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Der Welt-Detektiv Band 6

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Turnier- und Ritterbuch – Teil 7.5.

Heinrich Döring
Turnier- und Ritterbuch
Verlag von E. F. Schmidt, Leipzig
Sitten und Gebräuche des Rittertums im Mittelalter

Ludwig der Springer

Fünftes Kapitel

Wie Ludwig seiner Haft entsprang

Als nun die Ritter, die ihn bewachten, sein letztes Stündlein nahe glaubten, weil Ludwig im Innersten betrübt schien und Trank und Speise verschmähte, da gedachten sie ihm einige Linderung zu verschaffen, wenn sie ihn der Fesseln entledigten. Auch brachten sie ihm einige Mäntel, um sich darein zu hüllen, weil er sich bitter über zunehmenden Frost beklagte. So schien er in seinem Tun und Wesen wie ein Sterbender, der seiner Erlösung entgegensah. Es begab sich aber, dass verabredeter Maßen ein Diener des Grafen an dem vom ihm bestimmten Tag jenseits der Saale erschien, der Veste Giebichenstein gerade gegenüber. Dort hielt er mit des Grafen weißen Hengst, der Schwan geheißen. Es fuhren aber zu gleicher Zeit einige Fischer mit ihren Kähnen den Saalestrom auf und ab und schauten zur Burg hinauf zu dem großen Kerkerfenster, das auf die Saale gerade herabsah. Nun saßen aber die sechs Ritter, die den Grafen bewachten, an einer Tafel und waren zur Kurzweil mit dem Brettspiel beschäftigt, denn sie wussten, dass die Burg fest verwahrt war und jeder Zugang verschlossen. Da schlich Ludwig, so schwach er war, an einem Stab in dem Gemach auf und ab, und da es ihm ungeachtet der Mäntel, in die er sich gehüllt hatte, doch zu kühl dünkte und die Sonne freundlich in das Kerkerfenster hineinschaute, so nä­herte er sich demselben und öffnete es leise. Rasch entschlossen sprang Ludwig von der furchtbaren Höhe in den Saalestrom hinab, während der fal­tige Mantel sich in den Lüften weit ausbreitete. Als er nun schwimmend das Ufer erreichte, da warf er sich auf sein mutiges Ross. Es sahen aber die Ritter, als das Geräusch sie ans Fenster lockte, den Flüchtling nach der Gegend von Sangerhausen dahinsprengen. Dort erbaute er aber eine Kirche, wie er es seinem Schutzpatron, dem heiligen Ulrich gelobt hatte, falls es ihm gelänge, seiner Haft zu entkommen.