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Der lustige Kirmesbruder – Teil 6

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Der lustige Kirmesbruder
welcher durch listige Ränke auf den Kirmessen die Bauern und andere Personen unterhalten und vergnügt gemacht hat

Fünfte Kirmes

Wie der lustige Kirmesbruder mit einem Dichter bekannt wird und Verse machen lernt

In Hammeldorf wurde ich von ungefähr mit einem reichen Pächter bekannt, und dieser lud mich dann zu seiner Kirmes ein. Wie ich nun überhaupt nicht gern eine Gelegenheit versäumte, wo es etwas zu essen und zu trinken setzte, sintemal der Mensch von diesen Dingen lebt, so ging ich denn auch zu diesem Pächter. Er hatte viele Gäste aus der Stadt eingeladen, unter welchen sich auch ein Dichter befand, der sehr aufgeheitert war und auf alle möglichen Dinge sofort Verse machen konnte. Da die Gesell­schaft durch seine sehr lustigen Reime sehr aufgeräumt wurde, so wünschte ich auch diese Kunst zu verstehen und hörte ihm deswe­gen mit großer Aufmerksamkeit zu. Vor allen Dingen nun machte er Verse auf die Speisen und Getränke, welche aufgetragen wur­den. Das Erste war der Aquavit, mit welchem ihn der Pächter bewillkommte. Der Dichter trank davon ein Glas unter folgen­den Worten:

Ihr Herren, trinket Brandewein,
So werdet Ihr recht lustig sein;
Er wird Euch Euren Magen wärmen,
Ihr könnt danach wie Bienen schwärmen.

Hierauf nahm er das Messer, schnitt Kirmeskuchen und sprach, indem er ihn den Anwesenden überreichte, folgende Verse:

Der Kuchen wird Euch wohl behagen,
Steckt ihn ins Maul, nehmt ihn in Magen;
Doch esst Euch davon nicht ganz satt,
Weil der Wirt noch andere Gerichte hat.

Da er eine durstige Leber hatte, so griff er nach dem Bierkrug und sagte:

O du liebes Krüglein Bier,
Fleißig hab’ ich dich getrunken,
Und wer dächt’ es denn von dir,
Dass in dir manch Haus versunken?

Nun kam ihn auch der Appetit an, der Wirtin und dem übrigen Weibsvolk Küsse zu geben. Er fing also bei der Wirtin an und begleitete seinen Kuss mit folgenden Versen:

Ich geb’ Dir einen Kuss in Ehren,
Das wird mir Dein Mann nicht verwehren;
Jedoch Grimassen wird er machen,
Wenn ich des Nachts Dich wollt bewachen.

Zu Schulzens Suschen sprach er, indem er sie herzte:

Hier hast Du einen Kuss, der dringt Dir bis ins Leben;
Du kannst, wenn er nicht schmeckt, mir solchen wieder geben.

Nun kam auch die Frau Schulmeisterin an die Reihe und der Dichter wendete sich zu ihr mit folgenden Worten:

Solch ein hübsch Weibchen möcht’ ich lehren
Und sie in ihrer Ruhe stören;
Räumt’ sie mir nur ihr Bettchen ein,
So möcht’ ich wohl Schulmeister sein.

Jungfer Lottchen, die aus der Stadt war, bekam von ihm einen Kuss mit folgendem Reim:

Ein Herz, das treu und zärtlich liebt,
Das feuerreiche Küsse gibt,
Wird wohl mein Lottchen nicht verachten,
Sie lässt es wohl nicht ganz verschmachten.

Der Frau Heberin, die schon das Mäulchen nach dem Dichter spitzte, lieferte er folgenden Abdruck:

Wahre Liebe drücket sich
zärtlich aus in Worten;
So kommt man recht wunderlich
In den Eh’standsorden.

Mittlerweile wurde der Tisch in Bereitschaft gesetzt, und unser Dichter machte nun auf jedes Gericht Verse. Die Suppe, welche zuerst aufgetragen wurde, begrüßte er mit folgenden Worten:

Komm, du gute Löffelkost,
Du kannst uns kurieren;
Du vertreibst des Magens Rost,
Wenn wir ihn einschmieren.

Hierauf wurde ein Gericht Rindfleisch mit Rosinen aufgetragen, die er folgendermaßen besang:

Ich sehe jedes Mal mit freudenreichen Mienen
Nach wohlgemachtem Fleisch, viel lieber nach Rosinen;
Denn diese schmecken gut, sie haben Saft und Kern;
Ich esse diese Kost bei Tag und Nacht sehr gern.
Nun folgten Fische, bei welchen er sich also ausdrückte:
Wer will bei hübschen Weibern fischen,
Der lasse sich nur nicht erwischen;
Denn um die Angel und den Wurm
Erhebt sich oft ein großer Sturm.

Nach den Fischen kamen Gänse und Schweinebraten, auf welche er folgende Verse machte:

Es sind die Gäste eingeladen
Zur Kirmesgans und Schweinebraten;
Drum soll sie uns nebst Brandewein
Ein Labsal und Erfrischung sein.

Zuletzt erschien noch Butter und Käse nebst Kuchen auf dem Tisch, und hier schloss nun der Dichter seine Rede mit folgenden Versen:

Ein Stückchen Käs’ und Brod mit Butter
Ist meistenteils das letzte Futter;
Es macht, dass sich der Magen schließt.
Wie kommt es, dass bei diesen Gaben
Die Weiber off’ne Magen haben,
Da ihr Mund auch die Kost genießt?

Bei dem Kuchen hingegen sagte er, als derselbe ausgeteilt wurde:

Lasst uns bei diesem guten Kuchen
Ein Stückchen zum Beschluss versuchen;
Er sieht sehr gut und schmecket schön,
Er wird ganz sanft in den Magen geh’n.

Mit diesem Dichter machte ich mich nun bekannt und wollte auch Verse machen lernen. Da brachte er mir zuerst die Kunst bei, wie ich die Silben abzählen und hernach reimen müsste. Um daher sogleich einen Versuch zu machen, nahm ich das Bierglas zur Hand und sprach:

Das Trinken nässt und stillt den Durst;
Die Mädchen essen gerne Wurst.

Der Dichter lobte mich, dass ich seine Lehre so schnell aufge­fasst hatte, und fuhr fort, auf einen Böttcher zu dichten, der bei der Kirmes zugegen war:

Mein Böttcher, bind’ Du Dein Fass,
Doch mach’ auch Deine Gurgel nass;
Fang’ Deine Arbeit freudig an
Und lass im Fass ein Loch zum Hahn.

Nun sollte ich ein Gedicht auf die Liebe machen, welches folgen­dermaßen ausfiel:

Die Liebe sieht, und ist doch blind;
Dorindchen kriegt aus Lieb’ ein Kind;
Die Liebe pflegt man mit den Schönen,
Sie lehret uns die Männer krönen;
Aus Liebe schlägt die Frau den Mann;
Aus Liebe fasst Hans Greten an;
Aus Liebe geht die Braut zu Bette;
Aus Liebe küsst man um die Wette;
Aus Liebe wächst mir oft der Mut;
Aus Lieb’ ist Grete Toffeln gut;
Aus Liebe bin ich in der Welt:
Dem Junker kostet sie viel Geld;
Aus Liebe lass ich mich bereden,
Zu helfen aus den Liebesnöten.

»Genug!«, rief der Dichter, »Du hast deine Sachen gut gemacht und hast ein Meisterstück der Dichtkunst geliefert. Du musst nur so fortfahren, dann wirst du ein sehr beliebter Dichter werden. Jetzt aber mache mir doch ein paar Verse auf die Karte.«

»Ja, Herr,” erwiderte ich, und fing also an zu dichten:

Was wollt Ihr Herren länger warten?
Kommt her und spielet mit der Karten
Gebt mir die Wenzel und ein Taus,
So stech’ ich bald den Richter aus;
Mit Hannchen soll er nicht scharmieren,
Gewiss, er soll sie bald verlieren.

Bei dieser Gelegenheit wurde der Kaffee aufgetragen; die Bürger waren so höflich und baten mich mit zu trinken. Da fing ich aus Dankbarkeit an, auf den Kaffee ein Gedicht folgendes Inhaltes zu machen:

Geröster Bohnen schwarzer Saft,
Wenn ich es recht bedenke,
Gibt unser’n Gliedern neue Kraft
Und stärket die Gelenke.
Die junge Frau verliert den Schmerz,
Der ihr Haupt eingenommen;
Ja Hannchen kriegt ein leichtes Herz.
Das zuvor war beklommen.
Wenn unser Pfarrer konzipiert,
So muss er Kaffee trinken,
Hat er im Tempel peroriert,
So wird, nach meinem Dünken,
Zur Stärkung ihm Kaffee gebracht,
Der macht ihn alsbald heiter:
Er trinkt und raucht, er schwatzt und lacht,
Und ist ein guter Deuter.

»Halt, Bursche«, fiel mir einer von den Bürgern ins Wort, »mache gleich ein paar Verse auf meine Pfeife.«

»Ei, nicht doch«, sprach seine Frau, »wer wollte die garstige Pfeife besingen!«

Ich aber sagte:

Die Pfeife will ich gern besingen;
Es wird mir dabei wohl gelingen,
Weil jede Frau die Pfeife liebt,
Und es oft zu verstehen gibt.

»Ei«, fing die Frau an, »an der Pfeife ist uns wohl viel gelegen!«

»Mehr als zu viel«, erwiderte ich.

Es würde hierüber noch eine lange Streitigkeit entstanden sein, wenn nicht der Herr Pfarrer durch seine Ankunft uns in unserer Andacht gestört hätte. Da ich nun vermutete, dass meine Dichtkunst hier nicht mehr möchte gebraucht werden können, so nahm ich Abschied. Indessen wunderte ich mich nicht wenig, dass mir die Verse wie schimmliges Brot aus dem Mund gegangen waren, da ich doch niemals dergleichen hatte machen lernen, und ich musste daher natürlicherweise auf den Gedanken geraten, dass die Dichter begeistert werden müssten.