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Nick Carter – Band 17 – Das Gefängnis auf dem Meeresgrund – Kapitel 8

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Das Gefängnis auf dem Meeresgrund
Ein Detektivroman

Nick Carter als Taucher

Kaum hatte Nick Carter mit seinem Gehilfen das Ufer wieder erreicht, gab er dem Verleiher das Boot mit der Bitte zurück, es ihm zur Verfügung zu halten, da er es später nochmals gebrauchen würde. Sofort machte er sich an die Ausführung eines Plans, den er während der Seefahrt gefasst hatte.

Dass George Dunbar seine guten Gründe hatte, Fremde von einer Annäherung an den Bergungsprahm abzuhalten, war einleuchtend genug. Doch damit war noch lange nicht gesagt, dass sich Mr. Fillmore an Bord des Fahrzeugs befand.

Nick Carter nahm dies auch gar nicht mehr an. Er glaubte vielmehr, dass sich der Entführte in der Nähe des Prahms, jedoch an einem viel gefährlicheren Ort, aufhielt.

Zunächst musste er sich eine vollständige Taucherausrüstung verschaffen, denn er wollte den Grund des Sees in der Nachbarschaft des Prahms gründlich absuchen.

Nick Carter verdankte seine Erfolge als Detektiv wesentlich dem Umstand, dass er in allen Sätteln gerecht war. Es machte für ihn keinen Unterschied, ob er einen Telegrafenapparat bedienen oder eine Schnellzuglokomotive führen musste. Er war ein ausgezeichneter Reiter, Boxer, Segler und Matrose. Ebenso besaß er die Erfahrung eines geübten Tauchers und hatte sich häufig schon in der Ausrüstung eines solchen auf dem Meeresgrund aufgehalten.

In New York besaß er eine vollständige Taucherausrüstung. Da er sich jedoch über 900 Meilen von der Hudsonmetropole entfernt befand und es nicht möglich war, sich den Apparat auf telegrafischem Weg kommen zu lassen, musste er sich so schnell wie möglich eine solche Ausrüstung in Chicago besorgen.

Das war jedoch leichter beschlossen als ausgeführt.

Seine ursprüngliche Absicht, eine Anstellung als Taucher in der Nachtschicht bei den Dunbars zu erhalten, hatte er nach seiner Begegnung mit George Dunbar natürlich fallen lassen müssen.

Ganz abgesehen davon, dass der junge Bankier ihn überhaupt nicht anhören würde, war Nick klar, dass er überhaupt keinen Fremden an Bord des Prahms bringen würde. Höchstwahrscheinlich waren die Beschäftigten des Bergungsschiffs in das Mr. Fillmore betreffende Geheimnis eingeweiht und durch hohe Belohnungen zum Schweigen verpflichtet worden.

So blieb dem Detektiv nichts anderes übrig, als gemeinsam mit Chick Händler aufzusuchen, die Taucherausrüstungen führten.

Doch derartige Geschäfte gab es in Chicago nur sehr wenige und keines von diesen hielt die erforderliche Ausrüstung auf Lager.

Sie waren alle willig, einen solchen Auftrag entgegenzunehmen und die Ausrüstung in kürzester Zeit zu besorgen, erklärten aber ebenso einmütig, dass Nick in der Stadt keinen einzigen Apparat vorrätig finden würde.

Schließlich blieb dem Detektiv nichts anderes übrig, als sich nach den Namen und Adressen von Berufstauchern zu erkundigen, in der Hoffnung, dass einer von ihnen ihm seine eigene Ausrüstung gegen gute Bezahlung leihweise zur Verfügung stellen würde.

Darin war er schließlich erfolgreich, doch erst, nachdem er mit Chick stundenlang durch die Stadt gefahren war.

Nick Carter fand zwar keinen Taucher, der augenblicklich ohne Beschäftigung war, wohl aber einen, der eine zweite Ausrüstung besaß.

Diese befand sich jedoch nicht in gutem Zustand und es bedurfte weiterer kostbarer Zeit, um die nötigen Reparaturen daran vorzunehmen.

Dann musste die Ausrüstung samt der zur Luftzufuhr benötigten Maschinerie zum Ruderboot geschafft werden, was wiederum viel Zeit in Anspruch nahm.

So war es schon ziemlich dunkel geworden, als sich das Ruderboot schließlich in Richtung des gesunkenen Schoners wieder in Bewegung setzte.

Diesmal handhabte Chick allein die Ruder, während Nick untätig am Heck saß, eingehüllt in die ebenso unbequeme wie schwere Taucherausrüstung.

Als sich das Ruderboot dem Prahm näherte, wurde es von dessen Verdeck aus angerufen.

»Boot ahoi!«

»Lass sie noch einmal fragen!«, kam die dumpf und unheimlich klingende Stimme des Detektivs unter dem Taucherhelm hervor. »Rudere ruhig weiter voran!«

Mit kräftigen Schlägen ruderte Chick näher an das Fahrzeug heran.

»Stopp! Bleibt, wo ihr seid!«, ertönte ein barsches Kommando vom verankerten Prahm her.

»Alles klar!«, erklärte Nick Carter wie vorhin, »wir sind jetzt nahe genug. Bleib hier an Ort und Stelle, Chick!«

Kaum hatte der Detektiv diese Worte gesprochen, setzte er sich auch schon über Bord und verschwand eine Sekunde später in den über ihm zusammenschlagenden Fluten.

Von diesem Augenblick an musste Chick ununterbrochen mit der Pumpe frische Luft zuführen, um den Niedergetauchten am Leben zu erhalten.

Vom Prahm aus wurde auf ihn eingeschrien und es wurden wilde Drohungen laut, doch der junge Detektiv schenkte den Männern keinerlei Gehör.

Dafür hielt er ein wachsames Auge auf sie und es entging ihm nicht, dass die sich auf dem Deck Befindlichen sich anschickten, irgendetwas zu unternehmen.

Um was es sich handelte, vermochte er nicht herauszufinden.

Doch er sah, wie sich ein Taucher vom Prahm aus in die Richtung, in der Nick Carter verschwunden war, zum Grund des Sees niederließ.

An der heftig arbeitenden Luftpumpe und den ziemlich angestrengten Schläuchen erkannte der junge Detektiv, dass der Meister inzwischen den Grund des Sees erreicht haben musste und sich schnell nach dem Ort, an dem der gesunkene Schoner lag, bewegte.

Einige der Leute sprangen nun von dem Prahm aus in ein kleines Boot und begannen, mit großen Ruderschlägen auf die Jolle zuzusteuern, in der Chick saß.

»Lasst euch nicht einfallen, an mich heranzukommen!«, schrie Chick drohend und bediente dabei unaufhörlich die Luftpumpe. »Ihr Burschen bleibt in sicherer Entfernung – oder ich mache ein Sieb aus euren Leibern!«

Die Männer im Boot schienen erschreckt zu sein, doch ihr Anführer befahl ihnen unter wütendem Fluchen, weiter heran zu rudern.

Chick zeigte seinen Revolver.

»Zur Warnung will ich ein Loch dicht unter eure Wasserlinie schießen!«, rief er drohend. Zugleich feuerte er auch schon, und das wütende Geschrei im Boot ließ ihn erkennen, dass er sein Ziel nicht verfehlt hatte.

Die Männer hielten mit dem Weiterrudern inne.

»Fahrt ihn über den Haufen!«, schrie der Führer.

»Ich mache mir nichts daraus, eine Kugel in den Rücken zu kriegen!«, murrte einer der Männer.

Sie waren nahe genug an Chick, um von diesem deutlich gehört werden zu können, und boten natürlich ein leichtes Ziel für einen derartigen Meisterschützen.

»Gerade darum dreht es sich!«, rief er noch drohender als zuvor zurück. »Kommt ihr noch näher heran, schieße ich, um zu treffen – wer seine Haut lieb hat, der bleibt fern!«

»Mit welchem Recht wagt ihr, in diesem See zu tauchen?«, rief der Führer zurück.

»Ich tauche doch nicht«, meinte Chick lachend. »Alles, was ich tue, ist, meinem Freund Luft zuzupumpen.«

»Hier ist kein Tauchen erlaubt. Und wenn ihr auch nur eine Stecknadel von dem Bergegut entwendet, ist es schlimmer als Straßenraub!«

»Warum zum Teufel rudert ihr nicht an Land und bringt eine Bootsladung Polizisten hierher, um uns verhaften zu lassen?«

»Du solltest schnell genug Leine ziehen, wenn du auch nur einen einzigen Polizisten zu sehen bekämst!«, höhnte der Kapitän.

»Mach keine Flausen, Freundchen«, unterbrach ihn Chick mit besonderer Betonung. »Du wagst einfach keinen Polizisten herbeizuholen, das ist alles!«

Der Kapitän fuhr mit Flüchen und Wettern fort, doch er konnte seine Mannschaft nicht dazu bewegen, näher an den Taucherkahn mit dem gefährlichen Revolverschützen darin heran zu rudern.

Inzwischen war Nick Carter durch das Gewicht seiner Bleischuhe bis zum Grund des Michigansees hinuntergezogen worden.

Kaum fühlte er wieder Boden unter den Füßen, marschierte er so schnell, wie es seine schwere Rüstung zuließ, in Richtung des gesunkenen Wracks.

Bald konnte er die Umrisse des gesunkenen Schoners durch das klare, grüne Seewasser schimmern sehen. Doch er erblickte zugleich noch etwas anderes, das ihn ungleich mehr interessierte.

Neben dem Wrack war eine große Taucherglocke aufgestellt, und daneben stand anscheinend müßig ein Taucher.

Er scheint es mit dem Bergen der Ladung nicht eilig zu haben, dachte der Detektiv.

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