Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Jim Buffalo – 24. Abenteuer – Kapitel 3

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Das 24. Abenteuer Jim Buffalos
Die Banditen der Sierra-Callo

3. Kapitel

Das Geheimnis des Medizinmannes

Mit seinem Bowiemesser schnitt Jim Buffalo eine Öffnung in das Fell, groß genug, um bequem hindurchschlüpfen zu können.

Mit angehaltenem Atem lauschte er, vermochte aber zu seinem Erstaunen nichts zu hören, was auf die Anwesenheit eines Schläfers hätte schließen lassen können.

Nichts rührte sich in dem Zelt. Und doch hatte es der Beamte vor wenigen Minuten betreten.

Der Mann musste einen totenähnlichen Schlaf haben.

Als sich seine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, kroch er vorwärts, doch suchten seine Augen vergebens die Gestalt des Schläfers. Von bösen Ahnungen erfasst, nahm er seine Taschenlampe hervor und ließ sie für Sekunden aufflammen.

Nun hatte er das Lager erspäht, auch den Mann, der darauf ruhte.

Er rüttelte den Schläfer an der Schulter.

»Mr. Ridders, wachen Sie auf! Ich habe Wichtiges mit Ihnen zusprechen!«, sprach er leise, doch der Mann rührte sich nicht.

Und nun hatten seine tastenden Hände etwas Klebriges, Nasses berührt.

War es die empfangene Wunde, die von Neuem angefangen hatte zu bluten? Noch einmal flammte die Taschenlampe auf.

Fast hätte Jim Buffalo einen Schrei ausgestoßen: Die Lampe entglitt seinen zitternden Händen.

Im Herzen des Mannes steckte ein scharfer Dolch, er war tot, ermordet worden.

Jim Buffalo wollte bei dieser grauenvollen Entdeckung aufschreien, die Wachen herbeirufen, aber ebenso schnell ließ er diesen Gedanken wieder fahren.

Welche Beweise hatte er, zu behaupten, dass der stille Mann von einem der ihren ermordet worden sei? Wessen konnte er den Medizinmann anklagen?

Nein! Erst musste er vollgültige Beweise haben.

Wieviel leichter konnten die misstrauischen Rothäute glauben, dass er selbst den Mann ermordet, ihm vielleicht gar die wertvollen Verträge entwendet habe.

Die Waffe selbst war ein gewöhnliches Bowiemesser, wie es zu Tausenden getragen wurde, ließ also keinerlei Merkmale für den Täter erkennen.

Und doch wusste Jim Buffalo sofort, dass nur einer den feigen, hinterlistigen Mord begangen haben konnte, der Medizinmann.

Ihm war der Ermordete im Wege gewesen, ihn hatte er zu fürchten gehabt, wenn er mit den Verträgen zurückgekehrt wäre. Und deshalb hatte er sterben müssen.

Eine unsagbare Wut kochte in Jim Buffalo; in diesem Augenblick schwor er sich zu, den Tod des Mannes zu rächen und das Geheimnis seines Mörders zu ergründen.

Vorsichtig tastete er an der Rückwand des Zeltes entlang und hatte bald einen zweiten Riss gefunden, durch welchen der Mörder eingedrungen war. Diesen Weg beschloss er zu benutzen.

Mit kundiger Hand fühlte er, wie der weiche Moosboden vor ihm niedergedrückt war, als ob etwas Schweres darüber gekrochen wäre.

Er hatte die Spur des Mörders gefunden.

Als er weit genug vom Lager entfernt war, um nicht mehr gesehen zu werden, ließ er seine Taschenlampe aufleuchten. Den schmalen, abgeblendeten Lichtschein scharf auf den Boden gerichtet, kroch er immer weiter, eine kleine Anhöhe hinauf, die direkt in den Wald hineinführte.

Ein schmaler, kaum erkennbarer Fußpfad kreuzte hier seinen Weg. Er beschloss, ihm zu folgen.

Es war ein mühevoller Weg, den Jim Buffalo nahm, zumal er nun äußerst vorsichtig zu Werke gehen musste, und seine Taschenlampe nicht mehr gebrauchen durfte, da deren Schein ihn sofort verraten hätte.

Plötzlich duckte er sich zusammen. Der Laut von Stimmen war an sein Ohr gedrungen. Wieder warf er sich zu Boden und kroch vorwärts, den Stimmen nach.

Und nun vermochte er deutlich die tiefen, leidenschaftlichen Gutturaltöne des Medizinmannes herauszuhören.

Als er, eine Viertelstunde später, die Zweige eines Gebüsches vorsichtig auseinanderbog, bot sich ihm ein seltsamer Anblick dar.

In einer kleinen Bodensenke, um ein Feuer geschart, hockten ein Dutzend wilder, abenteuerlicher, bis an die Zähne bewaffneter Männer und in ihrer Mitte saß, eine Flasche in der Hand, der Medizinmann der Irokesen.

Vor ihm, auf einem Baumstumpf, stand eine kleines, kunstvoll mit indianischen Malereien verziertes Kästchen, das geöffnet war und auf dessen Boden eine Anzahl versiegelter Papiere lagen.

Das war das Kästchen des Häuptlings mit den Verträgen der Regierung.

»Meine weißen Brüder!«, hörte er nun den Medizinmann sagen. »Ich habe Wort gehalten und euch die Verträge überbracht, die den Irokesen aufs Neue den Besitz ihrer Jagdgründe sichern sollten. Ich glaubte den Mann tot in den Schluchten der Sierra-Callo, aber ein weißer Mann mit einem großen Wagen, der ohne Pferde läuft, hat ihn gefunden und ins Lager gebracht. Er wollte neue Verträge herbeibringen und die Ältesten haben beschlossen, solange zu warten, bis er wieder zurückkommen würde. Aber es soll, es darf nicht sein! Der Mann wird nie wieder kommen! Er weilt bereits in den ewigen Jagdgründen, aus denen es keine Rückkehr mehr gibt. Habe ich recht getan, meine weißen Brüder?«

»Wie ein kluger Krieger, er verdient, der Häuptling des Stammes zu werden«, versetzte ein wildblickender Kerl, der der Anführer der Bande zu sein schien. »Aber nun her mit dem Kästchen!«

Der Mann wollte nach dem Kästchen greifen, aber wie ein Wolf warf sich der Wilde über dasselbe.

»Hugh! Erst müssen meine weißen Brüder mir sagen, was sie mir dafür bieten!«

»Das weißt du ja bereits, Rothaut; was wir ausgemacht haben«, fuhr der Bandit wild auf. »Du sollst Häuptling der Irokesen werden!«

»Hugh, und so viel Feuerwasser haben, wie ich trinken kann?«

»Meinetwegen so viel, dass du dich darin ersäufen kannst«, spottete der Bandit roh auf. Er dachte gar nicht daran, sein dem Medizinmann gegebenes Versprechen zu halten.

Über das verzerrte Gesicht des Medizinmannes glitt ein finsteres Grinsen.

»Hugh, ich weiß, dass euer Feuerwasser Gift für den roten Mann ist!«, fuhr der Indianer finster fort. »Ihr habt ihn damit betört, ihn betrogen und bestohlen, seine Krieger zu Weibern und heulenden Coyoten gemacht. Zu Hunderttausenden zählten einst die roten Männer, als sie noch Herren des Landes waren, euer süßes Gift hat sie ersäuft! Es wurde zum Fluch des roten Mannes!«

»Was soll der Unsinn, Rothaut?!«, unterbrach der Bandit finster die wilden Anklagen des Indianers. »Wir sind es nicht gewesen, die das Feuerwasser ins Land brachten, und an euch wäre es gewesen, es zurückzuweisen. Jetzt ist es zu spät damit! Trinkt und geht zum Teufel!«

»Hugh, ich weiß es!«, versetzte der Wilde düster. »Und je strenger uns der weiße Vater in Washington das feurige Gift verbot, desto mehr verlangten wir danach. Glauben meine weißen Brüder, dass ich nicht wisse, was sie verlangt, unsere Jagdgründe zu besitzen? Unermessliche Schätze des roten Steines ruhen in ihren Bergen und viel, viel Feuerwasser könnten sich die Irokesen dafür kaufen, wenn sie von dem roten Geheimnis wüssten. Und die Verträge hier sichern ihnen auf Jahre hinaus den Besitz des roten Goldes.«

»Komm zur Sache, Rothaut!«, fuhr der Bandit aufs Neue auf. »Du wirst Häuptling deines Stammes werden, wie wir es dir versprochen haben.«

»Und Ihr werdet mir das süße Gift liefern, so viel ich haben will?«

»Gewiss, mein Wort darauf!«

Der Bandit hielt dem Indianer die Hand hin, in die dieser endlich nach einigem Zögern einschlug.

»Hugh, so nehmt das Kästchen! Wenn die Irokesen morgen die Leiche des Mannes aus Washington finden, dann werden sie glauben, dass Manitu es selbst nicht gewollt habe, dass der Mann zurückkehren solle. Die Hälfte meiner roten Brüder ist schon auf meiner Seite und es bedarf nur dieses Anstoßes, um auch die anderen wanken zu machen. Adlerfeder aber muss sterben, ehe wir hier unsere Wigwams abbrechen!«

»Sei unbesorgt, Rothaut, er wird von unseren Kugeln fallen!«

»Und Tigerkralle wird Häuptling der Irokesen werden!«, jubelte wild der Medizinmann auf. Sein hassverzerrtes Gesicht drückte deutlich die teuflische Freude aus, sein ersehntes Ziel erreicht zu haben.

Der Ehrgeiz, sonst bei dem roten Mann eine Tugend, hatte diesen Mann zum Mörder, zum Verbrecher, zum Verräter an seinem Stamm gemacht.

Und das alles nur, um einer Flasche elenden Whiskys willen, die die Banditen als Köder hingeworfen hatten.

Willig ließ es der Indianer nun geschehen, dass der Anführer der Banditen das Kästchen an sich nahm und zufrieden seinen wertvollen Inhalt überflog. Er selbst griff mit einer Gier, die etwas Widerliches, Grauenhaftes an sich hatte, nach der Flasche, hieb mit dem Tomahawk den Hals ab und setzte sie an die Lippen, in langen, durstigen Zügen das verderbliche Nass schlürfend.

Dann stürmte er mit wilden Sprüngen in den Wald hinein.