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Nick Carter – Band 13 – Der geheimnisvolle Nachbar des Detektivs – Kapitel 6

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Der geheimnisvolle Nachbar des Detektivs
Ein Detektivroman

Patsys mutige Tat

Nachdem Patsy den Meister und Chick verlassen hatte, ging er zur Bowery, in der Absicht, mit seinem Freund Mugsy Graw zusammenzutreffen.

Die Bemühungen Patsys waren nicht gleich von Erfolg gekrönt, und zwei Stunden vergingen, während er alle Bier-Saloons und ähnliche Orte nach ihm absuchte.

Es war schon ziemlich Mittag geworden, als er in die Rivington Street einbog. Er ging dieselbe hinunter und kam zu einer Kaschemme an der anderen Seite der Second Avenue, welche ein Lieblingsaufenthalts Mugsys war.

Als er hier eintrat, sah er den Gesuchten im Hintergrund des Saloons in Gesellschaft zweier Mädchen an einem Tisch sitzen.

Als er sich ihnen näherte, wurde er von Mugsy bemerkt und mit einem Freudengeheul begrüßt, aber ebenso schnell sah Patsy auch, dass sein Freund einen bedenklichen Schwips hatte.

Er erfuhr, dass in der vorhergehenden Nacht ein Ball stattgefunden hatte, welcher bis Sonnenaufgang gedauert hatte. Und nun war Mugsy mit seinen beiden Ballschönen, die er die versumpften Zwillinge nannte, von einem Lokal zum anderen gezogen, bis sie alle drei mächtig angesäuselt waren.

Hierdurch war Mugsys Börse bedeutend leichter geworden.

Patsy, der die Lage des Freundes erkannte, machte das gut, wie eines der Mädchen sich ausdrückte.

Seine Freigiebigkeit hob ihn noch bedeutend in Mugsys Achtung, welcher mit trauriger Miene erklärte, seine Börse sehe aus, als wäre ein Elefant darauf herumgetrampelt.

Patsy wurde nun klar, dass er von seinem in einem solchen Zustand befindlichen Freund nichts erfahren könne.

Die beiden Mädchen waren voller Furcht, dass sie ihre Arbeit verlieren würden, weil sie nicht zur rechten Zeit in die Fabrik gegangen waren. Sie fürchteten auch die Vorwürfe ihrer Eltern, dass sie die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen waren, während Mugsy von nichts anderem sprach als von einem frechen Kerl, den er auf dem Ball getroffen und den er tüchtig verwackelt habe, weil er ihm die eine Hälfte der versumpften Zwillinge hätte abspenstig machen wollen.

Eine neue Anleihe an Patsy von Seiten Mugsys gab diesem Gelegenheit, das Gespräch auf den kleinen, alten Mann zu lenken.

»Ich bin nicht der alter Smith«, sagte Patsy. »Obwohl ich dir ein wenig aushelfen kann, so reicht mein Geld doch nicht ewig. Du hättest dich lieber an ihn halten sollen.«

Mugsy nahm diese Bemerkung mit dem Ernst eines Betrunkenen auf und sagte, es sei keine schlechte Idee, ihn daran zu erinnern, da dieser wohl bald erscheinen würde.

Dieser Gedanke setzte sich bei ihm fest, und er sprach nun viel über den alten Mann, wollte die Zeit wissen und versuchte mehrere Male von seinem Sitz aufzustehen. Aber jedes Mal verhinderten dies die Mädchen, sodass Patsy sie heimlich zu allen Teufeln wünschte.

Während er nach einem Plan suchte, wie er Mugsy aus dem Saloon fortbringen könnte, kam ein junger Bursche herein. Als er Mugsy erblickte, eilte er auf ihn zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

»Viel zu betrunken«, antwortete Mugsy auf alles, was ihm gesagt wurde.

Der Bursche flüsterte wieder etwas. Mugsy blieb aber dabei: »Zu betrunken … ich sagte es … ja schon, ich … kann … nicht hinkommen.«

»Well«, sagte der andere, »dann kommst du eben um die fünf Dollar.«

Patsy, der halb erraten hatte, worum es sich handelte, wandte sich an Mugsy: »Was gibt es, Mugsy, kann ich etwas für dich tun?«

Mugsy versuchte nun, Patsy darüber zu unterrichten, dass Smith nach ihm geschickt habe, um ihn an der Ecke der Grand und Bowery zu erwarten. Er wisse, dass er zu viel getrunken habe und dass er sich in diesem Zustand unmöglich zeigen könne.

»Ich werde für dich gehen, Mugsy«, meinte Patsy. »Ich habe weiter nichts zu tun und werde ihm sagen, dass du mich geschickt hast.«

»Großartig«, rief Mugsy entzückt. »Wenigstens ein Ausweg, er wird es machen – die fünf Dollar wirst du erhalten und mir übergeben.«

»Schön«, antwortete Patsy, »das werde ich tun.«

»Du wirst höchstwahrscheinlich irgendjemand für ihn herbeiholen sollen«, murmelte Mugsy halb unverständlich.

Patsy ging davon, hoch erfreut, dass ihm Gelegenheit gegeben war, mit dem Mann, dem er auf der Spur war, in engen Kontakt zu kommen.

Als er den Saloon verlassen hatte, dachte er einen Augenblick daran, eine Änderung in seinem Äußeren vorzunehmen, aber er erinnerte sich sogleich daran, dass Nick und Chick gesagt hatten, dieser sei im Verkleiden sehr geschickt, also würde jenem jede Maskierung, sei sie auch noch so geschickt, auffallen und seinen Verdacht erregen. So beschloss Patsy denn, nichts an seinem Äußeren zu verändern.

Als er die Ecke der Grand Street erreichte, wie es bestimmt war, sah Patsy denselben alten Mann, dem er am vorhergehenden Tag in dem Saloon auf der 4th Street begegnet war.

Er ging auf ihn zu und benutzte den plattesten New Yorker Dialekt, als er ihn anredete.

»Hallo, Mister, Mugsy schickt mich an seiner Stelle. Er ist so beschmort, dass er sich nicht von der Stelle rühren kann.«

Der alte Mann sah dem jungen Detektiv prüfend in die Augen und erwiderte: »Ich schickte aber nach Graw, nicht nach dir.«

»Das ist ganz richtig«, sagte Patsy. »Er weiß das, er hat die ganze Nacht gesumpft, und nun schämt er sich, in seinem Zustand hierherzukommen. Er ist mein Vetter, ich wollte ihn gerade nach Hause schaffen, als Sie den Burschen schickten, so bat Mugsy mich, an seiner Stelle herzugehen.«

Während Patsy sprach, hatte ihn der alte Mann genau beobachtet, und als er nichts Unwahres an der Geschichte zu entdecken schien, entgegnete er: »O, ich denke auch, dass du das besorgen kannst. Ich brauche einen Mann von Graws Bekanntschaft. Würdest du den finden können?«

»Ich kenne Mugsys sämtliche Freunde. Welcher ist es?«

»Ich weiß nur, dass er Jake genannt wird. Kennst du ihn?«

»Gewiss.«

»Dann sage ihm, dass ich so bald wie möglich mit ihm dort sprechen möchte, wo wir uns gestern sahen.«

Der Alte gab Patsy kein Geld, so dass dieser fürchtete, jener hätte Verdacht geschöpft.

Der junge Detektiv ging nach dem Saloon an der Rivington Street zurück, wo er die Gesellschaft zurückgelassen hatte. Er nahm eine Fünf-Dollar-Note aus der Tasche und reichte sie Mugsy.

»Aber du musst sie dir erst verdienen«, fügte er hinzu.

»Zum Teufel, hiervon könnten wir uns schon einen gemütlichen Abend machen.«

»Du musst dir das Geld erst verdienen, sonst bekommst du es nicht.«

Das leuchtete Mugsy nun endlich ein, und er fragte, was er tun solle.

»Er braucht Jake, um mit ihm dort zusammenzutreffen, wo sie gestern waren.«

»Nun, so hole ihn doch«, rief Mugsy.

»Ich weiß aber nicht, wo er ist«, versetzte Patsy. »Sage mir, wo er ist, und ich will ihn holen.«

Aber Mugsy blieb eigensinnig und wollte den Aufenthaltsort Jakes nicht verraten.

Endlich gelang es Patsy, durchzusetzen, dass der junge Mann, der geschickt worden war, um Mugsy zu holen, Jake herbeischaffte.

Dieser ging, und nach kurzer Zeit kehrte er zurück, mit der Antwort, dass Jake sogleich kommen würde.

Bald darauf trat ein Mann ein, der verkleidet war, und zwar war dies so schlecht gemacht, dass Patsy es schon von Weitem sah.

Mugsy wankte ihm entgegen, und nachdem er mit demselben einige Worte gewechselt hatte, kehrte er unter großen Schwierigkeiten auf seinen Platz zurück. Der Verkleidete verließ darauf sofort das Lokal.

Patsy bestellte noch eine Runde, die er als die letzte bezeichnete, da er dann an sein Geschäft gehen müsse.

Die Gesellschaft protestierte eifrig dagegen, als zwei Männer von der Straße hereinkamen, worüber die Mädchen sichtlich erschraken.

»Warum erschreckt ihr, Mädels?«, fragte Patsy.

»Es ist der Bursche, den Mugsy gestern Abend so schrecklich verprügelt hat. Er sucht Mugsy.«

»Jetzt wird es ungemütlich«, sagte nun das andere Mädchen. »Ich werde lieber gehen.«

Mugsy fragte nun auch, was los sei, und sie sagten ihm, dass Jimmy Tully gekommen wäre.

Er wollte hastig aufstehen, als wolle er auf Jimmy zustürzen, fiel aber schwankend in seinen Stuhl zurück.

Da drehte sich plötzlich einer der Männer, die mit Jimmy gekommen waren, um und rief, bestürzt auf Patsy zeigend: »Verdammt, der Kerl dort ist einer von Nick Carters Leuten!« Das sagte er so laut, dass jeder im Zimmer es hörte.

Die beiden Mädchen sprangen erschrocken auf.

Die Männer, die an den anderen Tischen saßen, standen auf und kamen auf Patsy zu.

Der junge Detektiv begriff, dass seine Lage jetzt äußerst gefährlich war, aber am meisten befürchtete er, dass die Rowdies ihn daran hindern könnten, die 4th Street zu erreichen. Sonst hatte er keinen Grund, sich zu fürchten.

In jeder Richtung, wo er auch hinsah, bemerkte er drohende Mienen.

Eine Stimme aus dem Hintergrunde rief: »Mir kam er auch schon so bekannt vor, aber ich wusste nicht, wo ich ihn hintun sollte.«

»Zum Teufel mit ihm! Er ist der, welcher Timmy Haley zu drei Jahren Gefängnis verhalf.«

Ein drohendes Murmeln ging durch die Menge.

Patsy sandte seinen Stuhl mit einem Fußtritt durch das Lokal und sprang mit einem einzigen Satz auf den Tisch.

»Wenn ihr etwas von mir wollt«, schrie Patsy entschlossen, indem er seinen Revolver zog, »so kommt heran.«

»Der Kleine will schießen«, rief eine Stimme lachend aus der Menge.

»Jawohl«, rief Patsy zurück, »ich werde denjenigen niederschießen, der nur einen Finger gegen mich krümmt.«

In demselben Augenblick sah Patsy den Barkeeper auf sich zukommen, mit einem Holzhammer in der Hand.

Der junge Mann wartete nicht erst darauf, angegriffen zu werden, sondern feuerte seinen Revolver nach dem Stiel des Hammers ab, und in der nächsten Sekunde lag derselbe in zwei Stücke zerschossen am Boden.

Die Sicherheit des Schusses hatte die Gegner Patsys derart überrascht, dass jener die Gelegenheit nutzte und sich mithilfe der Fäuste und dem Knauf seiner Schusswaffe einen Weg durch die Menge bahnte.

Der Ausfall war so überraschend gewesen, dass die Männer den Weg unwillkürlich freigaben.

Aber schon riefen einige Stimme aus der Menge, ihn festzuhalten.

Patsy wartete nicht darauf, sondern entwich nach dem Haupteingang.

Er drehte sich herum und schrie, indem er den auf ihn Eindringenden seine beiden Revolver entgegenhielt: »Zurück, oder der Erste, der sich mir nähert, hat eine Kugel im Schädel!«

Die Wirkung seines entschlossenen Handelns zeigte sich sogleich, obwohl er sich einer zwanzigfachen Übermacht gegenübersah.

Die Hälfte flüchtete hinter die Stühle und Tische, und die anderen zogen sich in den Hintergrund zurück.

Der Barkeeper selbst versuchte, unter der Bar nach seinem Revolver zu greifen, aber Patsy, welcher das sofort bemerkte, richtete den seinen auf ihn und rief: »Bleiben Sie, wo Sie sind, oder ich brenne Ihnen eins auf.«

Dann sah er die beiden Mädchen in einer Ecke stehen, beinahe bewusstlos vor Furcht, und rief ihnen zu: »Wenn ihr beiden Mädels hier hinauswollt, so kommt zu mir.«

Die Mädchen lösten sich aus der Menge und kamen furchtsam auf Patsy zu, welcher ihnen den Rat gab, sich schleunig nach Hause zu begeben.

Als sie gegangen waren, begann Patsy rückwärtszugehen, das Gesicht auf die Menge gerichtet und die Revolver in der Hand.

So erreichte er die Tür, drehte sich plötzlich um, stürmte hinaus und bog schnell in eine Seitenstraße ein.

Die Revolver in die Tasche steckend, sagte er zu sich selbst: »Ich hoffe, dass ich nicht zu spät komme, um den alten Mann zu sehen und mit Jake zusammen noch zu erwischen.«