Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Jim Buffalo – 16. Abenteuer – Kapitel 2

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Der Shylock von San Francico
Das 16. Abenteuer Jim Buffalos
2. Kapitel

Jim Buffalos Besuch

Jim Buffalo, jener Mensch, der, wie unsere Leser bereits wissen, durch einen Zufall in den Besitz der Zeitmaschine gelangt war, die es ihm ermöglichte, in die Vergangenheit und Zukunft zu blicken, liebte es in der letzten Zeit, sich so unauffällig wie möglich auf seinem Reisen zu bewegen. Er hatte es fertiggebracht, seiner Zeitmaschine einen äußeren Mantel zu geben, der sie in nichts von einem gewöhnlichen Kraftfahrzeug unterschied.

Aber nicht immer glückte dieses Experiment. Nicht immer blieb es den Menschen verborgen, wer dieser Mann mit dem stolzen, energischen Gesicht war, der den Kampf mit der Welt aufgenommen hatte und den Bösen nachstellte.

Auch in Frisco, wo er seit wenigen Tagen zu tun hatte, war es bekannt geworden, dass der Mann mit seiner Zeitmaschine eingetroffen war.

Es half ihm nichts, dass er von einem Hotel ins andere wanderte.

Er wurde immer wieder aufgestöbert, denn die Leute wollten seinen Rat wissen. Man fragte ihn über geschäftliche Unternehmungen aus und bot ihm für die Beantwortung große Summen.

In den meisten Fällen ließ sich Jim Buffalo, der Mann mit der Teufelsmaschine, nicht sprechen. Aber oftmals hatte er doch eine Anwandlung, einen Blick für andere in die Vergangenheit oder Zukunft zu tun.

Heute hatte er schon ein Dutzend Besucher abgeschlagen. Da huschte beim Abendessen ein alter gebrechlicher Mann über die Schwelle.

Auf den ersten Blick erkannte Jim Buffalo, dass es sich um einen Juden handelte. Es war ein Mann, der mit unruhigen Augen alles in sich aufnahm. Offenbar hatte er sich den Mann und seine Umgebung, der solche Wundermaschine besaß, anders vorgestellt.

Jim Buffalo las ruhig weiter, wobei er sich vornahm, den dienstbaren Geist, der die Tür nicht verschlossen hatte, sodass dieser Besuch möglich gewesen war, später gehörig ins Gebet zu nehmen.

Er sah, wie der Besucher mehrfach dienerte und dann in der Nähe stehen blieb.

Der Mann gefiel ihm nicht.

Ein Wucherer, dachte Jim Buffalo und er hatte damit den Nagel auf den Kopf getroffen, wie er später erfahren sollte.

»Wer sind Sie und was wollen Sie, mein Herr«, fragte Jim Buffalo, in dem er sich einen Apfel schälte.

»Ich bin ein einfacher Mann«, sage der Besucher »Ich habe viel Kummer in meinem Leben gehabt. Ich habe eine Tochter und diese möchte ich wieder einmal sehen. Ich weiß nicht, wie es ihr geht.«

Dieser scheinheilige Mensch, der ein Herz von Stein hatte, brachte es fertig, vor Jim Buffalo eine Anzahl Tränen zu vergießen, obwohl es ihm seinen Worten keineswegs erst war.

Jim Buffalo überlegt.

Ein Blick, der bis auf den Grund der Seele drang, traf den Bittsteller. Jim Buffalo sagte sich, dass der Mann die Unwahrheit sprach.

Schon wollte er ihn kühl abweisen, da gab ihm eine innere Stimme das Gegenteil ein. Er wollte jenem den Gefallen tun und gleichzeitig sein Inneres durchleuchten.

Jim Buffalo sah nach der Uhr.

»Haben Sie Zeit?«, fragte er ihn.

Der andere erwiderte heiser: »Ich habe so viel Zeit, wie Sie nur wünschen, Mister Buffalo.«

»Dann kommen Sie.«

Jim Buffalo erhob sich. Es war dunkle Nacht. Über Frisco hingen seit einigen Tagen schwarze Wolken. Der Jude schauderte zusammen, als er mit dem Mann, der ihm die Vergangenheit und Zukunft sagen sollte, durch die dunkeln Straßen schritt.

Ein heimliches Grauen befiel ihn.

Man erreichte die Vorstadt. Hier klopfte der seltsame Mann an eine Pforte. Eine Stimme fragte im Innern des Hauses: »Wer ist da?«

»Ich bin es, der Meister!«

»Ich komme sofort«, lautete die Antwort.

Dann öffnete sich die Tür und ein alter, gebückter Mann mit einer Laterne in der Hand kam zum Vorschein.

Er begrüßte den Meister mit einer respektvollen Verbeugung und sagte: »Soll ich die Maschine zurechtmachen?«

»Ja, Alter, ich möchte eine Fahrt in die Vergangenheit und Zukunft unternehmen. Ich weiß noch nicht, wie lange ich fortbleibe. Auf jeden Fall nicht länger als zwei Tage.«

»Bleiben Sie hier«, sagte hierauf Jim Buffalo in schroffem Ton zu dem Juden, der mit merkwürdigen Empfindungen dem Gespräch gelauscht hatte.

Während der Jude wartete, verschwanden die beiden Männer im Hintergrund des Hofes.

Sie blieben aber nicht lange. Der Jude schreckte aus seinen Gedanken hoch, als ihn die Stimme Jim Buffalos traf.

Ein dunkles Ungetüm stand vor dem Haus. Es musste geräuschlos herangekommen sein.

»Steigen Sie ein!«, befahl Jim Buffalo dem alten Juden.

Es schien, als habe der Jude mit einem Mal Angst bekommen, denn er zögerte plötzlich.

»Wollen Sie nicht?«

Diese Frage schreckte den Juden hoch. Er stieg ein. Im Handumdrehen schloss sich die Decke automatisch über den beiden Männern, der Wagen fuhr los.

Der Jude verlor seine Beklommenheit, nahm er doch an, dass die Maschine nichts weiter als ein gewöhnliches Automobil sei. Er beruhigte sich immer mehr, bis sein geheimnisvoller Besitzer plötzlich ein paar Bewegungen machte.

Sofort änderte sich die Situation. Die Maschine gab nicht das geringste Geräusch von sich. Es schien, als ob sie in der Luft vollständig frei schwebe. Vor ihm tauchten im Dunkeln hell erleuchtete Zahlen auf.

Er las. 1922 – 1921 – 1920 – 1919 …

»Wollen Sie noch weiter zurück?«, fragte an dem Ohr des Juden Jim Buffalos Stimme. »Wollen sie noch weiter in die Vergangenheit blicken? Wollen Sie einen Spiegel Ihres Lebens haben?«

Der alte Mann umklammerte den Arm Jim Buffalos.

»Ja, noch weiter«, stotterte er. »Ich möchte zwanzig Jahre weit zurückblicken.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als die Maschine weiter zu rasen begann. Sie holte die verschwundenen Jahre in Minuten zurück. Und plötzlich stand sie still. Der Begleiter Jim Buffalos stöhnte. Sein Atem pfiff keuchend aus der Brust. Was würde er zu hören bekommen?