Der Märkische Eulenspiegel 9
Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe
Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin
Wie Clauert nach dem Vogel schoss
Der Markgraf Joachim, der Zweite dieses Namens, Kurfürst von Brandenburg, pflegte oftmals mit den Bürgern zu Berlin und Köln nach dem Vogel zu schießen. Dabei spannte Hans Clauert dem Kurfürsten gewöhnlich seinen Bogen und trieb mancherlei Kurzweil unter der Vogelstange, denn nach der Zeit, wo Clauert jenen Brief weggeworfen, hatte ihn der Kurfürst sehr gern bei sich. So hielten sie denn einstmals in Berlin ein Vogelschießen. Da kam Clauert etwas spät an, sodass der Vogel beinahe zum Abschuss dastand. Der Kurfürst wusste wohl, dass Clauert eine ganz besondere Kunst im Schießen sich angeeignet hatte. Er gab deshalb Clauert seinen Bogen und befahl ihm, anstatt seiner zu schießen. Wiewohl nun Clauert nicht so einfältig war, als er sich stellte, so nahm er doch den Bogen und zielte auf den Riegel, der unten durch die Stange ging.
Der Kurfürst und die übrigen Schützen sahen ihm eine Weile zu und lachten über sein sonderbares Vorhaben, bis ihn der Kurfürst endlich fragte: »Hans, was machst du? Auf diese Weise wirst du den Vogel nimmermehr herabschießen.«
Clauert erwiderte: »Ach ja, gnädigster Herr, ich glaube, wenn ich den Riegel, der die Stange hält, entzwei schießen werde, so soll der Vogel wohl herabkommen.«
Dies musste ihm zwar ein jeder als wahr zugeben, dennoch aber meinten die Schützen, er sei ein Narr. So schoss Clauert das erste Mal weit unter dem Vogel hin, und als er deshalb von dem Kurfürsten gestraft wurde, sagte er: »Ach, gnädigster Kurfürst und Herr, wie soll denn ein Narr gut schießen können!«
Der Kurfürst mochte wohl bei sich denken, dass es ihm dabei kein Ernst gewesen sei. Deshalb befahl er auch zum zweiten Mal, als die Reihe an ihn kam, dass Clauert für ihn schießen möchte. Da stellte er sich noch viel einfältiger als vorher; er wackelte mit dem Bogen hin und her und fragte fortwährend den schien. Da schoss er sogleich den Vogel herunter. Als der Vogel herabfiel, fragte er dennoch, ob er ihn denn auch getroffen hätte.
So fröhlich nun der Kurfürst darüber war, so traurig und unwillig waren die übrigen Schützen, nur durften sie es sich nicht anmerken lassen, dass ein solcher Narr über die Klugen Meister geworden war.