Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Hexer Band 43

Robert Craven (Frank Rehfeld)
Der Hexer, Band 43
Revolte der Echsen

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 25. November 1986, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Carl Lundgren

Der Platz bot einen Anblick des Schreckens. Wo vor Tagesfrist noch eine Stadt gewesen war, erstreckte sich nun ein Ruinenfeld, übersät mit Trümmern, Unrat, Asche und Toten. Die meisten waren nicht menschlich- große, grün schimmernde Geschöpfe, die an Echsen erinnerten, in einfache Kleidung gehüllt: Sree. Aber viele der reglos ausgestreckten Gestalten hatten auch die Gesichter von Menschen. Zu viele.

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Noch immer befinden sich Robert Craven und Sill el Mot tief im Inneren der Erde. Mit knapper Not aus dem unterirdischen Reich entkommen, das Professor Otto Lidenbrock in seiner Studie Die Reise zum Mittelpunkt der Erde beschrieb, fahren die beiden nun über einen schier unendlichen Ozean. Robert weiß, dass am jenseitigen Ufer der Aufstieg zur Erdoberfläche auf sie wartet: der Vulkankrater der Insel Stromboli.

Doch da gerät das Floß plötzlich in einen gewaltigen Strudel und wird zum Meeresboden hinabgezogen.

Als Robert aus seiner Ohnmacht erwacht, findet er sich in einer gewaltigen Luftblase unter dem Meer wieder, die durch den Strudel mit Luft versorgt wird. Er wird Zeuge, wie menschliche und echsenhafte Wesen über Sill herfallen und greift in den Kampf ein. Mit dem Ergebnis, dass sie nun beide gefangengenommen und verschleppt werden.

Er erfährt, dass die Bewohner dieser unterseeischen Welt nichts von der Außenwelt wissen; hier hat sich ein eigener, von allem abgeschnittener Staat entwickelt, auf einer Insel, die von undurchdringlichem Dschungel, Sumpfgebieten, einem ausgedehnten See und zwei gigantischen Türmen beherrscht wird. Hier leben das Volk der Inguré – menschliche Geschöpfe – und ihre Dienerrasse, die Sree – große, intelligente Echsen.

Die Menschen haben sich in zwei Lager (und Türme) gespalten – in Conden und Ancen. Seit ewigen Zeiten schon tobt ein verbitterter Krieg zwischen den beiden Parteien; ein Krieg, dessen Zweck längst vergessen ist. Beide Völker beherrschen die Magie, und in sogenannten »Kreisen« unter Leitung einer Kreisversteherin beschwören sie Dämonen, die den feindlichen Turm vernichten sollen.

Robert und Sill werden zum Conden-Turm verschleppt, als der Trupp plötzlich von Ancen-Leuten überfallen und Sill geraubt wird. So trennen sich die Wege der beiden.

Im Conden-Turm hat die Kreisversteherin Mereda längst erkannt, dass der Fremde, der in den Turm gebracht wird, kein gewöhnlicher Sterblicher ist. Obwohl sie die alte Weissagung kennt, dass eines Tages ein Messias aus dem Nichts auftauchen und mit seinem Tod die Conden zum Sieg führen soll, will sie Robert opfern, um ihre eigenen Kräfte zu mehren. Nur einem Angriff Ancens ist es zu verdanken, dass die todbringende Beschwörung nicht vollendet werden kann.

Nun erkennt auch das Volk der Conden Robert als den Erlöser und verstößt Mereda. Die junge Adeptin Aneh übernimmt den Kreis. Mit seinem Stockdegen kann Robert den Angriff abwehren – wie er mit Schrecken feststellt, sind die Ancen-Dämonen nichts anderes als Shoggoten – die Diener der GROẞEN ALTEN!

 

*

 

Dabei hatte die eigentliche Schlacht gar nicht stattgefunden. Der Kampf – soweit man das Gemetzel, das die Shoggoten unter den Conden-Leuten angerichtet hatten, so nennen mochte – hatte sich auf ein beinahe winziges, halbkreisförmiges Terrain vor dem Eingang des niedergebrannten Gebäudes beschränkt, in dem die Metamorphose-Seuche ausgebrochen war.

Nein – die weitaus größere Zahl von Opfern hatte die Panik gefordert, die unter den menschlichen und tierischen Bewohnern Condens ausgebrochen war.

Und nur die allerwenigsten Toten trugen Uniformen. Es waren wieder einmal die Unbeteiligten gewesen, die den Preis für diesen Wahnsinn bezahlten: die Kinder, die Alten, die Schwachen und Kranken, die der in Panik geratenen Menge nicht mehr hatten ausweichen können.

Der Anblick erfüllte mich mit einem Gefühl rasenden, hilflosen Zornes, wenngleich auch aus gänzlich anderen Gründen, als meine Begleiter annehmen mochten.

»Nein«, sagte ich – nicht zum ersten Mal, seit ich an Anehs Seite den Turm verlassen hatte und auf den obersten Stufen der Freitreppe stehengeblieben war.

Aneh widersprach nicht, aber der Blick ihrer großen, dunklen Augen war voller Trauer. Es war allein dieser Blick, der mich schon wieder in die Defensive drängte. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, es nicht mehr zu tun, fügte ich hinzu: »Du musst mich verstehen, Aneh. Dies alles hier ist entsetzlich, aber es …«

»Es geht Euch nichts an, Herr, ich weiß«, sagte Aneh leise. Ihre Stimme war so traurig wie ihr Blick. Sie rang sich ein Lächeln ab, aber ich sah Tränen in ihren Augen schimmern. Trotz der ungeheuerlichen Macht, die in ihrem Bewusstsein schlummerte und nur darauf wartete, geweckt zu werden, war sie noch ein Kind. Genau wie all die anderen Magier, die mich und die Condens in respektvollem Abstand umstanden.

Ich fühlte mich hilflos wie selten zuvor in meinem Leben. Dabei – absurd genug – war ich zum ersten Male überhaupt in einer Position, in der ich wirkliche Macht hatte. Noch vor Tagesfrist war ich ein Gefangener dieser Leute gewesen, einer dazu, den umzubringen sie keinerlei Mühen gescheut hatten.

Jetzt war ich ihr König.

Mehr noch – ihr Gott.

So ganz hatte ich die Geschichte, die mir Aneh im Laufe des Abends erzählt hatte, noch nicht verstanden; vielleicht, weil sie einfach zu phantastisch war, um wahr zu sein.

Es war die Geschichte dieses Volkes, eine Geschichte, die Jahrtausende in die Vergangenheit reichte und keinen Anfang hatte; jedenfalls keinen, den Aneh und die anderen noch gekannt hätten. Die Geschichte eines seit mehr als tausend Jahren tobenden Krieges zwischen den beiden gewaltigen Türmen, in die sich die menschlichen Bewohner dieser unterseeischen Welt zurückgezogen hatten – und ihres Befreiers.

Es muss wohl eine Art Naturgesetz sein, dass Menschen, die in Not sind, sich stets nach einem Befreier sehnen, einem Gott, der im Augenblick der höchsten Gefahr vom Himmel herabsteigt und sie rettet, und es gab auch hier diese Legende; wie überall. Mit einem Unterschied:

Den Menschen von Conden war dieser Befreier wirklich erschienen, ein Mann mit Zauberkräften, der im buchstäblich allerletzten Moment aus dem Nichts gekommen war und sie alle aus einer schrecklichen Gefahr gerettet hatte.

Ich.

Natürlich war ich kein Gott, nicht einmal ein ganz kleiner, und ohne die magischen Kräfte meines Stockdegens wäre ich wohl vor ihrer aller Augen von den Shoggoten verspeist worden – aber ich hatte sie nun einmal vernichtet, auch wenn ich dabei vor Angst fast gestorben wäre, und Aneh und die anderen hielten mich für ihren Gott; den Messias, von dem ihre alten Legenden berichteten. Aneh hatte etwas von einem großen ARNE erzählt, dessen Reinkarnation ich sei, doch ihr Bericht war so verworren gewesen, dass ich ihn immer noch nicht richtig verstanden hatte. Es war zur Zeit auch mein geringstes Problem, die Mythologie dieses seltsamen Volkes zu verstehen.

Es hatte herzlich wenig Sinn, den Menschen zu sagen, dass ihre Vermutungen nicht stimmten, denn auch dafür hatten sie praktischerweise die richtige Legende parat – nämlich die, dass ihr Erretter selbst nichts von seiner Bestimmung ahnte …

Ich ballte hilflos die Faust, hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, Anehs vorwurfsvollen Blick standzuhalten, und wandte mich mit einem Ruck ab, um in den Turm zurückzugehen.

Kälte und Dunkelheit schlugen mir entgegen, als ich das zyklopische Gebäude betrat. Ein paar Schatten fuhren erschrocken zusammen und huschten davon, ehe ich sie wirklich erkennen konnte. Irgendwo in dem schattigen Halbdunkel vor mir blitzte ein neugieriges Augenpaar auf. Ich ging schneller, als ich bemerkte, dass Aneh und die anderen mir folgten; in respektvollem Abstand zwar, aber beharrlich wie Schatten. Ich wollte allein sein; wenigstens für einen Moment.

Und um ein Haar wäre ich länger allein gewesen, als mir jemals lieb war …

Ich bemerkte die Bewegung im buchstäblich allerletzten Moment: ein rasches Huschen und Wogen, an einer Stelle schräg vor und neben mir, die einen Sekundenbruchteil zuvor noch absolut leer gewesen war. Etwas Gigantisches, Schwarzes schälte sich aus dem Schatten, ein grellblaues Licht flammte auf, wo einen Herzschlag zuvor noch Dunkelheit geherrscht hatte …

Und dann fühlte ich mich gepackt und herumgewirbelt. Jemand schrie. Eine schlanke, in ein lang wallendes Gewand gekleidete Gestalt tauchte vor mir auf, das Gesicht vor Schrecken verzerrt, aber hoch aufgerichtet und mit weit ausgebreiteten Armen, wie um mich zu beschützen.

Und genau das tat er auch.

Der blauweiße Blitz, der auf mich zuschoss, traf den Adepten.

Für eine halbe Sekunde schien sein Körper wie unter einem unheimlichen, inneren Licht zu erstrahlen. Winzige blaue Flämmchen rannten über sein Haar, hüllten seinen Kopf in eine blauleuchtende Aureole und zeichneten für Bruchteile von Sekunden die Umrisse seines Körpers nach, während sich sein Mund zu einem stummen Todesschrei öffnete.

Und dann waren nur noch die blauen Flammen da, ein bizarres Nachbild des längst zu Asche zerfallenen Körpers.

Ein zweiter Blitz flammte auf, fuhr mit einem schmetternden Krachen eine Handbreit neben mir in den Boden und brannte ein kopfgroßes Loch in den Granit. Ein zweiter Adept warf sich auf mich, riss mich herum und versuchte gleichzeitig, mich mit seinem eigenen Körper zu schützen. Dann vertrieb ein grellgrüner, peitschender Blitz die Dunkelheit, und wie in einer Vision sah ich Aneh und den unheimlichen Angreifer

gleichzeitig, die junge Magierkönigin, wie sie verkrampft dastand, die Augen vor Schrecken und Anstrengung geweitet, die linke Hand auf den faustgroßen Kristall auf ihrer Brust gepresst, unhörbare Worte in einer längst gestorbenen Sprache murmelnd, und das Ding, das sich in Qualen wand, eingewoben in ein Netz vernichtender Energien, das der Magierkreis von Conden über die Kreatur geworfen hatte.

Dann verlor ich das Bewusstsein.