Franke & Kuhnert – Frisch ermittelt: Der Fall Hartnagel
Franke & Kuhnert – Frisch ermittelt: Der Fall Hartnagel
An einem schönen Altweibersommertag in den 50er-Jahren ist es um die Mittagsstunde in Leer wie immer sehr ruhig. Die Läden öffnen erst am Nachmittag wieder, und die Geschäftigkeit in der Stadt macht eine Pause.
Auf dem Gelände des Kindererholungsheims in der Evenburg spielen einige Kinder Verstecken. Holger, der die anderen suchen muss, findet zunächst keinen seiner Spielkameraden, bis er zu einem großen Haselnussstrauch kommt. Dahinter befinden sich jedoch nicht seine Freunde, sondern Doktor Hartnagel, der Leiter des Heims. Er ist tot.
Der Junge läuft schreiend zur Brücke, die zur Burg führt und alarmiert die Schwestern, die dort ihren Dienst tun. Oberschwester Düster ruft aufgeregt den Notarzt und die Polizei. Der Notarzt stellt fest, dass Hartnagel an Zyankali gestorben ist. Hans Frisch, Wachtmeister der Polizei von Leer, kann zunächst nicht glauben, was er am Telefon hört. Er fragt die Oberschwester, ob es sich um Selbstmord handelt.
Schwester Düster antwortet, sie wisse es nicht, und Frisch sagt zu, dass er mit Kollegen unverzüglich zum Fundort der Leiche kommen wird. Er setzt mit wenigen Worten seinen Kollegen Brettschneider ins Bild und fragt, ob er Kommissar Onnen Bescheid geben soll. Dieser betritt gerade in Hut und Mantel das Kommissariat, als er Frischs Worte hört. Ihm erscheint es sehr fragwürdig, dass Hartnagel sich selbst getötet haben soll. Immerhin kennt er ihn recht gut – er gehörte dem Verein zur Erhaltung der Sitten und Gebräuche an, dem auch der Kommissar angehört – und hält ihn nicht für einen Drückeberger.
Also fährt Onnen mit zur Evenburg, einem nach barockem Vorbild gebauten Wasserschloss vor den Toren Leers, das nach vielfacher anderweitiger Nutzung nun zu einem Kindererholungsheim geworden ist.
Die Polizisten werden von Oberschwester Düster empfangen, die sie zum Fundort der Leiche bringt, wo der Notarzt im Gras neben dem Toten sitzt und aus dem Becher einer Thermoskanne trinkt.
Der Notarzt bestätigt noch einmal, dass er Tod durch eine Zyankali-Vergiftung vermutet. Er habe Ende des Krieges viele Leichen von Menschen gesehen, die, um sich umzubringen, Zyankalikapseln zerbissen hätten. Es sei seinerzeit ein gängiges Mittel gewesen, um nicht für die Taten in der Nazizeit zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Onnen fragt, warum Hartnagel zum jetzigen Zeitpunkt Zyankali geschluckt haben solle. Er sei Arzt gewesen und habe sich aufopferungsvoll um das Wohl von Kindern gekümmert, die in seinem Heim zu Kräften kommen sollten. Welchen Grund könne ein solcher Mensch gehabt haben, sich mit Zyankali selbst zu töten. Der Polizist fragt, ob man einen Abschiedsbrief gefunden habe.
Schwestern Düster verneint und wird zu den Kindern entlassen, die Bewegung und frische Luft brauchen. Onnen sagt zu, dass er sich darum kümmern wird, dass der Leichnam so schnell wie möglich abtransportiert und zur Obduktion gebracht wird.
Eine Geschichte um mehrere Tote im beschaulichen Leer der 50er-Jahre nimmt ihren Lauf.
Christiane Franke und Cornelia Kunert legen mit Frisch ermittelt: Der Fall Hartnagel einen spannenden Kriminalroman vor, der trotz mehrerer Todesfälle nicht ganz so blutig daherkommt wie andere Krimis.
Die Autorinnen verstehen es dabei sehr gut, die Hauptpersonen ihrer Geschichte zu beschreiben, insbesondere deshalb, weil die Story in den 50er-Jahren spielt, in denen die Menschen noch anders lebten und dachten als zu unserer Zeit.
Der Geist und das Leben der 50er-Jahre werden hier wunderbar geschildert, sodass der Leser problemlos in eine andere Zeit eintauchen und sich vorstellen kann, wie das Leben in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, genauer gesagt, in der Bundesrepublik, funktionierte.
Außerdem erfährt der Leser von den Autorinnen, die über diesen Aspekt ebenso wie über alle anderen sehr intensiv recherchiert haben, wie allgegenwärtig zu dieser Zeit in der Bundesrepublik noch der Nationalsozialismus und seine Seilschaften waren.
Fazit:
Die Autorinnen schreiben mit Frisch ermittelt: Der Fall Hartnagel einen psychologisch ausgefeilten und das Zeitkolorit der 50er-Jahre in der Bundesrepublik sehr gut wiedergebenden Krimi, der bis zum Ende spannend ist.
Ich kann dieses Buch dem historisch interessierten Krimifan empfehlen, der es liebt, wenn die Geschichten nicht ganz so blutig sind.
Christiane Franke erblickte an der Nordseeküste das Licht der Welt und lebt dort immer noch gerne. Sie verfolgt gemeinsame Projekte mit Cornelia Kuhnert und schreibt zudem eine Krimiserie um die Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes aus Wilhelmshaven, die im Emons-Verlag erscheint.
Cornelia Kuhnert lebt in Hannover und war dort als Lehrerin beschäftigt. Sie veröffentlichte zahlreiche Kriminalromane und gab Anthologien heraus.
Die Autorinnen veröffentlichen bei Rowohlt gemeinsam neben der Heißmangel-Reihe auch eine erfolgreiche Ostfrieslandkrimi-Reihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa. Diese Reihe steht regelmäßig auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Quellen:
• Franke & Kuhnert, Frisch ermittelt: Der Fall Hartnagel, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, November 2024.
Bilder:
• Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Taschenbuch Verlags.
• Foto von Christiane Franke und Cornelia Kuhnert. Copyright: Cornelia Friedrich-Meyer. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Taschenbuch Verlags.
(ww)

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