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Die Gespenster – Vierter Teil – 4. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil

Vierte Erzählung

Eine verbürgte Ahnungsgeschichte

Im März des Jahres 1799 hatte ich das einzige Kind eines Hildburghausener Professionisten in der Kur und alle Ursache zu fürchten, dass es nicht mit dem Leben davonkommen werde. Die guten Eltern durchwachten mehrere Nächte hintereinander bei dem geliebten Kind und hatten überhaupt während der Krankheit desselben wenig Ruhe. Um aber doch in den Zwischenzeiten, wenn der Kranke schlummerte, ein wenig zu ruhen, hatte die Mutter neben dem Krankenbett Stühle zusammengestellt und sich so zuweilen darauf gelegt. Gerade in dem Zeitpunkt, der für das Kind der gefährlichste war, hatte die Mutter voll zärtlicher Besorgnis sich zu Mitternacht auf ihre Stühle niedergelegt, jedoch diesmal mehr, um zu wachen, als um zu schlafen. Nun kam es ihr deutlich vor, als zöge jemand die Stühle unter ihrem Leib weg; und doch war, außer ihr und dem Kranken, kein Mensch im Zimmer. Ja sie hörte sogar bestimmt ein Geräusch, dem gleich, welches Stühle verursachen, die man schurrend auf dem Boden fortbewegt.

Um nicht zu fallen, sprang sie daher rasch auf; aber welch eine üble Vorbedeutung! Die Stühle standen noch so unverrückt, wie sie selbst diese zusammengestellt hatte.

»Gewiss ist dies eine vorbedeutende, den nahen Tod des Kindes anzeigende Ahnung«, war der erste Gedanke, der ihr durch den Kopf fuhr, und mit ihm überfiel sie eine Bangigkeit und eine Furcht, die es ihr unmöglich machte, länger noch allein bei dem Kind zu bleiben. Sie weckte daher ihren neben der Stube schlafenden Mann und bat ihn, bei ihr zu bleiben. Nachdem er von ihr vernommen, dass es geahnt hatte, durchwachten beide ein paar Nächte hindurch gemeinschaftlich. Unterdessen verschlimmerte sich die Krankheit des Kindes zusehends und die Eltern gaben umso mehr alle Hoffnung zur Wiedergenesung auf, da es, wie die Mutter sich ausdrückte, nun ja außer allem Zweifel sei, dass nicht alle Ahnungen verwerflich wären, indem die ihre nun unleugbar anfange, in Erfüllung zu gehen, denn sie sähe vor Augen, dass es mit ihrem Kind nicht besser, sondern schlimmer werde. Leider sei nichts gewisser als das, was sie in jener Nacht gehört und gefühlt habe, schon im Voraus den Tod ihres Kindes beurkunde. Ohnehin ahne es sich in ihrem Haus bei jedem bevorstehenden wichtigen Ereignis, und sie habe schon mehrere Beispiele der Art erlebt.

Vergebens versuchte ich, wegen der vermeinten Ahnung, sie eines Besseren zu belehren, vergebens, sie zu beruhigen. Sie versicherte heilig, sie sei so wach und munter gewesen wie am Tag und hätte alles zu genau gehört und gefühlt, als dass sie sich getäuscht haben sollte. Auch könne außerhalb der Stube nichts gefallen sein oder das Geräusch auf andere Art verursacht haben, denn sie habe deutlich bemerkt, dass ihre Stühle und nichts anderes im ganzen Haus von der unsichtbaren Kraft bewegt worden wären.

Indessen fing das Kind an zu genesen und er­langte in wenigen Wochen völlig seine vorige Gesund­heit wieder.

Aber die Ahnung! »Je nun«, hieß es hinterher, wie es in ähnlichen Fällen schon tausendmal geheißen hat, »wer weiß, was es gewesen ist!« Da noch unglaublich viele Personen, selbst aus solchen Ständen, welchen man einen gewissen Grad von Geistesanbau ohne Ungerechtigkeit nicht abspre­chen kann, Sinn und Empfänglichkeit für den Glau­ben an Ahnungen, wo offenbar an keine Ahnung zu denken ist, haben; und da es für den Menschen­freund nichts weniger als gleichgültig ist, ob ihnen die daraus herfließenden, höchst unnötigen Bangig­keiten, die je zuweilen selbst ihrer Gesundheit und ihrem Leben nachteilig werden können, nach und nach erspart werden, oder nicht: So verdienen Beispiele dieser Art, so unwichtig an und für sich sie auch manchem scheinen möchten, hier ihre Stelle – und der Hildburghausener Arzt Dank für die Bekanntmachung der gegen­wärtigen.