Eine Büffeljagd
Eine Büffeljagd
Tagebuch-Erinnerungen
Aus: Die Gartenlaube Nr. 48, Jahrgang 1853
Es war in jenen Tagen, als ich mit meinem Freund Fliesberg den oberen Missouri hinaufzog, mehr als 200 deutsche Meilen von St. Louis entfernt, wohin die Spuren der Zivilisation in kaum noch erkennbaren Zügen gedrungen waren. Die Sehnsucht nach Abenteuer und ungebundenem Leben hatte uns dorthin geführt, in Gemeinschaft mit einem amerikanischen Trapper, der seit seiner Jugend in den Indianergebieten gelebt hatte und uns durch seine Kenntnis von Land und Leuten eine große Hilfe war. Wir hatten uns in der Nähe eines Indianerdorfes vom Stamme der Mandan eine Hütte gebaut, wie man sie eben zum notdürftigsten Schutz gegen Wind und Wetter braucht, und lebten dank der Vermittlung unseres Trappers mit den Indianern in freundlichstem Einvernehmen. Von dem an der Mündung des Yellowstone River in den Missouri errichteten amerikanischen Fort konnten wir, wenn es nötig war, die nötigen Lebensmittel beziehen, hauptsächlich aber verschafften uns unsere Gewehre den notwendigen Lebensunterhalt, und unser amerikanischer Freund betrieb sogar die Jagd als Erwerb. Die Jagdgründe der Mandan, wenn auch nicht mehr so reich an Wild wie früher, boten doch immer noch so viel reiche Ausbeute, dass die Rothäute weniger eifersüchtig auf ihr Jagdrecht zu sein brauchten als die deutschen Grundherren.
So führten wir ein wahres Nimrode-Leben, bald zu Pferd, bald zu Fuß, aber immer die Büchse auf der Schulter, und von morgens bis abends durchstreiften wir mit kurzen Unterbrechungen die Jagdgründe. Nur unser sehnlichster Wunsch nach einer Büffeljagd schien sich nicht erfüllen zu wollen, da von diesen nur in Herden umherziehenden Tieren keine Spur zu finden war, obwohl wir nun schon mehrere Monate bei den Mandan verweilten. Die Indianer selbst, für die der Büffel das wertvollste Tier ist, weil man Fleisch, Haut, Hörner, Hufe, Knochen, kurz alles von ihm verwenden kann, hegten ebenso wie wir die Sehnsucht nach einer Büffeljagd, und vielleicht noch mehr als wir, indem sie ihre Vorräte erschöpften. Im Dorf waren sogar religiöse Zeremonien abgehalten worden, um das Erscheinen der Büffel zu beschleunigen, ähnlich wie in Spanien bei anhaltend trockenem Wetter Prozessionen abgehalten werden, bis es zu regnen beginnt.
Eines Abends schließlich besuchte uns einer unserer indianischen Freunde aus dem Dorf in unserer Hütte. Solche Besuche an sich, bei denen nach indianischer Sitte nur selten ein Wort gewechselt wird, waren für uns nichts Überraschendes, allein da diesmal der Indianer mit dem Ausruf Hugh!, der bei seinem Volke etwas Besonderes ankündigt, an unserem Feuer hockte, waren wir doch neugierig auf den Zweck seines Besuches. Mit aller dem Indianer eigenen Würde und Ruhe saß unser rothäutiger Freund vielleicht eine halbe Stunde schweigend da. Endlich richtete er, ohne mit der Wimper zu zucken, in seiner Sprache einige Worte an unsere amerikanischen Begleiter, die uns dieselben sogleich freudig übersetzten: »Hurra, Kinder! Die Büffel sind da!«
An Schlaf war in dieser Nacht bei uns nicht zu denken, und die erste Morgenröte fand uns schon auf unseren kleinen Präriepferden dem Dorf der Mandan entgegenreitend, mit denen gemeinsam die große Jagd stattfinden sollte. Als alle Jäger versammelt waren, eilten wir auf die Prärie zu, die sich unübersehbar vor unseren Augen ausbreitete. Die Nacht versuchte noch, dem Tag ihr Herrschaftsrecht streitig zu machen, als wir auf einem Hügel in der Ebene rasteten; einzelne Späher wurden von Zeit zu Zeit ausgesandt, und der Häuptling der Mandan, als Führer der Jagd, traf dazwischen seine Vorkehrungen, um die Jagd so ergiebig wie möglich zu machen, indem er die Büffelherde umzingelte. In vielen Fällen wird eine so angegriffene Herde, die immer einige hundert Tiere zählt, fast buchstäblich vernichtet.
Nachdem nun alle Vorbereitungen getroffen waren und die Sonne über der grünen Prärie aufging, zeigte sich uns in einer Entfernung von einer halben englischen Meile die friedlich grasende Herde, die noch nichts von dem drohenden Unheil ahnte, als das Signal zum Beginn der Jagd gegeben wurde. Es schien für die Pferde ebenso viel Anziehungskraft zu haben wie für die Menschen, denn schnell wie der Blitz und mit gierig aufgestellten Ohren flogen die kleinen Tiere über die Wiese und trugen uns im Nu mitten in die aufgeschreckte Herde. Rechts und links krachte nun in wilder Fahrt Schuss auf Schuss, und selten verfehlte eine Kugel ihr Ziel. Die Indianer, die noch mit Pfeil und Bogen bewaffnet waren, benutzten sie mit ebenso tödlicher Sicherheit. Es war mehr ein Kampf als eine Jagd. Die verängstigten Tiere stoben bald hierhin, bald dorthin, überall Feinde antreffend, die keine Gnade kannten. Nach kurzer Zeit war die Herde in kreisförmiger Flucht und wir, die Jäger, mittendrin, im Galopp ladend und schießend. Es kam aber auch vor, dass die Tiere, die sonst schon beim bloßen Anblick eines Menschen die Flucht ergriffen, aufgeschreckt und durch die Verwundung wütend geworden waren, sich gegen uns wendeten. Das waren verhängnisvolle Augenblicke. Zwei Indianer, die an meiner Seite galoppierten, hatten es gleichzeitig mit mir auf einen kolossalen Stier abgesehen, der trotz der Schnelligkeit unserer Pferde immer einen Vorsprung behielt. Endlich hatten wir ihn eingeholt, ich drückte das Gewehr ab und gab den ersten Schuss auf das Tier ab. Der verwundete Büffel machte einen gewaltigen Satz zur Seite und wandte sich im selben Augenblick wütend gegen uns. Eine blitzschnelle Wendung meines Pferdes rettete mich, der schnaubende Büffel schoss hart an mir vorüber; der eine Indianer, nun dem ersten Schlage des gefährlichen Feindes ausgesetzt, hatte kaum Zeit, sich mit seltener Geistesgegenwart von seinem Pferd auf einige neben ihm laufende Büffel zu schwingen und so im majestätischen Cäsarenritt, wie er zuweilen in Kunstreitergesellschaften ausgeführt wird, davon zu jagen. Aber das Pferd des Indianers stürzte unter den heftigen Stößen des grimmigen Stieres, dessen große weiße Augen vor Zorn rollten, während er mit seinen schweren Hufen wild über den Boden stampfte und seine lange, schwarz behaarte Mähne sich borstig sträubte. Ein von dem anderen Indianer abgeschossener Pfeil traf den Büffel noch nicht tödlich, reizte ihn aber umso mehr. Mit dem Kopf fast am Boden, stürzte er sich auf den Angreifer, der, noch ehe er sein Pferd wenden konnte, jählings aus dem Sattel gehoben und einige vierzig Fuß weit durch die Luft geschleudert wurde. Ein zweiter Schuss von mir durchbohrte den Kopf des Tieres, das in seiner Wut entsetzlich aussah. Es riss die Augen noch weiter auf als vorher, wühlte stampfend den Boden auf, der unter seinen mächtigen Tritten zu erbeben schien, schüttelte mit mächtigem Gebrüll seine gewaltigen Glieder und sank dann sterbend zusammen.
In solchen Einzelszenen und Kämpfen löste sich von Zeit zu Zeit die gemeinsame Jagd auf. Aber immer wieder wurde der Widerstand der wütenden Tiere gebrochen, meist dann, wenn die Wütendsten tot am Boden lagen, und dann machten sich die anderen wieder auf die Flucht, und wir Jäger folgten ihnen wieder wie zuvor. Die Prärie war schon weithin mit getöteten Tieren bedeckt, das Gras zertreten und niedergetreten, aber die Schüsse hallten noch nach. So ging es mehrere Stunden weiter, bis wir endlich nur noch einen kleinen Rest der fliehenden Herde vor uns hatten. Die meisten Indianer waren auf dem Platz zurückgeblieben, wo eigentlich die Hauptjagd stattgefunden hatte, um die erlegte Beute zusammenzutreiben und fortzutragen; nur wenige waren noch bei uns, um den Büffeln nachzustellen, wozu wir aber längst aus der Prärie in die trockene Heide gekommen waren. Hier warfen die gehetzten Büffel unter den Schlägen ihrer mächtigen Hufe Sand, Staub und Steine in dichten Wolken auf, ohne vor uns, ihren rastlosen Verfolgern, zur Ruhe zu kommen. Unsere Pferde waren in dem Jagdgetümmel meist alle mehr oder weniger verletzt worden, so dass die Verfolgung etwas von ihrer anfänglichen Lebhaftigkeit verloren hatte. Dafür wussten wir umso sicherer, dass die Büffel uns nicht entkommen konnten, da sie in ein Gelände eingedrungen waren, das, am Ende durch steile Abhänge nach einem kleinen Bach begrenzt, ihr Entkommen unmöglich machte. Selten wehrte sich jetzt noch eines der fliehenden Tiere, allein nicht minder wütend jagten sie vor uns her. Schon hatten wir die Felsplatten im Auge, wo ihre Flucht enden sollte, schon machten wir uns kampfbereit, um den Rückprall der wütenden Büffel zu ertragen, als …
Was dann geschah, ist schwer zu beschreiben. Bis zum Wahnsinn gehetzt, vor Angst und Raserei, vielleicht auch geblendet, stürzten die Tiere nacheinander in rasendem Lauf die steile Felswand hinab. Als wir einige Augenblicke später an den Rand kamen, bot sich unseren Blicken ein grauenhaftes Schauspiel. Der Boden unten war wie übersät mit den Leibern der gewaltigen Tiere, die meisten lagen zu Tode zerschmettert umher, einige ließen noch ein schmerzhaftes, Mark und Bein durchdringendes Brüllen hören, dem bald das Röcheln des Todes folgte. An den Spitzen und Zacken der Felswand hingen große Fleischstücke, die den Büffeln im Sturz entrissen worden waren; blutig rieselte es an den Felsen herab. Noch blutiger sah es unten am Boden aus. Geröll und Steine waren von dampfendem Blut überflutet, das riechend in den Bach floss und dessen Wasser tiefrot färbte.
Schaudernd wandte ich mich von dem Anblick ab, der zu grauenhaft war, um mir nicht für einige Tage die Lust am Jagen zu nehmen. Als ich die Stelle nach einiger Zeit wieder besuchte, hatte der Regen die blutige Felswand und den Grund wieder reingewaschen; die weißen Wölfe, die dort sehr zahlreich waren, und die Raubvögel hatten die gestürzten Büffel aufgefressen, und selbst ihre gebleichten Knochen waren zum größten Teil von den Fluten des vom Regen angeschwollenen Baches weggeschwemmt worden. Kaum eine Spur des blutigen Geschehens war geblieben.