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Secret Service Band 2 – Kapitel 1

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 2
Old and Young King Brady Detectives
Told by the ticker
Oder: Die zwei King Bradys in einem Wallstreetfall
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.

In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.

Kapitel I

Spuren eines rätselhaften Verbrechens

Die Uhren hatten längst Mitternacht geschlagen, und nur wenige Menschen waren in der Umgebung von Burling Slip, im unteren Teil der großen Stadt New York, unterwegs.

Vor vielen Jahren hatte Burling Slip einen Kai gehabt, und so mancher holländische Schoner war dort vor Anker gegangen und hatte seine Ladung holländischer Waren für die Bürger und Bürgerinnen des alten New Amsterdam gelöscht.

Aber die Zeit und die vielen Aufschwemmungen haben den Boden in diesem Gebiet zurückgewonnen und verfestigt. Burling Slip existiert immer noch, aber heute ist es eine kleine Straße.

Es gibt immer noch einige Schiffsagenturen. Eines davon trägt über der Tür den Namen des Reeders und Händlers Willard Hall.

An diesem Abend waren die Büros von Willard Hall geschlossen.

Alles war dunkel in den Räumen.

Einem Passanten wäre das nicht merkwürdig vorgekommen, und an sich war es auch nicht eigenartig, denn alle anderen Büros waren geschlossen.

Doch ein Mann, der im Schatten einer Türöffnung gegenüberstand, zuckte plötzlich zusammen.

Etwas in der Dunkelheit des Ladens hatte seine Aufmerksamkeit erregt.

Er sah, oder glaubte zu sehen, den schwachen, flüchtigen Schimmer eines Lichtes hinter dem fleckigen, schmutzigen Glasfenster.

Warum brannte in der Versandabteilung von Willard Hall zu dieser Nachtstunde Licht?

Die Mitarbeiter waren längst nach Hause gegangen.

Der Besitzer selbst wurde selten nach vier Uhr nachmittags in Burling Slip gesehen.

Warum also brannte Licht im Büro?

Hatten Diebe das Haus heimgesucht?

Und wenn ja, warum?

Es gab nicht viel zu stehlen. Nur die Frachtbücher, und die hatten für niemanden sonst einen Wert.

Der Beobachter in der Tür starrte und lauschte weiter.

In seinem Eifer bemerkte er nicht, dass er sich weit in den Schein einer Straßenlaterne gebeugt hatte.

Dadurch wurden seine Gestalt und sein Profil sichtbar, und sie waren beeindruckend.

Er war ein alter Mann jenseits der sechzig.

Dennoch war er beweglich und vital wie ein junger Mann. Er war groß und kräftig. Er trug einen blauen, etwas verblichenen Mantel, der bis zum Hals zugeknöpft war, mit weißem Saum und Stehkragen.

Auf dem Kopf trug er einen weißen Filzhut mit sehr breiter Krempe.

Noch bemerkenswerter aber waren seine Gesichtszüge. Sein Haar war eisengrau, sein Gesicht von jenem kräftigen Schlag, den man mit ein paar Accessoires leicht aufpeppen kann.

Dieser Mann war in ganz New York bekannt und berühmt.

Er war kein anderer als Old King Brady, einer der berühmtesten Detektive, die Gotham und Amerika je gesehen hatten.

Und Old King Brady interessierte sich sofort für die Angelegenheiten des Schifffahrtsbüros, als er diesen Lichtschimmer wahrnahm.

Es dauerte nur einen Augenblick.

Dann erlosch das Licht.

Doch der alte Detektiv ließ sich nicht beirren. Er beschloss sofort, der Sache nachzugehen.

Er verließ seinen Standort, überquerte die Straße ein Stück und kam auf der anderen Seite wieder herauf.

In wenigen Augenblicken stand er am Seitenfenster des Büros.

Hier war es so dunkel, dass man ihn nicht sehen konnte. Er hockte sich ans Fenster und lauschte.

Aus dem Versandbüro drang kein Laut.

Aber in der Nähe, in einer kleinen Gasse auf der anderen Seite des baufälligen alten Gebäudes, hörte der Detektiv Schritte, die sich entfernten.

Sofort schlich er zur Rückseite des Gebäudes.

Unter seinem Mantel zog der Detektiv eine kleine, dunkle Laterne hervor.

Er schaltete seine Laterne auf der Rückseite des Gebäudes an. Dabei zuckte er zusammen.

Die Hintertür des Speditionsbüros stand weit offen.

Der Detektiv ließ die Laterne über den gepflasterten Weg leuchten. Dabei stieß er einen Schrei aus.

Einige Blutspritzer waren auf dem Kopfstein zu sehen.

Er kniete nieder und untersuchte sie. Er stellte fest, dass sie frisch waren.

Eilig betrat er die Hintertür der Spedition. In der Versandabteilung war alles aufgeräumt und ruhig. Alles war an seinem Platz. An der Wand tickte laut eine Uhr. Alles schien noch so zu sein, wie es war, als die Mitarbeiter das Büro verlassen hatten.

Der Detektiv schaut sich kurz um.

Dann ging er hinaus und schloss die Hintertür.

Er betrachtete noch einmal die Blutspuren und schritt dann wie ein leiser, gleitender Schatten die Gasse hinunter.

Als er sich dem Ende der Gasse näherte, sah er am anderen Ende im Licht der dahinterliegenden Straße die Gestalt eines Mannes auftauchen.

Aus dieser Entfernung konnte er kein Erkennungszeichen erkennen.

Aber er behielt den Mann im Auge und folgte ihm eilig. Bald hatten sie die Fulton Street erreicht.

Die Verfolgungsjagd ging die Fulton Street hinauf bis zum Broadway.

Dann sprang der Unbekannte, ohne zu ahnen, dass er verfolgt wurde, in einen Hauseingang und verschwand.

Old King Brady konnte nicht sagen, um welche Tür es sich handelte.

Soweit er sehen konnte, waren alle verschlossen. Er wollte gerade die Verfolgung aufgeben, als er plötzlich eine Gestalt aus dem gegenüberliegenden Eingang treten und die Straße überqueren sah.

Zu Old King Bradys Überraschung kam sie direkt auf ihn zu.

Er stand in einer dunklen Ecke neben einer tiefen Türöffnung. Der Mann näherte sich und sah ihn erst, als er ihn fast erreicht hatte.

Dann blieb er stehen.

Er starrte Old King Brady in der Dunkelheit an. Dann kräuselte sich so etwas wie ein leises Lachen auf seinen Lippen.

»Kismet!«, sagte er. »Bist du das?«

»Bismillah«, antwortete Old King Brady.

Diese beiden Passwörter schienen sofort die Identität jedes Einzelnen zu bestätigen.

»Harry«, sagte der alte Detektiv, »was machst du hier?«

»Was ich hier mache?«, rief Young King Brady, denn er war der berühmte junge Detektiv. »Ich bin auf der Suche nach etwas, das auftauchen könnte. Ich entwickle mich gerade zu einem Micawber1

Young King Brady war ein Protegé von Old King Brady. Der alte Detektiv hatte den jungen Mann ins Herz geschlossen und ihm viel über die Detektivarbeit beigebracht.

Young King Brady hatte sich als guter Schüler erwiesen.

Obwohl er Brady hieß, war er nicht mit Old King Brady verwandt. Wir werden sehen, wie nahe er ihm in der Detektivarbeit kam.

»Nun, ich habe eine Aufgabe für dich«, sagte Old King Brady. »Hast du gerade einen Mann um die Ecke kommen sehen?«

»Ja.«

»Aha!«

»Er ging in das Haus nebenan. Er hat einfach die Tür aufgemacht und ist im Gebäude verschwunden. Was wollen Sie von ihm?«

»Ich möchte ihn verhaften«, antwortete der alte Detektiv.

»Sehr gut«, meinte Young King Brady. »Dann wollen wir mal sehen, was wir tun können.«

Die beiden Detektive gingen auf die Tür des Gebäudes zu. Zumindest erwarteten sie, sie offen vorzufinden.

Aber sie war es nicht.

»Das ist merkwürdig«, sagte Young King Brady. »Ich habe ihn hier reingehen sehen.«

»Wahrscheinlich hat er die Tür hinter sich abgeschlossen.«

Der junge Detektiv holte einen seltsam geformten Draht hervor. In wenigen Augenblicken hatte er das Schloss geknackt.

Sie betraten das Gebäude, stiegen die Treppe hinauf und sahen sich vorsichtig um. Im obersten Stockwerk angekommen, sahen sie, dass die Dachluke offenstand.

»Da ist er lang«, konstatierte der junge Detektiv.

In wenigen Sekunden waren sie auf dem Dach. Die Mühe hatte sich gelohnt.

Keine fünfzig Meter entfernt, auf dem nächsten Dach, lag ein Mann. Er hatte sich hingehockt.

Er sprang auf und rannte schnell auf das nächste Dach, als die Detektive auftauchten.

Sie konnten ihn nicht einholen, und er verschwand auf geheimnisvolle Weise, als hätte ihn die Erde verschluckt.

Vergeblich suchten sie ihn.

»Jetzt bin ich am Ende«, rief Young King Brady. »Er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«

»Unsinn«, meinte Old King Brady. Dann zuckte er zusammen.

Mit seiner Blendlaterne hatte er das Dach abgesucht und war auf einen furchterregenden, schrecklichen Gegenstand gestoßen.

Er hob es auf.

Es war ein mit Blut beschmiertes Bowiemesser.

Die beiden Detektive waren sprachlos. Vergeblich überprüften sie das Dach nach weiteren Hinweisen.

Die ganze Nacht suchten sie weiter, aber es war vergebens.

Sie waren sich sicher, dass sie Beweise für ein schreckliches Verbrechen hatten, aber sie konnten nicht herausfinden, wo es begangen worden war, wer der Mörder und wer das Opfer sein könnte.

Show 1 footnote

  1. eine Person, die untätig ist und auf ihr Glück vertraut