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Deutsche Märchen und Sagen 177

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

234. Die Kaboutermännchen zu Linden

Zu Linden bei Löwen liegt ein Meierhof, der auf dem Fundament eines alten Gebäudes aufgebaut ist. Noch nicht einer von all den Pächtern, die ihn bewohnten, hatte da Glück gehabt. Das Folgende erzählte unter anderen ein Landmann aus der Umgegend von dem Hof.

Wo er nun steht, da erhob sich ehedem ein schönes, großes Schloss, auf dem Kaboutermännchen hausten. Diese Kaboutermännchen sind so kleine Geschöpfchen, dass das größte kaum drei Fuß hoch ist. Für ein wenig Essen verrichten sie Geschäfte aller Art. Auch waren es so gute Maurer und Zimmerleute, dass der Propst der Sankt Gertruden Abtei in Löwen einen der Türme seiner Kirche von ihnen bauen ließ. Darin waren sie so behände, dass sie in der Zeit von einem Monat alle nötigen Steine schon auf dem Bauplatz bereit hatten und am Ende des zweiten Monats der Turm schon fertig dastand. Um dem Werk Dauer zu geben und zu verhindern, dass nicht einmal der eine oder andere Lust bekäme, dasselbe zu zerstören, krönten sie den Turm mit einem so schweren Stein, dass es unmöglich war, denselben von seiner Stelle zu nehmen, ohne das ganze Gebäude über den Haufen zu werfen.

Der Propst wollte sich gerne dankbar für die schöne Arbeit beweisen und schenkte den Männchen alle Früchte, die die Abtei in dem Jahr aufgespeichert hatte, sowie auch alles gemünzte Geld, welches in seinem Besitz war. Das machte die Kobolde aber so gierig und geldlustig, dass sie ihren ganzen Schatz in einen tiefen, tiefen Keller bargen und dort Tag und Nacht nichts anderes taten, als Geld zählen. Sie vergaßen endlich den Ausgang aus dem Keller und mussten, da sie denselben nicht wiederfinden konnten, alle des jämmerlichen Hungertodes sterben.

Etwa hundert Jahre nach diesem Vorfall ließ der Herr, dem die Gegend gehörte, das Schloss schleifen und auf dem Fundament die Meierei bauen, die man noch heutzutage sieht. Die Bewohner des Hofes hatten aber nichts als Unglück und es ging anhaltend um in dem Gebäude. Nun hörte man Geblöke wie von Schafen im Keller, während Krankheiten aller Art die Ställe leerten. Dann wurden die Werkleute auf dem Söller von einem Geist, der in Holzschuhen herumtrappelte, braun und blau geschlagen. Ein anderes Mal fand man die Kornsäcke, wenn man sie eben füllen wollte, so voll Löcher, dass kein Körnchen Getreide darin blieb. Oft, wenn der Bauer müde und matt von einem nahen Dorf, wohin Geschäfte ihn gerufen hatten, heimkehrte, sah er dicht bei dem Hof ein Kaboutermännchen in Jägerkleidern seinen Hunden pfeifen, worauf dann alsbald eine ganze Menge Bracken, gefolgt von einer unendlichen Zahl der kleinen Männchen, erschien. Die Letzten tanzten alsdann rund um den Hof und die Hunde heulten dazu, sodass kein Mensch ein Auge schließen konnte.

Oft schon hatte der Bauer einen gewissen tiefen und dunklen Keller untersuchen wollen, aber jedes Mal, wenn er das unternahm, erlosch sein Licht und er saß im Dunkeln. Endlich nahm er auf Anraten eines verständigen Mannes ein Endchen von der Osterkerze und damit glückte es ihm und er konnte ungestört in dem Keller rundgehen. Und was fand er? Einen großen Tisch voll Goldmünzen und rund herum ein Haufen kleiner Menschenknöchelchen, sonder allen Zweifel die einzigen und letzten Reste der Kaboutermännchen.

Die Knöchelchen ließ er auf dem Kirchhof begraben, das Gold aber hielt er still für sich, doch brachte es ihm kein Glück; denn alles, was er seit der Zeit unternahm, fiel schlecht aus und er starb endlich in Not und Elend. Mit dem Spuken hatte es selbst nach der Zeit noch kein Ende und bis heute noch hört man häufig den pfeifenden Jäger mit seinen Hunden, wie auch den Geist in Holzschuhen.