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Slatermans Westernkurier – Ausgabe 09/2025

Auf ein Wort, Stranger, lass uns heute über den Tag des Zorns in Utah reden.

In diesem Monat jährt sich zum 186. Mal jener Tag, der in Utah als Tag des Zorns und der Trauer bezeichnet wird und dessen Ereignisse auch heute noch wie ein Damoklesschwert über dem Bundesstaat, den Mormonen und ihrer Kirche hängen. Denn am 11. September 1857 griffen fünfzig bis sechzig bibelfanatische Männer der Mormonenmiliz zusammen mit skalplüsternen Paiute einen Auswanderertreck mit mehr als einhundertzwanzig unbewaffneten Siedlern in einem lieblichen Bergtal namens Mountain Meadows an. Die Siedler waren nur auf der Durchreise nach Kalifornien und wurden im wahrsten Sinne des Wortes wie Vieh abgeschlachtet. Es wurden nur Kinder bis sechs Jahre am Leben gelassen, da diese nach Ansicht der Mörder die Ereignisse nicht verstehen konnten und aufgrund ihres Alters bei den Behörden auch nicht als glaubhafte Zeugen galten. Diese 17 Kinder wurden später alle in bibeltreue Mormonenfamilien integriert, wo sie lernten, zu schweigen und zu vergessen. Dieser Tag, der als das Mountain-Meadows-Massaker in die Geschichte einging, wird noch heute von der Kirche der Mormonen und auch von vielen Amerikanern – außer den Nachkommen der Opfer und deren Angehörigen – bagatellisiert.

Das lässt sich daran erkennen, dass der Film September Dawn von Christopher Cain aus dem Jahr 2007, der sich um eine historische Darstellung der damaligen Ereignisse bemühte, in den USA zwar in 850 Kinos startete, aber bis heute kaum mehr als zwei Millionen Dollar einspielte.

Zum Vergleich: Kevin Costners pseudohistorischer Western Der mit dem Wolf tanzt spielte bisher beinahe 600 Millionen Dollar ein.

Warum wird dieses Ereignis also nicht nur in Utah, sondern in Amerika allgemein totgeschwiegen?

*

Die Gründe für dieses Massaker sind vielschichtig. Die Schuld allein den Mördern zuzuschreiben, wäre zu einfach. Man muss auch die geschichtlichen Ereignisse der damaligen Zeit und die strengen Lehren der Mormonenkirche berücksichtigen.

Wie bei jeder kirchlichen Glaubensgemeinschaft gab und gibt es auch dort sowohl gemäßigte als auch strenggläubige und extrem fanatische Mitglieder. Sie legten das Wort der Mormonenbibel punktgenau aus und lebten danach, obwohl dies in der Realität oft nicht umsetzbar war.

Hinzu kam die Kriegshysterie, die in Utah in diesen Jahren vorherrschte, sowie gewisse Ereignisse in Arkansas und Missouri. Außerdem schlossen sich jedem Auswanderertreck immer eine beträchtliche Anzahl verbrecherischer und unruhestiftender Elemente an. Zum Teil, um in seinem Windschatten dem Gesetz zu entgehen, zum Teil, um die rechtschaffenen Menschen in diesem Treck zu betrügen und zu bestehlen.

Aber der Reihe nach.

In den beiden Jahrzehnten vor dem Massaker waren die Mitglieder der Mormonenkirche intensiver religiöser Verfolgung ausgesetzt. Da ihr Leben hauptsächlich aus Beten und harter Arbeit bestand, wodurch sie einen gewissen Wohlstand erlangten, wurden ihre Nachbarn schon bald neidisch. Es gab aber noch einen anderen Grund, warum die Menschen solch einen Groll gegen die Mormonen hegten. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Oststaaten war bigott und puritanisch und von Neid und Hass zerfressen. Eine Eigenschaft, die in späteren Jahren auch die Cowboys zu spüren begannen und die sogar teilweise zum Ende dieser freiheitsliebenden Viehtreiber führte.

Bei den Mormonen gründete sich der Hass nicht nur auf ihren Wohlstand, sondern auch auf ihre Glaubenslehre, die ihnen die Vielweiberei erlaubte. Sie konnten sich im Namen der Kirche also bis zu einem Dutzend Frauen halten, während bibeltreue Männer im Osten und in den angrenzenden Weststaaten nur eine Frau heiraten durften, der sie bis ans Lebensende treu sein mussten – egal, ob sie sich spätestens ab ihrem vierzigsten Lebensjahr in einen keuschen, bigotten und keifenden Drachen verwandelte, der sich in Frauenvereinigungen engagierte und Alkohol, Tabak und Sex verteufelte. Manch einer mag darüber lachen, aber genau diese Dinge waren tatsächlich dafür verantwortlich, dass die Mormonen von dem anderen Teil der ach so ehrwürdigen Bevölkerung aus dem Land gejagt wurden. So geschehen 1838 im sogenannten Missouri Mormon War, in dessen Verlauf der prominente Mormonenapostel David Patten ums Leben kam. Damals wurden sie aus dem Bundesstaat Missouri vertrieben. Ähnlich erging es ihnen 1844, als sie nach dem Umzug nach Nauvoo, Illinois, verfolgt wurden. Ihr Religionsgründer Joseph Smith und dessen Bruder Hyrum wurden ins Gefängnis geworfen und am 27. Juni 1844 von einem aufgebrachten Mob bestialisch ermordet, der das Gefängnis gestürmt hatte.

Am 13. Mai 1857 wurde schließlich ein weiterer Mormonenapostel namens Parley P. Pratt in Arkansas erschossen. Dies alles führte dazu, dass die Mormonen fortan einen Groll gegen alle Bewohner des Ostens und des mittleren Westens hegten, insbesondere gegen die Bewohner von Arkansas und Missouri.

Aus genau diesen beiden Staaten stammten jene Siedler, die im September 1857 auf dem Weg nach Kalifornien den Bundesstaat Utah durchquerten. Brigham Young, das neue Oberhaupt der Mormonenkirche, hatte seine Schäfchen in dieses gelobte Land geführt.

Schließlich kam noch die Kriegshysterie in Utah hinzu, die das Fass zum Überlaufen brachte.

Es war ein Konflikt, der eigentlich nicht sein musste, dessen Ursache aber historisch belegt wieder aus jenen niederen Beweggründen entstand, die bereits oben erwähnt wurden: Neid, Hass, Polygamie und religiöser Wahn.

*

James Buchanan, der 1856 zum 15. Präsidenten der USA gewählt worden war, trat mit siebenundsechzig Jahren sein Amt in einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlich hohen Alter an. Im März 1857 autorisierte er eine Militärintervention im Utah-Territorium, um den Mormonenführer Brigham Young als Gouverneur abzusetzen und ihn durch seinen Vertrauten, den Nichtmormonen Alfred Cumming aus Georgia, zu ersetzen. Hauptsächlich ging es darum, Young zu entmachten, da dieser nachweislich bestrebt war, das Utah-Territorium auf lange Sicht von Washington loszulösen und einen eigenständigen Mormonenstaat auszurufen. Ein weiterer gewichtiger Grund war, dass sich Buchanan dem Druck der Kirche nicht widersetzen konnte. Sie drängte ihn, endlich die Polygamie in diesem Land abzuschaffen.

Dies war ein Auftrag, dem sich Buchanan unmöglich entziehen konnte, da er sonst seine gesamte politische und gesellschaftliche Stellung gefährdet hätte.

Der 15. Präsident der USA war nämlich homosexuell. Was damals noch vage Gerüchte waren, ist inzwischen durch Historiker bewiesen. Buchanan musste sich deshalb Keuschheit und Frömmigkeit auf die Fahne schreiben. Er konnte gar nicht anders.

Selbst wenn er es gewollt hätte, konnte er es sich nicht leisten, Brigham Young weiterhin schalten und walten zu lassen, so wie dieser es wollte. Zumal es immer konkretere Beweise dafür gab, dass die Mormonen an der Bildung eines eigenen Staates namens State of Deseret arbeiteten. Dieser sollte später einmal nicht nur das Gebiet der heutigen Bundesstaaten Utah und Nevada umfassen, sondern auch große Teile von Arizona, Kalifornien sowie Randgebiete von New Mexico und Colorado. Ein Gebiet mit einer Fläche von mehr als einer Million Quadratkilometern – also etwa dreimal so groß wie Deutschland.

Doch so einfach, wie man sich in Washington den Feldzug vorstellte, war die Sache nicht. Die Mormonen verfügten über eine eigene Miliz, die Nauvoo Legion, und waren äußerst wehrhaft und gut organisiert. Dazu kam, dass Brigham Young durch mehrere aus dem Westen zurückkehrende mormonische Missionare schon sehr bald vom Herannahen der Bundestruppen erfuhr und somit Gegenmaßnahmen treffen konnte.

Siedlungen am Rande des Mormonenterritoriums wurden aufgegeben und man zog sich in die unwegsamen Berge der Rocky Mountains zurück. Es wurde die Parole Verbrannte Erde ausgerufen, was bedeutete, dass Salt Lake City und andere größere Orte darauf vorbereitet wurden, sie völlig zu zerstören und niederzubrennen, um den heranrückenden Soldaten weder Unterkunft noch Verpflegung zu hinterlassen. Im Angesicht des nahenden Winters – in gut zwei Monaten war mit dem ersten Schnee zu rechnen – war dies ein schweres Handicap für die amerikanischen Bundestruppen.

In dieser angespannten Lage erreichte eine größere Gruppe von Aussiedlern, die sich auf dem Weg nach Südkalifornien befanden, das Utah-Territorium. Ihr Anführer war Colonel Alexander Fancher, der diese Route schon zweimal nach Kalifornien zurückgelegt hatte. Nach ihm und den beiden einflussreichsten Familien der Siedler wurde die Gruppe Baker-Fancher-Gesellschaft genannt, die auch heute noch in den Geschichtsbüchern vermerkt ist.

Im Gegensatz zu den meist mittellosen Auswanderertrecks war diese bis auf circa 150 Mitglieder angewachsene Gruppe wohlhabend, sorgfältig organisiert und für die Reise bestens ausgerüstet. In manchen Berichten ist von 120, in anderen von 136 Personen die Rede. Ihr Ziel war Salt Lake City, wo sie planten, ihre Vorräte aufzufüllen, wie es die meisten Wagenkolonnen jener Zeit praktizierten, die sich auf dem Weg nach Kalifornien befanden. Doch über der Stadt und dem gesamten Einzugsgebiet war inzwischen das Kriegsrecht verhängt, weshalb ihnen sämtliche Vorratskäufe verweigert wurden, darunter Proviant, Pulver, Blei sowie alltägliche Dinge wie Schmieröl für die Achsen, Nähgarn und Seife.

Nach einer Beratung entschieden die wichtigsten Männer des Trecks, Fancher, Baker, Cameron und Perkins, dass man statt der geplanten Route nach Südosten auswich, um auf dem sogenannten Old Spanish Trail weiter nach Kalifornien zu ziehen.

Dies sollte sich als verhängnisvolle Entscheidung erweisen, die schließlich zu jener Tragödie führte, die heute noch als das Mountain-Meadows-Massaker bekannt ist.

*

Im August 1857 kehrte George A. Smith, Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel, dem zweithöchsten Gremium im Führungssystem der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonenkirche), von seiner Reise aus Süd-Utah zurück. Er hatte die Menschen auf Befehl Brigham Youngs angewiesen, Getreide und andere Lebensmittel zu horten. Auf seiner Rückreise nach Salt Lake City lagerte er mit seinen Begleitern am 25. August in der Nähe des Baker-Fancher-Wagenzugs am Ufer des Corn Creek.

Die Auswanderer erkundigten sich bei ihnen nach dem Weg und schrieben sich alle Informationen auf, die sie von ihnen erhielten. Auf die Frage nach einem geeigneten Lagerort, an dem sie sich auf ihrer Reise durch die Wüste noch einmal ausruhen und ihr Vieh füttern konnten, empfahl Smith ihnen das südliche Ende der Mountain Meadows, das weniger als drei Meilen von seinem Wohnort entfernt war.

Am nächsten Tag setzte der Wagenzug seine Reise in die über 200 Kilometer entfernten Mountain Meadows fort. Dabei kamen sie an Orten wie Parowan und Cedar City vorbei, die hauptsächlich von Mormonen bewohnt wurden. Diese wurden von William Dame und Isaac Haight geführt. Die beiden waren nicht nur hochrangige Führer der Nauvoo Legion, sondern auch fanatische, streng nach der Bibel ihrer Kirche lebende Männer. Sie hegten zudem einen geschichtlich bedingten, unbändigen Hass auf alles, was aus Arkansas, Illinois oder Missouri kam.

Während die Auswanderer Anfang September im Herzen der Meadow Mountains auf den Bergwiesen lagerten und damit begannen, frisches Wasser für die Reise durch die knapp 90 Kilometer entfernte Wüste einzulagern, zogen sich über ihnen dunkle, unheilvolle Wolken zusammen. Dame und Haight hielten in Cedar City und Parowan mehrere Versammlungen ab, um mit den Mitgliedern der Gemeinden das Vorgehen gegen Nichtmormonen in ihrem Land zu besprechen. Besessen von religiösem Fanatismus und Gier – nachdem bekannt geworden war, dass der Baker-Fancher-Treck außerordentlich vermögend war – wurden von Mitgliedern der Nauvoo Legion Gerüchte gestreut, die Siedler, die aus Arkansas, Missouri und Illinois kamen, seien zumindest an den Übergriffen der damals in diesen Staaten lebenden Mormonen beteiligt gewesen.

Dass sie nichts Gutes im Schilde führten, war auch daran zu erkennen, dass sie in der Nähe des Corn Creek eine Quelle auf dem Gebiet des Farmers Jacob Hamblin vergiftet hatten. An dieser Quelle starben 18 Rinder und mindestens zwei Mormonen, die von dem Fleisch der Tiere gegessen hatten.

Diese Aussage entlarvte United States Marshall Rogers einige Jahre später als Lüge, da angesichts der Größe dieser Quelle und der Kraft des daraus strömenden Wassers selbst ein ganzes Fass Arsen nicht ausgereicht hätte, um sie zu vergiften.

In der Zwischenzeit hatten Dame, Haight und andere Angehörige der Nauvoo-Miliz die Gemeindemitglieder derart bearbeitet, dass der größte Teil von ihnen am Nachmittag des 6. Septembers bereit war, nach dem Sonntagsgottesdienst offen über die Vernichtung der ungläubigen Siedler zu beraten. Die gemäßigte Fraktion der Gemeinde schickte am nächsten Tag einen Reiter namens James Haslam los, um den Rat von Brigham Young zu dieser Sache einzuholen.

Aber es war zu spät.

Haslam hatte noch keine fünfzig Meilen zurückgelegt, als sich die Mormonenmilizionäre als Indianer verkleideten und zusammen mit befreundeten Paiute aus dem Süden des Landes den Wagenzug angriffen. Den Auswanderern gelang es, den ersten Angriff abzuschlagen. Danach verbanden sie ihre Planwagen zu einer Wagenburg, ketteten die Räder aneinander, hoben flache Gräben aus und warfen die Erde sowohl unter als auch in die Wagen. Dadurch verwandelte sich der gesamte Treck in eine schier uneinnehmbare Festung.

Dadurch hielten sich ihre Verluste trotz ständiger, wütender Angriffe der zahlenmäßig weit überlegenen Mormonen und Paiute in Grenzen. Von den mehr als einhundert Auswanderern fanden insgesamt nur sieben den Tod, sechzehn wurden verletzt. Dennoch standen sie auf verlorenem Posten. Durch die Belagerung und die ständigen Angriffe hatten die Familien kaum noch frisches Wasser oder Futter für die Tiere, und auch der Vorrat an Pulver und Blei neigte sich dem Ende zu. Ein grausames Schicksal wollte es jedoch, dass nicht dieser Mangel die Menschen des Trecks besiegte, sondern eine hinterhältige Kriegslist.

Nachdem die Angriffe auch am fünften Tag erfolglos geblieben waren, breitete sich unter der Mormonenmiliz die Angst aus, die Auswanderer könnten herausfinden, dass sich unter den Angreifern nicht nur heidnische Wilde, sondern auch weiße Männer befanden. Dies führte zur Entscheidung, alle Mitglieder des Trecks zu töten, um einer Bestrafung durch die Behörden zu entgehen.

Am Freitag, dem 11. September 1857, näherten sich deshalb zwei Milizionäre, gefolgt von ihrem Offizier John D. Lee, mit einer weißen Fahne der Wagenburg. Lee erzählte den erschöpften Aussiedlern, dass es ihm gelungen sei, einen Waffenstillstand mit den Paiute auszuhandeln, und dass er sie unter dem Schutz der Mormonenmiliz in die sichere Stadt Cedar City eskortieren könne. Die einzige Bedingung war, den Paiute ihr Vieh und die noch vorhandenen Vorräte zu übergeben. Ihre Wagen würden ihnen von der Miliz übergeben werden, sobald die Paiute abgezogen wären. Angesichts der Überlegenheit der Paiute, die sich auf den nahen Hügeln versammelt hatten, und ihrer eigenen Erschöpfung mussten Fancher und die anderen Führer nicht lange überlegen.

Nach ihrer Einwilligung wurden sie von den Milizionären aus ihrer befestigten Wagenburg herausgeführt. Es fiel niemandem auf, dass die Mormonen sie anschließend nach Geschlechtern trennten. Auch als man sie entwaffnete und behauptete, dass man den Paiute dadurch zeigte, dass man ihre Forderung akzeptierte und keinen Widerstand mehr leisten würde, wurden nur wenige misstrauisch, obwohl jetzt jeder der Mormonen eine Waffe in der rechten Hand hielt.

Ihr Vertrauen wurde auf grausamste Weise bestraft. Sie hatten noch keine anderthalb Meilen zurückgelegt, da zeigten die Mormonen und die mit ihnen verbündeten Paiute ihr wahres Gesicht.

John M. Highbee, Major der Nauvoo-Miliz, stieg plötzlich in den Steigbügeln auf, drehte den Kopf und rief seinen Männern zu: »Tut eure Pflicht!«

Einen Moment später krachten Schüsse. Die unbewaffneten Aussiedler hatten keine Chance. Jeder von ihnen wurde Sekunden später von den Mormonen durch Schüsse in Kopf und Brust hingerichtet. Gleichzeitig stürmten die Paiute aus ihren Verstecken hervor und schlachteten die Frauen und Kinder ab. Sie schnitten ihnen die Kehle durch, schlugen ihnen die Schädel mit Steinen ein und zogen ihnen die Kopfhaut ab, während sie noch lebten. Binnen weniger Minuten wurden bis auf 17 Kinder alle Mitglieder des Baker-Fancher-Treck ermordet. Die 17 Kinder überlebten, da sie noch keine sechs Jahre alt waren und ihre Aussagen vor Gericht somit als unglaubhaft galten. Außerdem hielt man sie für zu jung, um sich später an diese Ereignisse zu erinnern.

Sie wurden allesamt an besonders gläubige Familien übergeben, die sie zu wahren Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage erziehen sollten. Eines dieser Kinder war nebenbei bemerkt ein sechsjähriger Junge namens Kit Carson, der viele Jahre später als Trapper, Scout, Indianeragent und Soldat zu einer Berühmtheit im Westen wurde. Anmerkung der Redaktion: Hier liegt eine Verwechslung vor. Es handelt sich bei einem der Kinder um den fünfjährigen Jungen mit dem Namen Charles Fancher (Christopher Kit Carson Fancher).

Nachdem das Gemetzel vorüber war, begannen die Paiute, den Treck zu plündern. Die Mormonen hatten jedoch bereits vorher große Mengen an Wertsachen sowie fast das gesamte Vieh der Aussiedler in Sicherheit gebracht. Ein Teil des Viehs wurde nach Salt Lake City gebracht und dort verkauft, der Großteil jedoch wurde untereinander verteilt. Mit den Wertsachen wurde ebenso verfahren. Die besonders wertvollen Dinge wanderten in den Besitz der Miliz. Der Rest wurde ins Zehnthaus nach Cedar City gebracht und dort öffentlich an die Mormonen vor Ort versteigert.

James Haslam kam zwei Tage nach dem Gemetzel von seinem Besuch bei Brigham Young zurück. Er berichtete, dass der oberste Führer der Mormonen entschieden hatte, den Treck friedlich weiterziehen zu lassen. Allerdings soll er auch gesagt haben, dass er nicht über die amerikanischen Ureinwohner bestimmen könne und diese sowieso machen würden, was sie wollten.

Diese Aussage wurde von der Miliz als Zustimmung für ihre furchtbare Tat interpretiert, ebenso wie Youngs späteres Verhalten, als die US-Army mit der Aufklärung des Verbrechens begann.

*

Obwohl die meisten Tageszeitungen im Osten bereits kurze Zeit später in gewissem Umfang über das Massaker berichteten, verkam die Untersuchung mitsamt den juristischen Konsequenzen des Geschehens zu einer Farce. Es dauerte fast zwanzig Jahre, bis Bewegung in die Sache kam – was vor allem an kirchlichen und politischen Interventionen lag.

Der Versuch der Vertuschung des Vorfalls begann bereits drei Wochen nach dem Massaker. Brigham Young ließ sich von dem Offizier John Lee das Geschehen am Mountain Meadows schildern und verfasste anschließend einen Bericht für den Beauftragten für Indianerangelegenheiten. Darin wurde dargelegt, dass dieses Massaker das Werk der kriegerischen Paiute gewesen sei. Die Prüfung dieses Berichts, der Einmarsch der US-Bundestruppen und die Wirren des sogenannten Utah-Kriegs, durch den Young als Gouverneur abgesetzt wurde, verhinderten zunächst eine zeitnahe Aufarbeitung.

Erst im Frühjahr 1859 leitete die US-Bundesregierung eine neuerliche Untersuchung ein und beauftragte Jacob Forney, den Superintendent für Indianerangelegenheiten in Utah, und den Brevet-Major John Henry Carleton (1814–1873), Nachforschungen anzustellen. Bereits bei seiner ersten Tatortbegehung in den Mountain Meadows entdeckte Carleton massenhaft Frauenhaare, die sich in den Salbeibüschen verfangen hatten, sowie die Knochen von Kindern, die noch in den Armen ihrer Mütter lagen. Ein Anblick, den er, wie er später sagte, nie vergessen konnte.

Diese Aussage ist gut nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen hält, dass die über einhundert Toten erst dann notdürftig begraben wurden, nachdem sie von Wölfen und anderen wilden Tieren angefressen worden waren und ihre Überreste sich über zwei Meilen verteilt hatten. Carleton ließ seine Truppen die Knochen und Schädel einsammeln und begraben sowie ein Steinmännchen mit einem Kreuz darauf errichten – als Mahnmal und Erinnerung an diese schreckliche Tat.

Das Denkmal wurde 1861 zerstört. Nach späteren Zeugenaussagen befanden sich zu diesem Zeitpunkt Brigham Young und eine Abordnung seiner engsten Vertrauten in unmittelbarer Nähe der Mountain Meadows. 1864 baute die US-Armee es wieder auf.

Carleton befragte auch mehrere Häuptlinge der Paiute. Diese gaben unter Wut darüber, dass sie von der Mormonenmiliz bei der Verteilung der Beute betrogen worden waren, zu, dass nicht sie, sondern hauptsächlich verkleidete und bemalte Mormonen den Überfall ausgeführt hatten. Diese Aussage wurde später von Jacob Forney bestätigt, nachdem es diesem gelungen war, einige der verschleppten Kinder aufzuspüren und zu befragen.

Daraufhin berief John Cradlebaugh, ein von der US-Regierung nach dem Utah-Krieg ins Land gebrachter Richter, im März 1859 in der Stadt Provo eine Gerichtsverhandlung ein, um die inzwischen bekannten Milizionäre, die an der Tat beteiligt waren, zu verhaften und zu verurteilen. Doch die ausschließlich aus Mormonen bestehende Jury lehnte jegliche Anklage ab, sodass John Lee, der die Auswanderer mit einer weißen Flagge zur Aufgabe überredet hatte, John Higbee, der den Befehl zur Erschießung der Siedler gegeben hatte, und Isaac Haight, der Bataillonskommandeur der Nauvoo-Miliz, noch vor ihrer Verhaftung fliehen konnten.

Auch der Versuch, Brigham Young als Verantwortlichen zu verhaften und anzuklagen, scheiterte am Widerstand der Richter der jeweiligen mormonischen Territorialgerichte. Weitere Ermittlungen wurden durch den Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs bis auf weiteres eingestellt.

Es schien, als hätten die Mormonen mit ihren Vertuschungen und der Blockade der Gerichtsbarkeit der Bundesbehörden Erfolg gehabt.

Doch dann, im Jahr 1871, schlug die Nachricht, dass die Staatsanwaltschaft eine eidesstattliche Erklärung eines gewissen Philip Klingensmith erhalten hatte, wie eine Bombe ein. Klingensmith war kein x-beliebiger Bewohner Utahs, sondern Angehöriger der Nauvoo-Miliz am Mountain Meadow.

Er war Schmied aus Cedar City und Bischof der Bewegung der Heiligen der Letzten Tage. Er hatte die Ereignisse von damals nie verkraftet, die Kirche verlassen und war nach Nevada gezogen. Mit dieser Erklärung wollte er nun endlich sein Gewissen erleichtern.

Am 7. November 1874 wurden John Lee, Elliott Wiliden, George Adair sowie William Dame und Klingensmith selbst verhaftet. Gegen Haight, Higbee, Stewart und Jukes, die untergetaucht waren, wurden ebenfalls Haftbefehle erlassen. Der Haftbefehl gegen Klingensmith wurde kurz darauf aufgehoben, nachdem er erklärt hatte, eine vollumfassende Aussage zu machen.

Am 23. März 1877 wurde Lee durch ein Erschießungskommando hingerichtet; alle anderen acht Verantwortlichen wurden lediglich von der Mormonenkirche exkommuniziert. Lee behauptete bis zu seinem Tod, ein Bauernopfer zu sein, und auch die meisten Historiker sind heute noch dieser Meinung.

Die politische und kirchliche Führungsebene in Utah hüllte sich in dieser Frage jahrzehntelang in Schweigen. Es dauerte bis zum Jahr 1999, bis die Kirche der Heiligen der Letzten Tage Carletons Steinhaufen durch ein würdigeres Denkmal ersetzte. Cains Film September Dawn wurde in Utah indiziert. Als man Mitt Romney, Mormone und damaliger Gouverneur von Utah, anbot, sich diesen Film in einer privaten Aufführung anzusehen, um sich ein Urteil zu bilden, war die Antwort – grob übersetzt: »Ich bin nicht bei der Filmkritik angestellt, also verschwindet, verdammt noch mal.«

Gewiss ist September Dawn kein filmisches Meisterwerk. Man muss ihm ankreiden, dass er die Kriegshysterie von damals sowie die fanatischen Lehren und Führer der Mormonen nur am Rande erwähnt und aus dem Werk einen Western mit Romeo-und-Julia-Bezug gemacht hat. Aber die Geschichte des Massakers ist, wenn es auch vielen in Amerika nicht gefällt, fast korrekt nacherzählt.

Apropos Massaker: Das Thema des Tötens im Namen von Religionen kommt einem doch bekannt vor, oder?

So long …

Euer Slaterman

Quellenangabe:

www.legendsofamerica.com

www.welt.de

5 Antworten auf Slatermans Westernkurier – Ausgabe 09/2025

  • Reinhard Windeler sagt:

    Mein Kommentar muss nicht gleich wieder dazu führen, dass der gesamte Beitrag gelöscht wird.
    Aber die Fehlinformation, dass der berühmte Scout Kit Carson eines der überlebenden Kinder des Massakers gewesen sei, sollte behoben werden. Kit Carson wurde 1809 geboren und war somit zum maßgeblichen Zeitpunkt 47 Jahre alt.
    Das verschonte Kind war ein Sohn von Alexander Fancher, der – man wird wohl vermuten dürfen zu Ehren Kit Carsons – den Namen Christopher Carson Fancher erhalten hatte. Er wurde 1852 geboren und nahm sich 1873 das Leben, offenbar, weil ihn die Erinnerungen an das Massaker nicht losließen.
    Siehe hier: https://de.findagrave.com/memorial/8558986

  • Copolymer sagt:

    In der Tat handelt es sich um eine Verwechslung.
    Im Sonderbericht über das Mountain Meadows Massaker »Famous Trials. Accounts and Materials for 100 of History’s Most Important Trials« von Professor Douglas O. Linder wird berichtet:
    »Der zehnte ist ein Junge mit dem Namen Charles Fancher [Christopher “Kit” Carson Fancher, 5].«

    Der Westernkurier 9/2025 wurde nicht wegen des Kommentars gelöscht, sondern auf Grund von vielen sachlichen Mängeln, die beim Überarbeiten festgestellt wurden und den Usern in dieser Art nicht weiter angeboten sollten.

    Reinhard, vielleicht wäre gerade die Westernsparte ein Betätigungsfeld, um für den Geisterspiegel interessante Beiträge zu schreiben sowie unseren Slaterman zu unterstützen? Gerne per PN.

  • gerold schulz sagt:

    Sorry, eindeutig mein Fehler, so etwas hätte ausgerechnet mir nicht passieren dürfen. Leider gibt es da gewisse Umstände, die mich nicht immer so agieren lassen, wie ich es gerne möchte.
    Deshalb bedanke ich mich bei Reinhard für seinen Hinweis und werde in Zukunft meine Quellen, die ich bisher für seriös gehalten hatte, nicht mehr eins zu eins übernehmen.

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