres, das sofort nach hinten zusammenbrach.

Im selben Augenblick sank auch der Mustang des Comanchen um. Beide Reiter hatten sich aus dem Sattel gewandt.

Der Schwarze Panther schnellte nun in langen Sätzen zu der Stelle, an der Hobler ihn erwartete, die Büchse zum Schlag erhoben.

Das Sonnenlicht funkelte gleißend auf der Klinge des Jagdmessers, mit dem der Comanche diesen heimtückischen Angriff rächen wollte.

Benito, der einen Lauf seiner Büchse abgefeuert hatte, stand im Anschlag, den Zeigefinger am Abzug, und rief drohend: »Verschwinde, Rothaut! Ich vergieße nicht gern Blut …«

Der Schwarze Panther hatte kehrtgemacht.

»Verdammt! Bist du verrückt, Benito!«, brüllte Hobler. »Knall die roten Halunken nieder!«

Der Comanche war bereits neben seiner Schwester, hob sie empor, schwang sich in den Sattel ihres Mustangs und jagte dem Eichenwäldchen zu.

Hobler hatte Benito die Büchse aus der Hand gerissen, kurz gezielte und gefeuert.

»Pest!«, fluchte er. »Der Schuft entkommt! Vorwärts, zum Boot, Boys! Benito, nimm den Sack auf deinen Gaul! Dort – die acht Roten sind keine dreihundert Yards mehr entfernt.«

Er zog seinem Pferd den Tomahawk aus der Stirn, nahm die Satteltaschen über den Rücken und rannte seinen Gefährten nach.

Als er durch die Uferbüsche brach, sah er das große, plumpe Boot bereits auf dem Wasser schwimmen. Er watete hinüber. Benito half ihm hinein, und die beiden anderen lenkten das Fahrzeug schnell in die Mitte der reißenden Strömung des etwa 20 Fuß breiten Flüsschens.

Hobler nahm ebenfalls eins der Ruder und sagte dabei mit verbissener Wut zu Benito: »Weshalb hast du nicht abgedrückt, he?! Du bist und bleibst ein Waschlappen! Mehr nach dem rechten Ufer hinüber, Tompkins und Webster! Die acht Comanchen haben Büchsen! Und selbst wenn diese Schießprügel nicht viel taugen, ist es doch besser, ein wenig Wasser zwischen uns und sie zu legen.

Ihr drei, rudert! Ich werde steuern. In einer Viertelstunde haben wir den Mazapil erreicht und sind die Roten dann für immer los!«

Bei diesen Worten spielte ein kaum merkliches, heimtückisches Lächeln um seine Lippen.

Benito, Tompkins und Webster saßen mit dem Rücken zur Fahrtrichtung auf den Ruderbänken. Von seinem Platz am Steuer aus konnte Hobler alles beobachten, was sich am linken Ufer des breiten Baches weit vor ihnen abspielte.

Mit Genugtuung sah er, dass die acht Comanchen nun nach Norden davongaloppierten. Er ahnte, was kommen würde. Aber das war ihm gerade recht!

Vor ihm auf dem Boden des kastenähnlichen Flachboots lag der große, fast zentnerschwere Ledersack. Neben ihm lehnte seine Büchse, die er bereits wieder geladen hatte. Seine scharfen Augen glitten unaufhörlich hin und her. Nichts entging ihnen.

Der Estacado, wie er von den Trappern getauft worden war, wurde bald recht schmal und schoss nun zwischen steilen Uferfelsen dahin. Dicht vor seiner Mündung in den Rio Mazapil gab es eine Stelle, an der sich eine Halbinsel in den Fluss hineinschob, sodass er hier kaum dreißig Fuß breit war.

Diese mit Gestrüpp bewachsene, felsige Halbinsel fasste Hobler dann besonders scharf ins Auge, als sich das Boot ihr mit großer Geschwindigkeit näherte.

Und wiederum blitzten seine Augen triumphierend auf. Er hatte dort drüben nur einen Moment lang den Kopf eines Comanchen bemerkt.

Hobler bückte sich und schien in einer seiner Satteltaschen nach etwas zu suchen.

Hier in der Stromenge schoss das Boot auch ohne Steuerung in der Hauptströmung dahin.

Dann geschah, was Hobler erwartet hatte.

Acht Schüsse knallten zur gleichen Zeit! Webster und Tompkins schnellten hoch, ließen die Ruder fahren und sanken lautlos über Bord.

Benito war mit einem leisen Schrei von der Ruderbank gerutscht.

Eine Kugel war in seine rechte Schulter gedrungen. Er lag nun halb ohnmächtig mit dem Gesicht nach unten im Boot.

Die Halbinsel war passiert. Hobler richtete sich aus seiner gebückten Haltung wieder auf. Ein höhnisch-zufriedenes Lächeln verzerrte sein gebräuntes Gesicht.

Dann rief er scheinbar voller Mitgefühl: »Benito, armer Kerl! Ich kann dir leider jetzt nicht beispringen. Ich muss am Steuer bleiben. Die Pest über diese rote Brut! Wer konnte auch mit dieser Teufelei rechnen! In einer halben Stunde sind wir in unserem Versteck. Dann verbinde ich dich.«

In Gedanken fügte er hinzu: »Hoffentlich bist du inzwischen verblutet!«

Benito, ein gebürtiger Mexikaner, hatte Hobler, Webster und Tompkins vor zwei Monaten aus dem damals kaum entstandenen Städtchen Santa Fé in diese Wildnis geschleppt, um seinen gefährlichen Plan nicht allein ausführen zu müssen. Dieser schwer verwundete Benito stöhnte leise und erwiderte mit schwacher Stimme: »Es … es ist aus mit mir, Hobler! Ich hätte … fest bleiben sollen! Aber die verdammte Goldgier hat …«

Er sank kraftlos noch mehr zusammen. Ohnmacht umfing seine Sinne.

Hobler lachte vor sich hin.

»Narr, Waschlappen! Wenn ich dich jetzt ins Wasser werfe, gehören die Nuggets mir ganz allein! Aber vielleicht brauche ich dich noch. Besser, du krepierst erst später …«

Die Einmündung des Baches in den weit breiteren Rio Mazapil war erreicht.

Hier war die Strömung bedeutend schwächer. Hobler band das Steuer fest und kümmerte sich um den Verwundeten. Die Kugel saß nicht tief. Der Trapper hatte Erfahrung mit solchen Dingen, schnitt das Bleigeschoss heraus, spülte die Wunde mit Rum und Wasser aus seiner Feldflasche aus und legte einen fachgerechten Verband an. Er schob Benito seine Satteltaschen unter den Kopf und setzte sich wieder ans Steuer.

Der Rio Mazapil floss hier durch eine wellige Prärie dahin. Dann tauchten felsige Berge auf. Die Ufer wurden steil und das Flachboot fuhr zeitweise in düsteren Canyons dahin.

Dann kam wieder ein Stück Prärie. Und nun erschien am linken Ufer des hier genau nach Norden strömenden Nebenflusses des Canadian ein einzelner Höhenzug, der von West nach Ost verlief und sich mit seinem östlichen Ende als breite Halbinsel in den Mazapil hinein erstreckte.

Hobler hielt das Boot dicht am linken Ufer, wo sich ein schmaler Waldstreifen hinzog. Als er die durch das Südufer der Halbinsel und das Flussufer gebildete Bucht erreicht hatte und sich außerhalb der Strömung befand, griff er zu den Rudern und trieb das schwerfällige Fahrzeug auf ein paar riesige Felsblöcke zu, die im tiefsten Winkel der Bucht halb auf dem Land und halb im Wasser lagen.

Plötzlich hörte er jedoch mit Rudern auf und lauschte gespannt. Der schwache Ostwind hatte ihm dumpfe Geräusche zugetragen.

»Verdammt, das sind Axtschläge!«, murmelte Hobler. »Was bedeutet das? Haben sich hier etwa wieder Siedler eingefunden? Das wäre mir sehr unerwünscht! Ja, es sind Axtschläge! Ah, und das war das Brüllen einer Kuh!«

Er ruderte hastig weiter. Das Boot verschwand.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert