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Secret Service Band 3 – Kapitel 14

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 3
Old and Young King Brady Detectives
The Bradys after a million
Oder: Ihre Verfolgungsjagd zur Rettung einer Erbin
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.

In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.

Kapitel 14

In Chicago

Weder Old King Brady noch Harry Brady hatten auch nur einen Moment lang daran geglaubt, dass Gladys sich zum Zeitpunkt des Mordes in der Hütte in Weehawken aufgehalten hatte.

Ihrer Meinung nach war die Hütte lediglich als Köder benutzt worden, um Liscomb zu ermorden.

Es war wahrscheinlich, dass sich McCue und Meg Pierce aufgemacht hatten, um einen abgelegenen Ort zu erreichen.

Da es nun keinen Grund mehr gab, warum Herr Baron inkognito bleiben sollte, kehrte er nach Hause zurück.

Seine Rückkehr überraschte natürlich viele, die ihn für tot gehalten hatten.

Doch der Millionär hielt es nicht für notwendig, eine Erklärung abzugeben. Und das tat er auch nicht.

Die beiden Bradys waren nun völlig ratlos. Der Fall hatte sich nicht so entwickelt, wie Old King Brady es erwartet hatte.

Der Mord an Liscomb war ein unerwartetes Element.

Aber die beiden Detektive ließen sich durch diese ungünstige Wendung keine Sekunde entmutigen.

So standen die Dinge, als ihnen die Habgier der menschlichen Natur wieder einen Hinweis gab.

McCue und seine Komplizen Danton und Meg Pierce hatten Gladys in ihrer Obhut, wo auch immer sie sich befanden.

Als sie erfuhren, dass Herr Baron doch nicht tot war, wurde ihr Wunsch, die Million-Dollar-Belohnung für die Rückkehr von Gladys Baron zu erhalten, immer stärker.

Dies verleitete sie dazu, eines Tages einen Brief an den Millionär zu senden.

Er lautete:

Mister Barren
Sehr geehrter Herr,
ich kann Ihr Mädchen für Sie finden und werde sie Ihnen wohlbehalten übergeben, wenn Sie mir die von Ihnen angebotene Million zahlen. Aber ich bin ein Gauner und kann es mir nicht leisten, mich Ihnen zu zeigen. Wenn Sie mich schützen und sich verpflichten, mich nicht der Polizei auszuliefern, werde ich mit Ihnen Geschäfte machen und Sie werden Ihr Mädchen heil zurückbekommen. Schreiben Sie mir an das Atlantic House in Chicago.
Mit freundlichen Grüßen,
Mike McCue

Der Baron las den Brief und verspürte für einen Moment den starken Wunsch, der Forderung nachzukommen und McCue die Belohnung für die sichere Rückkehr von Gladys zu zahlen.

Doch dann suchte er aus Angst vor Betrug Old King Brady auf.

Es war gut, dass er das tat.

Der alte Detektiv ergriff den Hinweis mit Begeisterung.

»Jetzt haben wir es«, rief er. »Dieser Brief ist in Chicago abgestempelt. Harry und ich werden Gladys jetzt aus ihren Fängen befreien, keine Sorge.«

Ein Nachtzug brachte die beiden Detektive aus New York weg.

Die Fahrt nach Chicago war schnell gemacht.

In enger Verkleidung stiegen sie am Chicagoer Bahnhof aus. Sie begaben sich sofort zum Atlantic House.

Dort meldeten sie sich unter falschen Namen an und setzten sich dann in die Hotellobby, um zu warten.

Sie wussten, dass McCue dort sicher auftauchen würde. Dann würden sie ihn schnappen.

Den ganzen ersten Tag warteten sie vergeblich. Am Morgen des zweiten Tages erschien schließlich McCue.

Herr Baron hatte den Auftrag erhalten, McCue einen verzögernden Brief zu schreiben.

Dieser war angekommen und wartete im Hotelbriefkasten. McCue forderte den Brief an und erhielt ihn.

Zwei Augenpaare beobachteten ihn, während er ihn las.

»Sollen wir ihn jetzt schnappen?«, fragte Young King Brady.

Doch der alte Detektiv schüttelte den Kopf.

»Noch nicht. Wir müssen ihm folgen, bis wir herausgefunden haben, wo sich das Mädchen befindet!«

»Natürlich!«

McCue las Herrn Barons Brief. Man sah, dass er sich darüber freute, den Millionär zur Einigung zu bringen.

Er trug einen auffälligen Anzug aus kariertem Stoff und sah aus wie ein durchtriebener Gauner und Sportler.

Er ging in den Leseraum, setzte sich an einen Schreibtisch und schrieb Herrn Baron eine Antwort.

Was der Brief enthielt, wussten die Detektive nicht, und es war ihnen auch nicht besonders wichtig.

Sie beobachteten den Schurken genau.

Nach einer Weile stand er auf und warf den Brief in einen Briefkasten. Dann verließ er das Hotel.

Er ging eine Weile die Van Buren Street entlang und bog schließlich in die Randolph Street ab.

Die Detektive waren dicht hinter ihm, einer auf der einen, der andere auf der anderen Straßenseite.

Plötzlich verschwand McCue.

Die Detektive eilten an die Stelle, wo er gestanden hatte.

Für einen Moment waren sie ratlos.

Dann entdeckte Old King Brady Treppen, die zu einem Keller führten. Über der Tür stand ein Schild: BIER UND BILLARD.

Es bestand kein Zweifel, dass McCue dort hinuntergegangen war. Aber man musste sichergehen.

Es schien keinen anderen Weg zu geben, als in den Raum hinunterzugehen.

Dies war jedoch mit einem gewissen Risiko verbunden.

Wenn der Schurke sich dort aufhielt, könnte er den Eindruck gewinnen, dass sie ihn verfolgten. In diesem Fall wäre viel verloren gewesen.

Aber es musste schnell entschieden werden, und Old King Brady tat es.

»Runter mit uns!«, sagte er.

Als die beiden Detektive den Raum betraten, stritten sie heftig.

»Ich sage dir, es gibt keine solche Regel im Spiel«, schrie Young King Brady. »Du musst erst die Bande spielen bei so einem Stoß.«

»Junger Mann, glaubst du nicht, dass ich Billard kenne?«, schimpfte Old King Brady. Er war geschickt als Geschäftsmann verkleidet.

»Nein«, entgegnete Young King Brady, »nicht, wenn du bei deinem Standpunkt bleibst.«

»Sei nicht so frech! Ich spiele gegen dich um hundert oder tausend pro Seite jederzeit.«

»Ich bin dein Mann.«

»Es ist ein Deal!«

Beide zogen ihre Mäntel aus.

Ein Angestellter zeigte ihnen einen Tisch.

Am nächsten Tisch begannen gerade zwei Männer zu spielen. Ein Blick verriet den Detektiven, dass sie auf der richtigen Spur waren.

Die beiden Männer waren McCue und Danton.

Wahrlich, die Bradys schienen großes Glück zu haben.

Sie waren wieder direkt bei ihren Zielen, nachdem sie die Spur in New York verloren hatten. Nichts hätte besser funktionieren können.

Young King Brady begann mit Kunststößen.

Der junge Detektiv war ein ausgezeichneter Billardspieler.

Auch Old King Brady war ein guter Spieler. Während sie spielten, stritten sie.

Dadurch zogen sie die Aufmerksamkeit von McCue und Danton auf sich. Sie unterbrachen ihr eigenes Spiel, um den anderen zuzusehen.

»Ich sage dir, dieser Ball ist festgefroren! Du kannst diesen Stoß nicht spielen!«, schrie Young King Brady.

»Der Spielball ist frei. Ich kann Tageslicht dazwischen sehen«, erklärte Old King Brady.

»Nein, kannst du nicht!«

»Ich sage dir, ich kann.«

»Ich protestiere gegen den Stoß!«

»Protestiere und sei verdammt! Ich lasse ihn raus.«

»Zu fairen Schiedsrichtern?«

»Ja.«

Die Detektive sahen sich um. Old King Brady warf McCue und Danton einen Blick zu.

»Hier sind zwei Herren«, rief er. »Wir überlassen es Ihnen, wenn Sie so freundlich wären, für uns zu schiedsrichtern!«

»Verzeihung«, sagte Young King Brady höflich. »Würden Sie uns diesen freundlichen Gefallen erweisen?«

McCue tauschte Blicke mit Danton aus. Beide lächelten breit.

»Natürlich werde ich das«, stimmte McCue zu. »Was ist die Frage überhaupt?«

»Ob der Spielball an den anderen Ball festgefroren ist oder nicht?«, fragte Old King Brady.

McCue betrachtete die Bälle kritisch.

»Ich würde sagen, er ist sauber gefroren«, erklärte er. »Was sagst du, Jake?«

Danton nickte.

»Sauber gefroren!«, stimmte er zu.

»Da!«, rief Young King Brady. »Was sagst du dazu? Es ist mein Punkt!«

»Alles klar«, sagte Old King Brady mit gespielter Verärgerung. »Ich habe nichts mehr zu sagen. Mach weiter und spiel.«

Die beiden Detektive machten nun einige brillante Stöße.

Plötzlich zog Young King Brady eine Rolle Geldscheine aus seiner Tasche.

»Ich sage dir, was ich tun werde, McIntire«, rief er. »Um es interessanter zu machen, wette ich fünf zu vier, dass ich dich in den nächsten beiden Läufen schlage!«

»Ich nehme es an!«, rief Old King Brady. »Leg dein Geld hin. Ah, vielleicht wäre dieser Herr so freundlich, die Einsätze zu halten.«

Das schmeichelte McCue.

»Natürlich werde ich das«, antwortete er. »Ich bin immer gern bereit zu helfen. Fünf zu vier, was?«

»Ja!«

»Ich fürchte, du wirst verlieren, mein Freund. Ich wette fünf zu eins, dass du geschlagen wirst.«

Old King Brady warf McCue einen durchdringenden Blick zu.

»Abgemacht!«, rief er. »Hier ist mein Geld. Lass deinen Freund das Geld halten.«

Danton nahm die Einsätze.

Dann kreideten die Detektive ihre Queues und begannen das Spiel. Young King Brady gewann das Match mühelos.

Das gefiel McCue erneut.

Er hatte seine Wette gewonnen.

Er zögerte nicht, das Geld in die Tasche zu stecken.

»Ich wusste, der Kleine wäre zu viel für dich«, erklärte er freudig. »Ich würde dich gerne den ganzen Tag auf das Gleiche wetten lassen.«

»Ich habe genug«, sagte Old King Brady. »Mein Name ist McIntire. Ich reise für eine Firma aus Boston. Mit wem habe ich die Ehre?«

»Mein Name ist McCue«, antwortete der Schurke. »Und das hier ist mein Freund Jake Danton. Wir reisen auf der sicheren Seite.«

»Ich bin auch Freimaurer«, erwiderte Old King Brady warmherzig. »Das ist mein Freund und Verwandter Jack Smith.«

»Freut mich, euch kennenzulernen, meine Herren«, sagte Young King Brady. »Wir sind noch neu in Chicago. Große Metropole, oder?«

»Nun ja, wir sind stolz darauf«, sagte McCue voller Stolz als langjähriger Bewohner. »Wir denken, wir können es mit New York aufnehmen.«

»Das könnt ihr. Ihr seid hier ziemlich gut bekannt, oder? Kennt alle Läden?«

McCue zwinkerte langsam.

»Wenn ich das nicht tue«, sagte er umgangssprachlich.

»Weißt du natürlich, wo Herren von Muße eine ruhige Stunde mit einem Kartenspiel verbringen können?«

»Poker?«

»Sicher!«

»Nun«, sagte McCue langsam, »es gibt einen Raum hinter diesem hier. Ich zeige euch, wie man in fröhlichem Chicago den Tiger bändigen kann.«

»Auf der sicheren Seite!«, antwortete der Detektiv.

»Manchmal spiele ich auch.«

»Das tust du? Dann schließt euch doch uns an, du und dein Freund.«

McCue schaute Danton an.

»Wie sieht’s aus, Jake?«, fragte er.

»Ich bin einverstanden.«

»Dann ist es entschieden«, rief McCue aus. »Ihr kommt mit mir. Ich werde euch zeigen, wie man in dem fröhlichen Chicago gegen den Tiger spielt.«

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