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Jim Buffalo – 22. Abenteuer – Kapitel 1

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Im Tale des Todes
Das 22. Abenteuer Jim Buffalos
1. Kapitel

Ein unwillkommener Besuch

Mitten im Urwald, an einem kleinen, aber tiefen und rasch dahinschießenden Bach, der etwa fünf Reitstunden abwärts in den Ohio mündete, lag eine ziemlich umfangreiche Farm.

Sie machte mit ihrem hohen, doppelten Palisadenzaun fast den Eindruck einer kleinen Festung, und außerdem zog sich um dieselbe noch ein kleiner, aber tiefer, von dem Bach gespeister Graben, über den eine schmale Brücke aus rohbehauenen Baumstämmen führte.

Eine solche Vorsicht war aber auch angebracht, denn in den dichten, ausgebreiteten Wäldern trieb sich allerhand lichtscheues Gesindel herum, das sich hin und wieder auch an fremdem Eigentum vergriff.

Und der alte Farmer Werner, ein Deutscher, der sich als junger Bursche es zu seinem jetzigen Wohlstand gebracht hatte, war nicht der Mann, sich das so sauer Erworbene stehlen zu lassen, und an seiner kleinen Festung hatten sich schon manche die Schädel blutig gerannt.

Besonders in der letzten Zeit war es nicht recht geheuer in den Wäldern, denn irgendein Abenteurer, der auf leichte Weise reich werden wollte, hatte eine Anzahl wilder, verwegener Burschen um sich gesammelt, mit denen er plündernd und brandschatzend das Land durchzog.

Kapitän Thunderstorm nannte sich der Strauchritter, und er führte den Namen mit der Tat, denn wie ein Donnersturm pflegte er friedliche Farmen plötzlich und unerwartet zu überfallen, um ebenso schnell und spurlos wieder zu verschwinden.

Vergebens hatten die ausgesandten Regierungstruppen versucht, des frechen Räubers habhaft zu werden, aber immer ohne Erfolg.

Waren sie am Ort seines letzten Überfalles angelangt, so kam schon wieder von woanders her die Schreckenskunde von dem zügellosen Treiben Kapitän Thundestorms.

Dieser allseitig gefürchtete Name war es auch, der heute Abend im Hause Werners den Gesprächsstoff bildete.

Der alte Werner sprach ziemlich besorgt über den Unhold, während seine vier Söhne die Angst des Vaters verlachten.

»Lasse ihn nur kommen, Vater!«, meinte Robert, der Älteste. »Hierher wird er sich sicher nicht wagen, denn die Mutter und Lizzi eingerechnet, die die Büchse wie ein richtiger Mann führt, sind wir sieben Mann und vierzehn Fäuste, von denen er sich nur blutige Schrammen und Beulen holen dürfte.«

»Unsere kleine Festung gar nicht mitgerechnet, Vater«, fiel der zweitälteste Sohn Richard ein. »Haha, erst ein kaltes Wasserbad und dann eins auf den Pelz gepfeffert; ich denke, dem Kapitän Thunderstorm dürfte es ein zweites Mal nicht einfallen, uns heimzusuchen.«

»Alles gut und schön, meine Jungen«, wandte der Alte ernst ein. »Dass wir uns unserer Haut wehren werden, ist selbstverständlich, aber mir wäre es schon lieber, der Kerl ließe es gar nicht zum ersten Versuch kommen.«

Robert wollte eben etwas erwidern, als draußen die Hofhunde anschlugen, während zugleich ein gewaltiges Donnern vom Tor herüberklang.

Werner war erschreckt aufgesprungen.

»Wenn man den Teufel an die Wand malt, pflegt er gewöhnlich zu kommen! Wer mag so spät und so ungestüm Einlass begehren?«

»Well, das werden wir ja gleich erfahren«, erwiderte Robert und lachte auf, nach der stets geladenen Büchse greifend. »Kommt, Boys, wir wollen den späten Gästen zeigen, wie man hierzulande aufzutreten pflegt.«

Die vier Söhne schritten aus dem Haus, draußen von den Hufhunden mit wütendem Gebell empfangen, die gleich darauf wieder zum Tore liefen, wo erneut wuchtige Kolbenschläge gegen die schweren Balken zu hören waren.

»Hallo, da drinnen, aufgemacht!«, donnerte eine tiefe Stimme, das Geheul der Hunde übertönend. »Seit wann ist es Sitte, müde Reiter im Dunkeln warten zu lassen?«

»Well, seit man die löbliche Vorsicht gebraucht, sich die Gäste erst anzusehen!«, gab Robert ruhig zurück. »Ihr hättet nicht nötig gehabt, Euch so ungebührlich anzumelden, die Hunde haben Eure Anwesenheit laut genug gemeldet.«

»Nichts für ungut, guter Freund!«, hallte die tiefe Stimme zurück. »Wir sind Soldaten der Unionsarmee, und ich kalkuliere, solche Gäste dürften nicht gerade unwillkommen sein!«

»Indeed nichts, gents«, versetzte höflich der hinzugetretene Farmer, der bei dem hellen Mondschein die Uniformen der Soldaten bereits erkannt hatte. »Einen solchen Besuch sehen wir immer gern, obwohl Eure Anwesenheit darauf schließen lässt, dass Ihr nicht gerade zum Vergnügen in den Wäldern herumreitet.«

»By Jove, da habt Ihr recht, Alter! Wir sind auf der Streife nach Kapitän Thunderstorm, der sich hier irgendwo herumtreiben soll. Habt Ihr noch nichts von ihm gehört?«

»Gott sei Dank, noch nicht!«, gab der alte Werner aufatmend zurück. »Und wenn er irgendwo seine Adresse zurückgelassen hat, so soll uns Euer Besuch doppelt angenehm sein. Hallo, Boys, den Riegel zurück! Vom langen Schwätzen werden die Gents nicht satt werden!«

Obwohl die Söhne mit der raschen Einladung nicht recht einverstanden waren, öffneten sie doch gehorsam die schwere Tür.

Fast zur Seite mussten sie springen, um von den ungestüm vorwärtsdringenden Pferden nicht über den Haufen geritten zu werden.

Ohne ein Erlaubnis abzuwarten, drängten die Reiter, etwa zwanzig an der Zahl, zum Haus hinüber, wo sie von den Pferden sprangen, dieselben an die dort angebrachten Pfosten banden und gleich darauf zu den Ställen hinübereilten.

Der alte Werner hatte diesem sonderbaren Beginnen mit wachsendem Erstaunen zugesehen und wandte sich nun an den Anführer derselben, dessen goldbetresste Uniform ihn als Kapitän kennzeichnete.

»Hallo, was soll das heißen, Kapitän? Können Eure Leute nicht warten, bis man ihnen ihre Plätze anweist?«

»Wie Ihr seht, nicht, alter Starrkopf!«, gab der vermeintliche Offizier gleichmütig zurück. »Wir sind ein wenig pressiert und wollen Euch nicht allzu lange aufhalten.«

»Well, was soll’s dann sonst?«

»Requirieren!«, war die kurze, spöttische Antwort.

»Bei mir?«, brauste der Farmer auf. »Mit welchem Recht?«

»Well, mit dem des Stärkeren!«, hohnlachte der Reiter. »Ihr habt Euch ein wenig nasführen lassen, denn gerade ich bin jener Kapitän Thunderstorm. Dankt es Eurem Gott oder dem Teufel, dass wir wirklich pressiert sind, denn die verdammten Blaujacken sind uns tatsächlich auf den Fersen. Seid daher froh, wenn ich Euch heute nur um einige Stück Vieh erleichtere, das ich notwendig brauche. Vielleicht bezahle ich es Euch einmal, wenn ich gut bei Kasse bin.«

»Danke!«, versetzte der Farmer kurz, der wohl einsah, dass er gegen eine solche Übermacht nichts zu tun vermochte. Wären die Burschen noch draußen gewesen, hätte er ihnen seine Antwort mit der Büchse gegeben, so aber hatte er ihnen leichtsinnig das Tor geöffnet, und es war immer noch klüger, ein paar Kühe einzubüßen, als Mord und Brand im Haus zu haben.

»Lasst sie gewähren!«, rief er seinen Söhnen zu, die mit zusammengebissenen Zähnen und drohenden Mienen herumstanden. »Der Klügere gibt in diesem Fall nach.«

»Zumal Ihr selbst freimütig eingesteht, dass Ihr eben ein großer Esel gewesen seid!«, spöttelte der Banditenkapitän vom Pferd herunter.

Die Banditen schienen es tatsächlich eilig zu haben, denn schon hatten sie die Ställe aufgerissen und trieben mit Peitschenschlägen die laut brüllenden Tiere aus den warmen Ställen. Und nicht nur auf ein paar hatten es die Kerle abgesehen, denn fast der ganze Viehbestand war von ihnen geraubt worden.

Bei diesem Anblick übermannte den alten Werner der Grimm. Mit einem derben Fluch trat er wieder auf den Kapitän zu.

»Verdammt! Geschieht das auf Euren Befehl? Teufel, wovon sollen wir leben, wenn Ihr uns das letzte Stück Vieh raubt?«

»Das letzte?«, platzte Thunderstorm höhnisch heraus. »Kalkuliere, Ihr habt noch genug Geld, um Euch frisches Fleisch kaufen zu können. Wenn ich nur wüsste, wo Ihr es versteckt hättet, keinen roten Cent ließe ich Euch!«

»So sucht es Euch doch?«, gab der Farmer grimmig zurück.

»Bedauere, dazu fehlt mir, wie ich Euch schon sagte, momentan die Zeit.«

»Und was soll aus meiner Familie werden?«

»I dont know! Ich habe eine weit größere zu ernähren!«

Der Farmer sann einen Augenblick nach.

»Noch ein Wort, Kapitän! Ich will Euch einen Teil zurückkaufen?« Über das Gesicht des Banditenführers huschte ein verräterisches Lächeln.

»Well, der Vorschlag ließe sich hören! Was bietet Ihr?«

»Fünfzig Dollar für das Stück!«

»Well, her damit, dafür sind sie mir schon feil!«

Werner hörte nicht das eigentümliche mir und eilte, froh, wenigstens einen Teil seines wertvollen Viehbestandes retten zu können, in das Haus hinein.

Wenige Minuten später kam er mit einem Beutel zurück.

»Well, hier sind fünfhundert Dollar; zehn Tiere sind also wieder mein Eigentum!« Gleichmütig ließ der Kapitän den Beutel in seine Tasche gleiten.

»Wünscht Ihr auch eine Quittung darüber?«

»Go there hell!«, murmelte Werner in den Bart und wandte sich um, auf die die Kühe haltenden Banditen zutretend. »One minute, gents! Zehn von den Tieren bleiben zurück!« Die Banditen brachen in ein wieherndes Gelächter aus.

»Ist es so, Kapitän?«, riefen sie ihrem Führer zu.

»All right, Boys, ich habe meinen Anteil verkauft!« gab dieser lachend zurück.

»Ha, sagte ich es Euch nicht?«, brummte der Farmer.

»Und was Kapitän Thunderstorm sagt, muss gelten!«, spottete einer der Banditen.

»Unser Kapitän ist aber ein wenig verwöhnt und isst nur Oxteelsuppen und Ochsenmaulsalat! Schneidet Euch also ruhig Eure zehn Kuhschwänze ab und reißt den Biestern ebenso viel Zungen heraus«

Ein schallendes Gelächter war die Antwort.

Der alte Werner kochte vor Wut.

Der Banditenkapitän hatte ihn überlistet.

Wie ein Wahnsinniger rannte er zwischen den Tieren herum, aber immer wieder wurde er von rohen Fäusten zurückgestoßen, und wenn die wüsten Burschen die ganze Sache nicht für einen Spaß aufgenommen hätten, es wäre dem Farmer übel ergangen.

In ohnmächtigem Grimm musste er zusehen, wie die herrlichen Tiere zusammengebunden und zum Tor hinausgetrieben wurden, während Kapitän Thunderstorm ihm noch höhnisch zuwinkte.

»Good bye, Mr. Werner! Ihr Deutschen seid doch die dümmsten Kerle auf der Welt!«